151. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 13. März 2008
Beginn: 10.31 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle.
Dem Kollegen Wolfgang Wieland, der am vergangenen Sonntag seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, möchte ich im Namen des Hauses nachträglich und in Abwesenheit ganz besonders herzlich gratulieren.
Es findet sich in der Fraktion sicher jemand, der ihm diese besonders herzlichen Grüße in angemessener Weise überbringt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen FDP und DIE LINKE:
Haltung der Bundesregierung zu den Konsequenzen aus dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zum Mindestlohn für Briefdienste
(siehe 150. Sitzung)
ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 29)
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
Chancen der Charta der Vielfalt nutzen
- Drucksache 16/8502 -
Überweisungsvorschlag:
Ältestenrat
ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
(Ergänzung zu TOP 30)
a) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 381 zu Petitionen
- Drucksache 16/8505 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 382 zu Petitionen
- Drucksache 16/8506 -
c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 383 zu Petitionen
- Drucksache 16/8507 -
d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 384 zu Petitionen
- Drucksache 16/8508 -
e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 385 zu Petitionen
- Drucksache 16/8509 -
f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 386 zu Petitionen
- Drucksache 16/8510 -
g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 387 zu Petitionen
- Drucksache 16/8511 -
h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 388 zu Petitionen
- Drucksache 16/8512 -
i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 389 zu Petitionen
- Drucksache 16/8513 -
ZP 4 Beratung des Antrags der Fraktion der FDP
Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat der IKB Deutsche Industriebank AG durch Nutzung der Stimmrechte der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau verhindern
- Drucksache 16/8493 -
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lokale Entscheidungsspielräume und passgenaue Hilfen für Arbeitssuchende sichern
- Drucksache 16/8524 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Lanfermann, Birgit Homburger, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Entbürokratisierung der Pflege vorantreiben - Qualität und Transparenz der stationären Pflege erhöhen
- Drucksachen 16/672, 16/6836 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Willi Zylajew
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Außerdem ist vorgesehen, den Tagesordnungspunkt 14 abzusetzen und an dieser Stelle den Tagesordnungspunkt 8 aufzurufen. Darüber hinaus sollen der Tagesordnungspunkt 7 an den Platz des Tagesordnungspunktes 11 rücken, der Tagesordnungspunkt 11 an den Platz des Tagesordnungspunktes 9 und der Tagesordnungspunkt 9 an den Platz des Tagesordnungspunktes 7. Ich denke, das alles haben Sie jetzt voll drauf.
Sollte es Irritationen geben, stehen wir für ergänzende Auskünfte gerne zur Verfügung.
Schließlich mache ich auf drei nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Die in der 145. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesenen nachfolgenden Gesetzentwürfe sollen zusätzlich dem Finanzausschuss (7. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
- Drucksache 16/8150 -
überwiesen:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Finanzausschuss
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb nach § 3 Ausgleichsgesetz und der Flächenerwerbsverordnung (Flächenerwerbsänderungs-gesetz-FlErwÄndG)
- Drucksache 16/8152 -
überwiesen:
Haushaltsausschuss (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Finanzausschuss
Der in der 148. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Erste Beratung des von den Abgeordneten Birgit Homburger, Martin Zeil, Rainer Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates
- Drucksache 16/7855 -
überwiesen:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 d auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007
- Drucksache 16/8300 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(f)
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien
b) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union
- Drucksache 16/8489 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(f)
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Innenausschuss
Rechtsausschuss
c) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23, 45 und 93)
- Drucksache 16/8488 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Intransparenz beenden - Eine lesbare Fassung des Reformvertrags schaffen
- Drucksache 16/7446 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Auch das ist offensichtlich einvernehmlich. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jean Monnet, einer der Gründungsväter Europas, hat in seiner Erinnerung folgenden Satz geprägt: Wer auf ein Vorhaben verzichtet, weil er nicht die Gewissheit hat, dass sich die Dinge nach Plan entwickeln, ist zur Untätigkeit verdammt.
Vor einem Jahr hatten wir immer noch ein großes Vorhaben, aber - daran erinnere ich - alles andere als Gewissheit, vielleicht sogar ganz im Gegenteil. Das Projekt einer Vertragsreform - damals noch Verfassungsreform genannt - galt nach den verlorenen Referenden in Frankreich und in den Niederlanden als gescheitert. Ich erinnere auch daran, dass unsere Entschlossenheit, sich dieser resignierten Haltung entgegenzustellen, auf ungläubige, ja manchmal sogar entmutigende Reaktionen traf; über Begebenheiten dieser Art habe ich bei anderen Gelegenheiten hier im Parlament bereits berichtet.
Allerdings: Untätigkeit konnten wir uns, konnte sich Europa nicht leisten. Wir konnten sie uns angesichts der wachsenden Herausforderungen, die die sich rasant wandelnde Welt für Europa darstellte, nicht leisten. Der weltweite wirtschaftliche Wettbewerb mit aufstrebenden Handelsmächten wie China und Indien, der Klimaschutz und die Energiepolitik, all das sind Stichworte, die diese Herausforderungen beschreiben. Wir konnten uns auch deshalb keine Untätigkeit leisten, weil die gescheiterten Referenden und die nachfolgende Krise eine Krise für das Selbstverständnis Europas bedeuteten. Ich füge hinzu: Wir wollten uns auch keine Untätigkeit leisten. Denn wir hatten den Anspruch, die Europäische Union demokratischer und transparenter zu machen.
Heute, kaum mehr als ein Jahr nach dem Beginn unseres Vorhabens, liegt Ihnen der Entwurf eines Gesetzes zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon vor. Das ist zuallererst ein Beleg für die Erneuerungskraft Europas und für das Verantwortungsbewusstsein, das alle Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr an den Tag gelegt haben.
Es ist auch ein Beweis für den engen Schulterschluss zwischen Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag: Bundesrat und Bundestag haben die Bemühungen der Bundesregierung um eine Wiederbelebung des Reformprozesses vom Anbeginn an engagiert und konstruktiv unterstützt. Dafür und für die exzellente persönliche Zusammenarbeit meinen ganz herzlichen Dank und den Dank der Bundesregierung!
Uns einte in den Diskussionen der letzten Monate das gemeinsame Ziel, die Substanz des Verfassungsvertrages zu erhalten. Dieses Ziel haben wir erreicht, auch wenn wir auf dem Weg zu diesem Ziel Abstriche machen mussten; darüber haben wir in diesem Hohen Haus bei anderer Gelegenheit gesprochen. Sie wissen, dass es nur um den Preis dieser Abstriche möglich war, das Ergebnis zu erzielen, das Sie kennen und das nach meiner festen Überzeugung für Europas Legitimation, für seine Glaubwürdigkeit und vor allen Dingen für Europas Handlungsfähigkeit entscheidende Fortschritte bringt.
Wir haben uns auf den Reformvertrag geeinigt. Jetzt kommt es darauf an, dass er wie geplant in Kraft tritt und ab Januar 2009 möglichst schnell mit Leben erfüllt wird. Dazu gehört die innerstaatliche Umsetzung, insbesondere die konkrete Ausgestaltung der besseren Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente.
Wir haben - die Ausschüsse des Deutschen Bundestages waren intensiv daran beteiligt - die verschiedenen Optionen für die Umsetzung der mit dem Reformvertrag neu eingeführten Instrumente abgewogen. Am Ende stand die uns verbindende Überzeugung, dass es am besten ist, wenn wir die verstärkten Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat in einem sogenannten Begleitgesetz niederlegen. Sie wissen auch, flankiert wird dieses Begleitgesetz durch eine behutsame Anpassung des Grundgesetzes, die eine allgemeine Ausweitung und damit eine verfahrensmäßige Harmonisierung der Minderheitenrechte im Bundestag zum Inhalt hat. Ich glaube, das ist insgesamt eine sinnvolle, eine angemessene Lösung, der wir hoffentlich alle zustimmen können.
Sie wissen, dass Malta, Ungarn, Slowenien, Frankreich und Rumänien den neuen Vertrag bereits angenommen haben. Sie wissen auch, dass die Ratifizierungsverfahren in anderen Mitgliedstaaten noch einige Hürden zu nehmen haben; ich denke hierbei nicht nur an die Volksbefragung, an das notwendige Referendum, das in der zweiten Juniwoche in Irland stattfinden wird. Ich hoffe, dass am Ende in den Mitgliedstaaten die Weichen so gestellt sind, dass der Vertrag wie geplant zum 1. Januar 2009 in Kraft treten kann. Ich glaube, wir können die Umstände in anderen Staaten günstig beeinflussen, indem wir die Ratifizierung in Deutschland - mit Ihrer Unterstützung natürlich - bis zum 23. Mai abschließen. Ich glaube, es wäre ein gutes Signal, das auch in anderen Ländern - sicherlich auch in Irland - in der Diskussion Wirkung zeigen kann.
Lassen Sie uns das Vorhaben, das wir vor einem Jahr gemeinsam begonnen haben, jetzt auch gemeinsam zu einem guten Ende führen.
Ich danke Ihnen sehr.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für die FDP-Fraktion erhält der Kollege Markus Löning das Wort.
Markus Löning (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Reformvertrag ist ohne Zweifel ein wichtiger Schritt nach vorne, hin zu mehr Handlungsfähigkeit und Gemeinsamkeit der Europäer. Die Europäische Union hat schon immer Stagnationsphasen und dynamische Phasen erlebt. Ich will Ihnen, Frau Bundeskanzlerin und Herr Bundesaußenminister, an dieser Stelle ausdrücklich die Anerkennung der Freien Demokraten dafür aussprechen, dass Sie unter Ihrer Präsidentschaft die Phase der Stagnation überwunden haben.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Rahmen gesteckt. Die Portugiesen haben die Einigung über den Text herbeigeführt. Jetzt kommt es darauf an, dass der Vertrag ratifiziert wird. Wir sind nicht mit allem glücklich, was erreicht worden ist. Aber eines ist klar: Der Vertrag macht die Europäische Union demokratischer, transparenter und handlungsfähiger.
Dem Europäischen Parlament wird eine ganze Reihe von neuen Rechten eingeräumt. Es wird an allen wesentlichen Teilen der Gesetzgebung - im Inneren und im Rechtsbereich, in der Landwirtschaft, im Verkehr und bei den Strukturfonds - beteiligt und erhält zudem ein sorgfältig ausgestaltetes Haushaltsrecht.
Bei der Wahl des Kommissionspräsidenten wird das Europäische Parlament dem Bundestag gleichgestellt; auch wir wählen den Chef der Exekutive. Ich weise an dieser Stelle auch darauf hin, dass das Europäische Parlament bei der Anhörung und Bestätigung der Kommission bessergestellt wird und mehr Rechte haben wird als der Deutsche Bundestag. Denn wir hören die Minister nicht an; auch wird die Regierung nicht durch uns bestätigt. An dieser Stelle ist ein deutlicher Fortschritt der Demokratie zu verzeichnen.
Auch die doppelte Kontrolle ist ein Schritt hin zu mehr Demokratie in Europa. Sie ist ein Schritt zu einer Union der Länder, aber auch der Bürger. Mit der doppelten Mehrheit werden die Bevölkerungsmehrheiten und Bevölkerungsgrößen der Länder angemessen abgebildet. Das ist für das große Land Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern ein wichtiger Schritt nach vorne zu mehr Demokratie in Europa.
Europa wird rechtsstaatlicher gestaltet. Es wird durch Mehrheitsentscheidungen handlungsfähiger und erhält eine Rechtspersönlichkeit. Die Europäische Union kann endlich der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten. Ich hoffe, dass das auch unmittelbar nach der Ratifizierung erfolgen wird.
Des Weiteren erhalten wir eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Eines muss vor Beginn der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik festgestellt werden: Sie muss den Geist der Union atmen. Sie kann nicht so gestaltet werden, wie es sich der Präsident unseres Nachbarlands Frankreich vorstellt, nämlich dass sich einige wenige große Staaten zusammenschließen und vorangehen. Wir brauchen zwar dynamische Gruppen, die vorangehen. Aber jedes Vorangehen von Gruppen muss inklusiv sein. Nichts darf als exklusiv empfunden werden. Die Großen dürfen sich nicht gegen die Kleinen zusammenschließen. Die Staaten des Südens dürfen sich nicht zusammenschließen und die Staaten des Nordens ausschließen. Der Westteil Europas darf sich nicht gegen den Ostteil zusammentun. Europa gehört zusammen. Jedes Zusammengehen in einzelnen Politikfeldern bedarf einer sorgfältig austarierten Gruppe derer, die vorangehen.
Ich halte es für außerordentlich wichtig, das von Anfang an klarzumachen: Wir sind für eine dynamische Entwicklung, aber nur gemeinsam und im europäischen Geist.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu den Punkten sagen, die leider nicht ganz gelungen sind. Es wird immer postuliert, dass die nationalen Parlamente eine stärkere Rolle bekommen sollen. Wir bekommen nun das Recht der Subsidiaritätsrüge. Wir sollen innerhalb von acht Wochen eine Mehrheit innerhalb des Parlaments herstellen. Obwohl die Frist nun um ein Drittel länger ist als ursprünglich vorgesehen, wissen Sie genauso gut wie ich, wie lang parlamentarische Wege sind und dass es daher außerordentlich schwierig sein wird, so schnell eine Mehrheit herzustellen. Ich glaube, die Rolle des Deutschen Bundestages wird - genauso wie die der anderen nationalen Parlamente - vielmehr darin bestehen, dass wir unsere Rechte, die uns zustehen, aktiv wahrnehmen. Das ist eine Aufforderung insbesondere an die Koalitionsfraktionen, in Zukunft mit mehr parlamentarischem Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gegenüber der Regierung aufzutreten. Wenn wir das nicht tun, nutzen uns alle Rechte nichts. Dann sind sie noch nicht einmal das Papier wert, auf dem sie stehen.
Im wirtschaftlichen Bereich gibt es einige Punkte, die nicht so ausgefallen sind, wie wir Liberale uns das gewünscht hätten. Deutschland ist mit der Unabhängigkeit der Bundesbank immer sehr gut gefahren und hat deswegen großen Wert darauf gelegt, dass die Rolle der Europäischen Zentralbank entsprechend festgelegt wird. Nun ist sie vielleicht nicht faktisch, wohl aber symbolisch dadurch ein bisschen abgewertet worden, dass sie keinen eigenen Artikel mehr hat. Man kann und muss dem entgegensteuern. Uns muss klar sein: Das darf nicht den Einstieg in einen Paradigmenwechsel in der Währungspolitik bedeuten. Die EZB und ihre Unabhängigkeit müssen weiter Toppriorität in der deutschen Politik haben.
Der Verzicht auf Symbole mag ein Preis sein, den wir zahlen mussten, um Einigkeit herzustellen. Dennoch sollten wir daran denken, dass sich die Bürger mit Europa identifizieren wollen. Dazu brauchen wir Symbole. Deswegen begrüßen wir es, dass wir weiterhin Symbole im Bundestag verwenden.
Lassen Sie mich zum Thema Wettbewerb noch ein paar Sätze sagen. Wettbewerb wurde aus dem Zielekanon gestrichen und abgestuft. Aber Wettbewerb ist mehr als ein Mittel der Wirtschaftspolitik. Wettbewerb ist ein Ordnungsmittel einer freien Gesellschaft. Wenn ich sehe, dass soziale Ziele, die immer staatliches Handeln nach sich ziehen, nach vorne gerückt sind, während der Wettbewerb abgestuft ist, dann sehe ich im Hintergrund einen Paradigmenwechsel, der mir als Liberalen nicht gefällt. Europa ist auch immer eine Union der freien Bürger gewesen. Ein Grundwert Europas ist immer gewesen, dass die Freiheit des Einzelnen zählt, dass es sich um freie Gesellschaften handelt, in der das Individuum einen sehr hohen Stellenwert hat. Wir müssen in den nächsten Jahren unser Augenmerk darauf richten, dass nicht zu viel staatliches Handeln aus Europa quasi über uns kommt.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Mit dem Vertrag von Lissabon wird ein wichtiger Schritt gegangen. Damit können wir Europa nach vorne bringen. Wir Freien Demokraten werden den Vertrag ratifizieren; denn wir denken, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Danach wird es an der Zeit sein, europäische Politik wieder mit Substanz zu betreiben, zum Wohl der Europäerinnen und zum Wohl der Europäer.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Andreas Schockenhoff ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist in den letzten Jahren durch den Beitritt von zwölf weiteren Staaten nicht nur größer geworden. Es ist auch politisch stabiler geworden. Wir haben es nicht nur geschafft, die widernatürliche politische Teilung zu überwinden, sondern auch zusammenzuwachsen. Dass die Europäische Union in einer so extrem schwierigen und völkerrechtlich nicht eindeutigen Frage wie der Anerkennung des Kosovo zusammengeblieben ist, dass sie sich geschlossen für die ESVP-Rechtsstaatsmission eingesetzt hat und den Aufbau des Kosovo angeht, zeigt doch, dass wir auf dem Weg zu einer handlungsfähigen Sicherheitsunion sind.
Ich nenne dieses Beispiel, weil die vielen wichtigen Verbesserungen durch den Lissaboner Vertrag nur dann die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Europäischen Union wirklich stärken werden, wenn auch der politische Wille da ist, trotz unterschiedlicher Interessen zu einem gemeinsamen Handeln zu kommen. Genau darin liegt die politische Bedeutung dieser beiden Ereignisse, der Einigung auf den Lissaboner Vertrag und der Geschlossenheit in der Kosovo-Frage. Die EU hat ihre Ambitionen unterstrichen, eine politische Union, eine Sicherheitsunion, ein maßgeblicher Akteur der internationalen Politik zu sein. Die Einigung auf den Lissaboner Vertrag ist der Ausdruck des politischen Willens, die dafür erforderlichen Schritte der Vertiefung nachzuholen und den Prozess der politischen Integration fortzusetzen. Ich sage eines ganz offen: Angesichts der globalen Herausforderungen haben wir dazu keine Alternative. Entweder sind wir in der Lage, bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen unsere Interessen gemeinsam zu vertreten, indem wir handlungsfähiger werden, oder wir lassen uns von anderen vorgeben, welche Rolle wir zu spielen haben.
