149. Sitzung
Berlin, Freitag, den 07. März 2008
Beginn: 9.01 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich.
Wir beginnen heute mit den Tagesordnungspunkten 22 a und 22 b sowie dem Zusatzpunkt 5:
22. a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sechster Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)
- Drucksache 16/5807 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Internationaler Frauentag muss gesetzlicher Feiertag werden
- Drucksache 16/8373 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gleichstellung von Frauen und Männern in den Gremien des Bundes tatsächlich durchsetzen
- Drucksachen 16/7739, 16/8412 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Eva Möllring
Renate Gradistanac
Ina Lenke
Elke Reinke
Irmingard Schewe-Gerigk
Zur Unterrichtung durch die Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 75 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Kollegin Ingrid Fischbach für die CDU/CSU-Fraktion.
Ingrid Fischbach (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 8. März ist der Tag, an dem Frauen weltweit ihr Recht auf Gleichberechtigung einfordern. Wir haben heute zwar erst den 7. März; aber da dies ist unsere letzte Debatte vor dem 8. März ist, ist es gut, dass wir bei dieser Gelegenheit über die Rechte der Frau debattieren.
Der Weltfrauentag bietet uns Anlass, die Situation von Frauen auch in Deutschland genauer zu betrachten. Mit dem Sechsten Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau - so lang ist der Titel; wir sagen: CEDAW-Bericht - haben wir eine Grundlage, differenzierter auf die Lage der Frauen einzugehen. Im CEDAW-Bericht wird aufgezeigt, auf welchen Gebieten wir etwas erreicht haben und wo noch Handlungsbedarf besteht.
Die Themenbereiche, die wir uns im Hinblick auf die Situation der Frauen in Deutschland anschauen müssen, sind vielseitig - so vielseitig wie die Konzepte und Umsetzungen. Die Maßnahmen, die von der Bundesregierung ergriffen wurden, umfassen unter anderem die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, den Schutz von Stalking-Opfern und den strafrechtlichen Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch. Schwerpunkt des Berichts ist aber die Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben. Auf diesen Bereich möchte ich mich aufgrund der Kürze meiner Redezeit - ich habe nur sechs Minuten - beschränken.
Eine Ursache für die leider immer noch bestehenden Ungleichheiten sind sicherlich die geschlechterspezifische Arbeitsteilung bei der Kindererziehung und die immer noch mangelhafte Infrastruktur bei den Angeboten zur Kinderbetreuung. Hier hat die Bundesregierung - vor allen Dingen unsere Familienministerin - bereits gehandelt. Dafür sagen wir auch an dieser Stelle herzlichen Dank.
Wir haben bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der Einführung des Elterngeldes und dem Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen für unter Dreijährige Entscheidendes auf den Weg gebracht. Das waren wichtige Signale. Die ersten Daten zeigen uns, dass diese Maßnahmen richtig waren.
Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen die hohe Akzeptanz, die das Elterngeld unter jungen Eltern - Müttern wie Vätern - gefunden hat. Damit ist es uns gleichzeitig gelungen, dass die aktive Beteiligung von Vätern bei der Kindererziehung auch in der Gesellschaft und explizit bei den Arbeitgebern als völlig normal angesehen wird.
- Lassen Sie doch einen Hoffnungsschimmer erst einmal keimen, Frau Lenke, statt immer gleich zu widersprechen.
Dass endlich auch Väter vermehrt die Möglichkeit in Anspruch nehmen, für die Familienarbeit eine berufliche Auszeit zu nehmen, führt viel stärker zu einer echten gleichberechtigten Teilhabe, als Frauenrechte alleine es je vermocht hätten. Die Belastungen, die wir gerade jungen Frauen heutzutage aufbürden, nehmen immer weiter zu. So sollen sie sich um einen guten Schulabschluss, eine noch bessere Ausbildung, die Familienplanung und ihre finanzielle Selbstständigkeit kümmern und in späteren Lebensjahren selbstverständlich auch für die Pflege der Eltern zur Verfügung stehen.
Wichtig ist es daher, dass unsere Politik auch die Männer in die Pflicht nimmt
- ich freue mich, dass auch die Kollegen klatschen -, damit die Belastungen mit all ihren Konsequenzen gleichmäßig aufgeteilt werden.
- Ja, wir wünschen uns noch mehr. Das ist richtig.
Frauen müssen selbstverständlich auch die Möglichkeit haben, eine Auszeit für die Familie zu nehmen. Dies darf jedoch nicht zwingend das Ende ihrer beruflichen Karriere bedeuten. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir auch die Situation der Frauen berücksichtigen, die sich voll der Kindererziehung widmen und erst nach längerer Unterbrechung wieder in den Beruf zurückkehren wollen.
Bundesministerin von der Leyen stellt heute gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, ein Aktionsprogramm zum beruflichen Wiedereinstieg vor, mit dem Frauen dieser Einstieg erleichtert werden soll. Ich glaube, auch das ist ein wichtiges Signal. Wir haben die jungen Frauen im Blick, aber auch diejenigen, die ihre Lebensplanung anders gestaltet haben. Auch ihnen bieten wir Anreize und Lösungsmöglichkeiten. Herzlichen Dank, Frau Ministerin.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist aber nicht mit den Themen Karrieremöglichkeiten von Frauen und ?Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? zu verwechseln. Diese Forderung, die schon vor 150 Jahren die Frauen auf die Straße getrieben hat, ist auch heute noch aktuell; denn hier besteht immer noch eine eklatante Ungerechtigkeit.
Es ist wichtig, dass die Vorgabe, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu zahlen, auch umgesetzt wird. Nicht nur innerhalb der EU, sondern auch in Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich immer noch ungefähr 20 Prozent weniger als Männer. Das ist nicht hinnehmbar.
Sicherlich zeigen sich hier die Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Trennlinien am Arbeitsmarkt. Die Berufswahl spielt eine entscheidende Rolle. Frauen und junge Mädchen ergreifen immer noch vorrangig Berufe, die weder gute Verdienstmöglichkeiten noch Karrieremöglichkeiten bieten. An dieser Stelle müssen wir tätig werden. Wichtig ist aber auch, dass wir die Ausbildung junger Frauen stärker in den Blick nehmen und sie besser fördern.
Die schulische Bildung von Mädchen und Frauen ist sicherlich heute besser als früher. Der Anteil der Abiturientinnen liegt konstant bei 57 Prozent. Der Anteil der Frauen im Studium ist in den letzten zehn Jahren um 10 Prozent gestiegen. Trotzdem müssen wir feststellen, dass Frauen - selbst wenn sie in aussichtsreichen Berufsfeldern tätig sind - keine entsprechenden Aufstiegsmöglichkeiten haben. Der Anteil der Frauen, die Führungspositionen auf höherer Ebene einnehmen, liegt immer noch bei nur 4 Prozent. Das ist zu wenig.
In diesem Bereich ist noch viel zu tun.
Wir haben mit unserem Antrag ?Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt stärken? schon versucht, erste Akzente zu setzen und deutlich zu machen, dass wir auf die stärkere Beteiligung von Frauen hinarbeiten, aber auch gegen die Ungerechtigkeit beim Lohn vorgehen. Deshalb, Frau Ministerin, darf ich Ihnen auch an dieser Stelle für die Initiative danken, die Sie mittels eines Leitfadens auf den Weg bringen, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, der Ungerechtigkeit beim Lohnentgelt entgegenzuwirken.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ein vorzüglicher Schluss, Frau Kollegin.
Ingrid Fischbach (CDU/CSU):
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Ich möchte mit einem Zitat der Literaturnobelpreisträgerin Pearl S. Buck schließen. Sie hat gesagt:
Schickt die Frauen in die Welt hinaus, und lasst den Mann ins Haus hinein. Das soll das Ziel von Bildung und Erziehung sein. Das Haus braucht den Mann und die Welt braucht die Frau.
Das möchte ich so stehen lassen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Mein spontaner Eindruck ist, dass die absehbaren Wirkungen des letzten Vorschlags weit über die der Einführung eines gesetzlichen Feiertages hinausgingen.
Wir setzen die Debatte mit der Kollegin Ina Lenke von der FDP-Fraktion fort.
Ina Lenke (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind wir wirklich ein Stück vorangekommen. Aber wir alle wissen, dass sich Deutschland in Europa nicht an der Spitze der Bewegung befindet. In entscheidenden Positionen in der Wirtschaft, in den Verbänden, natürlich auch in der Politik und im öffentlichen Dienst sind Frauen immer noch die Ausnahme. Daran haben auch das Bundesgleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst und das Bundesgremienbesetzungsgesetz nichts geändert.
Der Versuch, zum Beispiel im öffentlichen Dienst bessere Bedingungen für Teilzeitarbeit insbesondere von Vätern zu schaffen, ist nach hinten losgegangen. Nicht die Männer steigen vermehrt in Teilzeitarbeit ein, sondern wieder einmal die Frauen. Was Frauen wirklich ?verdienen?, ist mehr als nur Teilzeitarbeit, niedrige Löhne und Hausarbeit. Die Schere im Kopf dabei haben sehr viele. Die Bundesregierung verhindert sogar, dass Vätern und Müttern steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Vergünstigungen bei der Kinderbetreuung zugestanden werden, wie sie in der Wirtschaft üblich sind. Das wurde mir in dieser Woche von der Bundesregierung schriftlich bestätigt.
Die Wochenzeitung Die Zeit listet diese Woche minutiös die Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Mütter werden die Karriereleiter hinuntergeschickt, statt ihr Organisationstalent und ihre Fähigkeit, drei Dinge gleichzeitig zu tun, zu nutzen.
Es gibt immer noch geschlechterdiskriminierende Tarifverträge. Zum Beispiel erhält eine Schreibkraft in der Druckindustrie ein Einstiegsgehalt von 1 716 Euro, ein Lagerarbeiter dagegen 300 Euro mehr, weil er laut Tarifvertrag erhöhte Anforderungen an Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit erfüllen muss. Das lasse ich an dieser Stelle einfach so stehen; dazu kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
Warum sind die Gewerkschaften nicht in der Lage, Tarifverträge geschlechtergerecht zu gestalten?
- Ich habe jetzt erst einmal die Gewerkschaften angesprochen, die für ihre Mitglieder geschlechtergerechte Verträge aushandeln müssen.
Wir wissen von Personalberaterinnen aber auch, dass Frauen ihre eigene Leistung nicht in angemessene Gehaltsforderungen umsetzen, wie es notwendig wäre. Wir Frauen haben also noch ein bisschen mehr zu tun.
Für uns als FDP ist ein Schwerpunkt liberaler Steuerpolitik, das Steuerrecht geschlechtergerecht zu gestalten. Die Steuerklasse 5 ist ein Skandal.
Monat für Monat dauert dieser Skandal an. Wie Sie wissen, hat die FDP mit dem Solms-Konzept und einem entsprechenden Antrag im letzten Jahr bereits Initiativen zu diesem Thema in den Bundestag eingebracht.
Ein gewichtiges Problem ist doch nicht nur die große Differenz zwischen dem hohen Brutto- und dem niedrigen Nettolohn, sondern auch die Berechnung der Lohnersatzleistungen. Beim Elterngeld verlieren Frauen in der Steuerklasse 5 monatlich mehrere hundert Euro. Beim Mutterschaftsgeld und beim Arbeitslosengeld ist es ebenso. Denn diese Lohnersatzleistungen richten sich nicht nach dem Bruttolohn, sondern sie werden nach dem Nettolohn berechnet. Dass dieses Problem besteht, darin sind wir Frauen uns einig. Hier muss etwas passieren. Dafür können Sie mit Ihrer Mehrheit von über 70 Prozent endlich Zeichen setzen.
Es ist bis jetzt aber nichts passiert. Tun Sie also endlich etwas!
Frau Fischbach hat gerade die frauenpolitischen Erfolge von CDU/CSU und SPD hochleben lassen. Ich sage Ihnen aber: Die große Anzahl der teilzeitbeschäftigten Frauen wird feststellen, dass sie die von der Großen Koalition vergessenen Leistungsträger sind.
Ein großer Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung ist der Ausbau der Kinderbetreuung. Frau von der Leyen, das ist eindeutig Ihr Verdienst, für das wir von der Opposition uns bedanken.
Was aber noch fehlt, mein lieber Herr Kollege Singhammer, ist die Gleichbehandlung von privat-gewerblichen Initiativen und Elterninitiativen einerseits und staatlichen Einrichtungen andererseits. Wir wollen Existenzgründungen von Frauen auch in diesem Bereich fördern. Warum verwehren Sie das bisher? Hier müssen Sie noch etwas nachlegen.
Jetzt komme ich zu der heißen Auseinandersetzung um die Einführung eines Betreuungsgeldes. Meine Damen und Herren von der SPD, ich verstehe nicht, warum Sie hier so herumeiern. Sie haben das doch mitgetragen und schriftlich vereinbart. Aber in der Öffentlichkeit tun Sie so, als wollten Sie das gar nicht. Zwischen dem, was Sie schriftlich niederlegen, und dem, was Sie in der Öffentlichkeit sagen, besteht eine sehr große Differenz. Dass Sie diesen Kuhhandel eingegangen sind, Frau Humme, verstehe ich nicht. Sie spielen ein doppeltes Spiel. Aber die Wählerinnen durchschauen das.
Nicht neue Gesetze schaffen wirkliche Gleichberechtigung, sondern ein liberaler Staat, der seinen Bürgern und Bürgerinnen viel Spielraum für Eigenverantwortung und Eigeninitiative lässt und der die Frauen dort unterstützt, wo sie alleine nicht tätig werden können, nämlich in der Steuergesetzgebung, der Sozialgesetzgebung und bei der Organisation der Kinderbetreuung. Ein geschlechtergerechtes Steuerrecht und eine geschlechtergerechte Arbeitsmarktpolitik sind ein Schlüssel zur Integration von Frauen in der Arbeitswelt. Das ist ein liberaler Weg, der für Frauen und Männer zukunftsweisend ist.
Die FDP hat einen Entschließungsantrag zum CEDAW-Bericht vorgelegt, in dem wir konkrete Vorschläge machen. Aufgrund der mir verbleibenden Redezeit - ich habe nur noch 22 Sekunden - kann ich darauf leider nicht näher eingehen. Aber der Entschließungsantrag liegt dem Parlament schon längere Zeit vor. Wir machen jedenfalls konkrete Vorschläge und wollen gemeinsam mit Ihnen Frauenpolitik erfolgreich gestalten.
Ich komme zum Schluss. Die von der Linken vorgeschlagene Einführung des Internationalen Frauentages als gesetzlicher Feiertag ist das absolute Nichts und wird uns auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung überhaupt nicht voranbringen. Das ist eher eine Lachnummer.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Marks, SPD-Fraktion.
Caren Marks (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Lenke, die SPD-Fraktion spielt kein doppeltes Spiel. Es ist ganz klar, wie wir zum Betreuungsgeld stehen. Die Formulierungen beinhalten keine Vorfestlegungen. Das will ich an dieser Stelle klarstellen.
Gleichstellungspolitik ist auch am morgigen Internationalen Frauentag kein alter Hut; denn obwohl Frauen heute formal gleiche Rechte und gleichen Zugang zu Bildung haben, sind Frauen und Männer noch immer nicht gleichgestellt. So hat sich der CEDAW-Ausschuss zum fünften Staatenbericht besorgt über das Fortbestehen der allgegenwärtigen stereotypen und konservativen Ansichten über die Rolle und Aufgaben von Frauen und Männern geäußert. Der Ausschuss hat eine Verstärkung der politischen Maßnahmen gefordert.
Seit Bestehen der Bundesrepublik haben sich die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern deutlich verändert. Die einseitigen Rollenzuweisungen an Frauen, verantwortlich für die Familienarbeit, sowie an Männer, allein zuständig für den Familienunterhalt, sind heute nicht mehr aktuell. Das vorgegaukelte Bild des Familienidylls der 50er-Jahre zulasten von Frauen ist verstaubt.
Dennoch ist es nicht allzu lange her, dass eine ehemalige TV-Moderatorin ein Buch, in dem das Bild der Frau als Hausfrau und Mutter beschworen wurde, schreiben musste. Diese alten Rollenbilder - er zieht den Anzug an, sie die Schürze - sind noch in vielen Köpfen verfestigt,
auch wenn das nicht mehr dem Wunsch der meisten jungen Frauen und Männer entspricht. So betont der sechste CEDAW-Bericht zu Recht:
Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer ist heute das zentrale gleichstellungspolitische Anliegen: Ohne eine Neuausrichtung der geschlechtsspezifischen Verantwortlichkeiten in Familie und Beruf und ohne das Bereitstellen der hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen ist Gleichstellung nicht durchsetzbar.
Es war notwendig und richtig, dass wir seit 1998 wichtige Weichenstellungen für eine partnerschaftliche Verteilung von Familien- und Erwerbsarbeit vorgenommen haben. So haben wir als Bundesgesetzgeber den Ländern und Kommunen bei den Kinderbetreuungsangeboten und Ganztagsschulen auf die Sprünge geholfen. Mit der Einführung des Elterngeldes haben wir gleichstellungspolitische Akzente zugunsten der aktiven Väter gesetzt. Die aktuellen Auswertungen zum Elterngeldbezug im Jahr 2007 belegen: Die Gruppe der Väter, die Elternzeit beantragen, verzeichnet Rekordzuwächse. Väter legen mit den neuen Möglichkeiten des Elterngeldes rund dreimal so häufig wie beim alten Erziehungsgeld eine sogenannte Babypause ein. Das ist ein Erfolg.
Das Elterngeld und die Partnermonate - wir haben lange genug gegen Begriffe wie Wickelvolontariat kämpfen müssen -
sind auch unter gleichstellungspolitischen Aspekten ein Erfolgsmodell.
Gute Arbeit für Frauen bleibt aber eine wesentliche Baustelle in der Gleichstellungspolitik. Insgesamt liegt das Einkommen von Frauen in Deutschland bei ungefähr gleicher Arbeitszeit immer noch mindestens 20 Prozent unter dem von Männern. Frau Lenke, weibliche vollzeitbeschäftigte Angestellte in der Privatwirtschaft verdienen sogar rund 30 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Auch eine Studie des Weltwirtschaftsforums von 2007, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern in 128 Ländern erfasst wurde, macht dies deutlich. In der Kategorie ?Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit? nimmt unser Land lediglich Rang 71 ein. Diese Ungerechtigkeit werden wir nicht länger hinnehmen. Auch mithilfe des AGG, des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, werden wir die Finger in die Wunde legen und diese Form der Diskriminierung Stück für Stück weiter abbauen.
Sogenannte typische Frauenberufe wie Erzieherin, Krankenschwester und Altenpflegerin sind schlecht bezahlt, und es gibt in ihnen überwiegend geringe Aufstiegschancen. In den Vorstandsetagen hingegen sitzen überwiegend gutbezahlte Männer und deutlich zu wenig Frauen auf den Chefsesseln. Wir müssen die Mentalitäten verändern und die Strukturen in unserer Gesellschaft aufbrechen. Unterschiedliche Rollenzuweisungen für Frauen und Männer sollten der Vergangenheit angehören.
Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die existenzsichernde Beschäftigung schafft und Frauen eine eigenständige Alterssicherung ermöglicht; denn von Armut trotz Arbeit sind in Deutschland überwiegend Frauen betroffen. Frau Lenke, wir laden die FDP gerne ein, mitzumachen. Wir brauchen gesetzliche Mindestlöhne, die vor Lohndumping schützen. Davon profitieren insbesondere Frauen;
denn sie sind verstärkt im Niedriglohnsektor beschäftigt.
Wir brauchen auch eine Neubewertung von gesellschaftlich wichtiger Arbeit. Der Bedarf im Betreuungs-, Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich, also der Dienst am Menschen, wird zukünftig steigen. Diese Arbeit muss uns mehr Wert sein. Auch muss es Ziel sein, mehr Männer als bisher für diese Berufe zu gewinnen, in denen bislang überwiegend Frauen tätig sind. Notwendig dafür ist eine berufliche Bildung, die weder typisch weibliche noch typisch männliche Berufsbilder produziert. Aber auch Arbeitgeber und Gewerkschaften stehen in der Verantwortung, für angemessene Bruttolohnsteigerungen, die allen einen gerechten Anteil am Unternehmenserfolg sichert, zu sorgen.
Gefragt sind faire Tariflöhne; denn sie sind ein gutes Mittel gegen offene Lohndiskriminierung. Gefragt sind auch familienfreundliche Arbeitsbedingungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lebbar machen. Nicht von schlechten Eltern wäre auch ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft.
Die Strategie des Gender-Mainstreaming ist bisher erfolgreich. Ich habe mich daher sehr gewundert, dass im CEDAW-Bericht zu lesen war, dass diese Strategie verändert werden soll. Der Begriff wird vom Ministerium als ?Auslöser für Widerstände gegenüber der Gleichstellung? interpretiert. In den letzten Jahren haben sich viele anscheinend sperrige Begriffe wie Win-win-Situation oder Benchmarking durchgesetzt. Deren alltäglicher Gebrauch und sinnvolle Anwendung wird von niemandem infrage gestellt. Viel mehr als die fadenscheinige Kritik an einem Begriff ist eine Analyse der bisherigen Ergebnisse der angewandten Strategie notwendig. Hierzu hat das Ressort aber leider nichts vorgelegt.
Die Strategie des Gender-Mainstreaming zielt auf die Modernisierung in der Gesellschaft, den notwendigen Umbau unserer Sozialversicherungssysteme und die Veränderung der noch bestehenden traditionellen Geschlechterverhältnisse. Nicht nur am Internationalen Frauentag muss Frauenpolitik ein Thema sein. Die SPD wird sich auch weiter für eine aktive Gleichstellungspolitik auf allen Ebenen und in allen Bereichen einsetzen.
Gender-Mainstreaming ist und bleibt unser Auftrag.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke.
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Das ?Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau?, CEDAW genannt, ist ein Menschenrechtsabkommen. Es schreibt rechtsverbindlich vor, die Diskriminierung von Frauen in allen Lebensbereichen zu bekämpfen. Die große Themenvielfalt ist ebenso eine Stärke von CEDAW wie die Tatsache, dass Frauen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen direkt angesprochen werden, zum Beispiel in Art. 14 dieses Berichts, der die besonderen Probleme von Frauen in ländlichen Räumen thematisiert - ein oft überlesener Teil des Berichtes. Dort heißt es, landwirtschaftliche Betriebe würden in Deutschland überwiegend als Familienbetriebe bewirtschaftet. Zitat:
Von den vollbeschäftigten Familienarbeitskräften dieser Betriebe waren 16,9 Prozent weiblich, bei den teilzeitbeschäftigten Familienarbeitskräften lag der Anteil dagegen bei 46,5 Prozent.
Und weiter:
Allerdings hatten nur 9 Prozent aller landwirtschaftlichen Einzelnunternehmen eine Frau als Inhaberin.
Die Bundesregierung kommentiert diesen Passus sehr desinteressiert:
Die Zahlen machen deutlich, dass ohne die Arbeit der Frauen fast alle landwirtschaftlichen Betriebe nicht bestehen könnten.
Die Linke zieht daraus ganz andere Schlüsse: Erstens. Es gibt ein massives Defizit bei der sozialen Sicherung von mitarbeitenden Familienangehörigen. Zweitens. In Deutschland werden weibliche Betriebsleiterinnen in der Landwirtschaft offensichtlich benachteiligt.
Im EU-Durchschnitt wird zum Beispiel jeder fünfte landwirtschaftliche Betrieb von Frauen geleitet, in Österreich sogar jeder dritte. Im Bericht müsste also eigentlich stehen: Frauen leisten einen erheblichen Teil der Arbeit, haben aber eine geringere direkte Teilhabe am erwirtschafteten Gewinn. Das ist eindeutig eine Diskriminierung. Zur Überwindung dieser Diskriminierung hat Deutschland vor über zwei Jahrzehnten CEDAW ratifiziert.
Unsere Forderung ist eindeutig: eine eigenständige Existenzsicherung - auch für die mitarbeitenden Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben. Die Landfrauen fordern schon länger ein Grundeinkommen. Wir sollten an diesem Problem endlich ernsthaft arbeiten.
Ein weiteres Thema der Bundesregierung ist: mehr Frauen in Führungspositionen. Meiner Fraktion geht es aber nicht nur um mehr Frauen in Führungspositionen. Mehr Beteiligung von Frauen an Erwerbsarbeit als Armutsprävention, das ist das Thema.
Dabei muss Erwerbsarbeit aus Sicht der Linken mindestens drei Forderungen erfüllen. Sie muss erstens die ökonomische Unabhängigkeit und Existenzsicherung garantieren. Sie muss zweitens mit der Familie vereinbar sein. Sie muss drittens - das ist wichtig - zur Entfaltung der persönlichen Fähigkeiten und Talente beitragen.
Es mag sein, dass man als weibliche Abgeordnete mit Ostbiografie eine spezifische Sicht auf die Rolle von Erwerbsarbeit hat. Eines wird kaum mehr bestritten: Die hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen in der DDR hat einen Gleichstellungsvorsprung gegenüber Frauen im Westen begründet. Der geht leider gerade Stück für Stück verloren.
Das lässt sich auch belegen. Im Jahr 2001 sagten in einer Umfrage rund drei Viertel der ostdeutschen Frauen, sie hätten sich zu DDR-Zeiten ihren Männern gegenüber gleichgestellt gefühlt. Zum Zeitpunkt der Umfrage selbst, 2001, waren es gerade noch 18 Prozent. Die verstetigte Langzeitarbeitslosigkeit von Frauen im Osten wird als einer der Gründe dafür benannt.
Aber auch im Erwerbsleben kommt die Gleichstellung schnell unter die Räder. Die dramatische Situation von Frauen im Erwerbsleben kritisierte der CEDAW-Ausschuss bereits anlässlich des letzten Berichts aus Deutschland. Er bemängelte - Zitat -
das hohe Maß an Langzeitarbeitslosigkeit unter Frauen, die wachsende Anzahl von teilzeitarbeitenden Frauen und von Frauen in niedrig bezahlten und gering qualifizierten Arbeitsverhältnissen, das Fortbestehen der Lohndiskriminierung gegen Frauen und die Diskrepanz zwischen ihrer Qualifikation und ihrem beruflichen Status.
Was antwortet die Bundesregierung in ihrem aktuellen Bericht auf diese Kritik? Sie stellt lapidar fest, dass Teilzeitarbeit - Zitat -
trotz ungünstiger Arbeitsmarktlage in den vergangenen Jahren zum Beschäftigungsaufbau und zur Beschäftigungssicherung beigetragen sowie die Chancengleichheit von Männern und Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert?
habe.
Das ist schlichtweg falsch; denn Teilzeitarbeit verfestigt Rollenklischees. Fragen Sie Frauen, wie es ist, mit Teilzeitarbeit über die Runden zu kommen!
Teilzeitarbeit bedeutet nicht nur weniger Geld am Monatsende, sondern sie bedeutet auch weniger Arbeitslosengeld und weniger Rente. Deswegen ist die Forderung der Linken ganz eindeutig: eigenständige Existenzsicherung und armutsfeste Renten für Frauen - natürlich auch für Männer.
Wenn wir eine wirkliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen, brauchen wir weniger Teilzeitarbeit, stattdessen aber erstens eine allgemeine Verkürzung der Vollzeitarbeit, zweitens die Gleichverteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern - das ist hier schon einmal angeklungen -
und drittens gesicherte Mindeststandards in der öffentlichen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, besonders in der Kinderbetreuung.
Gerade die dritte Forderung ist mir sehr wichtig, denn die strukturelle Diskriminierung von Frauen hat oft viele unbeachtete und verdeckte Wirkungen. Was passiert denn, wenn Schulen, Arztpraxen, Sportvereine oder Bus- und Bahnlinien in ländlichen Regionen verloren gehen? - Es sind dann vor allen Dingen die Frauen, die den zusätzlichen organisatorischen Aufwand in der Familie abfangen müssen.
Dies geschieht auf Kosten der Verwirklichung eigener Lebensziele - bis hin zum Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit, wenn diese nicht mit der Familie vereinbar ist. Das heißt doch aber im Klartext, dass der Rückbau von öffentlicher Daseinsvorsorge Frauen diskriminiert, weil ihre selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am Leben eingeschränkt wird. Dieser gesellschaftliche Befund ändert sich übrigens nicht, wenn Frauen freiwillig auf die Wahrung ihrer Interessen verzichten.
Noch ein Wort zur Situation von Billiglöhnerinnen. Erschreckende 70 Prozent der im Niedriglohnbereich Beschäftigten sind weiblich. Den lohndrückenden Effekt billiger Frauenerwerbsarbeit hat übrigens schon Clara Zetkin beschrieben. Ich denke, dass wir nach 100 Jahren endlich damit Schluss machen sollten.
Das Modell des männlichen Ernährers und der weiblichen Zuverdienerin ist nun wirklich endgültig verstaubt.
Die Linke fordert deshalb auch aus gleichstellungspolitischen Gründen erstens einen gesetzlichen Mindestlohn, zweitens ein Ende der skandalösen Entgeltdiskriminierung - das wurde heute schon angesprochen - und drittens ein Ende der diskriminierend niedrigen Löhne in sogenannten Frauenberufen. Dazu gehört nicht nur die berühmte und vielzitierte Friseurin.
Dass gerade die soziale Diskriminierung im Bericht der Bundesregierung ausgespart bleibt, zeigt doch, dass die Bundesregierung das Problem, dass Frauen strukturell diskriminiert werden, ignoriert. Damit wird aber diese Diskriminierung zementiert und nicht bekämpft.
Das Scheitern der freiwilligen Vereinbarung, die allerdings noch zwischen der rot-grünen Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft geschlossen wurde, erzwingt geradezu die Forderung nach einem Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft.
Ich freue mich, dass die SPD und die Grünen auch dafür sind. Die Linke unterstützt diese Forderung des DGB, der Einzelgewerkschaften und des Deutschen Frauenrates, die sie am Mittwoch noch einmal erhoben haben, ganz ausdrücklich.
Ein Instrument zur Erfüllung der CEDAW-Vorgaben könnte auch die ?Strategie Gender Mainstreaming? sein. Das lässt sich auf der Homepage des Gender-Kompetenz-Zentrums zum Thema CEDAW nachlesen. Frau wird allerdings im CEDAW-Bericht der Bundesregierung Ausführungen zum aktuellen Umsetzungsstand von Gender-Mainstreaming vergeblich suchen. Lediglich konkrete Projekte der vorangegangen Bundesregierung werden dort erwähnt. Damit wird aber eines offensichtlich: Ministerin von der Leyen steuert den Gender-Mainstreaming-Prozess längst nur noch auf dem Papier, wenn überhaupt.
Unter der Großen Koalition findet somit keine aktive Gleichstellungspolitik mehr statt, geschweige denn die systematische Berücksichtigung von Bedürfnissen, Talenten und Interessen von Frauen und Männern in allen Politikbereichen. Das Recht von Frauen auf eine eigenständige Existenzsicherung rückt dann aber sowohl im Osten als auch im Westen wieder in weitere Ferne.
Für die Linke ist diese Situation Anlass gewesen, den schon zitierten Antrag einzubringen, der für einige möglicherweise ein bisschen überraschend kommt. Wir greifen damit eine Initiative von Hamburger Gewerkschafterinnen auf, die gefordert haben, den Internationalen Frauentag am 8. März zum gesetzlichen Feiertag zu erklären.
Wenn man nach den historischen Wurzeln des Internationalen Frauentages fragt, kommt man nicht an Clara Zetkin vorbei, die ja Alterspräsidentin des letzten frei gewählten Reichstages war. Aber das haben Sie in unserem Antrag sicherlich gelesen.
Spätestens seit der Anerkennung dieses Tages durch die UNO im Jahr 1975 ist der 8. März der Tag, an dem Frauen weltweit gleiche Rechte einfordern. Der Linken reicht das aber nicht. Wir fordern ein Umdenken und ein Anders-Handeln.
Ein gesetzlicher Feiertag bietet eine verfassungsmäßig garantierte Zeit ?der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung?.
Was, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ein geeigneterer Anlass für eine seelische Erhebung sein, als alljährlich wenigstens am 8. März einmal über Schritte hin zur tatsächlichen Diskriminierungsfreiheit von Frauen nachzudenken?
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Schewe-Gerigk ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Welchen Stellenwert die Frauenpolitik bei dieser Bundesregierung hat, lässt sich gut daran ablesen, was Sie uns heute als Beratungsgrundlage zum morgen stattfindenden Internationalen Frauentag vorlegen. Es handelt sich nämlich um den Sechsten Bericht der Bundesregierung zur UN-Frauenrechtskonvention, der den Zeitraum von 2002 bis 2006 umfasst, also um einen Bericht, der überwiegend auf die rot-grüne Regierungszeit eingeht.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich wollen wir diesen Rechenschaftsbericht in Sachen Gleichstellung an die Vereinten Nationen diskutieren. Aber wir wüssten gerne von der Bundesregierung, was daraus folgt und welche Konsequenzen sie daraus zieht. Frau Kollegin Fischbach hat hier wunderbar analysiert, welche Probleme wir haben. Aber was machen denn Sie von der Regierungskoalition?
Sie tragen doch die Bundesregierung. Sie legen uns keinen einzigen Antrag vor. Sie lamentieren zwar darüber, wie schlecht es den Frauen geht, aber Sie tun nichts.
Wir wollen anlässlich des Weltfrauentages mit Ihnen über die Zukunft der Frauen reden. Was tun Sie? Sie reden über die Vergangenheit. Aber das hat natürlich auch seinen Grund, nämlich die vielen erfolgreichen Maßnahmen seit 2001. Ich betone: erfolgreiche rot-grüne Maßnahmen. Mir ist es ja peinlich, dass ich jetzt noch über die Uralterfolge sprechen muss, aber Sie haben uns ja mit dem, was Sie hier vorlegen, die Vorlage dazu gegeben.
- Ja, natürlich nur wegen des Zeitverlaufs. - Ich zähle hier noch einmal die erfolgreichen Maßnahmen auf: das Gewaltschutzgesetz, der Aktionsplan gegen häusliche Gewalt, die Aufnahme des Tatbestandes der Zwangsverheiratung in das Strafgesetzbuch, die Verbesserung des Schutzes für Opfer von Menschenhandel, bessere Möglichkeiten zur Strafverfolgung von Tätern durch die Strafrechtsreform, der asylrechtliche Schutz vor geschlechtsspezifischer Verfolgung, der massive Ausbau der Kindertagesbetreuung - hierfür haben wir schon im Rahmen unserer Gleichstellungspolitik 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt -, das Job-AQTIV-Gesetz und das Gesetz zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst.
Das alles sind die Maßnahmen, die wir beschlossen haben und die in diesem Bericht stehen, über den wir diskutieren sollen, Frau Fischbach.
Ich komme nun zu Ihrem Beitrag. Wenn ich das richtig betrachte, dann finde ich im Bericht außer der Elternzeit, die ja bereits von Renate Schmidt eingeleitet worden ist, nicht viel.
Es reicht nicht, Frau Fischbach, die noch bestehende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern fein säuberlich zu analysieren. Sie sind doch keine Musterschülerin, und für Ihre Fleißarbeit streichelt Ihnen auch niemand über den Kopf. Sie sind in der Regierungskoalition, Sie müssen handeln.
Sie sagen selbst, die großen Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern sind nicht hinnehmbar. Das steht auch in dem Bericht. Was hat denn die Kanzlerin während der EU-Ratspräsidentschaft getan? - Wir hatten einen Antrag eingebracht, dass sie im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft aktive Maßnahmen vornimmt. Nichts ist passiert. Die Bundesregierung macht also auch nichts. Im Bericht steht, es handele sich nur selten um direkte Lohndiskriminierung, da könne man gar nichts tun. - Das ist absolut falsch.
- Frau Fischbach möchte mit mir sprechen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Miteinandersprechen lässt sich auch außerhalb der Redezeit abwickeln. Aber wenn es sich um den Wunsch nach einer förmlichen Zwischenfrage handelt, möchte ich diese gerne aufrufen.
Ingrid Fischbach (CDU/CSU):
Frau Schewe-Gerigk, ich habe es zur Kenntnis genommen, dass Sie gesagt haben, unter der EU-Ratspräsidentschaft der Kanzlerin seien bestimmte Themen nicht angesprochen worden. Können Sie diesem Hohen Hause kurz erklären, was Sie seinerzeit unter der rot-grünen Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene auf den Weg gebracht haben, gerade im Bereich der Frauen- und Familienpolitik? Wenn ich mich recht erinnere - ich bin schon ein bisschen länger dabei -, ist das überhaupt kein Thema gewesen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das ist eine wunderbare Frage. Wir sollen also noch weiter in die Vergangenheit zurückgehen. Die letzte EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands war 1999. Damals war ich auch schon im Parlament. Da haben wir das Gewaltschutzgesetz, das bereits in vielen europäischen Ländern eingeführt war, übernommen.
Ich komme zu den geschlechtsspezifischen Einkommensunterschieden zurück. Diesbezüglich sagt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung: Es handelt sich bei einem Drittel dieser Einkommensunterschiede um eine direkte Diskriminierung. - Sie sagen, Sie können nichts tun, Sie wollen nicht in die Tarifautonomie eingreifen. Ich glaube, Sie können etwas tun. Sie brauchen nur den Unternehmen endlich einmal ein paar Vorgaben zu machen. Transparente Lohn- und Beförderungsstrukturen wären dafür ein erster Schritt. Aber die Auseinandersetzungen mit den Unternehmen scheuen Sie. Das ist Ihnen nicht so wichtig. Aber Sie tun der Wirtschaft damit überhaupt nichts Gutes. Sie leisten ihnen nämlich einen Bärendienst. Denn wer sich heute nicht um die qualifizierten Frauen kümmert, dem fehlen morgen und zum Teil auch schon heute die Fachkräfte. Wir wissen, die Männerdominanz in den Führungsetagen ist ein unglaublich großes Wirtschafts- und Innovationshemmnis.
