Früher erwartete die Finanzwelt mit Spannung den Leitzins der US-Notenbank, heute schaut man nach Frankfurt. Aus dem Eurotower herab hebt und senkt dort die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins für das Eurosystem. Politisch unabhängig von nationalen Regierungen, gerät sie für die am gemeinsamen Euro-Wohl orientierte Geldpoltik immer wieder unter Beschuss. Französische Spitzenpolitiker warfen der EZB kürzlich vor, durch einen zu restriktiven Kurs die Konjunktur zu belasten.
Die Geldpolitik der EZB hat ein Ziel: den Wert des Euro zu sichern. Nach dem Vertrag von Maastricht soll die EZB für stabile Preise im Euro-Raum sorgen und die Inflation in Schach halten. Stabil heißt eine jährliche Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent. Die EZB beobachtet daher sowohl die Inflationsentwicklung als auch die Geldmenge. Diese Doppelstrategie ermöglicht der Notenbank, auf Marktanforderungen zu reagieren und die Wirtschaftspolitik zu unterstützen. Sie kann die Wirtschaft mit niedrigen Zinsen ankurbeln und mehr Geld an die Geschäftsbanken vergeben. Diese können sich leichter refinanzieren, daher mehr Kredite vergeben und die Zinsen senken. Niedrige Zinsen fördern Investitionen und Konsum. Inflationsgefahr besteht in einer lauen Wirtschaftslage weniger, wenn doch, darf die EZB ihre Zinsen nicht senken.
Bei einer guten Konjunkturlage, wie aktuell im europäischen Wirtschaftsraum, besteht die Gefahr einer höheren Inflation. Dann betreibt die EZB eine restriktive Geldpolitik und erhöht den Zins. Das verteuert Kredite, es wird weniger Geld geliehen. Außerdem bremst es die Inflation, aber auch den Aufschwung. Finanzexperten sehen aber im Moment in der Europäischen Union einen stabilen Aufschwung, der nicht aktiv gedämpft werden muss.