Dass Europa erneut zusammengefunden und sich auf diesen Vertrag geeinigt hat, ist maßgeblich ein Erfolg der deutschen EU-Präsidentschaft. Es war eine große Leistung unserer Bundeskanzlerin, selbst die widerspenstigsten Partner zu überzeugen. Dafür danken wir ihr.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird diesen Vertrag ratifizieren. Auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt wurden, ist es ein guter Vertrag. Er stärkt die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Europäischen Union: In 40 weiteren Politikbereichen gehen wir von der Einstimmigkeits- zur Mehrheitsentscheidung über, mit der doppelten Mehrheit wird künftig die Blockademöglichkeit eingeschränkt, und die EU-Kommission wird deutlich verschlankt, was einen Beitrag zum Bürokratieabbau darstellt.
Es gibt mehr Kontinuität und Sichtbarkeit nach innen wie nach außen durch den Präsidenten des Europäischen Rates und durch den Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik. Wir sollten bei der umgangssprachlichen Bezeichnung ?EU-Außenminister? bleiben.
Henry Kissinger hat vor vielen Jahren gefragt, welches denn die Telefonnummer von Europa sei. Jetzt haben wir sie endlich. Das ist wichtig für den Dialog mit unseren globalen Partnern USA, Russland, China und Indien. Es ist aber auch für die Identifikation unserer Bürger mit der EU und ihrer Politik wichtig.
Die nationalen Parlamente werden durch das Recht der Subsidiaritätseinrede und der Subsidiaritätsklage gestärkt. Je größer die Europäische Union wird, desto wichtiger ist es, dass sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentriert: auf die globalen, länderübergreifenden Herausforderungen. Sie soll aber nicht für Fragen zuständig sein, die auf nationaler oder regionaler Ebene besser geregelt werden können. Die Europäische Kommission hat immer wieder Gesetzgebungsvorschläge gemacht - ich denke hier etwa an die Antidiskriminierungspolitik -, bei denen eine Zuständigkeit der EU kaum zu erkennen ist.
Als nationale Parlamente haben wir jetzt die Chance, dafür zu sorgen, dass die EU-Politik wieder bürgernäher wird. Dann müssen wir unsere Rechte aber auch nutzen und die im Begleitgesetz geschaffenen Kontrollmöglichkeiten anwenden: im Inneren gegenüber unserer eigenen Bundesregierung und nach außen, indem wir uns mit den anderen nationalen Parlamenten zügig koordinieren.
Wie wichtig es ist, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, zeigen die Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben. Ich nenne drei Beispiele:
Erstens. Unsere wachsende Energieabhängigkeit macht es dringend erforderlich, die vor einem Jahr beschlossene Energieaußenpolitik endlich in die Praxis umzusetzen.
Dieses Thema wird heute und morgen beim EU-Gipfel angesprochen werden. Wenn wir in unseren Beziehungen gegenüber Dritten wie Russland weitermachen wie bisher - als Beispiele nenne ich nur den Einstieg Ungarns und Bulgariens bei ?South Stream? -, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn wir eines Tages ein Spielball russischer Gaspolitik werden.
Gasprom - das lässt sich an den Aktivitäten ganz klar absehen - hat eine europäische Strategie, Europa hat sie noch nicht; sie ist aber dringend erforderlich. Wir können uns eine fragmentierte, an bilateralen Verhandlungen orientierte Politik, die uns alle nur schlechter stellt, nicht mehr länger leisten. Wir brauchen eine Energiesicherheitsunion.
Das heißt erstens, dass Energieversorgungssicherheit ein geschlossenes Auftreten gegenüber Dritten erfordert. Das heißt zweitens, dass wir eine Kultur der Energiesolidarität brauchen, dass wir also bei Versorgungsproblemen solidarisch füreinander einstehen. Das schließt natürlich ein, dass wir gleiche Bevorratungsstandards haben. Es kann nicht angehen, dass die Bundesrepublik für 120 Tage Gas vorhält, während andere EU-Partner überhaupt keine Bevorratung haben. Das heißt drittens, dass wir unsere technologische Überlegenheit im Energiebereich, also Energieeffizienz, Energieeinspartechnologien und Klimaschutz, viel stärker in die Verhandlungen einbringen müssen.
In diesem Zusammenhang - das ist das zweite Thema - kurz ein Wort zur Klimapolitik. Der Klimawandel wird immer mehr zu einem Sicherheitsrisiko. Es wäre sträflich, ihn nur als ein Umwelt- und Energieproblem zu betrachten. Wenn es nicht gelingt, den Klimawandel zu bewältigen, dann werden sich die Folgen des Klimawandels in anderen Regionen direkt bei uns in Europa auswirken, zum Beispiel durch Flüchtlingsbewegungen, aber auch indem wir in Konflikte um Wasser, Land und Nahrung hineingezogen werden. Wir müssen unbedingt die im letzten Jahr beschlossenen Emissionsreduktionsziele erfüllen, wir müssen erreichen, dass unsere Partnerländer, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer mehr als bisher für den Klimaschutz tun, und wir brauchen einen europäischen Ansatz zur Konfliktprävention und zum Krisenmanagement, um den durch den Klimawandel hervorgerufenen Herausforderungen zu begegnen.
Ein drittes Thema: Wir müssen uns möglichst bald um die Verhandlungen mit Russland über ein Folgeabkommen zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen beginnen. Die Energiethematik wird dabei eines der wichtigen Themen sein, aber auch Themen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und Ausbau der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit müssen vorangebracht werden. Der künftige Präsident Medwedew hat dazu bemerkenswerte Reden gehalten und Aussagen gemacht, die wir begrüßen. Wir hoffen, dass er sie in die Tat umsetzt; sonst wird er das selbstgesteckte Ziel einer umfassenden Modernisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft in Russland nicht erreichen. Ich sage aber auch, dass wir ein klares Interesse an einem politisch und wirtschaftlich modernen Russland haben. Deswegen sollten wir Medwedews Modernisierungsvorhaben unterstützen und nicht nur als Zuschauer begleiten, zumal Russland uns braucht. Dadurch haben wir Einfluss. Dabei werden wir Medwedew und seine wiederholte Betonung von Rechtsstaatlichkeit, freien Medien und einer starken Zivilgesellschaft beim Wort nehmen. Das tun wir beispielsweise dadurch, indem wir einfordern, dass das Gesetz über Nichtregierungsorganisationen geändert wird. Das ist ein bürokratisches Monstrum, das dem Staat nach wie vor viel Raum für Willkür bietet.
Alle drei Themen - Energie, Klima, Russland - werden Schwerpunkte auch der französischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr sein. Diese Herausforderungen zeigen, wie wichtig es ist, dass der deutsch-französische Motor rundläuft. Deutschland und Frankreich waren seit Beginn der europäischen Einigung der Motor des Einigungsprozesses und werden es auch weiterhin sein. Wann immer sich Deutschland und Frankreich nicht einig waren, lief nichts in der Europäischen Union; wenn sie sich einig waren, kam die Europäische Union voran. Deshalb begrüßen wir, die CDU/CSU, es außerordentlich, dass es Ihnen, liebe Frau Bundeskanzlerin, vor wenigen Tagen gelungen ist, mit Präsident Sarkozy in Hannover eine europäische Lösung für das Projekt einer Union für das Mittelmeer zu vereinbaren. Alles andere wäre ein Rückschlag gewesen.
- Die politische Bewertung der Europapolitik durch die Bundeskanzlerin und durch den französischen Präsidenten ist einheitlich, und das ist das Entscheidende. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Wir brauchen eine starke französische Präsidentschaft, die sich frühzeitig mit Deutschland abstimmt.
Für die Europapolitik ist es wichtig, die mittleren und kleinen Staaten frühzeitig einzubinden. Das ist bei 26 Partnerstaaten oft mühsam und nicht immer einfach; aber die deutsche Präsidentschaft hat gezeigt, dass es möglich ist. Nichts ist kontraproduktiver für Europa, als wenn die großen eine Politik über die Köpfe der mittleren und kleinen Staaten hinweg betreiben.
Ich fasse zusammen: Der Lissabonner Vertrag ist ein guter Vertrag, der Europa voranbringen wird.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Professor Dr. Lothar Bisky, Fraktion Die Linke.
Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Niederländer und Franzosen haben in Referenden die ursprüngliche EU-Verfassung abgelehnt. Sie wollten eine Verfassung für Europa
- ja, das war gestern, aber man darf sich daran erinnern -, aber sie wollten keinen Sargdeckel für den Sozialstaat; sie wollten nicht, dass Aufrüstung und eine gescheiterte Wirtschaftspolitik Verfassungsrang erhalten.
Es gibt weitere Gründe.
Die Regierenden verordneten sich eine Denkpause, aus der sie bis heute nicht herausgefunden haben. Das Ergebnis: Die Europäerinnen und Europäer bekommen jetzt einen Vertrag, in dem erneut Aufrüstung und eine gescheiterte Wirtschaftspolitik die Grundrichtung bestimmen.
Der Konventspräsident Giscard D?Estaing sagte, der Vertrag von Lissabon sei ein alter Brief in einem neuen Umschlag.
Ich frage mich: Fürchten sich die Regierenden vor den Europäern, oder haben die Europäerinnen und Europäer Grund, sich vor diesem Vertrag zu fürchten?
Bis heute liegt kein lesbarer Vertrag vor. Wir alle brauchen einen Steuerberater; wahrscheinlich werden wir alle auch einen Europaberater brauchen. Ohne europäische Öffentlichkeit gibt es keine europäische Demokratie.
Sicher: Mit dem europäischen Bürgerbegehren wird mehr direkte Demokratie in Europa eingeführt; soziale Bewegungen erhalten von der EU ein Gestaltungsinstrument. Das begrüßen wir ausdrücklich. Es ist aber ein Armutszeugnis, dass es bei einem so einschneidenden Vertragswerk zu einer eklatanten Missachtung des Volkswillens kommt. Darum fordert die Linke Volksabstimmungen in allen EU-Ländern,
am besten am selben Tag, damit Europa auf der Zustimmung seiner Menschen aufbauen kann.
Wir sehen durchaus Verbesserungen gegenüber dem Vertrag von Nizza: Die Charta der Grundrechte wird rechtsverbindlich. Künftig soll eine soziale Querschnittsklausel zur Prüfung aller Rechtsakte auf ihre Sozialverträglichkeit gelten. Die Vielfalt der Daseinsvorsorge und der vorrangigen Kompetenz der Mitgliedstaaten wird anerkannt. Europol kommt unter parlamentarische Kontrolle. Haushaltsrechte des Europäischen Parlaments werden gestärkt.
Bei internationalen Handelsabkommen wird ein parlamentarisches Vetorecht eingeführt. Und: Die Mitbestimmungsrechte des Europäischen Parlaments werden von 20 auf 80 Politikbereiche erweitert.
Die ursprüngliche Idee der europäischen Integration war es, Frieden durch Abhängigkeit zu schaffen. Heute wird überdies eine politische Antwort auf die Globalisierung gesucht. Wir stehen vor den Herausforderungen des Klimawandels, der Energiesicherheit und der Friedenssicherung durch Kooperation. Der Vertrag von Lissabon wird diesen Herausforderungen nicht gerecht.
Bei allem Positiven: Es fehlt ihm an Zukunftsfähigkeit. Wir bedauern, dass Sozialstaatlichkeit nicht zu den Werten der EU gehört und soziale Marktwirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit gekoppelt ist. Marktradikalismus lehnen wir ab; das wissen Sie.
Eine Lehre aus der europäischen Geschichte lautet: Wir dürfen Freiheit und Gerechtigkeit nie wieder trennen.
Wir müssen sie zusammen denken.
Meine Damen und Herren von der Koalition, mit dem Vertrag von Lissabon schaffen Sie eine Aufrüstungsverpflichtung.
Ich zitiere den Direktor der EU-Verteidigungsagentur, Alexander Weis. Im Handelsblatt vom 27. November 2007, auf Seite 7, hat er das Jahr 2008 zum Jahr der Aufrüstung erklärt. Ich frage Sie: Wer bedroht Europa heute?
Wir als Linke meinen: Wir brauchen weder Innenminister, die in unsere Computer kriechen, noch darf sich Europa durch Raketen spalten lassen.
Was wir brauchen, sind viele Jahre der Abrüstung.
Wozu brauchen wir eine ständige strukturierte Zusammenarbeit? Möchte die EU ihre Battle-Groups innerhalb von wenigen Tagen überall in die Welt verlegen? Wollen die Europäer die strenge Bindung an die UN-Charta lösen?
Nur wer meint, immerzu stark zu sein, kann sich die Missachtung des Völkerrechts leisten.
6 000 Afrikaner - junge Frauen, junge Männer, Kinder - sind allein im vergangenen Jahr bei dem Versuch ertrunken, europäisches Festland zu erreichen. Es ist zynisch, die Heimat dieser Menschen mit Waren zu überfluten, ihre Sehnsucht nach einer Perspektive aber im Mittelmeer zu ertränken.
Ich will deutlich sagen: FRONTEX ist eine humanitäre Katastrophe. Wir alle sind aufgefordert, dies zu überwinden.
- Frau Künast, Sie sind gleich dran, dann können Sie das alles sagen. Es gibt keinen Grund zur Aufregung.
Die Linke möchte eine Verfassung für Europa, die auf den besten europäischen Traditionen aufbaut: ein soziales, ein wohlhabendes und ein friedliches Europa.
Die Bundesregierung hat sich redlich bemüht, die europäischen Ideale von Freiheit, Gleichheit und Solidarität zu stutzen. Das halten wir für falsch. Deshalb lehnen wir den ?Basta!?-Vertrag von Lissabon ab.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Rainder Steenblock, Bündnis 90/Die Grünen.
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, dass auch die Linke in diesem Bundestag verstanden hat - das erkenne ich auch an, Kollege Bisky -: Dieser Vertrag macht die Zukunft Europas demokratischer und transparenter; er stärkt die Beteiligung der europäischen Bürgerinnen und Bürger deutlich. All das ist anscheinend Konsens in diesem Haus. Das ist gut so - das sage ich auch ganz deutlich in Ihre Richtung, Herr Bisky -; das ist, finde ich, ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir als Grüne in diesem Haus haben immer gesagt: Natürlich wäre es richtig gewesen, über die europäische Verfassung damals ein Referendum zu veranstalten und damit ein Votum in ganz Europa herbeizuführen. Unsere Debatte über die Vor- und Nachteile von Referenden ist aber sehr viel differenzierter als das, was Sie mit Ihrer Forderung nach Referenden auf nationaler Ebene hier populistisch einbringen. So einfach ist das nicht.
Mich ärgert es manchmal schon, wie schnell einige Leute vom autoritären Zentralismus zur direkten Demokratie und Basisdemokratie übergewechselt sind.
Ich glaube, dass zwei Fragen wichtig sind, weil sie die Menschen in diesem Land bewegen. Die Menschen machen sich Gedanken über die Frage: Kann die Europäische Union unsere zentralen Zukunftsfragen lösen?
Die Fragen der Sicherheit und der ökonomischen Zuverlässigkeit sind mit Blick auf die Erreichung der Ziele der Menschen in Europa berechtigt, auf sie muss man eingehen. Ich will dies noch einmal sehr deutlich sagen: Herr Bisky, Sie haben den marktradikalen Neoliberalismus wieder angesprochen. Wenn Sie sich diesen Vertrag einmal genau anschauen würden, so würden Sie sehen, dass man jedes dieser Argumente widerlegen kann. Unter anderem gibt es die soziale Querschnittsklausel in Art. 5 des Vertrages. Dort steht:
Bei der ... Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen
- und zwar aller Politiken der Europäischen Union -
trägt die Union den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung.
Das sind zentrale soziale Erfordernisse, die in dieser Verfassung wie in keiner anderen als Querschnittsaufgabe für alle Politikfelder enthalten sind. Als oberstes Ziel steht in Art. 2 Abs. 3 unter dem Stichwort ?soziale Ziele?: Die EU
bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern ...
Ich will das gar nicht alles vortragen. Diese zentralen sozialen Ziele sind in keiner anderen Verfassung Europas so intensiv integriert wie in diesem Vertrag.
Schließlich gibt es auch noch die Grundrechtecharta, die in zentralen Teilen ebenfalls diese sozialen Grundrechte beschreibt, die nicht nur für die Staaten, sondern auch für die Organe der Europäischen Union relevant sind. In diesem Zusammenhang zitiere ich aus der Bezirkszeitung Die Linke. Friedrichshain-Kreuzberg vom 5. Februar dieses Jahres:
Die Charta der Grundrechte ist das modernste Grundrechtedokument überhaupt. - Das steht in diesem lesenswerten Blatt. Das ist richtig, das unterstützen wir.
Das hat Frau Kaufmann geschrieben, die Abgeordnete der Linken, die für sie auch im Konvent war.
Vielleicht noch ein Wort zum Militarismus. Wenn man in diesem Vertrag nachliest, was dort zur Sicherheits- und Friedenspolitik steht, dann sieht man: Im Vertrag ist als allererstes Ziel in Art. 2 Abs. 1 verankert:
Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.
Weiter heißt es dann:
In ihren Beziehungen zur übrigen Welt ? leistet [sie] einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern ... sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.
Hier ist die Friedenspflicht internationaler Politik noch einmal verankert.
Auch in dem Kapitel zur Außen- und Sicherheitspolitik werden vorrangig, vor den militärischen Konfliktlösungsmöglichkeiten, die zivilen Möglichkeiten genannt. All das steht in dieser Verfassung. Deshalb unterstützen wir diesen Vertrag für die Zukunft Europas. Er spiegelt genau unsere Werte wider.
Als Vertreter der Grünen sage ich hier denjenigen, die dieses Europa sozialer machen wollen: Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, und wir brauchen weitere Initiativen.