- Zustimmung beim Abgeordneten Kauder. -Die neuen Studien zeigen doch, dass Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen wirtschaftlich erfolgreicher sind, mehr Gewinne machen als ausschließlich von Männern geführte Unternehmen.
Natürlich hätten Sie schon längst vor der eigenen Haustür der Bundesverwaltung kehren können. Denn wie lange wollen wir denn noch das Tarifsystem für den öffentlichen Dienst auf mögliche Diskriminierungspotenziale überprüfen? Das ist doch wirklich absurd. Wir wissen doch alle, dass es diese gibt.
Im Rahmen der Lobreden wird auch das rot-grüne Bundesgleichstellungsgesetz angesprochen. Allmählich stellen wir fest, dass es die richtige Wirkung zeigt. Ich finde es schon komisch, dass die Union nun meint, die wachsende Zahl der Frauen in Führungspositionen in Unternehmen sei ihr Verdienst. Natürlich können wir nicht heute ein Gesetz beschließen, und morgen hat sich der Anteil der Frauen verändert. Dass dies eine gewisse Zeit braucht, dürfte doch auch Ihnen klar sein.
Der Bericht führt aus, dass die Quote im Bundesdienst gar nicht oft zum Einsatz kommen musste. Ich frage mich, woran das liegt. Die Antwort ist eindeutig: Die Frauen sind besser qualifiziert, wenn sie eingestellt oder befördert werden. Darüber hinaus haben wir die Beförderungen aufgrund des langjährigen Beschäftigungs- und Dienstalters, die es früher gab, abgeschafft.
Das führt dazu, dass hier stärker Frauen vorankommen. Aber ich stelle folgende Frage an Sie: Warum müssen eigentlich Frauen immer besser sein, damit sie einen Job bekommen? Warum reicht nicht die gleiche Qualifikation aus?
Ich glaube, es ist notwendig, dass wir endlich eine diskriminierungsfreie Leistungsbewertung einführen.
- Unsere Doppelspitze hat sich bewährt.
In den Gremien des Bundes werden wichtige Entscheidungen getroffen. Wir alle wissen aber, dass das Bundesgremienbesetzungsgesetz nicht effektiv ist.
- Jetzt wird hier über Frau Künast diskutiert. Ich warte einen Moment, Herr Präsident.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Es ist Ihnen überlassen, ob Sie sich auf diese Diskussion einlassen oder nicht.
Jedenfalls kann ich Ihnen für eine solche Neigung keine zusätzliche Redezeit in Aussicht stellen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Zurück zum Bundesgremienbesetzungsgesetz: Die Bundesregierung hat bei der Vorstellung des CEDAW-Berichts im Deutschen Institut für Menschenrechte offen zugegeben, dass dieses Gesetz nicht wirkt. Unser Antrag dazu liegt dem Bundestag heute zur Abstimmung vor. Sie müssten ihm nur zustimmen. Schon vor einem Jahr haben Sie uns im Ausschuss gesagt, dass Sie überlegen, wie man das Gesetz verändern könne. Sie haben gesagt, dass Sie das überprüfen wollen. Ihre Prüfung dauert sehr lange. Passiert ist bisher nichts. Ich glaube, dass Sie bis zum Ende der Legislaturperiode auf Zeit spielen wollen.
Reden Sie doch wenigstens so kurz vor dem Weltfrauentag Klartext. Die Union möchte eigentlich gar keine Politik für Frauen machen.
Sie macht eine erfolgreiche Familienpolitik. Das reicht ihr. Sie haben vielleicht Angst, dass Sie mit Frauenpolitik den einen oder anderen Wähler vergrätzen. Ich sage Ihnen: Sie unterschätzen aber die Wählerinnen. Die wollen Folgendes nämlich nicht: schlechtere Löhne, nicht in Spitzenpositionen kommen und in den Gremien des Bundes nichts zu sagen haben.
Jetzt muss ich zu den Kolleginnen von der SPD schauen. Sie schauen der CDU wie hypnotisiert beim Nichtstun zu.
Für die Frauen werden keine Koalitionskämpfe ausgefochten. Das macht Sie, werte Kolleginnen, unglaubwürdig.
Die beiden anderen Oppositionsparteien bemühen sich dagegen immerhin, zum Weltfrauentag etwas Neues zu Papier zu bringen. Damit komme ich zur Kollegin Ina Lenke: Die FDP kommt mit Konzepten aus den 70ern. Frau Lenke, Sie wollen Teilzeitbeschäftigung - wohlgemerkt: ausdrücklich von Frauen - stärken. Frauen sollen, wie Sie es so schön sagen, ihre Lebensverlaufsmodelle frei wählen können. Ich habe Ihre Ausführungen dazu bisher immer ganz anders verstanden.
- Nein, das habe ich nicht missverstanden. Ich habe Ihren Antrag extra mitgebracht. Hier steht: ?Programme zu entwickeln, damit die Teilzeitbeschäftigung von Frauen ein stärkeres Gewicht erfährt?. Das scheint ein Politikwechsel zu sein.
Liebe Kollegin Lenke, die FDP hat die Unterhaltsreform mitbeschlossen und damit die Ehe als lebenslange Versorgungsinstitution abgeschafft. Man muss den Frauen aber auch sagen, was das bedeutet. Wenn Sie die Frauen auf Teilzeitarbeit verweisen,
basiert Ihr Freiheitskonzept auf dem Rücken der Frauen.
Ich komme zum Schluss. Die Linke hat die ?drei Ks? neu definiert: Kinder, Küche, Kommunismus. Sieben Jahre zu Hause aufs Kind aufpassen, Clara Zetkin würde sich im Grabe umdrehen.
Ich frage Sie: Haben Sie diese Idee der Mutterkreuzritterin aus dem Saarland zu verdanken?
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Verehrte Frau Kollegin, bitte.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Schluss. - Wo wir gerade bei Christa Müller sind - da besteht kein Grund mehr zum Lachen; da muss man wirklich in sich gehen -: Christa Müller verglich die von ihr sogenannte Fremdbetreuung mit dem grausamen Ritual der Genitalverstümmelung. Ich zitiere:
Bei der Genitalverstümmelung handelt es sich um Körperverletzung, bei der Krippenbetreuung ?um seelische Verletzung - und die ist manchmal schlimmer als Körperverletzung.
Das ist eine unglaubliche Entgleisung. Ich wünsche mir, dass die Linksfraktion etwas dagegen sagt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun müssen Sie aber wirklich zum Schluss kommen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das mache ich. - Ich sage jetzt nicht mehr, dass ich die Forderung, den Internationalen Frauentag zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen, für absurd halte. Ich verweise auf unsere Anträge zu den Themen, über die wir heute diskutiert haben. Sie liegen dem Bundestag vor.
Recht herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Ute Granold, CDU/CSU-Fraktion.
Ute Granold (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Schewe-Gerigk, Sie haben offenbar ein Problem mit der wirklich guten Gleichstellungspolitik der Bundesregierung. Anders kann ich Ihre Ausführungen nicht verstehen.
Wir diskutieren heute einen Bericht, der zum Teil den Zeitraum der alten Bundesregierung, aber auch den der neuen Bundesregierung betrifft. Das, was vorgelegt wurde, zeugt davon, dass eine gute Politik gemacht wurde. Eine ganze Menge guter Anträge der Koalition werden hier diskutiert, vielleicht haben Sie sie noch gar nicht gelesen.
Der Antrag, den Sie zum Beispiel diese Woche im Rechtsausschuss vorgelegt haben, nach dem Stellen in Gremien des Bundes, die dann, wenn sie nicht mit Frauen besetzt werden können, leer bleiben sollen, verfolgt sicherlich nicht die richtige Politik. Natürlich wollen wir diese Stellen mit qualifizierten Frauen besetzen. Es gibt diese qualifizierten Frauen. Ich darf daran erinnern, dass die Union als große Volkspartei eine Vorsitzende hat. Wir haben eine Bundeskanzlerin und darüber hinaus eine hervorragende Familien- und Frauenministerin. Das ist der richtige Weg.
Die Symbolpolitik der Linken mit ihrer Forderung, den 8. März zu einem gesetzlichen Feiertag zu erklären, hilft den Frauen mit Sicherheit nicht. Lassen Sie mich einen Teilbereich in Fortsetzung dessen beleuchten, was die Kollegin Fischbach gesagt hat. Es geht um Frauen, die Gewalt erleben. Gewalt ist in Deutschland in allen gesellschaftlichen Schichten und in allen sozialen Bereichen zu finden, und zwar mit zunehmender Tendenz. Es geht aber nicht nur um die physische Gewalt, sondern auch um die psychische Gewalt, die teilweise weitaus schlimmer als die physische Gewalt ist. Dieses Thema ist lange Zeit tabuisiert worden. Deshalb ist es gut, dass wir es in diesem Hause heute ansprechen.
Die Gewalt im sozialen Nahbereich wurde angesprochen. Sie wird von Partnern, Kollegen, Vorgesetzen, Mitschülern, guten Bekannten, Nachbarn und vielen anderen ausgeübt. Zu der häuslichen Gewalt ist zu sagen - ich arbeite in diesem Bereich seit 25 Jahren -, dass in jeder dritten Beziehung in allen sozialen Schichten häusliche Gewalt an der Tagesordnung ist. Mir liegt eine Umfrage des Familienministeriums aus dem Jahre 2004 vor. Danach haben 40 Prozent der befragten Frauen körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, 58 Prozent sexuelle Belästigung, 42 Prozent psychische Gewalt.
2002 haben wir das Gewaltschutzgesetz verabschiedet. Das ist ein gutes Gesetz. Die Große Koalition hat den Antrag eingebracht, das Gewaltschutzgesetz zu prüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln, und zwar, Frau Kollegin Schewe-Gerigk, schon im September 2007. Es ist der richtige Weg, zu überprüfen, ob das Gesetz greift oder nachgebessert werden muss.
Sehr stolz sind wir auf das Anti-Stalking-Gesetz, das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen. Mit diesem Thema hat man sich schon in der 15. Legislaturperiode - Frau Schewe-Gerigk, hören Sie gut zu - beschäftigt. Hier kam es zu keinem positiven Ergebnis, weswegen es in der Schublade verschwand. Wir in der Großen Koalition haben auf das richtige Pferd gesetzt. Das von uns verabschiedete Gesetz ist seit knapp einem Jahr in Kraft. Damit werden auch die schweren Fälle von Stalking und auch die Deeskalationshaft erfasst, was auf eine Forderung des Bundesrates, nämlich von Bayern und Hessen, zurückgeht.
Zu diesem Gesetz gibt es nun die ersten Erhebungen zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen. In den neun Monaten seit Inkrafttreten gibt es alleine dort 4 430 Fälle von Stalking. Davon sind in der Regel Frauen betroffen. Diese Fälle zeigen, dass dies ein wichtiges Gesetz ist.
Wir müssen aber noch darauf achten, dass in den Ländern die Staatsanwaltschaften und die Polizei entsprechend ausgestattet sind, damit das Gesetz vor Ort greift. Das ist ein großer Erfolg der Großen Koalition, auf den wir sehr stolz sind. Es ist der richtige Weg, zu evaluieren und dann das, was gut ist, weiter zu verfolgen und das, was schlecht ist - das haben wir getan -,nachzubessern.
Lassen Sie mich ein weiteres Thema ansprechen, nämlich Menschenhandel und Zwangsprostitution. Weltweit werden jährlich etwa 700 000 Frauen Opfer von Menschenhandel. In Westeuropa sind das bis zu 200 000 Frauen. Genau dieses Delikt ist weltweit am lukrativsten. Es ist eben nicht der Waffen- oder der Drogenhandel, sondern der Menschenhandel. Menschenhandel ist in der Regel Frauenhandel. Sexsklaverei - so muss man es leider nennen - ist eine der übelsten Formen der Menschenrechtsverletzung.
Diese Form von Menschenhandel gibt es auch hier in Deutschland. Es gibt auch in Deutschland Zwangsprostituierte. Darum müssen wir uns kümmern, nicht nur in Zeiten der Fußballweltmeisterschaft, sondern jeden Tag, weil jeden Tag jede dieser Frauen unendliches Leid erfährt.
Wir haben hier - das wurde angesprochen - einiges erreicht. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Menschenhandel. Die Strafvorschriften zum Menschenhandel wurden weltweit vereinheitlicht. Wir haben die Regelungen für die Opfer im Aufenthaltsrecht verbessert. Dazu gehören auch die medizinische Versorgung und ein verbesserter Aufenthaltsstatus, wenn die Opfer als Zeugen im Prozess aussagen. Es gibt eine ganze Reihe von Kooperationen zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Beratungsorganisationen. Ich erwähne hier nur stellvertretend Solwodi mit Schwester Lea Ackermann, die eine hervorragende Arbeit für die Opfer von Menschenhandel leisten.
Ich muss sagen: ohne Nachfrage kein Angebot. Jeden Tag gehen in Deutschland 1,2 Millionen Menschen zu einer Prostituierten, von denen viele in der Zwangsprostitution sind. Wir fordern, dass auch diejenigen, die Menschenhandelsopfer sexuell missbrauchen, bestraft werden; die Einführung dieser sogenannten Freierbestrafung haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir möchten, dass die Gesetzesinitiative aus dem Bundesrat nun endlich im Bundestag verhandelt wird und diese Menschen einer Strafe zugeführt werden.
Meine Redezeit ist leider zu Ende. Ich möchte aber noch etwas zum Thema Migrantinnen und Migranten sagen. Gerade die Frauen leisten einen wertvollen Beitrag zur Integration, gerade die Frauen. Aber auch hier gibt es Gewalt, Genitalverstümmelung, Zwangsehen usw. Das ist ein Thema, dem wir uns - auch gerade als Rechtspolitiker - annehmen. Das verfolgen wir weiter.
Leider Gottes habe ich keine Redezeit mehr. Es gäbe noch vieles zu sagen. Wir tun sehr viel. Ich denke, die Opposition - die Grünen - ist ob der guten Gleichstellungs- und Frauenpolitik der Bundesregierung irritiert.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun hat die Kollegin Sibylle Laurischk für die FDP-Fraktion das Wort.
Sibylle Laurischk (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute zum morgigen Weltfrauentag. Ich habe nicht den Eindruck, dass es darum geht, neue Feiertage einzuführen. Wir haben Erfahrungen mit dem Muttertag und Ähnlichem.
Ich habe den Eindruck, dass bei der Linken neuerdings Gattinnen eine Rolle spielen, die nach meinem Dafürhalten der Frage der Gleichstellung der Frauen in keiner Weise gerecht werden.
- Herr Präsident!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die kleine Irritation haben wir schon gelöst. Lassen Sie sich nicht stören.
Sibylle Laurischk (FDP):
Wir sollten aber auch auf dem rechten Auge nicht blind sein. Wie heute berichtet wird, ist eine rechtsradikale Partei im Schweriner Landtag der Auffassung, dass alle Gleichstellungsvorschriften abgeschafft werden sollten. Ich halte das für verfassungswidrig.
Das ist eine klare Positionierung gegen das Grundgesetz; das können wir nicht dulden.
In Art. 3 des Grundgesetzes heißt es unter anderem:
Der Staat ... wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Zu den Nachteilen - das ist von meinen Vorrednerinnen schon angesprochen worden - gehört nach wie vor - ich bedauere das sehr; es ist leider so - die Gewalt gegen Frauen. Wir haben ein Gewaltschutzgesetz, das Frauen nicht ausreichend schützt. Oftmals kommt ihnen und ihren Kindern Schutz nur zu, wenn sie sich in Frauenhäusern aufhalten können, in denen sie Schutz vor Gewalt finden.
Jede siebte deutsche Frau ist Opfer von Gewalt in ihrer Beziehung, unter den Migrantinnen ist der Anteil der von Gewalt betroffenen Frauen noch höher. Pro Jahr suchen rund 40 000 Frauen in Deutschland in Frauenhäusern Zuflucht vor der Gewalt ihrer Männer. Der Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sieht zwar ein Bündel von Maßnahmen gegen häusliche Gewalt vor, aber eine verlässliche Finanzierung von Schutzräumen fehlt. Die Regelung für die Finanzierung der bundesweit rund 400 Frauenhäuser variiert je nach Bundesland und Kommunen. Während in Schleswig-Holstein die Finanzierung aufgrund eines Landesgesetzes erfolgt, erfolgt sie in Thüringen aufgrund eines Landesgesetzes in Verbindung mit einer Rechtsverordnung. In anderen Bundesländern erfolgt die Finanzierung auf rein freiwilliger Basis, oftmals auch unter Hinzuziehung kommunaler Mittel.
Darüber hinaus sind Eigenmittel und Spenden für die Frauenhäuser unverzichtbar. Eine verlässliche Zuwendung an die Frauenhäuser, die ihnen Planungssicherheit geben würde, gibt es bislang nicht. Je nach Kostenart sind unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten denkbar. Kontrovers diskutiert wurde in der Vergangenheit über die Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung, sei es mithilfe eines Bundesgesetzes, sei es mithilfe einer Vereinbarung mit den Bundesländern.
Ich fordere deshalb die Bundesfrauenministerin, Frau von der Leyen, auf, diesen Mangel zu beseitigen und endlich auf eine verlässliche Finanzierung der Frauen- und Kinderschutzhäuser hinzuwirken und dies tatsächlich erreichen zu wollen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin Dr. Sitte das Wort.
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):
Frau Kollegin, Sie haben in einem Nebensatz, apostrophiert mit ?Gattinnen?, Positionen von Frau Müller angesprochen. Ich will ganz ausdrücklich sagen, dass es in der Gesellschaft wie auch in Parteien natürlich Auseinandersetzungen um emanzipatorische Konzepte gibt. Das ist auch in unserer Partei der Fall.
Wir haben in unserer Partei
- lassen Sie mich doch einmal ausreden - eine ganz klare Beschlusslage. Diese Beschlusslage wird von Frau Müller nicht vertreten. Diese Beschlusslage wird auch von unserer Fraktion geteilt. Mir ist wichtig, das hier öffentlich klarzustellen.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nach meinem Eindruck bedarf es jetzt eigentlich keiner Reaktion, weil die Fraktion das Bedürfnis einer Klarstellung hatte und ich dies weniger als eine Stellungnahme zu einer der vorgetragenen Reden empfinde.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort erhält die Kollegin Angelika Graf für die SPD-Fraktion.
Angelika Graf (Rosenheim) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würde geboren.
So steht es in Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, welche in diesem Jahr 60 Jahre alt wird. Seit fast 29 Jahren gibt es zusätzlich das Übereinkommen, über das wir uns heute unterhalten: das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau; seine Abkürzung lautet CEDAW.
Als Diskriminierung wird in dieser Konvention in Art. 1 definiert:
jede mit dem Geschlecht begründete Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung, die zur Folge oder zum Ziel hat, daß die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau gegründete Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Frau - ungeachtet ihres Familienstands - im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, staatsbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird.
Das ist ein schwieriger Satz, aber er ist durchaus lesenswert.