All denjenigen, die dieses Europa - das bezieht sich auf die Sicherheitspolitik - mit seinen zivilen Konfliktlösungsmöglichkeiten aktiver, attraktiver und auch handlungsfähiger machen wollen, sage ich: Auch Sie haben die Grünen an Ihrer Seite. Das ist überhaupt keine Frage. Dieser Prozess muss weitergehen. Ich sage aber auch sehr deutlich: Diejenigen, die die Grundwerte der Europäischen Union instrumentalisieren wollen, um daraus ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen, werden unseren entschiedenen Widerstand finden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Der nächste Redner ist der Kollege Michael Roth, SPD-Fraktion.
Michael Roth (Heringen) (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am gestrigen Tag hat das Europäische Parlament feierlich seinen 50. Geburtstag begangen. Das Europäische Parlament macht deutlich, in welch dynamischem Prozess der Verfassungsgebung innerhalb der Europäischen Union wir uns bewegen.
Wie klein und bescheiden hat der Parlamentarismus in Europa begonnen - mit einem beratenden Gremium. Jetzt haben wir es, auch dank des Vertrages von Lissabon, mit einem parlamentarischen Organ zu tun, das in fast allen Politikbereichen, für die die Europäische Union verantwortlich zeichnet, mit dem Rat gleichberechtigt ist. Damit wird deutlich: Die Europäische Union ist eine Union nicht allein der Staaten, nicht allein der Regierungen; vielmehr ist sie eine Union der Bürgerinnen und Bürger, der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Dafür haben wir viel, lange, intensiv und mühsam gearbeitet; es ist ein Erfolg, auf den wir alle gemeinsam stolz sein können.
Eine zentrale Aufgabe der Europäischen Union ist es, sich mit einer demokratischen und gleichzeitig sozialen Antwort auf die Risiken und die Chancen der Globalisierung zu positionieren. Da sei die kritische Frage erlaubt, ob das, was wir institutionell, auch mit dem Vertrag von Lissabon, auf den Weg bringen konnten, ausreicht, um die EU im globalen Wettbewerb so zu positionieren, dass sie den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger vollumfänglich gerecht werden kann. Ich befürchte, dass die Fortschritte, die wir erzielen konnten, noch nicht ausreichen. Aber auch das sollte uns nicht in Pessimismus verfallen lassen, weil wir alle wissen, dass auch mit dem Vertrag von Lissabon die Verfassungsgebung in der Europäischen Union nicht an ein Ende gekommen ist. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, nicht nur hier im Parlament, halten an dem Ziel fest: Wir wollen eine Verfassung für die Europäische Union. Wir wollen, dass die Union der Bürgerinnen und Bürger weiter gestärkt wird und dass auch der Parlamentarismus in der Europäischen Union noch stärker gefestigt wird, als das mit dem Vertrag von Lissabon erfreulicherweise der Fall ist.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen - ob uns das passt oder nicht -, dass das Fundament gemeinsamer Überzeugungen innerhalb der Europäischen Union brüchiger geworden ist. Mit einer EU der 27 ist es schwierig geworden, so voranzukommen, wie es die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten. Die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist mit 27 natürlich schwieriger als mit 6, 8 oder auch mit 15 Partnern. Dennoch können wir hier im Bundestag zufrieden sein. Ein langer Weg kann hoffentlich endlich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Erinnern wir uns kurz: Der Weg hat, damals noch unter deutscher Präsidentschaft - Ratspräsident war Gerhard Schröder -, mit dem Konvent zur Erarbeitung der Grundrechtecharta begonnen. Das war das Startsignal für die Verfassungsdebatte. Deswegen sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders stolz auf das, was wir in den vergangenen Jahren und Monaten erzielen konnten.
Was ist aber jetzt zu tun? Wir alle wissen: Der Vertrag von Lissabon macht die Europäische Union nicht automatisch besser. Aber es besteht jetzt eine Chance, dass wir in bestimmten Politikfeldern vorankommen. Das zentrale Momentum scheint für mich zu sein, dass wir das europäische Sozial- und Gesellschaftsmodell ausbauen, stärken und intensivieren. Hier ist die Europäische Union noch nicht so weit, wie sie eigentlich sein müsste. Die Bürgerinnen und Bürger wollen, dass bei der Lösung von sozialen Problemen, bei der Schaffung von neuen und zukunftsweisenden Arbeitsplätzen die Europäische Union nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung ist. Hier muss die Europäische Kommission in noch stärkerem Maße als bislang das europäische Sozialmodell in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten rücken. Wir als Deutscher Bundestag haben diesen Prozess sehr aufmerksam und sehr kritisch zu begleiten.
Ebenso wichtig ist es, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zu einem neuen Gemeinsinn kommen. Hier haben die großen Mitgliedstaaten Vorbild zu sein. Deswegen ist das, was auch unser französischer Partner in den vergangenen Monaten geliefert hat, besorgniserregend. Es kann nicht angehen, dass man mit dem Kopf durch die Wand will, dass man beispielsweise mit der Mittelmeerunion einen Vorschlag auf den Weg bringt, der eher spaltet denn vereint. Wir müssen das gemeinsame Fundament in der Außen- und Sicherheitspolitik stärken. Wir können nicht mit dem Finger auf Tschechien oder andere kleinere Mitgliedstaaten zeigen, wenn gerade die großen Mitgliedstaaten - Deutschland, Frankreich, Großbritannien - nicht mit gutem Beispiel vorangehen. Diese Glaubwürdigkeit darf von uns erwartet werden. Wenn wir hinsichtlich unserer Überzeugungen nicht glaubwürdig sind, können wir auch nicht mit dem Finger auf andere, wie die Vereinigten Staaten von Amerika oder Russland, zeigen.
Wir brauchen daher keine großen Solisten in der Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Wir brauchen Teamspieler und die Bereitschaft zum Kompromiss. Denn weltweit besteht die Erwartungshaltung an die Europäische Union: Tragt dazu bei, dass Konflikte präventiv oder mit zivilen Mitteln gelöst werden! Tragt zu einem anderen Sicherheitsmodell - als dem zur Zeit global dominierenden - bei! Die Europäische Union sollte diesen Erwartungen gerecht werden.
Wir brauchen - das betrifft jetzt einen anderen zentralen Politikbereich der Europäischen Union - eine neue Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Die EU begreift sich als Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts. Ich habe bei einigen Gesetzesinitiativen und -vorstößen der EU-Kommission mitunter den Eindruck, dass man die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zulasten einer vermeintlichen Sicherheit opfert. Es muss deutlich werden, dass wir innerhalb der Europäischen Union nicht einseitig auf Sicherheitsmodelle setzen, die beispielsweise von den Vereinigten Staaten von Amerika propagiert werden. Ich halte zum Beispiel die Vorschläge zur Fluggastdaten-Speicherung für inakzeptabel. Darüber müssen wir noch einmal reden.
Das ist nicht unsere Vorstellung von einem sicheren und freiheitlichen Europa der Bürgerinnen und Bürger.
Wir müssen vor allem unsere eigene Rolle als Parlament neu justieren. Der Vertrag von Lissabon eröffnet den nationalen Parlamenten neue Chancen der Mitverantwortung und der Mitwirkung. Es bleibt aber dabei: Die zentrale Aufgabe des Deutschen Bundestages ist es, Regierungshandeln innerstaatlich zu kontrollieren. Die Bundesrepublik Deutschland wird im Rat von der Bundesregierung vertreten. Hier müssen wir kontrollieren und versuchen, Einfluss zu nehmen.
Oftmals gibt es Missverständnisse in Deutschland, was die Subsidiarität angeht. Subsidiarität ist ein Instrument; aber wir dürfen mit der Keule der Subsidiaritätskontrolle oder -rüge nicht all das, was uns möglicherweise politisch missfällt, zerschlagen. Wir brauchen die politische Auseinandersetzung. Wir müssen uns frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union einbringen. Subsidiaritätsrüge und -kontrolle sind sicherlich wichtige Instrumente. Wir müssen aber dafür sorgen, dass es innerhalb der Europäischen Union keine neuen Blockaden gibt, sondern konstruktive Mitgestaltung. Hier stehen wir im Wort.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Roth.
Michael Roth (Heringen) (SPD):
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.
Es muss uns darum gehen, auch durch personalpolitische Entscheidungen, die in den nächsten Jahren und Monaten zu treffen sind, die Gemeinschaftsinstitutionen der Europäischen Union zu stärken. Wir brauchen nicht mehr intergouvernementales Handeln, -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, Sie sprechen auf Kosten Ihrer Fraktionskollegen.
Michael Roth (Heringen) (SPD):
- sondern eine starke Kommission und ein starkes Parlament. Deshalb bleibt es beim Slogan der deutschen Ratspräsidentschaft: Die EU gelingt nur gemeinsam.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Florian Toncar, FDP-Fraktion.
Florian Toncar (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist ein Projekt der Freiheit. Grenzen fallen; Menschen aus unterschiedlichen Ländern kommen zusammen. Jeder Europäer darf sich in ganz Europa frei entfalten. Die Unionsbürgerschaft gewährt ihm im ganzen Unionsgebiet das Recht dazu.
Vor diesem Hintergrund finde ich es ein bisschen schade, dass diese Errungenschaften in Ihrer wenig inspirierenden Rede, Herr Kollege Bisky, nicht gewürdigt worden sind. Ich glaube, dass Sie einen eher öden Vortrag über alle Vorurteile - seien sie auch noch so platt -, die es über Europa gibt, gehalten haben. Das wird Europa nicht gerecht.
Europa stärkt nämlich nicht nur unsere Wettbewerbsfähigkeit - das tut es zweifelsohne -, sondern Europa fördert insgesamt die gegenseitige Toleranz von Menschen unterschiedlicher Herkunft, die Fähigkeit, sich auf Menschen anderer Kulturen, anderer kultureller Herkunft einzulassen. Ich glaube, dass diese Fähigkeit, andere Kulturen zu verstehen und auf andere Menschen einzugehen, eine der Schlüsselqualifikationen im Zusammenhang mit der Globalisierung insgesamt ist. Europa liefert sie uns gratis, und dafür sollten wir etwas dankbarer sein.
Dieses Europa wird mit dem Lissabonner Vertrag wieder handlungsfähig - das ist gut. Denn wir haben sehr lange über Verfahren und die Verfassung gestritten. Aber das ist ja auch der Weg, den man gehen muss, um die bestehenden Probleme anzupacken.
Ich möchte einen Bereich als Beispiel nennen, in dem wir sehr viel zu tun haben werden, den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Europa. In 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union herrscht Bewegungsfreiheit. Das ist großartig, aber das macht mehr Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und mehr Koordination auf europäischer Ebene notwendig.
Der Lissabonner Vertrag vertieft die bestehende Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik. Das zentrale Prinzip sowohl im zivilrechtlichen als auch im strafrechtlichen Bereich ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Art. 81 und 82 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Auf der einen Seite ist also die gegenseitige Anerkennung zwingend vorgesehen. Auf der anderen Seite fehlt es aber immer noch an Mindestvorschriften für ein faires Strafverfahren, für Beschuldigtenrechte und Datenschutz in ganz Europa. Aus unserer Sicht kann es nicht angehen, dass einerseits die gegenseitige Anerkennung sehr weit geht, aber andererseits die Beschuldigtenrechte und Verfahrensrechte dem nicht gerecht werden. Daran muss gearbeitet werden.
Denn wer gleichzeitig von Freiheit, Sicherheit und Recht spricht, der muss alle diese Werte schützen und nicht die einen mehr und die anderen weniger.
Natürlich ist der Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention ein wichtiges Signal, das die FDP-Bundestagsfraktion seit vielen Jahren gefordert hat. Auch die Verbindlichkeit der Grundrechtecharta ist wichtig für den Grundrechtsschutz in Europa. Aber für die gegenseitige Anerkennung ist beides nicht ausreichend. Die EMRK gilt in ganz Europa für alle Mitgliedstaaten schon sehr lange. Trotzdem gibt es noch deutliche Unterschiede bei den Standards in den Strafverfahren. Die Grundrechtecharta wird für europäisches Recht gelten, aber nicht bei Strafverfahren auf nationaler Ebene. Das bedeutet, dass wir in dem neuen Vertrag - wenn er in Kraft tritt - zwingend von der Ermächtigung Gebrauch machen und die angesprochenen Verfahrensgarantien auf europäischer Ebene schnell weiter harmonisieren müssen, wenn wir die gerichtlichen Entscheidungen gegenseitig anerkennen wollen.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum Thema Subsidiarität machen. Das ist ein Thema, auf das wir mehr achtgeben müssen. Früher war völlig klar: Europa hat eher ein Defizit bei den Kompetenzen. Heute sind die Kompetenztitel des Vertrages sehr weitgehend. Jetzt geht es um eine sinnvolle Abgrenzung dessen, was eher dezentral, regional, auf nationalstaatlicher oder europäischer Ebene gelöst werden soll. Dieses Prinzip muss ernst genommen werden. Es ist eine der Schlüsselfragen bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union, wie viel regionale Vielfalt noch möglich und erlaubt ist und in welchen Bereichen es gar keine andere Möglichkeit gibt, als europaweit einheitliche Regelungen zu treffen.
In den letzten Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, EU-Kompetenzen auszudehnen, die wir als wenig sinnvoll erachtet haben. Es gab beispielsweise den Streit um das Thema Bodenschutz. Im Strafrecht gab es immer weiterreichende Kompetenzen, die zum Teil nicht einmal auf einer klaren vertraglichen Grundlage beruht haben. Jetzt liegen Vorschläge für eine Ausweitung des Antidiskriminierungsschutzes in Europa auf dem Tisch. Wir glauben, dass wir das Subsidiaritätsprinzip in diesen Bereichen in Zukunft strikter anwenden und besser beachten müssen.
Die Kompetenztitel dieses Vertrages und auch die Formulierung des Subsidiaritätsprinzips in Art. 5 des EU-Vertrages sind nicht besonders klar. Sie lösen diesen Konflikt nicht, sondern machen es nötig, dass wir diesen auch im Vertrag angelegten Konflikt bei jeder einzelnen Sachfrage wieder von Neuem austragen und ausdiskutieren. Dieses Parlament sollte sich das Recht herausnehmen, sehr selbstbewusst zu sagen: Es gibt Bereiche, in denen man uns die Regelungskompetenz nicht wegnehmen muss, weil sie auch auf nationaler Ebene sehr vernünftig geregelt werden können.
Von diesem Recht muss der Bundestag Gebrauch machen.
Ein weiterer Punkt ist: Der Europäische Gerichtshof hat bisher bei allen Kompetenzfragen eine große Zurückhaltung an den Tag gelegt und gesagt: Wir entscheiden das nicht; wenn die Regierungen im Rat sagen, dass etwas auf europäischer Ebene geregelt werden muss, dann wird es schon so sein. - Diesen Beurteilungsspielraum möchte ich dem Rat nicht mehr zugestehen. Ich glaube, dass der Europäische Gerichtshof nicht darum herumkommen wird, eine klare Doktrin zu entwickeln, wie er das Subsidiaritätsprinzip anwendet. Ich verbinde mein positives Votum zum Vertrag mit der klaren Erwartung, dass der Gerichtshof das tun wird und auch meine Rechte als Mitglied eines nationalen Parlaments durch konsequente Anwendung des Vertrages schützt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe dem Kollegen Gunther Krichbaum, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Gunther Krichbaum (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gerade in letzter Zeit höre ich vermehrt, wir hätten statt eines Vertrages lieber eine Verfassung gehabt. Manche trauern jenen Bestandteilen hinterher, die jetzt nicht mehr im Vertrag enthalten sind. Ich kann nur davor warnen, dieses Werk kleinzureden. Wir befinden uns heute in der ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag von Lissabon. Wir beginnen damit den Ratifizierungsprozess. Die Abstimmung darüber hier im Parlament wird im Ergebnis einen Quantensprung für die Entwicklung in Europa bedeuten.
Ich höre darüber hinaus, der Text sei nicht lesefreundlich. Mit diesem Text wurde nie der Anspruch verfolgt, den Literaturnobelpreis zu erringen. Ich kenne kaum jemanden in Deutschland, der mir erklären kann, wie der Motor eines Autos funktioniert. Die meisten setzen sich ins Auto und wollen damit fahren. So ist es auch mit Europa. Nicht die Details dieses Vertrages müssen interessieren, sondern der Umstand, dass wir uns damit in Europa nach vorne bewegen.
- Verehrter Herr Bisky, es bleibt natürlich Ihnen überlassen, einen Steuerberater zu konsultieren, um den Vertragstext zu verstehen. Dieser Umstand lässt allerdings tief blicken.
Es ging darum, in Europa Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Diese Handlungsfähigkeit haben wir zurückgewonnen. Wir haben die Strukturen verschlankt. Wir verringern die Zahl der Kommissare. Obwohl möglicherweise weitere Staaten der EU beitreten werden, wird die Zahl der Parlamentarier begrenzt. Wir haben mehr und mehr sogenannte Mitentscheidungsverfahren des Parlaments bzw. Mehrheitsentscheidungen statt des zähen Einstimmigkeitsprinzips. Diese Aufzählung könnte man beliebig fortsetzen.
Zunächst musste das Fundament, auf dem Europa aufgebaut wurde, ein Haus mit sechs bzw. zwölf Mitgliedstaaten tragen. Mittlerweile wohnen in diesem Haus 27 Mitgliedstaaten. Das Fundament hat daher nicht mehr getragen. Dies gilt erst recht, wenn möglicherweise mit Kroatien noch ein 28. Mitglied hinzukommt. Diesem Umstand müssen wir Rechnung tragen.
Hier haben wir den entscheidenden Schritt nach vorne getan. Wir haben insgesamt zu mehr Transparenz gefunden. Die demokratische Teilhabe wird gestärkt, sodass erstmalig der Deutsche Bundestag und auch die Bundesländer mehr Mitsprachemöglichkeiten haben. Um es im Klartext zu sagen: Daraus erwächst auch ein hohes Maß an Verantwortung für uns Parlamentarier. Das geht bis in die einzelnen Fachausschüsse hinein. Wir können es uns mit dem Thema Europa nicht mehr so leicht wie in der Vergangenheit machen. Europa strahlt sehr viel stärker. Diesem Umstand müssen wir noch stärker Rechnung tragen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Wir reden sehr häufig über die Grundpfeiler. Dazu gehören auch unsere Errungenschaften wie Frieden und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das müssen wir auch an einem Tag wie heute erwähnen, das können wir nicht oft genug tun. Für mich ist es neben der zweifelsohne historischen Errungenschaft des jetzigen Lissabon-Vertrages wichtig, dass wir im Sinne der Bürger auch über andere europäische Errungenschaften sprechen. Das sind für mich der Wettbewerb und die Regelungen in diesem Wettbewerb. Immerhin verdanken wir diesen Regelungen einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt. Wir haben den Euro. Gerade in diesen Tagen muss man den Bürgern aufzeigen, wie wichtig genau diese Errungenschaft ist. Ich will nicht wissen, was in Deutschland an den Tankstellen los wäre, wenn wir unseren starken Euro nicht hätten. Schließlich wird der Ölpreis auf Dollarbasis abgerechnet. Auch der oft herbeigeschriebene Einbruch im Export ist nicht eingetreten, weil wir 70 Prozent unseres Exports innerhalb der Europäischen Union abwickeln und deswegen nicht so anfällig sind. Das sind Dinge, die wir dem Bürger begreiflich machen müssen; denn das verdeutlicht jedem, dass er die Existenz und Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes auch Europa zu verdanken hat. So werden die Dinge greifbar und plastisch.
Ein zweiter Punkt, den ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte, weil er meiner Ansicht nach noch nicht ausreichend gewürdigt worden ist, ist die Erweiterung des Schengen-Raums. Es ist auch das Verdienst unseres Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble, dass man trotz Bedenken in der Öffentlichkeit darauf hingewirkt hat, dass sich die Menschen in Europa begegnen können. Das ist wichtig; denn davon profitieren die Bürger in Europa. Ich hätte mir gewünscht - mit dieser Bemerkung möchte ich zum Schluss kommen -, dass jene, die sich gegen den Vertrag von Lissabon wenden, die möglicherweise sogar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen werden - das sage ich, weil ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machen möchte -, dieser Debatte beigewohnt hätten; denn der eigentliche Ort der Auseinandersetzung ist der Deutsche Bundestag. Die parlamentarische Willensbildung vollzieht sich nämlich nicht in den Kolumnen irgendwelcher Tageszeitungen, sondern hier, im Deutschen Bundestag. Daher hätte ich mir die Anwesenheit dieser Abgeordneten ganz besonders gewünscht.
Ich denke, wir machen einen großen Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir darauf schauen, was wir in den letzten 50 Jahren erreicht haben, wenn wir die Errungenschaften und Fortschritte sehen und in die Zukunft projizieren, dann wissen wir, vor welch großer Zukunft wir stehen; dann wird uns aber auch klar, welche Fantasien uns manchmal guttäten.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Alexander Ulrich, Fraktion Die Linke.
Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Krichbaum, bisher hat nur einer angekündigt, vor das Verfassungsgericht zu ziehen, und der gehört Ihrer Fraktion an. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion muss ihre Hausaufgaben machen. Machen Sie es aber bitte nicht wie die SPD in Hessen: Mobben Sie ihn bitte nicht. Lassen Sie die demokratische Möglichkeit, nach Karlsruhe zu gehen, zu.
Unser Leben wird immer stärker von der Europäischen Union bestimmt. Bis Januar 2009 sollen alle EU-Länder den Vertrag von Lissabon ratifizieren. Die Völker Europas - das hat mein Kollege Lothar Bisky schon deutlich zum Ausdruck gebracht - sollen aber nicht mitbestimmen, wie die Grundlagen der Europäischen Union gestaltet werden, obwohl dadurch das Leben und Arbeiten der Bevölkerung grundlegend verändert werden. Der Vertrag von Lissabon - ich möchte das wiederholen - festigt die undemokratische, neoliberale und militärische Entwicklung der Europäischen Union.
Herr Steenblock, das, was Sie hier gesagt haben, zeigt, wie sehr sich die Grünen zum Schlechteren verändert haben.
Wer zu völkerrechtswidrigen Kriegen die Hand hebt, wer in Jugoslawien, im Kosovo mitgemacht hat, hat natürlich kein Problem damit, zu dieser EU-Verfassung Ja zu sagen. Wer als Grüner kein Problem mit dem Krieg hat, muss zu einem solchen Vertrag natürlich Ja sagen. Schade, dass die Grünen sich so sehr zum Schlechteren verändert haben.
Die Niederländer und die Franzosen haben die ursprüngliche EU-Verfassung abgelehnt. Sie wollten zwar eine Verfassung, aber nicht Sozialabbau, Aufrüstung und eine neoliberale Wirtschaftsordnung mit Verfassungsrang.
Herr Bundesaußenminister, Sie sind nebenher stellvertretender Vorsitzender einer sogenannten Volkspartei. Vor wenigen Monaten hat die SPD in Hamburg ein Grundsatzprogramm beschlossen, in dem steht, dass man für den demokratischen Sozialismus eintritt. Wer das in ein Programm schreibt, aber zu einer neoliberalen EU-Verfassung Ja sagt, begeht einmal mehr Wortbruch, in diesem Fall gegenüber der eigenen Partei. Wortbruch wird zum Tagesgeschäft der SPD.
Nach den gescheiterten Volksabstimmungen haben sich die Regierungen eine Denkpause verordnet. Es wurde eine Pause des Denkens. In den Expertengesprächen während der letzten Wochen konnten wir feststellen, dass 90 Prozent des EU-Verfassungsvertrages in dem Vertrag von Lissabon steht. Das zeigt, dass die Behauptung, es handele sich nicht mehr um eine Verfassung, ein undemokratischer Putsch der EU-Regierungen war; denn 90 Prozent von dem, was damals darin stand, steht jetzt in den Verträgen.
Das ist eine Ignoranz gegenüber der Bevölkerung, insbesondere Frankreichs und der Niederlande.
Sie wollen keine Volksabstimmungen und auch keine Öffentlichkeit,
weil die Regierung mit ihrer nur auf Wirtschaftsinteressen ausgerichteten Politik gescheitert ist. Wir hoffen, dass dieser Vertrag in Irland abgelehnt wird. Nur dann besteht noch die Chance für ein friedliches und soziales Europa. An die Bevölkerung Irlands sage ich: Gehen Sie zur Wahl und stimmen Sie mit Nein!
Die soziale Spaltung in den EU-Ländern nimmt immer mehr zu. Das ist kein Zufall, sondern Folge von politischen Entscheidungen. Das Europa der herrschenden Eliten will seine unsoziale und neoliberale Politik jetzt vertraglich absichern. Statt europäische Mindestlöhne, das Verbot der Privatisierung von öffentlichem Eigentum und Mindestsozialstandards umzusetzen, wird die offene und freie Marktwirtschaft im Vertrag festgeschrieben.
Dies bedeutet den Abbau von Schutzrechten für die Beschäftigten, Dumpinglöhne und auch Steuerdumping. Diese Wirtschaftsordnung widerspricht den Interessen der Bevölkerungsmehrheit. Sie dient nur den Banken, Konzernen und Wohlhabenden.
Wer Armut und Prekarisierung bekämpfen will, muss den Vertrag von Lissabon ablehnen.
Die Grundfreiheiten führen derzeit zur Unfreiheit der Arbeitnehmer. Der EuGH hat auf Grundlage der geltenden europäischen Verträge die erfolgreichsten Wirtschafts- und Sozialmodelle Europas angegriffen. In Finnland und Schweden wurde das Streikrecht mit der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit ausgehebelt. Der Europäische Gewerkschaftsbund und die dänischen Gewerkschaften fordern daher, den Vertrag von Lissabon nicht zu ratifizieren.
Wenn der Gerichtshof die Grundfreiheiten der Unternehmen höher bewertet, bedeutet dies, dass Aufträge künftig nur noch an Mindestlöhne gekoppelt werden dürfen. Damit werden Mindestlöhne zu Höchstlöhnen. Das ist doch pervers, das ist Gleichmacherei auf niedrigstem Niveau.
Sie schaffen eine Aufrüstungsverpflichtung. Der Vorsitzende der EU-Verteidigungsagentur hat das der FAZ mitgeteilt. Im Protokoll über die zuständige strukturelle Zusammenarbeit entmachten Sie die Parlamente. Die EU möchte ihre Battle Groups - zu Deutsch: Schlachtverbände - innerhalb von wenigen Tagen überall in die Welt verlegen können.
Wir fordern eine Verfassung für Europa, die an die besten europäischen Traditionen anknüpft. Wir wollen ein soziales und wohlhabendes Europa, ein Europa als Friedensmacht, ein Europa des Völkerrechts. Sie wollen ein Europa der Nokias, der Zumwinkels,
der Konzerne und des Finanzkapitalismus.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege.
Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Ich komme zum Ende. - Die Menschen wollen Ihr Europa nicht. Deswegen lehnen wir den Vertrag von Lissabon ab.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Ulrich, es war schon bezeichnend, dass Sie sich, als Herr Krichbaum unzweifelhaft den leider abwesenden Peter Gauweiler angesprochen hat, angesprochen gefühlt haben.
Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Ich glaube, wenn Sie darüber nachdenken, kommen Sie vielleicht zu dem Ergebnis, dass Sie einmal der Frage nachgehen sollten, wie es dazu kommen konnte, dass ein Vertreter Ihrer Fraktion hier erklärt hat, der Vertrag von Lissabon sei hinsichtlich der Demokratie, der Beteiligung von Parlamenten und vieler anderer Punkte ohne Zweifel besser als der Vertrag von Nizza. Wenn Sie hier sagen, Sie möchten, dass die Iren dafür abstimmen, dass der schlechtere Vertrag, der Vertrag von Nizza, in Kraft bleibt, dann zeugt das nicht von europapolitischer Kenntnis,
sondern davon, dass Sie die Dinge nicht zu Ende gedacht haben. Das zeugt auch davon, dass in Ihrer Partei der Prozess, zu einer proeuropäischen Haltung und einem Bekenntnis zu Europa zu kommen und den Nationalismus zu überwinden - dieser nationalistische Gedankengang ist der Hintergedanke der Klage von Herrn Gauweiler -, noch ein ganz langer Weg ist.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Verfassung müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern klarmachen, worum es dabei geht. Dabei sollten wir uns davor hüten, das Vorhandene schönzureden. Wir sollten uns aber auch davor hüten, die Diskussion mit einfachen Populismen zu begleiten. Für das eine wie das andere gibt es Beispiele.
Heute kann man in der Financial Times ein Beispiel der letzteren Art lesen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Kauder, bediente die Vorurteile der anderen Sichtweise auf Europa unter der Überschrift ?Schluss mit den Anmaßungen?.
Genauso wie das Bild der Linken von einem militarisierten Europa falsch ist, ist Ihr Bild, Herr Kauder, eines Europa, das sich ständig neue Kompetenzen anmaßt und Richtlinien vorschlägt, ein falsches.
Der Vorwurf von Herrn Kauder ist, dass vor der Erstellung von Richtlinien eine Einbeziehung der Bürger durch den Prozess der Konsultationen stattfindet. Wenn es etwas gibt, bei dem man von Europa lernen kann, dann ist es die offene Art und Weise, in der die Kommission ihre Richtlinien vor der Verabschiedung in öffentlichen Konsultationen zur Schau stellt.
Davon könnten Sie noch etwas lernen. Dafür sollte man Europa loben! Was ist das eigentlich für ein Bild, das Sie da zeichnen?
Wir streiten im Rahmen eines gemeinsamen Gesetzentwurfs zusammen mit Ihnen - in dem Punkt sind wir einer Meinung - dafür, auch einer Minderheit des Deutschen Bundestages das Recht einzuräumen, im Zweifel dagegen klagen zu können, wenn Kompetenzen überschritten werden.
Aber interessant sind dann immer die Beispiele, die ihnen zu angeblichen Kompetenzüberschreitungen einfallen.
Das wichtigste Thema diesbezüglich war für Sie über Wochen und Monate hinweg offensichtlich, dass es in Wien eine Agentur für Menschenrechte gibt. Früher hat es zwar schon Tausende Agenturen gegeben, ohne dass Sie sich gerührt haben.
aber als es um eine Agentur für Menschenrechte ging, haben Sie angefangen, das zu kritisieren.
Ein anderes Beispiel sind die von Ihnen als ständig ausufernd beklagten Regelungen zur Antidiskriminierung. Das ist ein Punkt, an dem Sie Europa nicht nur schlecht verkaufen, sondern den Gedanken auf den Kopf stellen. Wenn es etwas gibt, das man aus den Plebisziten in Frankreich und den Niederlanden lernen kann, dann ist es, dass die Menschen Europa nicht mehr als einen Schutz vor den Gefährdungen und Verunsicherungen aufgrund der Globalisierung begriffen haben. Der Versuch, einheitliche Standards zur Antidiskriminierung in Europa zu schaffen - das hat auch etwas mit Wettbewerbsgerechtigkeit zu tun -, bedeutet doch nichts anders, als den Bürgerinnen und den Bürgern Schutz vor den Anforderungen der Globalisierung und Sicherheit zu vermitteln. Das ist eine der Herausforderungen für Europa.
Letzte Bemerkung: Man darf es sich auch in anderer Hinsicht nicht zu leicht machen. Nur weil jemand sagt, dass es aufgrund des Klimawandels und der Ressourcenknappheit ein Sicherheitsproblem geben wird, ist das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, noch keine Forderung nach einer Militarisierung der EU. Ich empfehle, einfach einmal nachzulesen, was jemand wie Solana zu dieser Frage sagt. Er schlägt zum Beispiel vor, EU-Kapazitäten aufzubauen im Hinblick auf Beobachtung und Frühwarnung über Konfliktprävention und Krisenbewältigung bis hin zum Katastrophenschutz. Es ist doch genau der richtige Ansatz, nicht nachzusorgen, sondern durch Prävention und Ursachenbekämpfung das Entstehen gewaltsamer Konflikte aufgrund solcher Risiken zu unterbinden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das ist es, was sich in dem Vertrag von Lissabon, in der neuen Grundrechtecharta ausdrückt, -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Trittin.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
- und deswegen sagen wir Ja zu diesem Vertrag.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Kauder.
Volker Kauder (CDU/CSU):
Herr Kollege Trittin, zunächst einmal begrüße ich, dass Ihre Fraktion dem Vertragswerk zustimmt und damit ein klares Bekenntnis zu Europa abgibt. Wir haben in diesem Vertrag genau geregelt, wofür Europa zuständig ist und wofür Europa nicht zuständig ist. Außerdem haben wir im Rahmen der Föderalismusreform in Deutschland genau festgelegt, wofür der Bund zuständig ist und wofür die Länder zuständig sind. Daher kann nicht jedes Mal, wenn man meint, dass in einem bestimmten Fall der Bund zuständig sein sollte, in die Kompetenzen der Länder eingegriffen werden.
Ich habe in meinem Namensbeitrag ausdrücklich gesagt:
Beim Natur- und Verbraucherschutz, im Arbeitsrecht und in der Sozial- und Familienpolitik mag es unterschiedlichen Handlungsbedarf geben. Aber
- jetzt kommt der entscheidende Satz; Sie können davon ausgehen, dass dies auch die Meinung meiner Fraktion ist -
nicht jedes Problem ist ein Auftrag für die Kommission, immer tätig zu werden, wenn sie glaubt, etwas besser regeln zu können als die Mitgliedstaaten.
Im weiteren Verlauf meines Artikels habe ich gesagt:
Nicht überall sind einheitliche europäische Lösungen automatisch richtig.
Gerade Sie, Herr Trittin, müssten diesen Satz unterschreiben können. Oder sind Sie etwa der Meinung, dass wir in Europa zu einheitlichen Auffassungen in der Energiepolitik kommen sollten, beispielsweise bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie?
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie endlich dieser Ansicht wären. Denn bei diesem Thema vertreten Sie eine ganz andere Auffassung als die Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Wir sollten uns an diesem Punkt aber nicht streiten. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass die Menschen in vielen Fällen den Eindruck haben, Europa sei meilenweit von ihnen entfernt.
Ich will ein Europa, das auch die Herzen der Bürgerinnen und Bürger bewegt, nicht nur ihre Köpfe.
Deswegen ist es richtig, Europa den Menschen näherzubringen, nicht den Bürokraten. Das war die Botschaft meines Beitrags.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Trittin.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lieber Herr Kollege Kauder, manchmal muss man aufpassen, welche Beispiele man anführt. Ein schönes Beispiel, das Sie erwähnt haben, ist die Föderalismusreform in Deutschland. Ich habe noch gut in Erinnerung, was hier geschehen ist. Sie haben eine Föderalismusreform beschlossen, deren erklärtes Ziel darin bestand, sicherzustellen, dass es künftig keine Finanztransfers des Bundes an die Länder mehr geben wird, beispielsweise für Ganztagsschulen.
Dann stellte Ihre Ministerin Frau von der Leyen fest - übrigens zu Recht -, dass es bei der Kinderbetreuung in Deutschland ein Defizit gibt. Daher mussten Sie einen Weg vorbei am Grundgesetz und an der von Ihnen gerade erst getroffenen Regelung finden, um das dafür dringend benötigte Geld bereitstellen zu können.
Was lehrt uns dieses Beispiel? Sollte man einem solchen Vorgehen auf europäischer Ebene nacheifern? Ich glaube, nein. Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Es gibt Dinge, die man gut auf europäischer Ebene regeln kann, und es gibt Dinge, die man besser vor Ort regeln kann.
Wir sind diejenigen, die an dieser Stelle für ein hohes Maß an Dezentralität plädieren.