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, Diskriminierungen zu beseitigen. Sie müssen alle vier Jahre einen Bericht über ihre Gleichstellungspolitik vorlegen, welcher durch sogenannte Schattenberichte von Nichtregierungsorganisationen ergänzt und kommentiert wird. Dabei herrscht eine große Themenvielfalt; das hat Frau Tackmann schon erwähnt.
Auf der Grundlage von CEDAW hat die Weltfrauenkonferenz in Peking im Jahre 1995 - insbesondere im Rahmen von ?Peking plus zehn? - zwölf Problem- und Arbeitsbereiche herausgearbeitet: Frauen und Armut, Bildung und Ausbildung von Frauen, Frauen und Gesundheit, Gewalt gegen Frauen, Frauen und bewaffnete Konflikte, die Frau in der Wirtschaft, Frauen in Macht- und Entscheidungspositionen, institutionelle Mechanismen zur Förderung der Frau - hierzu zählen zum Beispiel nationale Aktionspläne -, die Menschenrechte der Frauen, übrigens mit einem besonderen Blick auf das Zivil-, Straf- und Familienrecht, Frauen und Medien, Frauen und Umwelt und die Situation von sehr jungen Frauen, mit speziellem Blickwinkel auf schwangere Mädchen und jugendliche Mütter, aber auch auf die vielfältigen Verletzungen, die kleinen Mädchen zugefügt werden, von der Genitalverstümmelung bis zur Abtreibung weiblicher Föten in einer Reihe von Ländern. All diese Punkte werden im CEDAW-Bericht erwähnt.
Die Maßnahmen, die die Bundesregierung und ihre rot-grüne Vorgängerregierung unternommen haben, um die Diskriminierung von Frauen zu unterbinden, sind vielfältig. Ausgangspunkt ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Bei diesem Thema hatte die Regierungskoalition mit einigen ?Geburtswehen? zu kämpfen. Mittlerweile sind sie allerdings überstanden. Jetzt sind wir in der Lage, mit diesem Gesetz Diskriminierungen zu verhindern.
Nun möchte ich einige Felder ansprechen, in welchen durch unser Handeln insbesondere unter dem Aspekt der Menschenrechte Grundlagen - ich betone: Grundlagen - zur Verbesserung der Situation geschaffen wurden. Dabei geht es insbesondere um den Frauenhandel. Nicht zuletzt wegen der guten Kooperationsstrukturen in Deutschland durch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Frauenhandel und den Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e. V. - seine Abkürzung ist KOK - ist es uns gelungen, in der Diskussion über Frauenhandel und Zwangsprostitution im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft international zu bestehen.
Das verdanken wir auch der sehr erfolgreichen Kampagne ?Abpfiff? des Deutschen Frauenrates
und dem Hotlinetelefon von Solwodi. Beide Kampagnen richten sich an die Freier und waren auch dank der nach einigen Gesprächen erzielten Einsicht der FIFA und der Beachtung durch die Medien sehr gut geeignet, für das schwierige Thema eine sachgerechte und nicht voyeuristische Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erreichen.
Dazu kommt, dass wir bereits im Jahre 2005, also noch unter Rot-Grün, die strafgesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit dem Menschenhandel aktualisiert und auf europäischen Standard gebracht haben.
Bereits seit 2004 können Opfer von Menschenhandel dank des Opferschutzreformgesetzes auch als Nebenklägerinnen auftreten. Bezüglich der Freierstrafbarkeit, Frau Granold, steht im Koalitionsvertrag ein Prüfauftrag. Wir werden uns also mit dieser Sache beschäftigen; wir werden es prüfen.
Ebenfalls aus dem Jahre 2005 datiert die Anerkennung der geschlechtsspezifischen Verfolgung als Asylgrund. Das ist eine wichtige Grundlage für Frauen, die sich und ihre Töchter zum Beispiel vor einer Genitalverstümmelung bewahren wollen. In der Entwicklungszusammenarbeit gibt es auf der Grundlage der UN-Resolution 1325 ein weites Arbeitsfeld. Dazu gehört, in Bezug auf die Bildungssituation von Frauen in Entwicklungsländern Rechtssicherheit durch entsprechende Projekte herzustellen, die finanzielle und wirtschaftliche Situation von Frauen zu verbessern und damit eine Grundlage für nachhaltige Entwicklung in schwierigen Regionen vieler Länder zu schaffen.
Nicht zu unterschätzen ist die Relevanz, die CEDAW für die Lebenssituation von Migrantinnen in Deutschland hat, nicht nur was die Bildungssituation und die Berufstätigkeit von Migrantinnen in unserem Land betrifft. Ich will beileibe nicht den Eindruck erwecken, als bliebe da nicht noch viel zu tun. Nicht nur im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Zwangsverheiratung oder anderer Ehrverbrechen muss man ganz nüchtern feststellen, dass das statistische und wissenschaftliche Material, das uns vorliegt, leider relativ dünn ist. Das heißt, wir müssen daran arbeiten, mehr Forschungsmittel in diesen Bereichen einzusetzen, um verlässlicheres Datenmaterial zu bekommen.
Ich nehme die Forderung aus dem FDP-Antrag, die Forschung auf diesem Gebiet noch weiter zu intensiveren, gerne auf. Nur wer die Gründe für solche Entwicklungen kennt, kann auch wirksam dagegen angehen. Die Vermittlung von Sprachkompetenz ist sicher nur eines der wichtigsten Instrumente.
Gespannt bin ich auf den Schattenbericht - ich habe es schon angesprochen - der Nichtregierungsorganisationen, an dem derzeit gearbeitet wird. Er wird uns, weil sich da die Praktiker und Praktikerinnen vor Ort zu Wort melden, speziell im Bereich der Menschenrechtssituation von Migrantinnen sicherlich noch wertvolle Anregungen liefern und den Finger in manche Wunde legen. Das ist wichtig und notwendig, um weitere Fortschritte machen zu können.
Ohne die Begleitung durch die Medien macht das alles aber wenig Sinn. Deswegen freue ich mich sehr, dass der Journalistinnenbund, welcher seit 2002 einen Preis für junge Nachwuchsjournalistinnen auslobt, in den letzten Jahren viele Preisträgerinnen ausgezeichnet hat, die ein entsprechendes Thema bearbeitet haben. Ich möchte unter ihnen beispielhaft Hilal Sezgin und Claudia Hoffmann herausheben. Beide haben sich mit der Gesellschaft beschäftigt, in der unsere Migrantinnen leben bzw. aus der sie kommen. Frau Hoffmann schreibt für FACTS über die Bedingungen, unter denen iranische Frauen Sport treiben. Über Leistungsbereitschaft, Ehrgeiz und Zähigkeit wird da berichtet. Hilal Sezgin hat für das Feuilleton der Frankfurter Rundschau über die Situation einer jungen Türkin berichtet. Unaufgeregt, nicht anklagend und trotzdem erschütternd oder vielleicht deshalb erschütternd schreibt sie über patriarchalische Familienverhältnisse, Zwangsverheiratung, Gewalt, Prostitution und das Ausländerrecht. Aber sie lässt ihrer Protagonistin ihre Würde, heißt es in der Laudatio. CEDAW schafft die Möglichkeit, jeden Tag daran zu arbeiten, dass Frauen ihre Würde behalten, nicht nur am Internationalen Frauentag. Es ist nämlich kein Weltfrauentag, sondern ein internationaler Frauentag, den wir morgen begehen. Ferner ermöglicht es uns - das zeigt uns der Bericht -, festzustellen, wie weit wir auf diesem Weg gekommen sind. Das ist also eine Arbeit, mit der wir - ich hoffe, alle miteinander - weitermachen müssen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Bundesministerin Ursula von der Leyen.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den sechsten CEDAW-Bericht. Seit der Herausgabe des fünften CEDAW-Berichtes haben wir in der Gleichstellungspolitik Erhebliches auf den Weg gebracht. Dies zeigte sich schon sehr gut in dieser Diskussion, und ich danke Ihnen, Frau Graf, dass Sie die große Bandbreite der unterschiedlichen Themen des CEDAW-Berichtes angesprochen haben. Wir haben hier schon viel über die Themen Prostitution, Gewalt gegen Frauen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Menschenrechte gehört. Diese große Bandbreite macht schlussendlich deutlich, was auf dieser Welt selbstverständlich sein sollte: dass Frauen ohne Gewalt leben und in Würde und mit Respekt ihre Verantwortung wahrnehmen können. Auch sollte es selbstverständlich sein, dass sowohl in den Berufen als auch bei der Betreuung anderer Menschen Männer wie Frauen gleichermaßen die Päckchen tragen. Das ist die eigentliche Aussage des CEDAW-Berichtes.
Aber natürlich sehen wir an diesem CEDAW-Bericht auch, dass es noch unglaublich viel zu tun gibt. Das gesamte Thema Gewalt gegen Frauen ist eben schon dargestellt worden. Die geringe Anzahl von Frauen in Führungspositionen spricht eine laute Sprache. Persistierende Entgeltungleichheiten und die geringere soziale Absicherung von Frauen hängen sehr wohl mit folgendem kritischen Punkt zusammen: Wenn wir uns das Thema Arbeitsbelastung im Alltag anschauen und uns mit der Frage beschäftigen, wer welchen Teil der Verantwortung trägt, dann stellen wir fest, dass die Arbeitsbelastung von Frauen im Beruf und in der Familie unverhältnismäßig hoch ist. Genau darauf geht Art. 11 des Berichts sehr deutlich ein.
Zwei Zahlen zeigen, dass in Deutschland im europäischen Vergleich die gläserne Decke noch allzu dick ist. Die Erwerbsquote von Frauen ohne Kinder in Deutschland ist im europäischen Vergleich gar nicht so schlecht; hier liegen wir im Mittelfeld. Bei der Erwerbsquote von Frauen mit Kindern sausen wir auf Platz 19 hinunter. Das heißt, wir machen es im Vergleich zu anderen Ländern, wo auch nicht alles Gold ist, Frauen in unserem Land besonders schwer, wenn sie Kinder haben. Eine andere Zahl macht dies noch deutlicher, wenn wir uns nämlich im europäischen Vergleich die Zahl der Frauen in Führungspositionen anschauen. Auch hier ist die Quote in vielen Ländern - die skandinavischen Länder vielleicht einmal ausgenommen - beschämend niedrig, wenn man es am Anteil der weiblichen Beschäftigten in den Betrieben misst und daran denkt, wie selbstverständlich eine gleiche Qualifikation von Frauen ist. Beim Anteil von Frauen mit Kindern unter den Frauen in Führungspositionen ist Deutschland Schlusslicht. Dies, meine Damen und Herren, ist ein Zustand, der so nicht bleiben kann und darf.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Beck?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ja.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Ministerin, Sie haben eben zu Recht gesagt, gerade in Deutschland werde es Frauen mit Kindern besonders schwer gemacht. Ich frage Sie daher - diese Frage richtet sich mittelbar auch an Ihre Kollegin Wissenschafts- und Bildungsministerin, Frau Schavan -, weshalb sich Ihr Haus so wenig dafür engagiert, jungen Frauen zu helfen, die ihr Medizinstudium nicht beenden können, weil ihnen unendliche bürokratische Hürden in den Weg gelegt werden. Beispielsweise wird ihnen gesagt, ein Wechsel zu einer anderen Universität sei nicht möglich, weil die Regelstudienzeit um zwei Semester überschritten worden sei. Lassen Sie mich kurz den Sachverhalt schildern: Es geht um ein junges Ehepaar, beide Mediziner, mit zwei kleinen Kindern; der Mann bekommt eine Stelle in einem Kinderklinikum in meinem Wahlkreis in Bremen. Die junge Frau will ihr PJ auch in Bremen machen. Die Universität Göttingen weigert sich aber, eine Voraussetzung zu schaffen, um den Wechsel nach Bremen zu ermöglichen. In der Konsequenz bedeutet das, dass diese junge Frau ihr Studium nicht abschließen kann. Sie ist hochbegabt und zudem Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.
Dies ist ein ganz klassischer Fall. Ein junges Paar tut das, was die Bundesregierung und insbesondere Ihr Haus nahelegen, nämlich Kinder in die Welt zu setzen und sich trotzdem zu qualifizieren. Dann ist es aber wegen der bestehenden bürokratischen Hürden nicht möglich, ein Medizinstudium abzuschließen. Ich habe die beiden zuständigen Ministerien mit diesem Fall betraut und sie dringlich gebeten, sich für diesen Fall einzusetzen. Außer sehr inhaltsleeren Antwortschreiben ist leider nichts passiert. Ich möchte Sie bitten, hier noch einmal Stellung zu nehmen, wie Sie mit solchen Fragen umgehen wollen. Das ist die Praxis und viel wichtiger als das, was man in Interviews sagt.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Das ist die Praxis; das ist die Lebenswirklichkeit. Ich glaube, jeder und jede von uns hat viele Fälle unterschiedlichster Art auf dem Tisch. Dieser Fall ist aber, wenn ich es richtig verstanden habe, auf hochschulspezifische Eigenheiten zurückzuführen und betrifft die Frage eines Studienplatzwechsels. Das ist, soweit ich das noch dunkel aus dem eigenen Medizinstudium erinnere, in der Tat eine wirklich schwierige Sache. Man muss nämlich jemanden finden, der auch wechseln will. Denn man hat ja einmal einen Studienplatz bekommen, der mit einem Numerus clausus belegt war. Das heißt, dass man nicht ohne Weiteres einen bestimmten Studienplatz bekommen kann.
Ich nehme aber gerne Ihre Anregungen auf. Wir werden uns darum kümmern und uns fragen, ob das ein spezifisches Problem einer jungen Frau mit Kind ist und ob hier Ungerechtigkeit besteht oder ob das ein Problem ist, das alle Medizinstudenten in Deutschland haben, wenn sie zum Beispiel von Bremen oder Berlin nach Göttingen wechseln wollen. Das wäre dann eine universitätsspezifische Frage. Darüber können wir gerne diskutieren.
Dies ist einer der vielen Einzelfälle. In der Summe zeigt sich immer wieder, dass es in Deutschland für Frauen mit Kindern im Hinblick auf Beruf und insbesondere Karriere messbar Hindernisse gibt. Wir alle wissen, dass wir das mit zwei Dingen bezahlen, nämlich mit dem ganz hohen Preis der Kinderlosigkeit oder aber - das wiegt genauso schwer - mit dem gewaltigen Verlust an Qualifikation und an Erfahrung. Natürlich resultieren aus diesen Strukturen Dinge wie Lohnungleichheit, die in unserer Gesellschaft zu dem starren Bild führen, dass weibliche Arbeit weniger wert sei.
Was diese Diskussion hier auch zeigt - dazu ist der CEDAW-Bericht gut; denn er erstreckt sich über zwei Legislaturperioden, also auch noch in die jetzige -: Wir sind stark, wenn wir, insbesondere wir Frauen, kraftvoll zusammenstehen und dann auch Dinge durchsetzen. Wir haben insbesondere für junge Eltern in beispiellos kurzer Zeit viel getan: die Einführung des Elterngeldes im ersten Lebensjahr des Kindes und den Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Ich bin der festen Überzeugung, dass gerade die Einführung der Partnermonate bzw. die Beteiligung der Väter an Erziehungszeiten, die sich im Vergleich zu der früheren extrem niedrigen Quote, die über Jahre gleichgeblieben ist, vervierfacht hat - da bewegt sich richtig etwas -, zigmal mehr bringt, als zum Beispiel ausschließlich über die Unübersetzbarkeit des Begriffes ?Gender-Mainstreaming? zu debattieren und zu streiten. Ich sage ganz klar: Diskutieren ist wichtig; aber wir diskutieren nicht nur, wir handeln auch. Das kann man unter dem Strich auch sehen.
Nachdem wir viel für junge Eltern getan haben, dürfen wir eine bestimmte Gruppe von Frauen ebenfalls nicht aus dem Auge verlieren. Sie sind vielleicht nicht so spektakulär, weil sie sich nicht so häufig artikulieren. Das sind diejenigen Frauen, die über viele Jahre aus dem Beruf ausgestiegen sind, auf die Berufsausübung verzichten wollten oder verzichten mussten, jetzt Anfang/Mitte 40 sind, noch rund 27 Erwerbsjahre vor sich hätten, wenn sie könnten, und sich berechtigt fragen: Welche Perspektiven haben wir? Ein Großteil dieser Frauen will wieder erwerbstätig sein. Wir haben jetzt Sinusstudien vorliegen, die zeigen, dass das für sie ein Hindernislauf über viele Jahre ist. Diese Frauen zweifeln oft an den eigenen Fähigkeiten - die unbezweifelbar vorhanden sind. Ihnen fehlt oft die Unterstützung ihres Partners, der meint, der Wiedereinstieg seiner Frau in den Beruf hätte mit ihm nichts zu tun. Vor allem fehlen ihnen nach den vielen Jahren der Auszeit die Anknüpfungspunkte, die Kontakte. Auch hat sich die Welt im Beruf weitergedreht. Mit Ihrer Unterstützung möchte ich in diesem Jahr einen Schwerpunkt meiner Arbeit auf die Förderung dieser Frauen setzen. Wir möchten ein Programm aufstellen, das auf drei Säulen fußt:
Die erste Säule ist die Information. Diese Frauen haben nicht typischerweise mit der Bundesagentur für Arbeit zu tun, sie verfügen nicht mehr über Netzwerke, sie befinden sich in einer Art luftleeren Raum und müssen sich orientieren. Dabei möchten wir ihnen mit einem Internetportal helfen, das zwischen den Bundesländern und der Bundesagentur abgestimmt ist. Es gibt zwar eine Vielzahl von Angeboten; diese sind aber in einem Dschungel verteilt. Wir brauchen eine Anlaufstelle, wo man sich je nach der spezifischen Situation informieren kann. Und diese ist ganz verschieden: Welche Berufsausbildung ist vorhanden? Wie lange war die Auszeit: fünf Jahre, zehn Jahre, fünfzehn Jahre? Wie alt sind die Kinder? Wie lautet der Berufswunsch? Wo liegt der Wohnort? Ist jemand mobil, hat er ein Auto? All diese Dinge spielen eine große Rolle.
Als zweite Säule werden wir ein ESF-Programm auflegen, für das wir 14 Millionen Euro zur Verfügung haben. Wir wollen damit gemeinsam mit den Unternehmen erfolgreiche Wege des Wiedereinstiegs aufzeigen.
In diesem Zusammenhang liegen mir die Teilzeitmodelle besonders am Herzen. Teilzeit in Deutschland heißt 50 Prozent, ist typischerweise weiblich und heißt typischerweise keine Karriere - meine Güte, wie veraltet dieses Bild ist!
Schauen wir uns doch einmal in der Welt um! Kluge Teilzeit heißt alles, was nicht Vollzeit ist. Zwischen 50 und 100 Prozent liegen immerhin 50 Prozent, die man flexibel regeln kann. Kluge Teilzeit heißt Karriere in Teilzeit. Schauen wir nach Holland! Dort arbeiten fast so viele Männer wie Frauen Teilzeit. Unser Ansinnen muss es sein, die Teilzeit aufzuwerten, flexible Teilzeit zu ermöglichen, für die Männer wie für die Frauen, genau wie wir es beim Elterngeld mit den Partnermonaten eingeführt haben. Wichtig ist mir, dass wir mit der Wirtschaft die Weiterqualifikation befördern, wenn jemand eine Auszeit von vielen Jahren hatte. Wichtig sind auch flexible Arbeitsformen. Dazu laufen Gespräche, nicht nur mit den Wirtschaftsverbänden, sondern auch mit den Frauenverbänden und mit den Weiterbildungs- und Beratungseinrichtungen. Dafür stehen, wie gesagt, 14 Millionen Euro zur Verfügung.