Wir geben uns aber nicht dem Irrtum hin, dass das möglich ist, indem man schlanke und einfache Regelungen trifft, wie Sie es im Rahmen der Föderalismusreform versucht, aber schlecht gemacht haben. Was man braucht, sind Mechanismen, die dann, wenn es zu einem Konflikt kommt, greifen. Das ist auch der Grund, warum wir die zur Subsidiaritätsklage einer Minderheit getroffene Regelung mittragen.
Am Ergebnis kommen auch Sie nicht vorbei: Es ist mit der Idee eines gemeinsamen Binnenmarktes überhaupt nicht zu vereinbaren, dass wir wichtige Parameter des Binnenmarktes - ein Beispiel sind die Steuern - dauerhaft weiterhin entweder national oder nur im Konsens regeln können. Das ist ein Defizit dieses Vertrages, übrigens ein Defizit, das auch Ihre Fraktion immer kritisiert hat. In Anbetracht der Situation, dass eine vergemeinschaftete europäische Regelung ein Defizit hat, sollten Sie nicht permanent davon reden, Europa würde alles ?kleinregulieren?.
Was die Energiepolitik angeht, mache ich mir übrigens gar keine Sorgen. Über dieses Thema sollten Sie einmal mit Ihren österreichischen Parteifreunden von der ÖVP diskutieren.
Dann werden Sie das Echo auf Ihre Vorschläge bekommen.
Ich gebe Ihnen ein anderes schönes Beispiel: Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob Ihre Form der Verweigerung einer Regelung europäisch korrekt ist. Wie kann es sein, dass Deutschland das einzige Land ist, -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Trittin, Ihre drei Minuten sind verbraucht.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
- das darauf verzichtet, zu regeln - Frankreich, die Beneluxstaaten, Großbritannien machen es uns vor -, was jemand verdienen muss? Deutschland geht, was die Beschäftigung angeht, einen nationalen Sonderweg, mit dem wir permanent Lohndumping aus Steuermitteln finanzieren. Das ist nicht akzeptabel.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Zu einer weiteren Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Kauder das Wort.
Volker Kauder (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Herr Trittin, ich möchte nur auf einen Ihrer Punkte eingehen. Sie haben das Beispiel der Kinderkrippen angesprochen.
Es ist durchaus richtig, dass man über die Kompetenzzuweisung sprechen muss. Aber dann muss die Europäische Kommission bereit sein, sich mit uns zusammenzusetzen und sich mit uns zu einigen, wie wir es mit den Ländern gemacht haben. Dann können wir den Vorschlag miteinander umsetzen. Aber die Europäische Kommission setzt sich nicht mit uns zusammen, sie kündigt einfach an, was sie machen will. Hier unterscheidet sie sich von unserer Vorgehensweise.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Trittin, Sie dürfen noch antworten; aber dann beenden wir dieses Gespräch.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lieber Kollege Kauder, ich muss Ihnen Nachhilfe geben.
Es ist doch so: Die Kommission macht Vorschläge, sie hat das alleinige Initiativrecht in Europa. Diese Vorschläge haben keinerlei Rechtsverbindlichkeit, es sei denn, der Rat und, in den meisten Fällen, das Parlament stimmen dem zu. Das heißt, wir haben genau den Zustand, dass in Europa seit geraumer Zeit ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten nichts geht.
Was Sie gerade belegt haben, ist das alte Vorurteil über Europa. Das können wir nicht durchgehen lassen.
Nicht die Kommission ist Europa, wir sind Europa; das ist die Wahrheit.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Carl-Christian Dressel, SPD-Fraktion.
Dr. Carl-Christian Dressel (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne jetzt eine Replik geben zu wollen, möchte ich anknüpfen an das, was Herr Trittin gesagt hat: Gerade wenn man mit Vorurteilen gegenüber Europa aufräumen will, gerade wenn man darstellen will, dass Europa etwas ist, was jeden angeht, muss man feststellen: Der Vertrag von Lissabon ist ein wichtiger Schritt, weil Europa mit diesem Vertrag transparenter, effizienter und vor allem demokratischer wird.
Wir erleben auch einen weiteren wichtigen Entwicklungsschritt: Nachdem sich die Europäische Union schon einige Zeit als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts versteht, sind jetzt in Art. 2 des EU-Vertrages die Werte aufgeführt, auf die sich die Union stützt, Werte wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenwürde. Für eine Gemeinschaft, die ursprünglich als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde, ist diese Entwicklung zu einer Wertegemeinschaft etwas, was mit uns Sozialdemokraten der überwiegende Teil des Hauses nur gutheißen kann.
In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass durch den Vertrag von Lissabon die Charta der Grundrechte für die Institutionen der EU erstmals Rechtsverbindlichkeit erhält. Ich wage aber vorauszusagen: Wenn die Charta der Grundrechte gegenüber den Institutionen der EU gilt, dann wird sich im Sinne eines Jus Communae Europaeum auch eine Entwicklung in die nationalen Verfassungsräume abzeichnen, so wie es jetzt schon ein fruchtbares Miteinander im deutschen Verfassungsraum auf Bundes- und Länderebene gibt.
Gleichzeitig wird im Rahmen der Stärkung der nationalen Parlamente allerdings auch das Europäische Parlament weiter gestärkt. Dies haben wir als Parlamentarier seit Jahren gewünscht. Das gilt sowohl für uns als auch für die Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments. Wir können uns erfreut darüber zeigen, dass gerade diese Fortschritte während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahre 2007 beschlossen worden sind.
Zu den Fortschritten gehört auch, dass die Opposition im Deutschen Bundestag mehr Rechte erhält, oder - wie es Nikolai Fichtner in der Financial Times Deutschland formuliert hat - ?Mehr Macht für Opposition im Bundestag?. Es besteht die Möglichkeit, dass die Opposition, wenn sie über ein bestimmtes Quorum der Mitglieder des Deutschen Bundestages verfügt, gegen europäische Vorhaben mit der Subsidiaritätsklage vorgehen kann. Ich denke, dieses Oppositionsrecht ist beispielhaft und fraktionsübergreifend begrüßenswert.
Wir hoffen, dass wir mit der heutigen Debatte den Ratifizierungsprozess beschleunigen können. Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf am 19. Dezember 2007 beschlossen. Ich gehe davon aus, dass gerade von der deutschen Ratifizierung eine besondere Signalwirkung ausgeht. Wir wollen, dass der Ratifizierungsprozess in allen Mitgliedstaaten - an die ?Linken? gerichtet füge ich hinzu: inklusive Irland - zügig und positiv verläuft, damit der Vertrag zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten kann.
Was wir als Bundesrepublik Deutschland dazu beitragen können, das tun wir auch. Neben der Ratifikation des Vertrages von Lissabon und der Verabschiedung des sogenannten Begleitgesetzes müssen wir unser Grundgesetz behutsam anpassen, um die Ziele zu erreichen, die wir mit dem Begleitgesetz verfolgen:
Erstens. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes sieht vor, durch die Einfügung eines Abs. 1 a in Art. 23 das Recht des Bundestages und des Bundesrates auf Erhebung der Subsidiaritätsklage im Grundgesetz zu verankern und im Rahmen des Oppositionsschutzes die Pflicht des Bundestags einzuführen, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Erhebung der Subsidiaritätsklage zu beschließen.
Zweitens. Das Mehrheitsprinzip wird in einzelnen Fällen modifiziert, sodass wir im Begleitgesetz in Einzelfällen die Zweidrittelmehrheit anstelle der im Hause üblichen einfachen Mehrheit festschreiben können.
Drittens. Durch eine Änderung von Art. 45 des Grundgesetzes wird der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Wahrnehmung der Rechte ermächtigt, die dem Deutschen Bundestag in den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eingeräumt werden.
Viertens. Um einen Gleichklang im Rahmen des Oppositionsschutzes, der im System des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland angelegt ist, zu gewährleisten, wird das für Normenkontrollanträge maßgebende Quorum nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz von einem Drittel auf ein Viertel angepasst, wie es schon bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen vorgeschrieben ist und wie es auch künftig bei der Erhebung der Subsidiaritätsbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof geregelt wird.
Das ist ein vernünftiger und rechtssicherer Weg, der sich in der Tradition unseres Parlaments und seines Vorgängers befindet. Am 8. September 1948 hat Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat ausgeführt - ich zitiere -:
? daß die drei Staatsfunktionen Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung in den Händen gleichgeordneter, in sich verschiedener Organe liegen, und zwar deswegen in den Händen verschiedener Organe liegen müssten, damit sie sich gegenseitig kontrollieren und die Waage halten können.
Dieses von Carlo Schmid definierte Ideal können wir durch den EU-Reformvertrag auf die europäische Ebene ausweiten; denn die Möglichkeit einer verbesserten gegenseitigen Kontrolle auf europäischer wie auf nationaler Ebene ist gegeben. Lassen Sie uns ein fraktionsübergreifendes Signal für dieses Ziel aussenden. Ich wünsche, dass jede demokratisch und wahrhaft europäisch gesinnte Fraktion in diesem Haus den vorgelegten Gesetzentwürfen zustimmt, sodass wir Einstimmigkeit erreichen.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Thomas Silberhorn, CDU/CSU-Fraktion.
Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das erklärte Ziel des Vertrages von Lissabon ist es, die Europäische Union der 27 Mitgliedstaaten handlungsfähiger und demokratischer zu machen. Diesem Ziel kommen wir, wie ich meine, ein gutes Stück näher. Mehr Handlungsfähigkeit wird durch die Vereinfachung der Entscheidungsprozesse erreicht, beispielsweise durch die Ausweitung der Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit, aber auch durch die institutionellen Veränderungen. Das ist in einer erweiterten Europäischen Union unabdingbar. Mehr Demokratie schaffen wir durch eine Stärkung der Parlamente, sowohl durch eine Aufwertung des Europäischen Parlaments, das in vielen Fällen am Mitentscheidungsverfahren beteiligt wird, als auch durch eine stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente. Beides, mehr Handlungsfähigkeit und mehr Demokratie, bedingen aber auch einander. Wenn man die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union stärken will, dann erfordert das geradezu, dass man auch mehr Demokratie schafft, und zwar dadurch, dass man die Beteiligungsrechte des Europäischen Parlaments wie der nationalen Parlamente stärkt. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal des Vertrages von Lissabon.
Über die Instrumente, die den nationalen Parlamenten an die Hand gegeben werden - die Subsidiaritätsrüge und die Subsidiaritätsklage -, haben wir mehrfach debattiert. Ich bin nach wie vor skeptisch, ob der sehr hohe formale Aufwand der Subsidiaritätsrüge - innerhalb von acht Wochen muss eine Stellungnahme abgegeben werden und ein bestimmtes Quorum der nationalen Parlamente erreicht werden - gerechtfertigt ist. Wir werden bei der Wirkung der Subsidiaritätsrüge sehr genau hinsehen müssen. Nach meiner Einschätzung liegt ihre Wirkung weniger in den einzelnen Verfahren als im Allgemeinen darin, dass wir mit diesem Instrument eine höhere Sensibilität der nationalen Parlamente für europäische Politik schaffen können. Aber wir können damit umgekehrt auch eine höhere Sensibilität der europäischen Institutionen für die Belange der nationalen Parlamente erreichen. Mit wesentlich mehr Hoffnung sehe ich die Subsidiaritätsklage, die wir - völlig zu Recht - im Deutschen Bundestag als ein Minderheitenrecht eines Viertels der Mitglieder des Hauses ausgestalten. Das ist die einzig sachgerechte Lösung. Das haben auch die Expertengespräche im Europaausschuss ergeben.
Vor diesem Hintergrund werden sich auch die Rolle der Kommission und die Rolle des Europäischen Gerichtshofes verändern müssen. Die Europäische Kommission wird sehr viel genauer als bisher begründen müssen, warum sie auf europäischer Ebene aktiv wird. Herr Trittin, hier muss in der Tat mit mancherlei Anmaßung Schluss sein, die die Europäische Union bislang im Rahmen der Kommission begeht; denn die Interpretation des Subsidiaritätsprinzips kann nicht sein, dass es immer dann besser ist, wenn die Europäische Union tätig wird. Das haben wir an der Bodenschutzrichtlinie gesehen. Hier wird die Tätigkeit der Europäischen Union damit begründet, dass in einem Fluss die Flussablagerungen flussabwärts die Grenze überschreiten könnten. Es grenzt schon an Absurdität, mit einem solchen Argument das Tätigwerden auf europäischer Ebene zu begründen.
Die Europäische Kommission wird sich künftig sehr viel mehr anstrengen müssen. Es reicht eben nicht aus, darauf zu verweisen, dass es besser ist, etwas auf europäischer Ebene gemeinsam zu regeln. Die Europäische Kommission muss vielmehr auch darlegen, dass eine bestimmte Materie durch die Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden kann. Insoweit setze ich manche Hoffnung auf den Europäischen Gerichtshof. Ich wünsche mir, dass sich der Europäische Gerichtshof zum Partner der Parlamente entwickelt; denn die Instrumente, die uns der Vertrag von Lissabon zuweist, bedeuten ein Stück Mitverantwortung der nationalen Parlamente für die europäische Politik. Die Mitverantwortung der nationalen Parlamente muss dazu führen, dass die bislang recht exekutivlastige Rechtsetzung in der Europäischen Union ein Stück weit parlamentarisiert wird, und zwar durch die bessere Beteiligung des Europäischen Parlaments wie der nationalen Parlamente.
Dies wird sich am Ende selbstverständlich auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes niederschlagen müssen. Es ist dessen Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das Subsidiaritätsprinzip justiziabel wird und mit Inhalten ausgestattet wird. Eine wirksame Kompetenzbegrenzung muss auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Tragen kommen. Außerdem muss ein gewisses Verständnis dafür entwickelt werden, dass nicht jedes Tätigwerden eines Ministers im Ministerrat mit der parlamentarischen Mehrheit gleichzusetzen ist, der dieser Minister zu Hause verpflichtet ist. Da kann es durchaus Unterschiede geben. Deswegen ist die Wahrung der Handlungsspielräume der nationalen Parlamente unsere Aufgabe als Wächter des Subsidiaritätsprinzips und zugleich eine Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes, dies in seiner Rechtsprechung ebenfalls zu berücksichtigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der Umsetzung des Vertrages von Lissabon Regelungen gefunden, die europaweit Maßstäbe setzen. Es kommt uns darauf an, dass wir unsere neuen Instrumente aus dem Vertrag von Lissabon im Bundestag wirkungsvoll wahrnehmen und gleichzeitig gegenüber der eigenen Bundesregierung eine starke Mitwirkung des Bundestages verankern.
Dass dies gelungen ist, ist für viele Kolleginnen und Kollegen die Voraussetzung dafür gewesen, dem Vertrag von Lissabon am Ende zustimmen zu können. Die Kompetenzübertragung, die wir auf die europäische Ebene vornehmen, wird durch eine stärkere Mitwirkung des Bundestages auf nationaler Ebene gewissermaßen kompensiert. Das bedeutet eben eine stärkere Mitwirkung nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch gegenüber der eigenen Regierung.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Hier wird dem Bundestag nicht nur eine Kontrollfunktion, sondern auch eine konstruktive Rolle, eine gestaltende Funktion, eingeräumt. Im Ergebnis wird dies dazu beitragen, dass europäische Politik auf höhere Akzeptanz stoßen kann, wenn sie durch die Parlamente der Mitgliedstaaten in größerem Umfang als bisher mitgetragen und gestaltet wird.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Axel Schäfer, SPD-Fraktion.
Axel Schäfer (Bochum) (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist die Stunde des Parlaments. Mit einem gewissen Stolz können wir feststellen, dass wir, die übergroße Mehrheit in diesem Hause, mit dem Lissabon-Vertrag die Gemeinschaft demokratischer, bürgernäher und damit auch parlamentarischer machen.
Damit haben wir ein Stück des Weges abgeschlossen, den seit 45 Jahren die Christdemokraten, Liberalen und Sozialdemokraten im Bundestag - seit 25 Jahren auch die Grünen - gegangen sind: einen gemeinsamen europäischen Verfassungsbogen zu spannen, der für die Politik tragfest ist, die unser Land auch mit unterschiedlichen Regierungskonstellationen in der Europäischen Union macht.
Bei dieser parlamentarischen Debatte ist der Linkspartei eine Frage zu stellen. Die Linkspartei muss heute entscheiden, für welche Tradition sie steht: für die Tradition, die mit der jungen Arbeiterbewegung und Teilen des liberalen Bürgertums 1848, also vor genau 160 Jahren, begonnen hat, als in der Bürgerlichen Revolution das vereinte Europa ein Schlagwort war, oder für die Tradition der KPD von vor genau 60 Jahren, Nein zum Grundgesetz zu sagen. Vor dieser Entscheidung stehen Sie heute. Für uns ist unsere Entscheidung deshalb so wichtig, weil wir mit dem neuen Vertrag von Lissabon so etwas wie ein Grundgesetz für das 21. Jahrhundert in Europa schaffen. Das Nein der Linkspartei dazu heißt eben, dass sie sich auf eine kommunistische Tradition stützt, die nicht unsere Tradition ist. Dies muss hier ganz deutlich gemacht werden.
Wir hatten eine Expertenanhörung - es gab eine außergewöhnlich spannende und kritische Diskussion -, an deren Ende uns alle Experten, egal von welcher Fraktion sie vorgeschlagen worden sind, gesagt haben: Wir empfehlen euch, für diesen Vertrag zu stimmen. - Keiner hat gesagt, wir sollten gegen den Lissabon-Vertrag stimmen.
- Das gilt selbst für eure Experten. Der Einzige, der anderer Meinung war, war ein Abgeordneter der Linkspartei aus dem Europäischen Parlament. - Wenn Sie sagen, dass der Entwurf des Lissabon-Vertrages ein Putsch der Regierung sei, dann zeigen Sie nur eines: Sie sind auf Bundesebene europapolitisch nicht handlungsfähig.