Die dritte Säule ist die schwierigste, aber zugleich die wichtigste Säule: Es muss unten ankommen, es muss vor Ort ankommen. Wir können auf Bundesebene die schönsten Programme entwerfen - sie müssen vor Ort verankert sein. Wir möchten dabei die guten Instrumente, die etabliert sind, nutzen. Das beginnt mit 75 Millionen Euro über drei Jahre für das Bundesprogramm ?Lokales Kapital für soziale Zwecke?,
ein Mikroförderprogramm, das spezifisch auf den Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf ausgerichtet werden soll. Das setzt sich fort mit den ?Infobörsen für Frauen?, die jetzt an den Start gegangen sind und mit denen viele Kommunen Frauen eine Antwort auf ihre spezifischen Fragen geben. Das setzt sich fort in den ?Lokalen Bündnissen für Familie?, von denen es inzwischen knapp 500 gibt. Auch die Mehrgenerationenhäuser, von denen es inzwischen ebenfalls 500 gibt, gehören dazu.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Ministerin - -
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Sie sehen, meine Damen und Herren: Dies soll ein Schwerpunkt in diesem Jahr sein. Es gibt enormen Betätigungsbedarf. Es ist daher nicht einfach, hier etwas aus dem Boden zu stampfen. Die Frauen brauchen Wiedereinstiegsmöglichkeiten, und die gibt es nicht von der Stange. Deshalb wollen wir - das sage ich mit Blick auf den CEDAW-Bericht - ganz konkret einen Beitrag zur Umsetzung des Art. 11 der Frauenrechtskonvention leisten.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Ministerin, darf ich Sie - -?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Letzter Satz. - Gute Arbeit, gleicher Lohn und Zeit für die Nächsten, das ist ein Recht der Frauen wie der Männer.
Danke.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin Reinke.
Elke Reinke (DIE LINKE):
Frau Ministerin, ich finde es gut, dass Sie Wert darauf legen, dass Frauen nach der Kindererziehung in den Beruf zurückkehren können.
Was gedenken Sie für Frauen zu tun, die derzeit keine Leistungen, also kein ALG II, beziehen, weil das Einkommen des Partners eventuell um 1 oder 2 Euro zu hoch ist? Dass dies nicht nur Frauen, sondern auch Männer betrifft, macht es nicht besser. Wäre es nicht wichtig, einen Ansatz zu entwickeln, wie es in dieser Frage weitergehen soll?
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun hat die Kollegin Elke Ferner für die SPD-Fraktion das Wort.
Elke Ferner (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich noch an Debatten zum Internationalen Frauentag erinnern, in denen wir noch nicht einmal in der Analyse des Istzustands übereingestimmt haben. Insofern sind wir in der Tat schon einige Schritte weitergekommen.
Allerdings sind die Antworten auf die Frage, was wir zugunsten einer wirklichen Gleichstellung von Männer und Frauen ändern müssen, immer noch sehr unterschiedlich.
Die Situation in Deutschland ist im europäischen wie im internationalen Vergleich mehr als beschämend. Bei uns ist das Wahlverhalten in Bezug auf Beruf und Studienfach deutlich eingeschränkter als in anderen Ländern. Die typischen Frauenberufe sind nicht nur schlecht bezahlt, sondern bieten vielfach auch keine Aufstiegsmöglichkeiten. Frauen verdienen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit - ich gehe dabei von gleichen Arbeitszeiten aus; es geht nicht um das Verhältnis zwischen Teilzeit und Vollzeit - über 20 Prozent weniger als Männer. Der Frauenanteil in den Führungspositionen und Aufsichtsgremien der Wirtschaft, aber leider auch in Forschung und Lehre und im öffentlichen Dienst ist ebenfalls viel zu niedrig. Ich glaube, das ist einem hochentwickelten Land wie Deutschland nicht würdig.
Diejenigen, die glauben, dass sich dies von alleine ändern wird, sind meiner Meinung nach nicht nur naiv und blauäugig, sondern sie verweigern auch einer hervorragend ausgebildeten Frauengeneration die Chance auf gleiche Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dabei geht es um mehr als die Frage, Frau Ministerin, ob Frauen nach der Erziehungsphase wieder in den Beruf einsteigen können. Es geht auch darum, dass Männer und Frauen beides nicht nur nacheinander, sondern auch gleichzeitig machen können, wenn sie dies wollen.
So wichtig und richtig ich Hilfen und Unterstützung für Berufsrückkehrerinnen finde, ist mir das im 21. Jahrhundert zu wenig ambitioniert.
Was tun Sie? Welche Vorschläge haben Sie, wenn es darum geht, diesen gut ausgebildeten jungen Frauen endlich auch in der Privatwirtschaft die gleichen Aufstiegschancen zu bieten?
Wir haben im Koalitionsvertrag gemeinsam vereinbart, die zwischen der Bundesregierung und den Unternehmen getroffene freiwillige Vereinbarung zu überprüfen, wenn der Bericht zur Gleichstellung von Männern und Frauen vorgelegt wird. Ich sage klipp und klar: Die freiwillige Vereinbarung ist gescheitert.
Wer mich länger kennt, weiß, dass ich auch schon zu unseren Regierungszeiten gegen diese Vereinbarung war, weil ich meine, dass sie nichts bringt. Das hat sich inzwischen bestätigt. Denn wenn es in dem bisherigen Tempo weitergeht, dann warten noch unsere Urenkelinnen darauf, dass Frauen paritätisch in Führungspositionen oder gar Aufsichtsgremien der deutschen Wirtschaft vertreten sind. In 50 Jahren wird zum Internationalen Frauentag wahrscheinlich noch fast das Gleiche beklagt wie heute.
Ich finde es toll, dass sich auch die FDP endlich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzt, Frau Lenke.
Aber warum beschränken Sie Ihre Forderungen zur Geschlechtergerechtigkeit im Erwerbsleben auf den öffentlichen Dienst? Soll sie denn in der Privatwirtschaft nicht Platz greifen?
In Ihrem Antrag gehen Sie darauf nicht ein.
Auch in der Frage, wie wir den Lohnunterschied - das ?Gender Pay Gap?, wie es auf neudeutsch so schön heißt - ausgleichen können, muss etwas getan werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist zwar ein Mosaikstein, aber es reicht noch lange nicht aus, dass die einzelne Frau oder hin und wieder auch ein einzelner Mann selber vor Gericht ziehen muss, wenn sie oder er sich durch unterschiedliche Lohnzahlung diskriminiert fühlt. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz fehlt ein Verbandsklagerecht genauso wie eine echte Beweislastumkehr.
Was in der jüngsten Ausgabe der Zeit zu lesen ist, kann einen traurig stimmen. Selbst in höchstqualifizierten Berufen sind Frauen noch meilenweit von den Einkommen der Männer entfernt. Es ist richtig, wenn Sie, Frau Lenke, sagen, dass auch bei der Tarifpolitik etwas passieren muss. Aber die Tarifpolitik wird von zwei Partnern gemacht - nicht nur von den Gewerkschaften, sondern auch von der Arbeitgeberseite.
In der Zeit konnte man lesen, dass ein Bäckereigehilfe nach kurzer Einarbeitungszeit ein um 300 Euro höheres Einkommen hat als eine Bäckereifachangestellte nach dreijähriger Ausbildungszeit.
Da muss man sich fragen, ob in dieser Gesellschaft etwas nicht stimmt.
Arbeit, die von Frauen ausgeübt wird, ist nicht deshalb weniger wert, weil sie von Frauen ausgeübt wird. Frau Raiser vom Deutschen Frauenrat hat einmal die Frage gestellt, warum ein Tierpfleger eigentlich mehr verdient als eine Kindergärtnerin. Das ist nicht nachvollziehbar. Deshalb brauchen wir eine neue Bewertung von Arbeit, insbesondere der von Frauen ausgeführten Arbeit. Denn dies ist in der Regel Arbeit, bei der es um den Dienst von Menschen am Menschen - ob in der Kindererziehung oder der Kranken- und Altenpflege - geht.
Aber auch Frauen mit einer hochwertigen akademischen Ausbildung verdienen teilweise über 1 000 Euro weniger als Männer, obwohl sie das gleiche Alter und den gleichen Familienstand haben. Das Schlimme dabei ist, dass der Lohnunterschied mit dem Alter wächst und nicht vom Familienstand unabhängig ist. Das Verrückte ist, dass Väter höhere Einkommen als kinderlose Männer haben, während Mütter geringere Einkommen als kinderlose Frauen haben. Da stimmt etwas nicht; darauf müssen wir eine Antwort geben.
Ich möchte noch kurz auf den PDS- oder Linken-Antrag zum Internationalen Frauentag eingehen. Das ist ein netter Gag, aber unser Anspruch geht da viel weiter.
Wir wollen uns nicht nur an einem einzigen Tag, nämlich dem Internationalen Frauentag, Gedanken darüber machen, was noch zu tun ist. Vielmehr möchten wir, dass 365 Tage im Jahr über alle Ressorts hinweg eine aktive Gleichstellungspolitik gemacht wird, und zwar im Rahmen eines eigenständigen Politikfeldes, nicht nur als Unterabteilung der Familienpolitik.
Wir brauchen eine eigenständige Gleichstellungspolitik, weil sie eben mehr als nur Familienpolitik ist. Nicht alle Frauen sind Mütter. Frauen, die keine Kinder haben - aus welchen Gründen auch immer, sei es freiwillig oder unfreiwillig, zum Beispiel weil es am richtigen Partner oder an anderen Dingen fehlt -, haben auch ein Recht darauf, in dieser Gesellschaft diskriminierungsfrei zu leben und ihre Lebensentwürfe verwirklichen zu können.
Liebe Kolleginnen von der Linken, ich kann Ihnen leider nicht ersparen zu sagen, dass es mir manchmal so vorkommt, als gäbe es bei Ihnen zwei Parteien.
Es ist nicht ein einzelnes Mitglied Ihrer Partei, das ein Erziehungsgehalt fordert, sondern ein ganzer Landesverband. Merkwürdigerweise ist das ausgerechnet der Landesverband Ihres Parteivorsitzenden. Wenn Sie sagen, Sie hätten eine eindeutige Beschlusslage, dann frage ich mich, was für ein Parteivorsitzender das ist, der Ihre Parteibeschlusslage noch nicht einmal im eigenen Landesverband durchsetzen kann.
Wir haben uns in unserer 145-jährigen Geschichte immer für die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern eingesetzt, und wir lassen uns dabei von niemandem überbieten.
Ich bin stolz darauf, dass Marie Juchacz von der SPD vor fast 90 Jahren die erste Frau war, die hier im Reichstag eine Rede gehalten hat.
Wir haben seit 90 Jahren das Frauenwahlrecht. Ich hoffe, dass wir in Zukunft stärker als bisher zusammenstehen und die Gleichstellung von Männern und Frauen so voranbringen, dass wenigstens unsere Enkeltöchter noch etwas davon haben, -
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin.
Elke Ferner (SPD):
- wenn schon unsere Töchter nicht viel davon haben werden.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie relativ es um die Gerechtigkeit in der Welt im Allgemeinen und die Geschlechtergerechtigkeit im Besonderen bestellt ist, wird auch daran deutlich, dass der einzige freiwillig für diese Debatte gemeldete Mann bei strenger Handhabung der Redezeiten nun überhaupt keine Redezeit mehr hätte, weil das Präsidium allen vor ihm redenden Kolleginnen mehr Redezeit zugestanden hat, als die eigenen Fraktionen es vorgesehen hatten.
Wir wollen einen kleinen Beitrag zur Verständigung zwischen den Geschlechtern dadurch leisten, dass wir dem Kollegen Lehrieder nun drei Minuten Redezeit einräumen, die eigentlich nicht mehr vorhanden ist.
Herr Lehrieder, bitte.
Paul Lehrieder (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die gewährte Zugabe, sehr geehrter Herr Präsident. - Ich finde es gut, dass ich als elfter Redner, als Mann, in dieser Debatte sprechen darf. Erschwerend kommt hinzu: als bayerischer Mann. Es ist wichtig, dass sich auch die Männer zu diesem Thema zu Wort melden können. Ich fühle mich gleichwohl nicht diskriminiert. Ich hätte mich auch nicht diskriminiert gefühlt, wenn mir die Redezeit gestrichen worden wäre; denn meine Vorrednerinnen haben sich mit diesem Thema sehr gut und sehr kompetent befasst.
Moderne Gleichstellungspolitik muss sich nach meinem Dafürhalten dadurch auszeichnen, dass sie möglichst die ganze Bandbreite von Frauen- und Männerbiografien einbezieht. Es geht um gleiche Chancen von Frauen und Männern, mit und ohne Kinder, in allen Altersstufen und Lebensphasen, unabhängig von der Herkunft. Angesichts der Vielzahl möglicher Lebensentwürfe zielt die Gleichstellungspolitik unserer Bundesregierung zu Recht darauf ab, Frauen wie Männern jene Freiheit zu ermöglichen, die sie brauchen, um ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Die Frage nach der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im Erwerbsleben ist dabei von zentraler Bedeutung. Schauen wir uns dieses hohe Haus an; das wird auch im CEDAW-Bericht erwähnt. Nach Kürschners Volkshandbuch sind im Bundestag 195 Frauen und 418 Männer vertreten. Das heißt, ein Drittel der Abgeordneten sind Frauen. Die einzige Partei, die auf die Männer aufpassen muss, sind die Grünen. In der Fraktion der Grünen gibt es 30 Frauen und 21 Männer.
- Liebe Frau Schewe-Gerigk, diskriminieren Sie die Männer nicht!
Die CDU/CSU-Fraktion ist die erste Fraktion im Deutschen Bundestag, die von einer Bundeskanzlerin geführt wird.
Des Weiteren sind vier der sechs Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Frauen. Immerhin zehn der 22 ständigen Ausschüsse werden von Frauen geleitet. Wir haben im Deutschen Bundestag schon viel erreicht. Gleichwohl bedarf es weiterer gleichstellungspolitischer Anstrengungen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.
Dass der Wunsch besteht, die eingegangenen Rollenbindungen ein Stück weit aufzugeben, kann man zum Beispiel an den vorliegenden Zahlen zu dem neu eingeführten Elterngeld und an dessen Erfolg ablesen.
Die Vätermonate werden - die Frau Ministerin hat das bereits angesprochen - überdurchschnittlich gut, vier- bis fünfmal so stark wie vor der Einführung, angenommen. Gerade in Bayern ist die von vielen Kolleginnen und Kollegen unterstellte stereotype Rollenaufteilung längst Vergangenheit. Das bisherige Bild muss revidiert werden; denn Bayern ist mit Berlin Spitzenreiter, was die Bewilligung von Vätermonaten angeht. Stolze 12,5 Prozent aller Väter haben 2007 einen Elternantrag gestellt.
Frau Tackmann, im Landkreis Würzburg waren es sogar 15,96 Prozent, und das bei einer durchschnittlichen Inanspruchnahme von drei bis vier Monaten. Da sage noch einer etwas gegen den Willen bayerischer Männer, sich der Gleichberechtigung zu stellen und mitzumachen!
Meine Redezeit gerät allmählich ins Minus. Ich hätte sehr gerne noch ein paar andere interessante Aspekte erwähnt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bei meiner Fraktion für die Möglichkeit, als einziger Mann zumindest ein paar Sätze zu diesem Thema sagen zu dürfen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Herr Präsident, zum Schluss möchte ich Folgendes kurz ansprechen: Wie Gleichstellung funktioniert, sieht man an der Blaskapelle aus der Oberpfalz, die auf der Zuschauertribüne Platz genommen hat.
Darunter sind viele engagierte junge Frauen.
Wenn wir diese Frauen nicht hätten, wäre mancher Blaskörper nicht mehr spielbereit. Herzlichen Dank und viel Spaß in Berlin!
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache, die, wie ich noch einmal erwähnen möchte, nicht wie vereinbart 75, sondern beinahe 100 Minuten gedauert hat.
Wir kommen nun zu den Überweisungen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/5807 und 16/8373 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/8416 in der geänderten Fassung soll an dieselben Ausschüsse wie die Vorlage auf Drucksache 16/5807 überwiesen werden. Damit sind Sie doch sicher einverstanden? - Das ist der Fall. Dann haben wir das so beschlossen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 5. Hier geht es um die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel ?Gleichstellung von Frauen und Männern in den Gremien des Bundes tatsächlich durchsetzen?. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/8412, den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7739 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen.
Wir rufen die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 e auf:
23. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martina Krogmann, Laurenz Meyer (Hamm), Veronika Bellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Martin Dörmann, Dr. Rainer Wend, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Breitbandversorgung in ländlichen Räumen schnell verbessern
- Drucksache 16/8381 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Gudrun Kopp, Martin Zeil, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Datenbasis für flächendeckende Versorgung mit breitbandigem Internetzugang schaffen
- Drucksache 16/7862 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Lothar Bisky, Katrin Kunert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
Schnelles Internet für alle - Unternehmen zum Breitbandanschluss gesetzlich verpflichten
- Drucksache 16/8195 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Grietje Bettin, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Den Ausbau der Breitbandinfrastruktur flächendeckend voranbringen
- Drucksache 16/8372 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lothar Bisky, Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
Energieverbrauch von Computern senken
- Drucksache 16/8374 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Kultur und Medien
Diese Debatte soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung eine Stunde dauern. - Auch hierzu stelle ich Einvernehmen fest. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst die Kollegin Dr. Martina Krogmann für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte geht es darum, dass wir die flächendeckende Versorgung unseres Landes mit schnellen Internetanschlüssen voranbringen wollen. Dabei geht es um viel mehr als nur um Technik. Es geht darum, dass eine moderne Breitbandinfrastruktur heute die zentrale Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum, Innovation und Arbeitsplätze ist.
Das ist die wirtschaftliche Dimension. Aber für jeden Einzelnen ist ein schneller Internetanschluss sozusagen das Tor zur digitalen Welt. Es geht um neue Kommunikationsformen, um neue Netzwerke und auch um gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb ist es unser Ziel, dass jeder in Deutschland, egal wo er lebt und arbeitet, an diesen Chancen der globalen Informationsgesellschaft teilhaben können muss. Dafür brauchen wir einen flächendeckenden Breitbandanschluss.
Die Ausgangslage in Deutschland ist hervorragend. Wir haben heute fast 20 Millionen Breitbandanschlüsse, und wir haben im internationalen Vergleich aufgeholt. Wir hatten im vergangenen Jahr das größte absolute Wachstum, was die Zahl der Anschlüsse innerhalb der Europäischen Union betrifft, im Übrigen auch dank zahlreicher Initiativen vor allem des Bundeswirtschaftsministeriums, aber auch des Ministeriums für Bildung und Forschung und des von der Kanzlerin ins Leben gerufenen IT-Gipfels, bei dem das ein zentrales Thema war.