Besser gesagt: Sie sind auf Bundesebene, was Europa anbelangt, untauglich. Das ist die ganz klare Feststellung, die wir hier treffen müssen.
Eines geht bei dieser Diskussion, die Gott sei Dank vielfältig war und bei der sich nicht nur breiter Jubel Bahn gebrochen hat, natürlich auch nicht, nämlich dass wir unehrlich über die schwierige Dialektik zwischen Bürgerinteressen und Parlamentarismus reden. Wir haben die gesamte Diskussion über den Verfassungsvertrag, die jetzt mit dem Lissabon-Vertrag endet, acht Jahre lang öffentlich geführt. Wir hatten Anhörungen und Veranstaltungen, wie es sie nie zuvor in der europäischen Geschichte gegeben hat. Es sind wahrscheinlich Millionen E-Mails an den Konvent gegangen, in denen Vorschläge, Meinungen und berechtigte Kritik geäußert wurden. Das alles ist von den Parlamenten aufgenommen worden und in den Diskussionsprozess eingegangen. Das Resultat ist letztendlich der Kompromiss, der möglich war zwischen denen, die in Europa ein Stückchen weitergehen wollen, und denen, die eher ein Stückchen zögerlich sind. Am Ende haben aber alle gesagt: Dieser Vertrag muss parlamentarisch ratifiziert werden.
Ich hätte es gut gefunden - das sage ich ganz offen -, wenn es dem Konvent gelungen wäre, ergänzend zur parlamentarischen Ratifizierung an einem Tag Volksabstimmungen in Europa anzusetzen. Dann hätte man, wie es in der Schweiz der Fall ist, ratifiziert, wenn die Mehrheit der Staaten - in der Schweiz sind es die Kantone - und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dafür gestimmt hätten. Das ist leider nicht gelungen. Hier haben wir im Rahmen des Verfassungsprozesses tatsächlich ein Defizit, das wir ruhig einräumen können. Aber eines geht natürlich überhaupt nicht, nämlich dass diejenigen, die die Verfassung sowieso nicht wollen, sich dafür aussprechen, dass die Bürger abstimmen, aber nicht um der Abstimmung willen, sondern deshalb, damit dieses Europa verhindert wird. Dagegen sind wir allerdings.
Lasst uns auch, weil wir von der Selbstverpflichtung des Parlaments, unserer Selbstverpflichtung für die zukünftige Arbeit reden, offen ansprechen: Jawohl, es gibt Unterschiede zwischen den Parteien; es gibt auch Unterschiede innerhalb der jetzigen Großen Koalition. In Zukunft wird es auch in diesem Hause einen spannenden Wettbewerb bei der Diskussion über die europäische Dimension von Politik geben. Wir reden hier nicht über Europa, sondern über die Handlungsebene, die wir zusätzlich zur nationalen Ebene unbedingt brauchen. Es wird sich die Frage stellen, ob diese Debatte über Europa durch die Hoffnungsträger oder eher durch die Bedenkenträger bestimmt wird. Ich sage für meine Fraktion: Wir waren, wir sind und wir bleiben die Partei der europäischen Hoffnungsträger. Wir haben im Grundgesetz formuliert, dass wir dieses vereinte Europa wollen, um dem Frieden in der Welt zu dienen. So haben es Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit über 140 Jahren formuliert. Das ist unsere Verpflichtung, und deshalb werden wir diesem Vertrag zustimmen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Ulrich.
Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Lieber Kollege Axel Schäfer, ich kann die Nervosität der Sozialdemokratie angesichts der Umfragen, die unsere beiden Parteien demnächst auf gleicher Höhe sehen, und angesichts der Tatsache, dass die sozialdemokratische Partei unter die 20-Prozent-Marke fällt, sehr gut verstehen.
Ich frage mich wirklich, wie du es nennst, dass es in Frankreich und den Niederlanden Volksabstimmungen gab, die Bevölkerungen mit Nein gestimmt haben, nun 90 Prozent dessen, was im ursprünglichen Entwurf stand, im jetzigen Verfassungsvertrag enthalten ist und jetzt die Regierungen nichts Besseres zu tun haben, als darauf zu achten, wie man möglichst jeder Volksabstimmung aus dem Weg gehen kann, um die Verträge durchzubringen. Wie nennst du das? Ist das das demokratische Modell, das du für Europa willst? Wir nennen das ganz bewusst einen Putsch; denn hier haben die Regierungen versucht, die Völker zu entmachten.
Das ist Fakt; man kann nicht darum herumreden.
Zweitens. Du sagst, dass wir nicht in Europa angekommen sind. Ich sage ganz bewusst: Wir sind stolz darauf, dass wir, die Linke, nicht Ja sagen zu einem Europa, in dem die Armut wächst, in dem die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Wir wollen nicht zulassen, dass im Mittelmeer Menschen ertrinken, weil sie nicht nach Europa gelassen werden. Zu diesem Europa sagen wir ganz bewusst Nein. Wir wollen ein Europa der Bürgerinnen und Bürger. Damit sind wir in Europa angekommen; ihr seid auf dem Weg, nur Kapitalinteressen zu vertreten.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Schäfer, Sie können erwidern.
Axel Schäfer (Bochum) (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bedauerlich, dass man Volksabstimmungen immer nur dann heranzieht, wenn sie negativ verlaufen sind. Im Jahr 2005 gab es in Spanien und Luxemburg Referenden, bei denen sich eine Mehrheit für die Verfassung aussprach. Es wäre gut, wenn das zur Kenntnis genommen würde.
Es hilft überhaupt nicht weiter, wenn Sie ständig Dinge wiederholen, die überhaupt nichts mit der Verfassung zu tun haben, sondern lediglich mit der Frage, wie wir letztlich auf einem gemeinsamen Fundament unterschiedliche Politik gestalten. Die Politik der Sozialdemokratischen Partei weicht etwas von der Politik der anderen Parteien ab; aber das Fundament ist das gleiche.
Lieber Kollege Ulrich, es hilft auch überhaupt nicht weiter, wenn Sie immer wieder auf Frankreich hinweisen, ohne dabei zu erwähnen, dass Ihre Parteifreunde dort zusammen mit der Front National, den Rechtsextremisten, dieses Europaprojekt bekämpft haben; das muss hier deutlich gesagt werden.
Solche Partner wie die Front National wollen wir nicht haben.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Hermann Gröhe, CDU/CSU-Fraktion.
Hermann Gröhe (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte ging es im Kern um die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und um mehr Transparenz. Wenn kurz vor Ende in einer Kurzintervention der Fortschritt, der mit dem Vertrag von Lissabon verbunden ist, mit dem Wort ?Putsch? belegt wird, dann zeigt das einfach, dass mancher das Friedenswerk Europa bis heute nicht begriffen hat.
Ich möchte zum Abschluss dieser Debatte ein innenpolitisches Thema ansprechen: die behutsame Verfassungsänderung, die wir ebenfalls heute auf den Weg bringen. Wie bei anderen europäischen Weichenstellungen, etwa im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht, ist auch heute eine Anpassung verfassungsrechtlicher Bestimmungen aus unserem Grundgesetz erforderlich. Es hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die Minderheitenrechte unseres Parlaments, die wir in der letzten Legislaturperiode einfachgesetzlich - mit einem Begleitgesetz - geregelt haben, einer sicheren verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfen. Ein Minderheitenrecht ist immer auch eine Abkehr vom Mehrheitsprinzip; deswegen bedarf es einer entsprechenden Verankerung im Grundgesetz.
Mit der Subsidiaritätsklage wird die Möglichkeit eröffnet, zu prüfen, ob Bestimmungen des sekundären Gemeinschaftsrechts gegen eine Norm des primären Gemeinschaftsrechts, nämlich das Subsidiaritätsprinzip, verstoßen. Mit anderen Worten: Es geht dabei um die Frage, ob die EU ihre Kompetenzen überschreitet. Die Tatsache, dass die EU dies selbst im Vertragswerk regelt, macht deutlich, dass der Konflikt, auf den unser Fraktionsvorsitzender hingewiesen hat, von existenzieller Bedeutung ist. Es muss immer darum gehen, sauber abzugrenzen: Wo liegen die Kompetenzen der EU? Wo liegen die Kompetenzen der Mitgliedstaaten?
Bei der Subsidiaritätsklage als einem Minderheitenrecht ging es um die Frage: Wollen wir die Regelung, die wir in der letzten Wahlperiode beschlossen haben, ins Grundgesetz aufnehmen, nämlich das Recht einer Fraktion, Klage zu erheben, verbunden mit der Möglichkeit, dies mit einer Zweidrittelmehrheit zu verhindern? Wir, die Koalition, haben uns dagegen entschieden und den Oppositionsfraktionen einen anderen Vorschlag unterbreitet. Wir hätten es für systemwidrig gehalten, de facto materielles Geschäftsordnungsrecht des Bundestages in die Verfassung aufzunehmen; denn damals wurde in erster Linie ein qualifiziertes Antragsrecht einzelner Fraktionen geschaffen. Mit dem Vorschlag, auf den sich die Große Koalition, FDP und Grüne jetzt verständigt haben, knüpfen wir an Vorschläge der Unionsfraktion aus der letzten Wahlperiode an, nach denen die Subsidiaritätsklage bzw. das damit verbundene Minderheitenrecht im Parlament als wirkliches Minderheitenrecht qualifiziert und nach denen auch damals schon eine Parallelisierung zum Verfahren der Normenkontrollklage vorgesehen werden sollte. Außerdem nehmen wir Anliegen aus der Opposition und Anregungen des Bundestagspräsidenten im Hinblick auf die Gestaltung des Minderheitenrechts im Parlament auf.
Wir haben dies in folgender Weise zusammengeführt: Parallel zum Verfahren zur Normenkontrolle können 25 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages - dies entspricht der Regelung, nach der 25 Prozent der Mitglieder auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen können - darauf bestehen, dass der Bundestag eine Subsidiaritätsklage einreicht. Anders als beim Verfahren zur Normenkontrolle, die im Namen dieser 25 Prozent der Mitglieder erhoben wird, führt im Falle der Subsidiaritätsklage der Deutsche Bundestag als Ganzes das Verfahren. Deswegen ist es richtig, dass im Begleitgesetz die folgende Regelung getroffen wird: Wenn mindestens 25 Prozent der Mitglieder des Hauses keine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips sehen, dann können sie dies in der Klageschrift zum Ausdruck bringen.
Parallel dazu wird durch die Verfassungsänderung Weiteres auf den Weg gebracht. Ich nenne die Stärkung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union und die Möglichkeit, durch ein Zustimmungsgesetz Abweichungen vom Mehrheitsprinzip dann vorzusehen - aber auch nur dann -, wenn in den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union Bundestag und Bundesrat besondere Rechte zugewiesen werden. Es kann also keineswegs um Ausnahmen vom Mehrheitsprinzip allgemein in Angelegenheiten der Europäischen Union gehen. Es ist gut, dass dies in der Gesetzesbegründung ausdrücklich festgehalten wird.
Heute nimmt sich der Deutsche Bundestag einmal mehr selbst in die Pflicht, der europäischen Politik durch die Verankerung europapolitischer Entscheidungen in den nationalen Parlamenten mehr demokratische Legitimation zu verleihen. Dies ist ein guter und wichtiger Schritt. Dass wir dies durch die beiden demokratischen Oppositionsfraktionen und durch die Große Koalition hier in so großer Gemeinsamkeit einbringen können, lässt mich hoffen, dass wir diese behutsame Verfassungsänderung nach einer zügigen Diskussion in einer gemeinsamen Beschlussfassung auf den Weg bringen können.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/8300, 16/8489, 16/8488 und 16/7446 an die in der Tagessordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (16. WSGÄndG)
- Drucksache 16/8188 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuss)
- Drucksache 16/8470 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Bernd Siebert
Dr. Hans-Peter Bartels
Birgit Homburger
Paul Schäfer (Köln)
Winfried Nachtwei
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/8471 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Kahrs
Susanne Jaffke-Witt
Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit Homburger, Elke Hoff, Dr. Rainer Stinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Unverzügliche Erhöhung des Wehrsoldes
- Drucksache 16/5970 -
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll der Wehrsold rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres um 2 Euro pro Tag erhöht werden. Die letzte Erhöhung des Wehrsoldes erfolgte vor neun Jahren, und zwar um 1 DM pro Tag. Die Wehrpflichtigen leisten einen wichtigen Dienst für die Sicherheit unseres Landes, aber auch für die Gewährleistung von Sicherheit, beispielsweise bei der Unterstützung der Auslandseinsätze. Ich denke deshalb, dass sie eine Erhöhung verdient haben.
Ich will Folgendes unterstreichen: Wenn man den Durchschnitt betrachtet, dann stellt man fest, dass die Wehrpflichtigen rund 250 Euro pro Monat erhalten. Das ist noch nicht einmal ein 400-Euro-Job.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb war es auch unter dem Aspekt der Attraktivität des Wehrdienstes geboten, dass wir damals entschieden haben, dass die Wehrpflichtigen sowohl das Weihnachtsgeld als auch das Entlassungsgeld weiterhin erhalten, dass wir jetzt aber auch bereit sind, den Wehrsold um 2 Euro pro Tag zu erhöhen. Dies entspricht aus meiner Sicht der Ableistung der Dienstpflicht und damit auch einer angemessenen finanziellen Ausstattung. Daher bitte ich Sie um Ihre Unterstützung für die Erhöhung des Wehrsoldes.
Wir brauchen die Wehrpflichtigen der Bundeswehr. Wir brauchen sie für die Unterstützung unserer Aufgaben und unseres Einsatzes für den Frieden. Wir brauchen sie aber auch zum Schutz Deutschlands, auch und gerade im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Ich denke beispielsweise an die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe und an andere Ereignisse. Hier haben die Wehrpflichtigen einen wichtigen Beitrag geleistet. Sie gewährleisten die Sicherheit Deutschlands. Deshalb, denke ich, ist es richtig, an der allgemeinen Wehrpflicht festzuhalten.
Die Wehrpflicht gewährleistet die Verbindung zur Gesellschaft. Sie verkörpert die Armee in der Demokratie. Als die Wehrpflicht eingeführt wurde, hat der damalige Bundespräsident Heuss formuliert:
Die ... Wehrpflicht ist das legitime Kind der Demokratie. Es geht um den Dienst des freien Bürgers für die Gemeinschaft der freien Bürger.
Die Wehrpflicht hat sich für die Bundeswehr innerhalb ihrer 50-jährigen Tradition bewährt. Deshalb denke ich, dass es richtig ist, wenn wir in Zukunft an der Wehrpflicht festhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Bild der Bundeswehr vom Staatsbürger in Uniform und zum Thema der inneren Struktur- und Personalanpassung. Herr Kollege Nachtwei, auch Sie wissen: Wir haben rund 60 000 Wehrpflichtige im Jahr. Davon verpflichten sich 25 000 freiwillig weiter. Ich denke, das ist eine wichtige Frage der Strukturentwicklung der Bundeswehr. Die Sicherheit unseres Landes wird im Wesentlichen durch unsere Gesamtkonzeption mit jetzt rund 250 000 Soldatinnen und Soldaten gewährleistet. Darunter sind 60 000 Wehrpflichtige. Ich füge hinzu: Wir haben durch meine Entscheidung, jährlich 6 500 mehr Wehrpflichtige einzuberufen, gewährleistet, dass wir jetzt 79,1 Prozent derjenigen, die tauglich sind, für den Wehrdienst einberufen. Das hat auch etwas mit Wehrgerechtigkeit zu tun. Deshalb halte ich diesen Weg für richtig.
Kollege Nachtwei, ich denke, die Attraktivität des Dienstes verlangt eine angemessene finanzielle Ausstattung. Deshalb bitte ich Sie hier im Deutschen Bundestag, der Erhöhung des Wehrsoldes um 2 Euro pro Tag zuzustimmen. Das ist im Interesse der Gewährleistung der Dienstpflicht richtig. Es ist auch richtig im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Damit ist dies auch im Interesse der Bundeswehr. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dieser Wehrsolderhöhung.
Besten Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort der Kollegin Birgit Homburger, FDP-Fraktion.
Birgit Homburger (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich mich auf diese Debatte vorbereitet habe, habe ich überlegt, was man für 2 Euro bekommt. Für 2 Euro bekommen Sie ein Päckchen Butter, ein Glas Marmelade, 500 Gramm Nudeln, eine Packung Wunderkerzen oder ein USB-Kabel für den PC. Ich zähle dies auf, um zu sagen: 2 Euro sind nicht gerade üppig. Dessen sollten wir uns bewusst sein, wenn wir heute die Erhöhung des Wehrsoldtagessatzes um 2 Euro beschließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Herr Minister hat es angesprochen: Hinzu kommt, dass diese Erhöhung längst überfällig ist. Die letzte Erhöhung um 1 DM erfolgte zum 1. Januar 1999. Seither hat ein Grenadier einen Tagessold von 7,41 Euro. Ich glaube, das ist wirklich nicht angemessen.
Wir sind der Auffassung, dass, solange die allgemeine Wehrpflicht besteht, diejenigen, die ihrem Dienst und ihrer Pflicht nachkommen, wenigstens eine einigermaßen nachvollziehbare Anerkennung erhalten sollten. Deshalb fordert die FDP seit langem die Erhöhung des Wehrsolds. Wir haben im letzten Jahr, am 4. Juli, einen Antrag dazu eingereicht. Eine solche Erhöhung war lange umstritten, obwohl sie gerade einmal knapp 0,2 Prozent des gesamten Verteidigungshaushalts ausmacht. Wenn die Wehrpflichtigen wirklich die Bedeutung haben, die der Verteidigungsminister hier eben beschrieben hat, dann hätte man ihnen diese Anerkennung schon früher geben müssen.
Wir haben uns dann, und zwar über alle Fraktionen hinweg, im Laufe der Haushaltsberatungen im letzten Jahr auf eine Wehrsolderhöhung verständigt und diese im Bundeshaushalt eingestellt. An dieser Stelle möchte ich sehr deutlich sagen, dass ich von dem Engagement der Wehrdienstleistenden beeindruckt war. Sie haben sich massiv engagiert. Herr Ahammer, der Beisitzer der Grundwehrdienstleistenden beim Deutschen Bundeswehr-Verband, hat beispielsweise eine Petition eingereicht, und die Wehrdienstleistenden haben die Erhöhung zu einem Thema auf ihrer Bundestagung gemacht. Die Tatsache, dass diese jungen Männer das Thema so engagiert aufgegriffen haben, hat auch politischen Druck erzeugt. Heute zeigt sich, dass politisches Engagement sich rentiert, dass es richtig ist, sich politisch zu engagieren. Es ist auch der Erfolg der Grundwehrdienstleistenden, dass heute diese Erhöhung beschlossen werden kann.
Betrachtet man die Erhöhung um 2 Euro einmal genauer, dann stellt man fest, dass, wenn man die Inflation herausrechnet, faktisch nur eine Erhöhung um 1 Euro übrigbleibt. Deswegen bleibt zu hoffen, dass die nächste Anpassung nicht wieder neun Jahre auf sich warten lässt. Denn wenn die Inflation weiterhin ähnlich verläuft, wäre man dann im Jahr 2017 wieder auf dem Stand von 1999. Das wird der Bedeutung der Wehrpflichtigen überhaupt nicht gerecht.
Allerdings - hier unterscheidet sich die Einschätzung der FDP-Bundestagsfraktion erheblich von der des Bundesverteidigungsministers - müssen wir uns dann vielleicht gar nicht mehr über einen Wehrsold unterhalten.
Ich möchte anlässlich dieser Debatte darauf aufmerksam machen, dass zwischenzeitlich nur noch 17 Prozent eines Jahrgangs wirklich Wehrdienst leisten. Insgesamt leisten circa 60 Prozent eines Jahrgangs weder Wehr- noch Zivildienst. Vor diesem Hintergrund kann von Wehrgerechtigkeit schon lange nicht mehr gesprochen werden, sondern nur noch von Wehrungerechtigkeit.
Es ist auf Dauer nicht akzeptabel, dass die einen dienen, während die anderen verdienen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz gewandelt hat und sich damit ganz anders darstellt als noch vor einigen Jahren, sollten wir uns der Debatte um die Wehrpflicht annehmen. Die Wehrpflicht - das hat schon Roman Herzog gesagt - ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie für die Aufrechterhaltung der äußeren Sicherheit unabdingbar notwendig ist. Wenn wir uns die sicherheitspolitische Lage Deutschlands anschauen, dann sehen wir, dass das heute nicht mehr der Fall ist. Es hat sich deutlich geändert. Vor diesem Hintergrund muss diese Debatte geführt werden.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, tritt die FDP-Bundestagsfraktion für eine Aussetzung der Wehrpflicht ein. Wir sind der Auffassung, dass man sich den Gegebenheiten stellen muss, dass die Bundeswehr zukunftsfähig gemacht werden muss und dass eine Umstrukturierung erfolgen muss, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Ich sage aber auch für meine Fraktion: Solange es die allgemeine Wehrpflicht gibt, werden wir uns immer für die Interessen der Wehrpflichtigen einsetzen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Bartels, SPD-Fraktion.
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Homburger, der feste Wille der Koalitionsfraktionen ist, dass es nicht bei dieser Erhöhung des Wehrsoldes bleibt.
Nach neun Jahren nehmen wir - Gott sei Dank - wieder einmal eine Erhöhung vor. Auch nach meinem Gefühl ist ein bisschen viel Zeit vergangen.
Eine Erhöhung um 2 Euro - das entspricht einer Erhöhung um 25 Prozent - hört sich nicht nach viel an. Aber wir reden hier in der Tat nicht über Gehälter, sondern über den Wehrsold. Er musste allerdings dringend angehoben werden; denn in der Zwischenzeit sind die Tariflöhne nach den Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung um 20 Prozent gestiegen. Eine Erhöhung war also dringend geboten.
Schon die letzte Erhöhung 1999 um 1 DM war knapp bemessen. Damals hatte die SPD beantragt - ich war noch nicht Mitglied des Bundestages -, eine Erhöhung um 2 DM durchzuführen. Vielleicht sollte man in Zukunft nicht mehr so lange bis zur nächsten Erhöhung warten und es sich damit ersparen, in einer gewaltigen Aktion eine Erhöhung durchzuführen. Man sollte die Erhöhung des Wehrsolds lieber an lineare Erhöhungen, die es für Angehörige des öffentlichen Dienstes auf anderem Wege gibt, koppeln. Das haben die Wehrpflichtigen verdient.
Ich bin sehr froh, dass wir gegen den Widerstand der Haushälter - nicht alle in diesem Haus waren zunächst willens, Geld in die Hand zu nehmen - eine Erhöhung um 2 Euro statt einer Erhöhung um 1 Euro durchsetzen konnten. Dass dies möglich ist, ist das Ergebnis der Anstrengungen der ?Verteidiger? in beiden Koalitionsfraktionen. Wir sind froh, dass wir auch die FDP und die Grünen dabei an unserer Seite haben.
Wir fragen uns natürlich immer, ob das Geld, das wir der Bundeswehr zur Verfügung stellen, richtig angelegt ist. Wir ziehen nun zusätzliche Wehrpflichtige ein - die zugrunde liegenden Probleme wurden schon angesprochen; auch der Minister hat dies getan -, um den Aspekt der Wehrgerechtigkeit zu beachten. Diese 6 700 zusätzlich eingezogenen Wehrpflichtigen kosten mehr Geld. Es kann eigentlich nur - um mit Bismarck zu sprechen - ein ?System der Aushilfen? sein. Das ist zwar nicht schlecht. Aber wir sollten zu einer anderen Systematik und zu einer intelligenten Weiterentwicklung der Wehrpflicht kommen, damit wir sie bewahren. Wir sollen unter den neuen Bedingungen mehr Freiheit und mehr Freiwilligkeit gewährleisten. Dazu wird mein Kollege Maik Reichel nachher noch einiges sagen.
Ich will zur Attraktivität der Bundeswehr noch ein paar Worte verlieren. Durch die Erhöhung des Wehrsoldes wird der Dienst in der Bundeswehr substanziell nicht wirklich attraktiver.
Das ist ein kleines Element. Aber es gibt auch andere Aspekte, die für Wehrpflichtige heute zumindest genauso wichtig, wahrscheinlich noch wichtiger, sind. Das ist zunächst einmal die Planbarkeit des Zeitpunkts für den Dienstantritt. Wann wird man gezogen? An welchem Ort wird man stationiert? Es geht auch darum, inwieweit den Wünschen der Wehrpflichtigen Rechnung getragen wird. In welchem Bereich können sie tätig werden?
Wenn man mit Wehrpflichtigen spricht, erfährt man, dass die Ausgestaltung des Dienstes nicht immer zufriedenstellend ist. Es gibt auch das Problem der Unterforderung. Wir sind der Meinung, dass Wehrpflichtige in der Bundeswehr gefordert werden wollen und können. Wir wollen, dass Wehrpflichtige nicht nur Handlangertätigkeiten ausführen, sondern in verantwortlicher Weise Dinge tun können, die ihrem Ausbildungsstand entsprechen. Die Ausgestaltung des Dienstes - weg vom Gammeldienst, über den wir schon vor 25 Jahren diskutiert haben - bleibt ein Thema für die Bundeswehr, auch wenn sie heute weniger Wehrpflichtige für die Aufrechterhaltung ihres Dienstbetriebes braucht.
Ein weiteres Thema wäre der Zustand der Unterkünfte. Diesbezüglich haben wir allerdings schon einiges auf den Weg gebracht. Das Sonderprogramm für die Sanierung der Kasernen ist für die Attraktivität des Dienstes ein wichtiger Punkt.
Der Minister hat es schon angesprochen: Dass 50 Prozent der Zeit- und Berufssoldaten aus der Gruppe der Grundwehrdienstleistenden gewonnen werden - sie wissen also nicht schon vorher, dass sie diesen Beruf für längere ergreifen wollen; sie tun dies, weil sie die Bundeswehr kennengelernt haben -, ist ein Beleg dafür, dass wir erstens die Wehrpflicht brauchen und dass zweitens der Wehrdienst attraktiv sein muss. In der Bundeswehr muss man die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, dabei zu bleiben.
Wenn wir über die Zukunft der Wehrpflicht reden, dann müssen wir uns in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, dass der Wehrdienst innerhalb von neun Monaten absolviert wird. Wenn wir im Rahmen der Weiterentwicklung der Wehrpflicht zu einem anderen, intelligenteren Modell übergehen, dann muss dieser Zeitraum noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Zwölf Monate - solange dauern andere vergleichbare Dienste; und so lange hat der Wehrdienst früher auch über eine lange Zeit gedauert - sind sicherlich eine planbarere Größe als die Untergrenze von neun Monaten, die zurzeit besteht.
Aber für viele kommt die Grenze von neun Monaten ja auch gar nicht zum Tragen; viele leisten freiwillig einen längeren Wehrdienst ab.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zur generellen Attraktivität des Wehrdienstes machen. Der Bundeswehrverband hat unter seinen Mitgliedern entsprechende Umfragen durchgeführt. Über die Repräsentativität dieser Umfragen kann man sicherlich streiten; aber die Tatsache, dass die Ergebnisse in eine bestimmte Richtung tendieren, muss uns doch dazu bringen, auch über das nachzudenken, was über die Wehrpflicht an sich hinausgeht, nämlich die Attraktivität des Wehrdienstes für Zeit- und Berufssoldaten. Denn was diese Soldaten über den Wehrdienst sagen, wirkt sich darauf aus, wie attraktiv die Bundeswehr in der Gesellschaft und in der Generation derjenigen, die in die Bundeswehr nachrücken, wahrgenommen wird. Wenn das Signal aus der Bundeswehr ist: ?Es lohnt sich nicht, Wehrdienst zu leisten, ich würde das meinen eigenen Kindern nicht empfehlen", dann ist das ein Problem. Wir müssen daran arbeiten, dass die Berufe der äußeren Sicherheit von den materiellen Bedingungen, von der Planbarkeit und der Familienfreundlichkeit her ähnlich attraktiv werden, wie es die Berufe der inneren Sicherheit - Polizei - in den vergangenen Jahren nach und nach geworden sind. In diesem Bereich hat die Bundeswehr Nachholbedarf. Wir werden das Ministerium bzw. die Bundesregierung dabei unterstützen, in diesem Bereich mehr zu tun.
Heute geht es um 2 Euro. Der Antrag der FDP-Fraktion ist damit sozusagen auf freundliche Art und Weise erledigt.
Ich bin froh, dass wir hier gemeinsam eine Debatte führen, die in die gleiche Richtung führt. Wir haben zwar unterschiedliche Argumente; aber wir alle wollen, dass die Wehrpflicht für die jungen Wehrdienstleistenden - auch die Zivildienstleistenden - materiell ein kleines bisschen attraktiver, dass die Besoldung angemessener wird. Ich bin froh, dass wir dafür heute die Zustimmung des Hauses in dieser Breite erhalten. Schönen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Der nächste Redner ist der Kollege Paul Schäfer, Fraktion Die Linke.
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn es um die Entlohnung abhängig Beschäftigter geht, hat die Linke klare Positionen. Wir sagen: Man muss davon leben können. - Deshalb reden wir über den gesetzlichen Mindestlohn. Wir reden darüber, dass ständig steigende Lebenshaltungskosten ausgeglichen werden müssen - Stichwort ?Inflationsausgleich?. Wir reden davon, dass die Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt teilhaben sollen, um ihren Lebensstandard zu steigern.
Den letzten Aspekt können wir getrost beiseite lassen; denn jetzt reden wir über den Wehrsold. Wir reden über einen Inflationsausgleich und eine Aufstockung des Wehrsolds, der zuletzt vor neun Jahren und seitdem nicht mehr erhöht wurde. Allein wenn man bedenkt, wie sehr die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass diese Anpassung längst überfällig und völlig gerechtfertigt ist. Solange es die Wehrpflicht gibt, muss man auch über Wege nachdenken, wie eine Dynamisierung des Wehrsolds erreicht werden kann; denn sonst wird vielleicht in zehn Jahren wieder die gleiche Situation bestehen.
Wir stimmen diesem Gesetz also zu, vor allem, weil es auch den Zivildienstleistenden zugute kommt, deren Leistungen man an dieser Stelle einmal würdigen sollte.
Ist der Sold auskömmlich? Es ist schon gesagt worden: In den ersten drei Monaten gab es bisher 222 Euro Sold, künftig werden es 282 Euro sein. Man muss natürlich berücksichtigen, dass Unterkunft, Verpflegung, Dienstkleidung etc. gestellt werden. Aber es ist nicht üppig, was für die Wehrdienstleistenden herauskommt. Das ist nur zu rechtfertigen, wenn man berücksichtigt, dass es sich um eine kurze Lebensspanne handelt, in der sich die Grundwehrdienstleistenden in dieser Situation befinden, nämlich neun Monate. Für diese ist es oft keine produktive Zeit; denn sie bringt sie beruflich nicht weiter.
Deshalb liegt unser Vorschlag zu einer deutlichen Anhebung des Entlassungsgeldes weiter auf dem Tisch. Gegenwärtig sind es 690 Euro. Das ist, so scheint es uns, ein sehr geringer Betrag. Wir schlagen nicht eine Aufstockung von 10 oder 20 Euro vor, sondern wir meinen - darüber muss man dann diskutieren -, die Aufstockung könnte so hoch sein, dass der Betrag vierstellig wird. Um den Übergang von der Wehrpflicht in den Beruf oder in eine weitere Ausbildung zu erleichtern, wäre das sinnvoll.
Aber es gilt generell, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Wehrpflicht, über die wir hier reden, ist nicht mehr zeitgemäß.
Der heutige Wehrdienst, der nur eine kleine Minderheit erfasst, der sogenannte Auswahlwehrdienst, ist überaus ungerecht. Nehmen Sie nur einmal einen Geburtsjahrgang. Vom Geburtsjahrgang 1983 haben 62 000 junge Männer ihren Wehrdienst geleistet, das sind 14 Prozent dieses Altersjahrgangs. Das ist die allgemeine Wehrpflicht. Das kann überhaupt nicht sein.
Die Wehrpflicht als eine Art Zwangsdienst ist nur durch eine bestimmte Sicherheitslage zu begründen, also durch eine spezielle militärische Bedrohungs- und Gefährdungslage. Diese ist aber nicht mehr gegeben. Deshalb sollte man mit der Wehrpflicht schleunigst aufhören.
Im Übrigen weiß die Bundeswehr gar nicht so richtig, was sie mit den Wehrpflichtigen anfangen soll. Die Beispiele, wie Unterforderung und Unzufriedenheit, sind genannt worden. Ich habe mehrfach gefragt, wofür die Wehrpflichtigen eingesetzt werden sollen. Eine konkrete und präzise Antwort bekommt man auf diese Frage nicht. Die Bundeswehr interessiert sich für die Wehrpflichtigen nur insoweit, als man aus ihnen Menschen für den weiteren militärischen Dienst rekrutieren will.
Es gibt bezeichnenderweise keine Studien über die Erwartungshaltung und Situation der Wehrpflichtigen. Es gibt dazu im Bericht des Wehrbeauftragten verstreute Hinweise. Aber ansonsten spielen die Wehrpflichtigen keine Rolle. Das muss man sich der Ehrlichkeit halber einmal einfach eingestehen. Hier muss man klar sagen: Diese Menschen sind nur eine Rekrutierungsreserve, aber ansonsten haben wir mit ihnen nichts zu tun. Ich finde, das wird den Wehrpflichtigen, die neun Monate oder etwas mehr ihres Lebens dafür opfern, nicht gerecht.
Leider nicht nur an dieser Stelle bedeutet die Große Koalition Stillstand. Die Frage der Wehrpflicht wird immer wieder vertagt, obwohl die meisten hinter vorgehaltener Hand den Wehrdienst für nicht mehr up to date halten. Diesen Zustand müssen wir beenden. Gerade mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 ist es mehr als überfällig, mit dem Anachronismus Wehrpflicht Schluss zu machen. Dabei geht es natürlich auch um die Ersetzung der Zivildienstleistenden in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Altenbetreuung. Die Arbeit dort wollen wir anders organisieren. Hier werden vor allem gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte gebraucht, nicht die Zivildienstleistenden als Nothilfsmaßnahme, wie wir es gegenwärtig haben. Es ist an der Zeit, die Wehrpflicht aufzuheben.
Danke.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt ausdrücklich die heute zu beschließende Erhöhung des Wehrsolds. Dies verdient Anerkennung für die Verteidigungspolitiker der Koalition, die die Haushaltspolitiker und das Ministerium dazu gebracht haben, zuzustimmen. Mein Glückwunsch geht aber vor allem an die organisierten Vertreter der Wehrpflichtigen.
Im Juni 2006 beschloss das Parlament der Wehrpflichtigen des Deutschen Bundeswehr-Verbandes genau diese Forderung nach 2 Euro mehr Wehrsold. Diese Forderung wurde dann Anfang vorigen Jahres als Petition mit damals 4750 Unterschriften in den Bundestag eingebracht; inzwischen sind es 29 000 Unterzeichner. Das sollte man in der Tat ansprechen; Frau Kollegin Homburger hat das vorhin ebenfalls getan. Die beiden besonderen Fürsprecher dieses Anliegens, nämlich Andreas Ahammer und Stephan Nachtigall, haben hierbei eine hervorragende Überzeugungsarbeit geleistet. In der Tat können diese jungen Leute anhand dieses Beispiels sagen: Es lohnt sich, für eine Sache zu kämpfen, man kann auch etwas erreichen. Deshalb geht mein Glückwunsch an diese beiden jungen Menschen.