Die Ausgangslage ist also gut, aber wir stehen vor großen Herausforderungen, was die Schere angeht, die sich in den letzten Jahren zwischen den Ballungszentren und vielen ländlichen Regionen aufgetan hat. Wir haben heute in den Ballungszentren einen wirklich erfreulichen Wettbewerb von vielen verschiedenen Anbietern, die sich gerade hier in Berlin fast jeden Monat bei der Geschwindigkeit des Internetzugangs überbieten und sich gleichzeitig beim Preis unterbieten. Ganz anders sieht es in vielen ländlichen Regionen aus. Nach vorsichtigen Schätzungen sind immer noch 2 000 bis 2 500 Kommunen heute entweder gar nicht versorgt, also völlig von einem schnellen Anschluss abgekoppelt, oder unterversorgt. Wenn man, wie ich finde, heute eine Größenordnung von mindestens 1 Megabit pro Sekunde ansetzt, dann kommt man zu dem Schluss: Es sind auch nach vorsichtigen Schätzungen rund 4 Millionen Haushalte in Deutschland immer noch abgekoppelt.
Die negativen Folgewirkungen für die betroffenen Kommunen machen sich schon heute bemerkbar. Unternehmen wandern ab, natürlich leidet die Attraktivität als Wohnort, die Finanzkraft der Kommunen geht verloren. Ich kenne ein Ingenieurbüro in Oederquart.
- Oederquart liegt tatsächlich im schönen Landkreis Stade, Laurenz Meyer. Es freut mich, dass du Oederquart kennst.
Das Ingenieurbüro, von dem ich berichten wollte, hatte das Problem, dass es die Datenmengen gar nicht mehr bewältigen konnte, weshalb es jetzt umgezogen ist.
Oder nehmen wir die alleinerziehende Mutter aus Oberndorf im Landkreis Cuxhaven, die sich über das Internet mit Kursen weiterbilden will, aber ohne einen Breitbandanschluss diese Kurse gar nicht nutzen kann. Alle reden über das Web 2.0, MySpace und YouTube, nur die Menschen in den unterversorgten Gebieten nicht, weil sie daran gar nicht teilhaben können.
Ich will bei diesem Thema deutlich sagen: Es darf nicht sein, dass ganze Kommunen nicht in der Lage sind, an den Chancen teilzuhaben, nur weil sie aus kleinen Orten bestehen, deren Topografie nicht stimmt, oder weil sie per se abgekoppelt sind, da sie vom nächsten DSL-Hauptverteiler zu weit entfernt sind.
Auch aus Gründen der inneren Balance unseres Landes, also des Ausgleichs zwischen den Städten und den ländlichen Regionen, ist es unser Ziel, dafür zu sorgen, dass jeder an den wirtschaftlichen und an den gesellschaftlichen Chancen der Informationsgesellschaft teilhaben kann.
Lassen Sie mich noch Folgendes hinzufügen: Gerade für die ländlichen Räume bedeutet eine flächendeckende Breitbandversorgung die größten Chancen, weil die strukturellen Ungleichheiten, also die großen Entfernungen, durch das Internet völlig obsolet werden. Es ist ganz egal, ob man in Kutenholz, in New York oder in Berlin wohnt: Man hat theoretisch überall die gleichen Möglichkeiten.
Wir, die Große Koalition, fordern in unserem Antrag ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um zu einer flächendeckenden Breitbandversorgung in Deutschland zu kommen. Ich will unsere drei wichtigsten Punkte, unsere Leitprinzipien, vorstellen.
Der erste Punkt ist, dass wir den Wettbewerb stärken müssen. Ich habe es vorhin gesagt: Wettbewerb gibt es in Ballungszentren. In Deutschland fehlt aber nach wie vor, auch aus historischen Gründen, ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen Übertragungstechnologien. Über 90 Prozent der Anschlüsse bei uns basieren auf der DSL-Technik. Internationale Studien zeigen: Je größer der Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Technologien - DSL, Kabel, Funktechnologien - ist, desto erfolgreicher sind die entsprechenden Länder in der Flächenabdeckung.
Zu einem stärkeren Wettbewerb gehört unabdingbar, dass wir bei der Vergabe von Frequenzen effizienter werden. Demnächst werden viele Frequenzen frei, gerade aus dem Rundfunkbereich. Deshalb ist es wichtig, dass wir zumindest Teile davon für die Erschließung der ländlichen Räume nutzen; denn gerade sie sind über Funk am besten zu erschließen.
Der zweite - ganz wichtige - Punkt ist, dass wir die Information und die Markttransparenz verbessern. Ich kann alle Bürgermeister verstehen, die sagen: Ich kenne mich da doch gar nicht aus; ich kann doch nicht erst ein Technikstudium absolvieren, um zu wissen, welche Lösung für meine Gemeinde die beste, die effektivste und die preisgünstigste ist.
- Das spricht kurz vor dem Internationalen Frauentag sehr für Ihre Bürgermeisterin, Herr Tauss. Vielen Bürgermeisterinnen im Land geht es aber genauso wie den Bürgermeistern, von denen ich gesprochen habe.
Es ist wichtig, dass wir die zahlreichen Initiativen, die es schon heute gibt, bündeln. Wir fordern deshalb eine Taskforce im Bundeswirtschaftsministerium, die ganz konkrete Hilfestellungen für jede der bisher unterversorgten Kommunen gibt. Es gibt ganz einfach keine generellen Lösungen. Was für die eine Kommune technisch gut ist, muss für eine andere Kommune noch lange nicht gut sein. Es ist wichtig, zu begreifen, dass es um Hilfe zur Selbsthilfe geht. Vieles hängt deshalb auch von der Eigeninitiative der betroffenen Kommunen ab.
Der dritte für uns wichtige Punkt ist, dass es - das müssen wir ehrlicherweise sagen -, wenn wir die Fläche schnellstmöglich erschließen wollen, Kommunen und auch Ortsteile geben wird, die auch bei mehr Wettbewerb nicht schnell erschlossen werden können. Wir begrüßen daher, dass die Bundesregierung Verantwortung übernommen hat. Sie hat beschlossen, dass in den nächsten drei Jahren 30 Millionen Euro für die Flächenabdeckung zur Verfügung gestellt werden, kofinanziert durch die Länder.
Das ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen aber auch konstatieren, dass das allein nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.
Unser Vorschlag lautet daher, dass man die Erlöse aus der Versteigerung der Frequenzen, die dem Bund zustehen, wenigstens zum Teil zurückgibt, um so die Flächenabdeckung schnellstmöglich erreichen zu können.
Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen Maßnahmen einen riesengroßen Schritt vorangehen werden. Dies muss schnell passieren, damit wir unser Ziel erreichen können, nämlich dass jeder und jede in Deutschland, egal wo er oder sie lebt und arbeitet oder ein Unternehmen hat, an den Chancen der Informationsgesellschaft teilhaben kann.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Hans-Joachim Otto von der FDP-Fraktion.
Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Dr. Krogmann, zunächst einmal sind wir sehr dankbar dafür, dass Sie und alle übrigen Fraktionen die Initiative der FDP-Fraktion aufgegriffen haben und sich jetzt auch um das Thema kümmern.
- Schauen Sie doch, welcher Antrag zuerst da war! Schauen Sie bitte rein! - Ich frage mich allerdings, warum Sie sich nicht einfach unserem Antrag angeschlossen und sie eigene Anträge aufgesetzt haben.
In Ihren Anträgen fehlt dazu noch der entscheidende Punkt. In der Problembeschreibung, liebe Frau Kollegin Krogmann, sind wir uns noch alle einig: Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland und seiner Regionen sowie Tausende Arbeitsplätze hängen maßgeblich von der Verfügbarkeit von Breitbandinternetzugängen ab; das gilt ebenfalls für das erste Thema heute im Plenum, nämlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Bildungschancen. Entsprechend verheerend sind die Auswirkungen der weißen Flecken auf die wirtschaftliche, demografische und kulturelle Struktur und damit letztlich auf die Überlebensfähigkeit der betroffenen Regionen.
Bei der Problembeseitigung verkennen Sie allerdings die Priorität des Handlungsbedarfs. Die FDP-Fraktion hat auf Initiative meines verehrten Kollegen Martin Zeil
im Dezember eine Expertenanhörung durchgeführt.
Bei dieser Anhörung waren führende Vertreter aus Wissenschaft, Industrie und von der staatlichen Regulierung anwesend. Sämtliche Experten - ich wiederhole: sämtliche - waren der Auffassung, dass die Hauptursache der weißen Flecken das Fehlen einer detaillierten und belastbaren Datenbasis ist.
Eine solche Datenbasis liefert der Breitbandatlas der Bundesregierung leider mitnichten. Insofern teile ich auch das hohe Lob auf diesen Atlas nicht. Sie sagen es in Ihrem Antrag selbst: Er ist nicht präzise genug. Er schafft somit keine ausreichende Grundlage für Investitionsentscheidungen.
Diese Einschätzung - fehlende Datenbasis - teilen im Übrigen der vatm, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Landkreistag. Deshalb haben sie auch einen entsprechenden Appell an die Politik gerichtet, den wir in unserem Antrag unterstützen.
Weder der Antrag der Koalitionsfraktionen noch der der Grünen geht auf diese zentrale Investitionsvoraussetzung explizit ein. Ihre - ich sage: altbekannten - Forderungen lauten: ein paar Fördersubventionen hier, ein paar Frequenzen dort, garniert mit der obrigkeitsstaatlichen Keule der Universaldienstverpflichtung. Ihr besonderer Clou ist die Einrichtung einer Taskforce beim Bundeswirtschaftsminister.
Das ist schon fernsehtauglich. Bisher hatten wir die ?Super Nanny?. Jetzt haben wir den ?Super Glosy?, der da durch die Gegend rennt. Das finde ich schon super.
Ich prophezeie Ihnen: Ihr Vertrauen auf die Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen wird erneut enttäuscht. Ihre Annahme, dass der Wettbewerb unfähig oder nicht willens sei, auch ländliche Regionen zu versorgen, ist falsch. Jede staatliche Förderung nach dem Gießkannenprinzip, auch die Umleitung der UMTS-Gelder, verkennt die örtlichen Besonderheiten. Ob TV-Kabel, DSL, Satellit oder Funk, es bedarf jeweils einer anderen technologischen Lösung, um zum Beispiel die Ostfriesischen Inseln - den Ort, den Sie genannt haben, habe ich leider vergessen -
oder bayerische Alpendörfer ans Breitbandnetz zu bringen.
Die Experten sagen unisono: Wir brauchen belastbare und präzise Daten über demografische, topografische und ökonomische Gegebenheiten, um zu wissen, wie am erfolgversprechendsten investiert werden kann und welche Technologie wo am sinnvollsten ist.
Alles andere muss dann der Wettbewerb leisten - das kann er auch -,
und zwar nicht nur über die großen Telekoms dieser Welt, sondern vor allem auch über die regionalen und innovativen Anbieter.
Die diesjährige CeBIT, die ja derzeit in Hannover stattfindet, zeigt, dass unser Vertrauen in den Wettbewerb berechtigt ist. Arcor präsentiert dort beispielsweise VDSL-Pilotversuche in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Es sind dort auch Satellitenangebote zu sehen, die bereits jetzt Downlink-Raten von 2 000 Kilobit und Uplink-Raten von 500 Kilobit ermöglichen.
Es präsentieren sich auch viele kreative Anbieter von Funklösungen.
Deshalb, meine Damen und Herren, appelliere ich an Ihre ökonomische Vernunft: Sorgen Sie für eine investitionsfeste Datenbasis! Lassen Sie dagegen die Finger von technologiefixierten Subventionen und auch von der Keule des Gesetzgebers! Millionen Bürger und Tausende Unternehmen in den ländlichen Regionen werden es Ihnen danken.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Martin Dörmann von der SPD-Fraktion.
Martin Dörmann (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bedeutung des Internets wächst täglich. Die CeBIT hat in dieser Woche zahlreiche weitere Beispiele dafür gebracht. Immer mehr Dienste und Dienstleistungen werden im Internet angeboten, die die Bürgerinnen und Bürger täglich nutzen. Stichworte sind: Warenbestellungen per Internet, Onlinebanking, Kommunikationsforen, an denen man teilnehmen kann, Weiterbildungsangebote und schließlich auch die Möglichkeit, Telearbeitsplätze über das Internet zu bedienen.
Um diese Dienste adäquat nutzen zu können, reicht es nicht mehr, mit der herkömmlichen ISDN-Technik zu arbeiten, weil sie oft zu langsam ist. Nein, wir brauchen schnelle Internetzugänge mit hohen Bandbreiten. Erfreulich ist, dass in Deutschland auf diesem Gebiet eine sehr positive Entwicklung festzustellen ist. Wir nähern uns der Zahl von 20 Millionen Breitbandanschlüssen; gerade im letzten Jahr kamen 5 Millionen neue Anschlüsse hinzu. Damit liegen wir hinsichtlich der Quantität und auch der Qualität der Anschlüsse europaweit an der Spitze.
Funktionierender Wettbewerb sorgt für niedrige Preise. Aber von dieser positiven Entwicklung drohen einige ländliche Regionen abgekoppelt zu werden. Das muss uns mit Sorge erfüllen. Es wurde auf den von der Bundesregierung erstellten Breitbandatlas hingewiesen. Aus ihm geht hervor, dass für 97 Prozent der Haushalte die Möglichkeit besteht, einen Breitbandanschluss zu nutzen. Hierzu ist aber zu sagen, dass die Bandbreite für solche Anschlüsse heute höher liegt als noch vor einigen Jahren, weil die technische Entwicklung einfach fortschreitet. Wir brauchen heute realistischerweise Übertragungsraten von 1 Mbit pro Sekunde, damit wir die neuen Angebote auch wirklich nutzen können.
Vor diesem Hintergrund ist die Zahl, die Frau Kollegin Krogmann genannt hat, richtig: Wir müssen davon ausgehen, dass über 2 000 Gemeinden nicht über adäquate Anschlussmöglichkeiten verfügen. Das betrifft mindestens 1 Million Menschen und, wenn man noch höhere Bandbreiten zugrunde legt, möglicherweise auch noch viel mehr. Das bringt einen immensen Standortnachteil für die betroffenen Regionen und einen persönlichen Nachteil für die Betroffenen mit sich. Sie werden, da sie nicht an den Fortschritten der Informationsgesellschaft teilhaben können, von kultureller Entwicklung und sozialer Integration abgekoppelt. Deshalb muss es unser Ziel sein, die Möglichkeiten der Informationsgesellschaft für alle Menschen nutzbar zu machen, indem wir breitbandige Internetzugänge flächendeckend anbieten.
Die Große Koalition will die Rahmenbedingungen nachhaltig verbessern, damit das möglich wird. Hierzu haben wir ein Maßnahmenbündel geschnürt. Es reicht von staatlichen Fördermaßnahmen, die ergänzend eingesetzt werden sollen, über die Verbesserung der Informationsgrundlagen bis hin zu unterstützenden und koordinierenden Angeboten für die betroffenen Gemeinden. Dieses Konzept wollen wir aber mit den Beteiligten gemeinsam entwickeln. Hier müssen Bund, Länder und Kommunen genauso zusammenarbeiten wie auch die Unternehmen und die Nutzer solcher Angebote.
Deshalb, sehr geehrter Herr Otto, sind Ihre Ausführungen hierzu völlig falsch. Die Große Koalition hat nämlich diesen Grundsatz im letzten Jahr wirklich befolgt, indem sie die Beteiligten an runden Tischen zusammengebracht hat,
die dann in diesen Runden Überlegungen angestellt haben, was zu tun ist, um hier weiterzukommen.
Deshalb ist auch Ihre Behauptung falsch, dass wir hier Ihren Forderungen hinterherhechelten. Das Gegenteil ist der Fall. Sie haben ohnehin nur einen Ausschnitt der Lösungsmöglichkeiten in Ihrem Antrag. Insofern ist der viel zu dünn. Nächstes Mal sollten Sie nicht einen schmalbandigen, sondern wie die Große Koalition einen breitbandigen Antrag vorlegen.
Es ist auch falsch, zu behaupten, dass wir nicht auf Wettbewerb setzen. Im Gegenteil! Es ist gerade der dynamische Wettbewerb in Deutschland, der uns bei der Verbreitung des Breitbandes nach vorne gebracht hat. Hier sind die Chancen überhaupt noch nicht ausgenutzt. Gerade in den ländlichen Räumen besteht die Möglichkeit, nicht nur auf DSL zu setzen, was aus Kostengründen sehr schwierig ist, weil der Ausbau von DSL ein Mehrfaches von dem kostet, was andere Technologien an dieser Stelle kosten würden. Es stehen neue Funktechnologien zur Verfügung, die geradezu prädestiniert sind, im ländlichen Raum genutzt zu werden. Leider ist die Diskussion in Deutschland viel zu sehr fixiert auf DSL, weil nun einmal 95 Prozent der Anschlüsse über diesen Bereich laufen. Aber es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, angefangen von den Kabelnetzen über moderne Glasfasernetze bis hin zu Satelliten und modernen Funktechnologien, zum Beispiel Wimax. Das muss genutzt werden.
Erfreulicherweise konnten wir gerade in den letzten Monaten feststellen, dass sich immer mehr Initiativen gebildet haben, um gerade diese Chancen zu nutzen. Es wurde schon erwähnt, dass der Deutsche Städte- und Gemeindebund ein Konzept vorgelegt hat, das wir unterstützen. Es sind Wettbewerbsverbände, zum Beispiel vatm, unterwegs. Das alles sind sehr gute Initiativen, die durch Breitbandinitiativen von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ergänzt werden.
?Vor Ort? ist das Stichwort. In erster Linie kommt es darauf an, dass sich die Beteiligten vor Ort zusammensetzen, ausloten, welche Möglichkeiten es an dieser Stelle gibt, den Ausbau voranzutreiben, welche Technologien sinnvollerweise vielleicht sogar in einem Mix anzusiedeln sind. In unserem Antrag ist ja bereits deutlich hervorgehoben worden, dass natürlich die Daten- und Informationsbasis stimmen muss. Insofern wollen wir, dass der Breitbandatlas der Bundesregierung - gut, dass es ihn seit 2005 gibt - verbessert wird.
Das ist eine unserer zentralen Forderungen in dem Antrag. Auch hier, Herr Otto, greift Ihr Vorwurf zu kurz. Wir haben erkannt - das war beispielsweise das Ergebnis unseres runden Tisches im vergangenen Jahr -, dass es für die Unternehmen, die investieren wollen, entscheidend darauf ankommt, zu wissen, wo die weißen Flecken sind, mit wem man sprechen muss, mit welchem Technologiemix man je nach topografischer Lage die Möglichkeit hat, zum Erfolg zu kommen.
Das alles wird vonseiten der Bundesregierung unterstützt. Der Breitbandatlas soll nach Vorstellungen der Großen Koalition entscheidend verbessert werden. Darüber hinaus soll eine Taskforce eingesetzt werden, die ermittelt, wo weiße Flecken sind, und Hilfestellung anbietet.