Zugleich muss ich mein Bedauern darüber aussprechen, dass es überhaupt dieses Druckes bedarf und dass es zu dieser Erhöhung erst so spät gekommen ist. Rot-Grün hatte bis 2005 Verantwortung.
Das heißt, meine Worte sind auch eine Kritik an der fehlenden Bereitschaft der damaligen Koalition, dies umzusetzen.
Im Gesetzentwurf heißt es:
Das konsequente Festhalten an dem Bestehen der allgemeinen Wehrpflicht verpflichtet dazu, den jungen Soldaten, die ? einen wichtigen Dienst für unser Land erbringen, nach neun Jahren eine Anpassung des Wehrsolds zu gewähren.
Diese Formulierung scheint mir ironisch gemeint zu sein.
Angesichts der enormen Verzögerung der anstehenden Wehrsolderhöhung und der schon mehrfach angesprochenen geringfügigen ?Höhe? des Wehrsoldes wird einem klar, dass das das nicht wirklich ernst gemeint sein kann. An dem Umgang der Politik mit dem Wehrsold zeigt sich de facto eine Geringschätzung der Wehrpflichtigen.
Die Bundesregierung nimmt für sich in Anspruch, an der allgemeinen Wehrpflicht festzuhalten. Herr Minister, dafür verwenden Sie bei der Bundeswehr allerdings alle möglichen Tricks. Einige Belege dafür: Vor zehn Jahren wurden 13,3 Prozent der Wehrpflichtigen als untauglich gemustert. Vor fünf Jahren waren es 16,9 Prozent. Und wie viele waren es im ersten Halbjahr des letzten Jahres? 42,2 Prozent! Einen solchen Niedergang der Gesundheit und des körperlichen Zustandes junger Männer gibt es wahrhaftig nicht.
Daran sieht man, wie hier manipuliert wird und wie es um die Glaubwürdigkeit der Aussage ?Wir halten an der allgemeinen Wehrpflicht fest!? steht. Dieses sogenannte Festhalten ist zutiefst unglaubwürdig. Abgesehen davon ist es auch sicherheitspolitisch ein Anachronismus.
Wie unglaubwürdig diese Aussage ist, hat sich - das ist interessant - auch am vergangenen Montag bei der Kommandeurtagung der Bundeswehr gezeigt. Kanzlerin und Minister bekannten sich dort ganz selbstverständlich - das gehört sozusagen zum Redenarsenal von Ministern und Kanzlern - zur allgemeinen Wehrpflicht.
- Jawohl. -
Welches Echo kam von den Generalen, die sicherlich die stärkste Gruppe der Sympathisanten der allgemeinen Wehrpflicht darstellen? Keine Hand rührte sich - im Unterschied zu der Kommandeurtagung vor drei Jahren. Als der Bundespräsident damals ein Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht abgelegt hat, gab es kräftigen Beifall - jetzt aber nicht mehr. Das heißt, die Generale kaufen Ihnen Ihr Bekenntnis schlichtweg nicht mehr ab.
Zurück zum Wehrsold. Der heutige Beschluss zur Wehrsolderhöhung ist, wie gesagt, erfreulich. Er ist aber kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Vonseiten der Opposition, aber auch vonseiten der SPD ist bereits gesagt worden, dass eine Dynamisierung der Anpassung und Entwicklung des Wehrsoldes eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Bis zur nächsten Wehrsolderhöhung dürfen nicht noch einmal neun Jahre vergehen. Ich meine aber, dass es so oder so keine neun Jahre dauern wird; denn vorher wird die in der Tat völlig unglaubwürdige Wehrpflicht durch ein sinnvolles System einer Freiwilligenarmee abgelöst. Da bin ich mir sehr sicher. Diesbezüglich habe ich die Unterstützung der Opposition und erheblicher, ?heimlicher? Teile der Koalition.
Danke.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Bernd Siebert, CDU/CSU-Fraktion.
Bernd Siebert (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den bisherigen Reden kann man eines sicherlich festhalten: Der heutige Tag ist ein guter Tag für die Wehrpflichtigen.
Ich glaube, der heutige Tag ist auch ein guter Tag für die Bundeswehr insgesamt.
Mit dem vorliegenden Wehrsoldänderungsgesetz ist das Bundesministerium der Verteidigung einer Initiative der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU und der SPD, gefolgt. Der Wehrsold wird, rückwirkend ab dem 1. Januar 2008, um 2 Euro pro Tag erhöht. Für dieses wichtige Zeichen danke ich ausdrücklich dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, der diese Initiative aus dem Herbst des Jahres 2007 aufgenommen und entscheidend dazu beigetragen hat, dass diese Initiative Erfolg hatte und haushalterisch umgesetzt werden konnte.
Wir waren und sind gemeinsam der Auffassung, dass unsere Wertschätzung für die Wehr- und Ersatzdienstleistenden für alle in unserer Gesellschaft sichtbar sein muss. Eine Erhöhung um 2 Euro ist nicht nur ein klares Zeichen, ein Signal, sondern auch eine substanzielle Verbesserung für die Grundwehrdienstleistenden. Denn wir konnten nicht vom Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht sprechen, ohne entsprechende Taten folgen zu lassen. Darum werte ich diese vom Verteidigungsausschuss einstimmig beschlossene Erhöhung des Wehrsoldes - es ist übrigens die erste seit dem 1. Januar 1999; das ist schon mehrfach erwähnt worden - als deutliches Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht - ich sage das an dieser Stelle bewusst -, jedenfalls für die Fraktion der CDU/CSU.
Es ist schon mehrfach auf die 2 Euro hingewiesen worden. Frau Kollegin Homburger hat darüber philosophiert, was sie wert sind. Im Monat sind das immerhin 60 Euro. 222,30 Euro im Monat werden auf 282,30 Euro erhöht.
Dies ist eine Steigerungsrate, wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bei der Erhöhung des Wehrsolds noch nicht gegeben hat. All die Äußerungen, dass ein viel zu langer Zeitraum zwischen der letzten Erhöhung und der heutigen ist, sind mit Recht vorgetragen worden. Das ist überhaupt keine Frage. Aber ich will das gar nicht weiter bewerten. Denn das, was in den Jahren dazwischen passiert ist, spricht für sich selbst.
Herr Nachtwei, Sie haben auf eine Veranstaltung und auch auf die beiden jungen Rekruten Andreas Ahammer und Stephan Nachtigall hingewiesen, die sich im Bundeswehr-Verband in entscheidender Weise der Aufgabe gewidmet haben, dazu beizutragen, den Wehrsold zu erhöhen. Ich will aus einer Zeitung des Bundeswehr-Verbandes zitieren, wo sie über eine Veranstaltung, bei der auch Sie anwesend waren, schreiben: Es ist ein großer Moment in der Geschichte des Deutschen Bundeswehr-Verbandes. Die Abgeordneten Rainer Arnold und Bernd Siebert halten den von ihnen in der Sitzung unterzeichneten Antrag auf Wehrsolderhöhung in die Kamera und damit in das Publikum hinein.
Wir haben großen Beifall erhalten, und die Leute haben sich gefreut. Das war genau die Absicht, die wir damals hatten,
nämlich dazu beizutragen, Anerkennung in der Öffentlichkeit für diese notwendige Maßnahme zu finden.
Die Wehrpflichtigen leisten in der Bundeswehr einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Einsatzbereitschaft. Sie leisten meiner Ansicht nach einen sehr verantwortungsvollen Dienst. Sie stellen - ebenfalls sehr verantwortungsvoll - einerseits den reibungslosen Heimatbetrieb der Streitkräfte sicher, andererseits sind die vielen freiwillig Längerdienenden das Rückgrat der Truppe in den Auslandseinsätzen. So darf dieser persönliche Beitrag, den die jungen Bundesbürger für das Gemeinwohl Deutschlands erbringen, nicht unterschätzt werden. Auch das gehört in diese Debatte. Die Wehrpflicht ist ein Zeichen der Solidarität mit der Gemeinschaft und schafft nachhaltige Sicherheit für Deutschland. Der Dienst des Einzelnen in der Gemeinschaft im Rahmen der Wehrpflicht ist ein wichtiger Dienst und trägt zur Sicherheit von uns allen bei.
Die Erhöhung des Wehrsolds darf nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist sie ein weiterer Beitrag zu einem ganzen Strauß an Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Bundeswehr als Armee im Einsatz. Ich darf daran erinnern, dass wir im Jahre 2007 das Personalanpassungsgesetz und das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz beschlossen haben. Wir beraten im Moment über das Wehrrechtsänderungsgesetz, das wir hier wahrscheinlich nächste Sitzungswoche beschließen werden. Das Dienstrechtsneuordnungsgesetz befindet sich ebenfalls in der Pipeline. Wir werden in besonders intensivem Maße darum kämpfen, dass die Interessen der Soldaten beim Dienstrechtsneuordnungsgesetz berücksichtigt werden.
Natürlich ist auch - das sage ich in aller Deutlichkeit - eine adäquate Unterbringung zum Wohlbefinden der Soldatinnen und Soldaten notwendig, wenn sie ihre schwere Aufgabe erledigen. Wenn wir es mit der Wehrpflichtarmee und der Fürsorge für sie wirklich ernst meinen - und das tun wir -, müssen wir für moderne und angebrachte Wohnverhältnisse in unseren Kasernen sorgen. Das haben wir in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung in den vergangenen Jahren meiner Meinung nach vortrefflich geschafft.
Aber der finanzielle Mangel und die dringend notwendige Rettung der Ostkasernen haben die Kasernen im Westen aus dem Fokus verschwinden lassen. Deshalb war die Entscheidung des Ministers richtig, im Herbst 2007 ein Sonderprogramm in Höhe von 650 Millionen Euro aufzulegen, um die Verhältnisse in den Westkasernen deutlich zu verbessern. Auch das muss man in diesem Zusammenhang deutlich erwähnen.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Entscheidung für die Erhöhung des Wehrsoldes, die zur Verbesserung der Verhältnisse der Soldaten beiträgt, ist eine wichtige Entscheidung. Die Soldaten haben diese Unterstützung verdient. Sie haben in der Vergangenheit besondere Leistungen erbracht und haben im Rahmen von Auslandseinsätzen das Ansehen Deutschlands deutlich verbessert. Deswegen sollten wir diese Entscheidung heute umsetzen. Ich bitte ganz eindringlich um Zustimmung für dieses Gesetz.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Stinner von der FDP-Fraktion das Wort.
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da diese Debatte sicherlich in die deutschen Geschichtsbücher eingehen wird, möchte ich um der historischen Wahrheit willen noch einmal die Fakten auf den Tisch legen. Herr Siebert, Sie haben das Hohelied auf die Koalition gesungen. Es ist richtig, dass Sie am Ende des Tages zugestimmt haben. Aber ich möchte der Öffentlichkeit und der Geschichte nicht den Fakt vorenthalten, dass es die Fraktion der Freien Demokratischen Partei im Deutschen Bundestag war, die den entsprechenden Antrag eingebracht hat.
Ich möchte weiterhin zur Kenntnis geben, dass Ihre Fraktion, sehr verehrter Herr Siebert, zunächst sehr zögerlich war und den Wehrsold nur um 1 Euro erhöhen wollte. Dass Sie sich unseren guten Argumenten letztendlich nicht verschließen konnten, spricht für Sie; das sollte öfter so sein. Das andere musste aber auch gesagt werden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Es gibt keine Erwiderung. - Dann hat der Kollege Maik Reichel von der SPD-Fraktion das Wort.
Maik Reichel (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema um diese Tageszeit zu besprechen, scheint nicht nur wegen der 2 Euro wichtig gewesen zu sein. Die Erhöhung um 2 Euro war notwendig. Das haben alle Redner bekräftigt, und auch der einstimmige Beschluss hat das gezeigt. Bei diesem Einvernehmen soll es auch bleiben, unabhängig von Schuldzuweisungen im Hinblick darauf, wer am Anfang zugestimmt hat oder nicht.
Unsere Bundeswehr hat es verdient, dass wir nicht nur heute über die Wehrpflicht, die Wehrpflichtigen oder auch die Bundeswehr an sich reden. Deshalb wünsche ich mir auch mehr Debatten zu diesen Themen. Ich denke, dass die Erhöhung um 2 Euro, über die wir heute reden, von allen getragen wird und allen ein Herzensanliegen war. Auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags sitzt hier im Raum. Er hat in fast jedem seiner Berichte, meistens im Vorwort, darauf hingewiesen, dass ihm das ein wichtiges Anliegen war. Dieses haben wir aufgegriffen.
Ich plädiere dafür, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die es erübrigt, alljährlich, alle zwei oder gar nur alle neun Jahre über eine Wehrsoldanhebung reden zu müssen. Kollege Siebert hat das Dienstrechtsneuordnungsgesetz angesprochen. Im Hinblick darauf wünsche ich mir, dass die Soldatinnen und Soldaten insgesamt nicht schlechter und nicht besser gestellt werden als alle anderen Beamtinnen und Beamten, für die dieses Gesetz gelten soll. Auch das ist ein großer Wunsch im Hinblick darauf, dass wir im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes noch einiges bewegen wollen.
Wir hatten eine Debatte, die von der Ausstattung der Bundeswehr über die Kasernen bis hin zur Sinnhaftigkeit oder Nichtsinnhaftigkeit der allgemeinen Wehrpflicht reichte. Gerade in der heutigen Zeit und bei der aktuellen Sicherheitslage kann man - das ist von mehreren Seiten angedeutet worden - über den letztgenannten Punkt reden.
Natürlich hat sich die Bedrohungslage in Deutschland und in Europa nach 1990 völlig verändert; hier sind wir uns alle einig. Die Gefahr eines konventionellen Krieges im Herzen Europas, der wir uns vorher ausgesetzt sahen, besteht heute nicht mehr; denn mittlerweile ist Deutschland, wie es immer wieder heißt, umgeben von Freunden. Dazu tragen EU und NATO bei, auch mit ihren Erweiterungen in Richtung Osten. Diesen veränderten Bedingungen passt sich die Bundeswehr an. Auch die Wehrpflicht ist daher neu zu bewerten.
Das Ende des Kalten Krieges bedeutet allerdings nicht das Ende jeglicher Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands und Europas. Wenn wir nur einige Jahre zurückschauen, stellen wir fest: Die Konflikte auf dem Balkan, quasi vor unserer Haustür, aber auch die Anschläge vom 11. September 2001 haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass es in unserer Welt neue und nach wie vor schreckliche Bedrohungen gibt. Tiefgreifende Veränderungen der sicherheitspolitischen Lage sind vor allem kurzfristig nicht auszuschließen. Deshalb ist es notwendig und wichtig, dass wir die Landesverteidigung auch weiterhin stets gewährleisten können.
Die Koalition, dieses ganze Haus und natürlich auch meine Fraktion werden daran sehr intensiv mitwirken. Denn unsere Soldatinnen und Soldaten, ob Wehrdienstleistende oder länger Dienende, leisten in allen Bereichen einen ehrenvollen, hervorragenden und sehr engagierten notwendigen Dienst, sowohl im Inland als auch im Ausland. Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle unseren herzlichsten Dank sagen.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee; das soll sie auch bleiben. Dieses Thema ist gerade von vielen Rednern der Opposition angesprochen worden. Die SPD hat eine intelligente Weiterentwicklung unserer Wehrverfassung vorgeschlagen. Darum muss es gehen. Die vollständige Deckung des Bedarfs der Bundeswehr wollen wir durch freiwillige Wehrdienstleistende sicherstellen. Auch das ist ein Thema, über das wir miteinander reden werden, insbesondere auch mit unserem Koalitionspartner.
Die Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr muss in angepasster Form gewährleistet sein. Dazu haben wir einige Vorschläge unterbreitet. Wir wollen, dass sich die jungen Männer entscheiden können, ob sie den Wehrdienst oder einen Ersatzdienst machen wollen; vorher sollen sie aber alle Stufen, die wir kennen, durchlaufen, auch die Musterung. Darüber werden wir in diesem Hause entscheiden müssen.
Im Jahre 1978 - das ist also schon 30 Jahre her - hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass man bei der Entscheidung zwischen Wehrpflichtarmee und Freiwilligenarmee nicht nur die sicherheitspolitischen Bedingungen berücksichtigen, sondern auch wirtschaftspolitische Erwägungen, die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und allgemeinpolitische Aspekte abwägen muss. In diese Phase sollten wir eintreten, um die Bundeswehr weiterhin attraktiv zu gestalten.
Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass die Bundeswehr noch attraktiver werden muss. Mit der Erhöhung des Wehrsolds um 2 Euro pro Tag tragen wir dazu sicherlich ein wenig bei. Sollte man die Idee des Freiwilligendienstes aufgreifen, muss hier allerdings noch ein bisschen mehr getan werden. Dabei werden finanzielle Aspekte eine Rolle spielen, aber auch verschiedene Vergünstigungen. Darüber müssen wir nachdenken.
Da sich die sicherheitspolitischen Bedingungen auf der Welt verändern, muss sich auch die Bundeswehr verändern. Sie muss sich der Situation anpassen. Daher werden wir auch darüber diskutieren müssen, welche intelligenten Möglichkeiten es gibt, um die Wehrpflicht zu ersetzen.
Wir stehen dazu, dass die allgemeine Wehrpflicht, die wir kennen, ein wesentlicher Bestandteil unserer Überlegungen ist; hier stimmen wir dem zu, was der Minister gesagt hat. Unsere Fraktion will aber ihre Weiterentwicklung. Über die verschiedensten Möglichkeiten, die es dazu gibt, müssen und werden wir reden. Das wird in Zukunft unser Anliegen sein. Die Einführung eines Freiwilligendienstes ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Ich bitte das gesamte Hohe Haus, daran im Interesse unserer Bundeswehr, der Soldatinnen und Soldaten und des Ansehens der Staatsbürger in Uniform mitzuwirken, anstatt Grabenkämpfe auszutragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die allgemeine Zustimmung in diesem Hause.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes. Der Verteidigungsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/8470, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/8188 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 151. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 14. März 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]