Es kommt ein weiterer Punkt hinzu. Es wird immer noch Bereiche in den Gemeinden geben, wo man aus Kostengründen nicht zu einer schnelleren Entwicklung kommt. Da sollen staatliche Förderprogramme zusätzlich eingestellt werden. Die 10 Millionen Euro, die jedes Jahr im Bundeshaushalt dafür zur Verfügung gestellt werden, sind bereits erwähnt worden. Erfreulicherweise sind es immer mehr Länder, die eigene Initiativen und Programme auflegen, durch die diese Mittel ergänzt werden.
Hinzu kommt eine effiziente Frequenzpolitik. Dabei kommt es darauf an, dass bei den Versteigerungen, die in diesem Bereich bereits stattgefunden haben oder noch stattfinden werden, darauf geachtet wird, dass da, wo es sinnvoll ist, Ausbauverpflichtungen eingeschrieben werden. Wenn eine Frequenz ausgeschrieben wird, dann muss festgelegt werden, dass derjenige, der diese Frequenz hat und die Technologie entsprechend ausbaut, verpflichtet wird, bestimmte Gemeinden, die bisher noch nicht versorgt sind, mit anzuschließen. Das haben wir bereits bei den WBA-Frequenzen gemacht, deren Versteigerung 2006 begann.
Das Stichwort digitale Dividende spielt dabei auch eine Rolle. Hier geht es um Rundfunkfrequenzen, die sich besonders für Funktechnologien eignen, weil sie in einem niedrigen Frequenzbereich sind und deshalb relativ kostengünstig ausgebaut werden können. Da müssen wir ganz genau gucken, welche technischen Möglichkeiten es gibt, sicherzustellen, dass auf der einen Seite die Bedürfnisse und Entwicklungschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, des Rundfunks insgesamt gewahrt werden, dass aber auf der anderen Seite das, was an Frequenzgewinn durch die Digitalisierung herauskommt, für den Breitbandausbau genutzt werden kann. Diesbezüglich gibt es zum Beispiel ein interessantes Pilotprojekt in Berlin-Brandenburg. Diese Ergebnisse müssen abgewartet werden. Dann wird man sehen, wie man dort vorankommt.
Ich möchte ein Thema aufgreifen, das in dem Antrag der Linken, aber auch von den Grünen genannt wird, nämlich den Universaldienst. Bisher sieht die EU ja Universaldienst nur in bestimmten Bereichen vor, nicht im Bereich der Breitbandinternetanschlüsse, weil dort in der Vergangenheit die Nutzungshäufigkeit noch nicht so hoch war, dass die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllt waren. Wir haben aber mit einer Diskussion in der EU zu rechnen. Die Große Koalition sagt dazu: Wenn die Kommission in ihrem Grünbuch, das demnächst möglicherweise erstellt wird, zu einer entsprechenden Empfehlung kommt, dann unterstützen wir eine Änderung der Universaldienstrichtlinie, und zwar dergestalt, dass die einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, den Universaldienst auch auf Breitbandinternetanschlüsse auszudehnen. Dann sollen sie auch die Möglichkeit erhalten, die Kosten auf die Unternehmen umzulegen. Ich betone aber noch einmal: Das ist das letzte Mittel. In diesem Bereich wird immer noch entwickelt, und es gibt technologische Fortschritte. Es wäre doch unvernünftig, wenn wir eine Bürokratie schaffen würden, die erhebliche Verwaltungskosten zur Folge hätte, ehe wir alle anderen Chancen ausgelotet haben.
Ich habe gerade einige dieser anderen Bereiche genannt, die Frequenzpolitik zum Beispiel. Der Wettbewerb steht hier an erster Stelle. Wir haben die Hoffnung, dass unser Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit Breitbandanschlüssen in den nächsten Jahren erreicht werden kann. Wir sagen aber genauso klar: Da unser Ziel so wichtig ist und es im Interesse aller Menschen und Regionen liegt, dass wir dieses Ziel erreichen, können wir die Umlage als letztes Mittel nicht ausschließen. Deshalb wollen wir eine Änderung der EU-Richtlinie erreichen.
Ich komme zum Schluss noch einmal auf die Anträge der Opposition zu sprechen:
Ich habe bereits gesagt, dass der FDP-Antrag nur die Information anspricht, sozusagen schmalbandig ist. Aus meiner Sicht ist das die Grundlage, aber noch nicht die Lösung.
Der Antrag der Linken ist unternehmensfixiert und beschränkt sich auf die Universaldienstrichtlinie. Sie haben nicht erkannt, dass die technologische Entwicklung den Wettbewerb interessant werden lässt, und zwar vor allem für den ländlichen Raum. In den nächsten Jahren werden uns Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die wir in der Vergangenheit nicht hatten.
Zu dem Antrag der Grünen kann ich sagen - die beiden anderen Oppositionsfraktionen könnten daraus etwas lernen -: Die Grünen haben unseren Antrag fast abgeschrieben.
Das erkennt man schon an der Gliederung. Unser Antrag stand ihnen ja auch frühzeitig zur Verfügung. Deswegen habe ich bis auf einige Nuancen wenig daran auszusetzen. FDP und Linke könnten da also von den Grünen lernen.
Mit ihrem Antrag hat die Große Koalition ein umfassendes Maßnahmenbündel vorgelegt, um den flächendeckenden Breitbandausbau in Deutschland voranzubringen. Wir wollen die ?digitale Kluft? überwinden und auch in den ländlichen Regionen eine gute soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen. Im Zeitalter der Informationsgesellschaft kann Deutschland seine Wachstumschancen nur so umfassend und nachhaltig nutzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann von der Fraktion Die Linke.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dörmann, Sie haben gesagt, dass wir in den nächsten Jahren eine Lösung finden werden. Ich denke, wir brauchen jetzt eine Lösung; denn die Menschen, die keinen Anschluss haben, sind jetzt und nicht erst in einigen Jahren davon betroffen. Sie müssen jetzt damit leben.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat im letzten Jahr zusammen mit anderen an die Politik einen Appell gerichtet. Darin heißt es: ?Breitbandkluft in Deutschland überwinden?. 5 bis 6 Millionen Menschen in Deutschland haben keinen Zugang zu einem schnellen Internetanschluss. Das verstößt aus unserer Sicht gegen das Grundgesetz, das die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen vorsieht.
Die Große Koalition hat das Problem anfangs etwas verniedlicht. Im letzten Jahr hat sie endlich einige Informationsveranstaltungen durchgeführt. In diesem Jahr hat sie sogar Förderprogramme aufgelegt. Das kann aber nicht die Lösung des Problems sein. Wir haben es hier eindeutig mit Marktversagen zu tun, und deshalb muss der Gesetzgeber eingreifen.
Die Linke fordert einen Zugang zum schnellen Internet für alle. Er gehört in den Katalog der staatlich garantierten Grundversorgung. Die Schweiz hat diesen Schritt bereits getan. Auch in Deutschland ist das möglich, wenn die Politik das wirklich will.
Wir begrüßen es, dass sich die Regierung endlich des Problems der ?digitalen Spaltung? annimmt. Im Antrag der Koalition heißt es allerdings sehr allgemein:
Schnelle Zugangsmöglichkeiten zum Internet sind für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes von grundlegender Bedeutung.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Union und der SPD: Wer von Ihnen hat sich vor Ort wirklich sachkundig gemacht,
wie viele Menschen keinen schnellen Internetzugang haben?
- Wir haben schon mit vielen Bürgerinitiativen gesprochen.
Sie verlangen von den Menschen immer mehr Flexibilität bei der Arbeitssuche. Aber Hunderttausende haben für die Jobsuche keinen schnellen Internetzugang. Sie reden davon, den Bäckermeister oder den Handwerker vor Ort zu unterstützen. Aber Zehntausenden fehlt ein schneller Internetzugang für ihre Geschäftstätigkeit.
Ich komme jetzt - Herr Dörmann, vielleicht hören Sie mir zu - auf einen konkreten Fall zu sprechen. In Sachsen gibt es den Ort Leukersdorf. Dort lebt ein junger Mann mit Muskelschwund, der gerade seinen Schulabschluss machen will. Diese Krankheit fesselt ihn an den Rollstuhl. Er würde gerne Bürokaufmann lernen und hat sogar ein Berufsbildungswerk gefunden, das es ihm ermöglicht, Therapie und Ausbildung miteinander zu kombinieren; denn die Ausbildung kann übers Internet gemacht werden. Das einzige Problem: Leukersdorf hat keinen schnellen Internetzugang. Der ist aber für die Videokonferenzen im virtuellen Klassenzimmer nötig. Bekommt der Ort nicht in den nächsten Monaten einen Anschluss mit schneller Übertragungsrate, heißt das für den Jugendlichen, dass er keinen Ausbildungsplatz hat. Ich weiß nicht, ob Sie das wollen.
Es ist höchste Zeit für ein flächendeckendes Angebot. Das Wirtschaftsministerium hat in dieser Woche auf der CeBIT einen Maßnahmenkatalog für eine flächendeckende Breitbandversorgung vorgestellt. Das ist zunächst zu begrüßen. Der Druck aus den Kommunen und von zahlreichen Bürgerinitiativen scheint doch etwas bewirkt zu haben. Die Linke unterstützt alle Initiativen, die helfen, diese weißen Flecken endlich verschwinden zu lassen.
Weitere Informationsveranstaltungen, bessere Daten und eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen sind nicht falsch. Es ist immer gut, wenn man miteinander redet. Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus, weil sie dem Grundproblem nicht abhelfen. Telekommunikationsunternehmen gehen nach einem rein betriebswirtschaftlichen Kalkül vor. Sie schauen lediglich nach dem Gewinn. Dieser ist eben eher in den dicht besiedelten Ballungsgebieten als im ländlichen Raum zu machen. Ein Vertreter der Telekom hat im Wirtschaftsausschuss dazu erklärt, ein flächendeckender Ausbau des DSL-Netzes stoße an die Grenze des ökonomisch Machbaren. Nicht großartig anders verhält es sich bei Alternativtechnologien, die Sie angesprochen haben, etwa die Verbindung über Funk. Mal abgesehen davon, dass diese Techniken auch teuer sind und auch gegenüber DSL oftmals in Leistung und Kosten nicht gleichwertig sind, gibt es auch dort betriebswirtschaftliche Grenzen.
Nun kann man Förderprogramme auflegen, wie dies der Bund tut, um die Unternehmen zum Breitbandausbau zu bewegen. Aber eines ist höchst problematisch: Der Steuerzahler finanziert den Ausbau in der Fläche, und die Unternehmen streichen den Gewinn in den Ballungszentren ein. Das kann so nicht weitergehen.
Allein die Deutsche Telekom hat aus ihrem Gewinn im letzten Jahr 3,4 Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. Ich meine, mit diesem Geld hätte man besser zahlreichen Dörfern einen Anschluss mit hoher Übertragungsrate finanzieren sollen.
Ich halte fest: Wir haben es bei der fehlenden Breitbandversorgung im ländlichen Raum mit Marktversagen zu tun. Der Gesetzgeber muss einschreiten, hält er an dem Ziel, gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland herzustellen, fest. Die Linke hat in ihrem vorliegenden Antrag einen einfachen und leicht umsetzbaren Vorschlag gemacht. Wir wollen den schnellen Internetzugang in die staatlich garantierte Grundversorgung aufnehmen. Dazu muss lediglich der sogenannte Universaldienst im Telekommunikationsgesetz durch einen entsprechenden Spiegelstrich ergänzt werden.
Wenn nun die Grünen vorsichtig ein Stück von ihrer blinden Marktgläubigkeit abweichen und eine Universaldienstverpflichtung als Ultima Ratio nicht mehr ausschließen, ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass die Linke wirkt.
Auch die Bundesregierung hat noch im letzten Jahr die Ausweitung des Universaldienstes strikt abgelehnt. Nun will die Große Koalition - Herr Dörmann, Sie haben es gesagt - schauen, was auf der europäischen Ebene passiert.
Ich komme zum Schluss. Heute, im 21. Jahrhundert, muss ein schneller Internetanschluss her. Er gehört zur Grundversorgung. Es darf nicht länger gezögert werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Grietje Bettin von Bündnis 90/Die Grünen.
Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich einmal eine Karte von Deutschland vor, die die Versorgung mit schnellem Internet zeigt. Dann können Sie im Westen zumindest ein Spinnennetz erkennen, in Ostdeutschland jedoch noch ganz viele weiße Flächen, einmal abgesehen von den großen Städten. Aber auch auf dem platten Land im Westen sieht es nicht besser aus. In meinem schleswig-holsteinischen Zuhause muss ich für das schnelle Internet viel mehr Geld zahlen als hier in Berlin. In vielen Regionen, zum Beispiel an der Schlei, ist das schnelle Internet nicht einmal verfügbar.
Die Probleme sind uns allen klar; das ist deutlich geworden. Zum einen die privaten Haushalte, zum anderen aber auch die Wirtschaft haben Probleme, wenn sie nicht an das schnelle Internet angeschlossen sind. Wir müssen für mehr Zugangsgerechtigkeit und für mehr Teilhabechancen für alle sorgen. Das wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon angesprochen.
4 Millionen Haushalte ohne schnelles Internet - das sind zu viele. Wer in den weißen Flecken wohnt, kann zum Beispiel seine Steuererklärung nicht über Elster machen, kann sich die Tagesschau nicht online ansehen und kann bei Onlineauktionen nicht mitbieten. Die Wirtschaft hat ein Problem. Die kleinen und mittleren Unternehmen machen einen großen Bogen um die digitale Provinz. Sie brauchen schnelles Internet, um mit den Kunden und Händlern in Kontakt zu treten. Auch der Tourismus ist stark betroffen. Viele Unternehmen wandern ab; dadurch fallen Arbeitsplätze weg.
Ich finde, dass die Regierung bei diesem Thema zu lange untätig war. Selbst in Südkorea haben fast doppelt so viele Menschen schnelles Internet wie hierzulande. Dänemark und Finnland sind uns natürlich wieder einmal weit voraus. Es kann der Regierung aber nicht egal sein, dass zum Beispiel Internetstudiengänge oder elektronische Verwaltung den Menschen verschlossen bleiben, die in diesen Regionen wohnen. Die Aufgabe ist klar. Wir müssen den ländlichen Raum ganz schnell flächendeckend an das High-Speed-Internet anschließen.
Zu dem Antrag der Großen Koalition. Kollege Dörmann, wir konnten gar nicht von Ihnen abschreiben, weil Sie den Antrag erst gestern eingebracht haben.
Von daher kann ich nur sagen: Ihr Antrag enthält gute Ideen, aber viele Punkte werden nicht zu Ende gedacht.
- Dein Antrag, Martina, okay.
Manche Forderungen sind wachsweich; das zwingt die Regierung zu nichts. Da ist unserer Meinung nach nicht viel Musik drin. Am Ende ist mit diesem Antrag nicht garantiert, dass jeder einen Anschluss bekommen kann.
Zu dem Antrag der FDP. Das Motto der FDP lautet wieder einmal: Jeder denkt an sich, dann ist an alle gedacht.
Der Markt werde alles von selber regeln. Das ist in dieser Frage Quatsch, weil der Markt zum Beispiel in Wustrow in Brandenburg gar nichts regelt. Ihr Motto lautet wieder einmal: Wer auf der Strecke bleibt, hat wettbewerbspolitisch Pech gehabt. Deshalb ist der Antrag nicht so toll, wie Sie ihn hier beschreiben wollen, Kollege Otto.
Zu dem Antrag der Linken. Auch hier lautet wieder einmal klassisch das Motto: Freibier für alle und die Wirtschaft soll dafür zahlen. Aber wenn die Wirtschaft dafür zahlt, müssen es am Ende die Kunden bezahlen. Das ist nun einmal so. Das kann nicht unser Ziel sein. Außerdem würden die Unternehmen sicherlich dagegen klagen. Das würde aus unserer Sicht den Ausbau eher verzögern, als ihn zu beschleunigen.
Was steht in unserem Antrag? Wir fordern ein schlüssiges Gesamtkonzept.
Wir brauchen erstens eine Datenbasis mit den genauen Informationen, wo das schnelle Internet in Deutschland noch fehlt. Dann können die Unternehmen systematisch in diesen Regionen investieren. Der Breitbandatlas reicht nicht aus; das wurde schon angesprochen.
Wir brauchen zweitens eine gemeinsame Plattform, die über die möglichen Fördermittel endlich Transparenz schafft; denn heute ist sehr unübersichtlich, wer welches Geld bereitstellt. Dann können die Gemeinden die Mittel nutzen.
Drittens brauchen wir eine neue Strategie zum Einsatz von Geldern. Geld ist vorhanden. Herr Tiefensee hat 13 Milliarden für den Ausbau von Infrastruktur zur Verfügung. Wir müssen davon Mittel von der Straße auf die schnelle Datenautobahn umschichten.
Dann kommen die Daten endlich zu den Menschen und nicht umgekehrt.
Wir setzen in unserem Antrag eine Frist: Wenn bis zum Jahr 2009 nicht alle Haushalte ans schnelle Internet angeschlossen sind, dann muss man auf EU-Ebene eine gesetzliche Verpflichtung angehen. Das wurde schon angesprochen.
Wir müssen außerdem dafür sorgen, dass die gesetzliche Verpflichtung nicht zu starr ausgestaltet wird. Denn es muss unbedingt verhindert werden, dass es wieder automatisch so ist, dass der Monopolist den Ausbau der Breitbandinfrastruktur übernimmt. Das würde unserer Meinung nach mit Sicherheit auch die Kosten in die Höhe treiben. Stattdessen setzen wir in dieser Frage zunächst einmal auf den Wettbewerb. Es sollten sich viele Unternehmen um den Ausbau der Infrastruktur bewerben können. Dadurch könnten die Kosten gesenkt und die für die jeweilige Region beste Lösung befördert werden.
Die bisherige Debatte hat deutlich gemacht, dass wir uns im Ziel eigentlich einig sind. Wie meine Argumente belegen, könnten wir die weißen Flecken mit einem guten Konzept wirklich zügig beseitigen und dadurch die digitale Spaltung in Deutschland endlich stoppen. Erst wenn wir das erreicht haben, hat Deutschland die nötige Basis für eine Wissens- und Informationsgesellschaft geschaffen.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, über das wir gerade diskutieren, ist interessant. Wir alle beschäftigen uns damit. Wir überholen uns in unseren Bemühungen gerade gegenseitig, und das gewissermaßen in Breitbandgeschwindigkeit. Lassen Sie mich für die Bundesregierung einige ganz konkrete Punkte vortragen, an denen wir derzeit arbeiten und die deutlich machen, wie flott wir bei diesem Thema vorankommen können.
Zunächst einmal möchte ich sagen: Wir sind gar nicht so schlecht aufgestellt. Allein im letzten Jahr wurden in Deutschland 5 Millionen neue Breitbandanschlüsse bereitgestellt. Bei einem Vergleich der fünf größten EU-Länder liegt Deutschland hinsichtlich der DSL-Penetration auf dem ersten Platz und hinsichtlich der Gesamtpenetration auf dem zweiten Platz. In den letzten zwei Jahren kam es in Deutschland zu den größten Zuwächsen unter allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es ist also etwas passiert.
Trotzdem haben 8 bis 10 Prozent der Haushalte und der mittelständischen Unternehmen, die in der Fläche verteilt sind, noch nicht die Möglichkeit, qualitativ befriedigende Breitbanddienste zu nutzen. Deswegen ist das Thema, über das wir reden, wichtig. Es ist für den Mittelstand und unter partnerschaftlichen Gesichtspunkten relevant. In diesem Zusammenhang geht es nämlich auch um die Stichworte Mitwirkung, Rechte und Möglichkeiten der Zivilisation. All das ist von großer Bedeutung.
Es wurde angeregt, wir müssten die Datenlage verbessern. Ja, das stimmt. Der von uns ins Leben gerufene Breitbandatlas ist zwar eine intelligente Möglichkeit, unbürokratisch Daten zu sammeln. Das allein reicht aber nicht aus. Wir können jetzt allerdings besser beschreiben, was zu tun ist. Da wir wissen, dass etwa 10 Prozent der Fläche Deutschlands noch nicht hinreichend abgedeckt sind, ermitteln wir die Daten aus genau diesen Regionen; die Bundesregierung hat dazu ein sehr ambitioniertes Programm aufgelegt. Dabei arbeiten wir mit den betroffenen Kommunen zusammen. Die Kommunen werden uns alle relevanten Daten zur Verfügung stellen, und wir werden sie ganz präzise sammeln. Ich denke, dass wir diesen Schritt in einigen Monaten abschließen können.
Dann haben wir das geschafft, was übrigens auch die FDP gefordert hat: Dann haben wir unsere Datenlage so verbessert, dass wir handeln können.
Wir wollen die Lösung dieses Problems auf technische Weise angehen; in diesem Zusammenhang spielt übrigens auch die CeBIT eine Rolle, die ich gerade zwei Tage besucht habe.
- Ja. Ich bin länger geblieben, weil ich noch etwas zu erledigen hatte. - Wir haben überprüft, welche Möglichkeiten es gibt. Es ist sehr eng und gewissermaßen öffentlich-rechtlich gedacht, bei einer Lösung zu bleiben und deshalb die Potenziale, die andere Lösungen haben, nicht zu nutzen.
Wir haben eine Vielzahl von Best-Practice-Beispielen vorgestellt. Dabei geht es um 24 konkrete Strukturen, die in die verschiedenen Gemeinden passen. Wir sagen ganz klar, wie das funktioniert. Es gibt Lösungen von 1 bis 6 Megabit. So kann man alle Wünsche, die nachgefragt werden, erfüllen. Diese Lösungen haben wir zu erstaunlichen Preisen ermöglicht. Eine Flatrate beispielsweise kostet 15 bis 30 Euro pro Anschluss. Dieser Preis ist im Vergleich zu den Preisen im DSL-Netz absolut wettbewerbsfähig. Deswegen wäre es töricht, wenn wir hohe Investitionen in Kauf nehmen würden, obwohl wir unser Ziel genauso günstig und genauso wirkungsvoll mit den Kommunen erreichen können. Das Gebot der Stunde ist, nach der besten Lösung zu suchen.
Es gibt Funklösungen, mit denen man für 20 Teilnehmer - das sind Größenordnungen, die auch in entlegenen Gebieten erreicht werden - alles gewährleisten kann, was man braucht, und das zu Preisen, die mit denen der Telekom absolut vergleichbar sind, in guter Geschwindigkeit, in angemessener Menge und mit hoher Qualität. Wir denken, dass wir auch in diesem Bereich Fortschritte erzielen werden, wenn wir mit den Gemeinden intensive Diskussionen führen.
Das ist übrigens ein Thema, das wir wirklich mit den Gemeinden angehen müssen. Es muss eine subsidiäre Lösung geben. Nicht der Bund zentral kann sagen, wie es wo gehen soll.
Daher fordern wir die Gemeinden zur Zusammenarbeit auf. Insofern ist der Druck - ?Nun kümmert euch darum!? -, der durch diese Debatte noch einmal erhöht wird, einfach nur wertvoll. Man muss ja nicht auf ein Angebot warten. Man kann auch einmal ein Angebot anfordern. Man kann sich auch einmal mit best practice schlau machen, wie man Angebote anfordern kann und welche technischen Lösungen infrage kommen.
So funktioniert ein modernes Gemeinwesen, nicht im Rahmen einer fest gefügten Struktur, die gerade bei diesem Medium falsch wäre. Wir werden so viele technologische Neuerungen bekommen, an die wir bei unserer heutigen Beschlussfassung noch gar nicht denken, dass es falsch, ja geradezu töricht wäre, den technologischen Prozess auf eine Lösung einzuengen und die Chancen, die sich bei näherem Hingucken rechts und links auftun, nicht wahrzunehmen.
Ich will zum Schluss kommen und sagen: Wir sprechen hier über ein Thema, das ernst genommen wird und sehr schnell einer Lösung zugeführt werden kann. Ich wäre dankbar, wenn wir bei vielen Problemen, die wir diskutieren, auf der Zeitschiene so vorankommen könnten wie bei diesem Thema. Dies ist ein Thema, bei dem ein Ruck durch das Land gehen kann.
Ich denke, in zwölf Monaten sind wir bei der Schließung der Lücken, über die wir hier gesprochen haben, ein ganzes Stück weiter. Wir müssen allerdings auch sagen: Es wird Ecken geben, extreme Lagen, wo wir mit allgemeinen Lösungen nicht weiterkommen. Das wird auch nicht im Wege der allgemeinen Umlagemethode, im Rahmen der Daseinsvorsorge gelingen. Auch bei der Daseinsvorsorge - wir haben das bei der Abfalltechnik gelernt - gibt es Lösungen, die mit den Netzen nichts zu tun haben, mit denen das Ziel aber erreicht wird.
Ich denke, wir werden eine Anschlussdichte, eine Versorgung erreichen, die den Anforderungen gerecht wird. Der Bundeswirtschaftsminister und der Bundeslandwirtschaftsminister arbeiten sehr engagiert an diesem Thema. Es wäre gelacht, wenn wir das Thema nicht in relativ kurzer Zeit - ich sage noch einmal: binnen zwölf Monaten - im Wesentlichen gelöst haben.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Martin Zeil von der FDP-Fraktion.
Martin Zeil (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das Entscheidende ist, dass wir uns nicht nur bei den Zielen einig sind, sondern dass die Menschen und die Betriebe vor Ort endlich auch die Möglichkeiten erhalten, die sie brauchen, um diese Technologie zu nutzen.
Herr Kollege Dörmann, Sie waren ja geneigt, sich über unseren Antrag etwas zu mokieren. Als Angehöriger einer Fraktion, die mittlerweile fast zehn Jahre an der Regierung ist, wäre ich da nicht so laut; denn Sie haben die Entwicklung zum Teil verschlafen.
Das Gleiche gilt natürlich für die Grünen, die die Entwicklung ebenfalls besser hätten erkennen und fördern können.
Sie haben jetzt Fördermittel bereitgestellt. Bezeichnend ist, dass die Mittel aus dem schönen Titel ?Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes? kommen. Das zeigt, mit welcher Geisteshaltung die Regierung an dieses ganz entscheidende Thema offensichtlich herangeht und welchen Stellenwert es für sie hat.
Sie sollten auch einmal innerhalb Ihrer Regierung die Zahlen klären. Vielleicht sollte die Task Force erst einmal den Minister etwas instruieren. Er hat mir nämlich auf meine Frage vor eineinhalb Jahren geantwortet, bei der Versorgungsquote, die bei 93 Prozent liege, sollten 98 Prozent erreicht werden. In Ihrem Antrag sprechen Sie nun davon - das ist schon sehr viel realistischer -, dass 45 Prozent der Haushalte einen Breitbandzugang haben.
Es wäre also sehr wichtig, dass Sie erst einmal selber den Stand der Entwicklung kennen.
Wir brauchen keinen veralteten Breitbandatlas. Wir brauchen kein DSL light. Das sind ja gerade die unterversorgten Gebiete.
Was wir brauchen, ist erstens ein technologieoffener Ansatz; denn Breitband ist nicht nur DSL, sondern dazu zählen auch - wie wir gerade gehört haben - andere Technologien. Zweitens müssen wir sehen, dass es im Hinblick auf den Abbau der regionalen Unterschiede kein Patentrezept gibt.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Zeil, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?
Martin Zeil (FDP):
Ja, selbstverständlich.
Hartmut Schauerte (CDU/CSU):
Herr Kollege Zeil, Sie haben gerade eine Überprüfung der Zahlen angemahnt. Ist Ihnen bewusst, dass diese beiden Zahlen wie folgt zustande kommen? Die 45 oder 50 Prozent - diese Zahl ist sehr dynamisch - beziehen sich auf die angeschlossenen Haushalte, die den Internetzugang tatsächlich nutzen, die 93 Prozent auf Haushalte, die ihn nutzen können, von dieser Möglichkeit aber noch teilweise keinen Gebrauch machen. Das ist die Differenz, die sich auch nicht bestreiten lässt. Das muss klargestellt werden.
Martin Zeil (FDP):
Herr Kollege Schauerte, ich zitiere nur aus dem, was Ihr Minister gesagt hat.
- Da ist sicher etwas dran.
Herr Kollege, mir geht es um Folgendes: Sie kommen wie viele Kollegen und ich im Lande herum - das hoffe ich jedenfalls - und müssten sich eigentlich fragen, warum das Thema Unterversorgung in solchem Maße an uns herangetragen wird, wenn die Versorgung und Anschlussmöglichkeit angeblich so gut sind. Ich zitiere Ihren Minister noch einmal: Wir haben eine Durchdringung von 93 Prozent, müssen allerdings zwischen den herkömmlichen Anschlüssen und der Breitbandversorgung unterscheiden. - Das sagt Ihr Minister.
Ich wollte auf Folgendes hinaus:
Sie sollten vielleicht, bevor Sie mit Taskforce und ähnlichen Begriffen neue Erwartungen wecken, in ihrer eigenen Terminologie und in Ihren Aussagen etwas klarer sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen hier Wettbewerb auch im Hinblick auf die Technologien. Es hat sich gezeigt, dass wir auf der Ebene der Länder - nicht so sehr auf Bundesebene - eine Anschubförderung brauchen; wir sollten die Gemeinden und Betriebe mit dem Thema nicht allein lassen. Dies ist ein klassisches Feld für die Länder. Wir sollten nicht mit der großen Gießkanne herumgehen, sondern mit Programmen und Initiativen, die auf diesem Gebiet zusammenarbeiten, zum einen eine Informationsgrundlage schaffen und zum anderen eine entsprechende Förderung in Gang setzen, allerdings dort, wo man sich damit auskennt, nämlich in den Ländern.
Angesichts der zahlreichen und ständig wachsenden Vorteile der modernen Internetkommunikation muss das bestehende Gefälle zwischen den Ballungsräumen und den ländlichen Gebieten dringend eingeebnet werden; die Breitbandkluft muss überwunden werden. Wir brauchen keine weiteren Breitbandkongresse, runden Tische und Informationsbroschüren. Wir brauchen auch keine geschönten, sondern verlässliche Daten. Es muss schnell und konstruktiv in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden gehandelt werden. Nur dann kommen wir hier wirklich nach vorne.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Gustav Herzog von der SPD-Fraktion.
Gustav Herzog (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich Sie, Herr Kollege Zeil, so laut klagen höre und sehe, wie Sie mit dem Finger auf uns zeigen, dann habe ich fast den Eindruck, die FDP habe das Telefon erfunden und sei uns in der Diskussion meilenweit voraus.
Wenn Sie, Frau Kollegin Zimmermann, uns allen auf dieser Seite des Hauses unterstellen, wir hätten keine Ahnung, was vor Ort los ist, dann mache ich Sie darauf aufmerksam, dass ich in der vergangenen Woche zusammen mit der Kollegin Westrich in Kaiserslautern einen Breitbandgipfel veranstaltet habe. Statt der 150 angemeldeten Bürgermeister kamen 300; dabei haben wir in ganz Rheinland-Pfalz nur 156 Gemeinden, die noch nicht versorgt sind. Ihre Behauptung, wir wüssten nicht, was los ist, und würden uns nicht darum kümmern, zeigt, wie weit Sie von der Realität entfernt sind.
Rheinland-Pfalz wird eine Internetplattform schaffen, auf der die guten Beispiele präsentiert werden.
Ein paar Sätze noch zu den Anträgen der Opposition. Auf die Textbausteine, die in einem Antrag der Opposition stehen müssen - die Bundesregierung tut zu wenig bzw. tut nichts -, möchte ich jetzt nicht eingehen.
Ich muss anerkennen, dass sich die FDP ein Hintertürchen offengehalten hat, nämlich dass, sollten die marktwirtschaftlichen Lösungen ausgeschöpft sein, über eine gesetzliche Regelung nachgedacht werden könne.
Das ist weitsichtig von Ihnen.
Der Antrag der Linken geht an der Realität vorbei. Sie haben eindrucksvoll ein Beispiel geschildert. Aber ich muss Ihnen sagen: Es ist nicht so, dass, wenn der Deutsche Bundestag heute ein entsprechendes Gesetz beschließt, die betreffende Person in wenigen Wochen einen Breitbandanschluss hat. So etwas kann nur jemand sagen, der in einem Land aufgewachsen ist, wo man glaubte, alles mit Gesetzen regeln zu können.
Man kann es sich auch nicht so einfach machen, zu sagen, dass die großen Unternehmen große Gewinne machen. Schauen Sie sich doch die Situation an: Die Telekom verdient da nicht das große Geld. Bei den Breitbandanschlüssen herrscht ein ultraharter Wettbewerb; dies bringt das eine oder andere Problem mit sich.
Zu den Grünen. So ganz haben Sie doch nicht bei uns abgeschrieben; denn ich habe einen Widerspruch bei Ihnen entdeckt - vielleicht können wir den in der Ausschussberatung auflösen -: Sie lehnen Funk ab, fordern aber, über alternative Lösungen zu informieren. Vielleicht müssen Sie zunächst mit sich selbst ins Reine kommen.
Der Antrag der Großen Koalition ist eine gute Grundlage für die weitere Beratung. Ich denke, wir werden zu guten Lösungen kommen. Das erwarten die Menschen von uns zu Recht.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich dem Kollegen Klaus Hofbauer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Hier ist bereits eindrucksvoll geschildert worden, welche Bedeutung die Breitbandversorgung hat. Haben wir uns beim Ausbau der Infrastruktur unseres Landes in den letzten Jahren schwerpunktmäßig auf die Autobahnen konzentriert, müssen wir den Schwerpunkt jetzt darauf setzen, dass auch die Datenautobahnen entsprechend ausgebaut werden.
Herr Staatssekretär, Sie haben in eindrucksvoller Art und Weise dargestellt, was schon geschieht. Ich möchte der Bundesregierung bestätigen, dass wir bei der Datenautobahn bereits auf der Überholspur sind und weitere Fortschritte erzielen. Als ich meine Rede konzipiert habe, bin ich davon ausgegangen, dass wir das Problem der Breitbandversorgung binnen drei Jahren lösen. Sie haben mich überholt, Herr Staatssekretär, indem Sie ankündigten, dass dies bereits innerhalb des nächsten Jahres geschieht. Wir werden alles daransetzen, dass die Breitbandversorgung in den nächsten zwei, drei Jahren auch in der Fläche gewährleistet ist. Sie ist für den ländlichen Raum von entscheidender Bedeutung. Bisher ist der ländliche Raum hier benachteiligt. Dies muss behoben werden.
Nur folgende Punkte - das ist schon gesagt worden -: Wir brauchen den Wettbewerb der Anbieter. Ich habe den Eindruck, dass sich auf dem Breitbandmarkt etwas bewegt, seit das Thema diskutiert wird und verschiedene Initiativen ergriffen worden sind. Ich glaube, wir können hier einiges erreichen. Die Anbieter dürfen aber nicht, auch wenn das bei privaten Anbietern selbstverständlich ist, den wirtschaftlichen Faktor in den Mittelpunkt stellen. Sie haben auch eine Verantwortung für den ländlichen Raum. Sie tragen Verantwortung für die Erschließung unseres Landes mit Breitbandanschlüssen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich sagen, dass entscheidende Impulse von unseren Ministern Michael Glos und Horst Seehofer ausgegangen sind.
Sie haben das Thema aufgegriffen und Konzepte und Strategien entwickelt.
Ich halte es für gut, dass die Breitbandversorgung Bestandteil der Gemeinschaftsaufgabe GAK ist.
Die vorhandenen Mittel werden nicht reduziert; vielmehr sind die Mittel erhöht worden. Deswegen werden wir auch zukünftige Möglichkeiten nutzen können. Ich glaube, dass dies ein Erfolg wird.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein Pilotprojekt konzipiert, für das sechs Gemeinden ausgewählt wurden, in denen das Projekt umgesetzt werden soll. Damit sind sehr große Chancen verbunden, weitere Erkenntnisse zu gewinnen.
Eine der Gemeinden liegt Gott sei Dank in meinem Wahlkreis.
- Das haben Sie aber zu spät gemeldet. -
Besonders wichtig ist bei diesem Pilotprojekt die Zusammenarbeit der Kommunen. Im ländlichen Raum kann die Umsetzung nicht separat in der jeweiligen Kommune erfolgen; vielmehr sind Zusammenschlüsse notwendig. Ich halte das für den entscheidenden Punkt: Die Gemeinden müssen zusammenarbeiten, eine gemeinsame Bestandserhebung und eine Ausschreibung durchführen, in der kein bestimmtes System vorgeschlagen wird, sondern die es den Anbietern ermöglicht, eigene Innovationen einzubringen. Ich bin überzeugt, dass wir damit etwas für den ländlichen Raum erreichen.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Unser gemeinsames Ziel muss erstens darin bestehen, die ländlichen Räume in einem überschaubaren Zeitraum - ich sage es jetzt einfach so, Herr Staatssekretär: in den nächsten zwei, drei Jahren - flächendeckend zu versorgen.
- Warten wir ab, was dazu im Protokoll steht.
- Dann einigen wir uns auf ein Jahr. Ich bin sehr optimistisch. Wer hätte vor einem halben Jahr oder Dreivierteljahr geglaubt, dass wir so weit kommen würden?
Zweitens sind der Wettbewerb der Anbieter und das Verantwortungsbewusstsein für den ländlichen Raum notwendig.
Drittens möchte ich ausdrücklich die Kommunen in die Pflicht nehmen. Wir brauchen gemeindeübergreifende Konzepte. Alleine wird eine Kommune nicht zurechtkommen.
Viertens sollten wir uns auch bewusst sein, dass die vorhandenen finanziellen Mittel nicht ausreichen. Insofern müssen wir den Schwerpunkt auch auf die Finanzen setzen.
Abschließend stelle ich fest, dass wir auf einem guten Weg sind.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/8381, 16/7862, 16/8195, 16/8372 und 16/8374 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 149. Sitzung - wird am
Montag, den 10. März 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]