154. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 10. April 2008
Beginn: 10.31 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in unsere heutige Tagesordnung eintreten, gibt es einige Mitteilungen und Veränderungen bzw. durchzuführende Entscheidungen.
Zunächst möchte ich dem Kollegen Detlef Dzembritzki herzlich gratulieren, der am 23. März seinen 65. Geburtstag gefeiert hat. Ebenso gratuliere ich dem Kollegen Joachim Stünker, der am 29. März seinen 60. Geburtstag feiern konnte. Im Namen des ganzen Hauses beiden Kollegen herzliche Gratulation und alle guten Wünsche.
Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass der Kollege Jörg-Otto Spiller als stellvertretendes Mitglied aus dem Vermittlungsausschuss und aus dem Gemeinsamen Ausschuss nach Art. 53 a des Grundgesetzes ausscheidet. Als Nachfolger wird der Kollege Dr. Hans-Ulrich Krüger vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Damit ist der Kollege Krüger zum stellvertretenden Mitglied sowohl des Vermittlungsausschusses wie des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes gewählt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Bundesregierung zur Erhöhung der Biospritbeimischung
(siehe 153. Sitzung)
ZP 2 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2008
- Drucksache 16/8744 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96
GO
ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Strukturelle Wettbewerbsdefizite auf den Energiemärkten bekämpfen
- Drucksache 16/8079 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
ZP 4 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 28)
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela Piltz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für einen umfassenden Schutz der europäischen Bürgerinnen und Bürger bei der Verarbeitung ihrer Daten im Bereich der so genannten dritten Säule der Europäischen Union
- Drucksache 16/5473 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cajus Caesar, Marie-Luise Dött, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Heinz Schmitt (Landau), Marco Bülow, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Weltnaturschutzgipfel 2008 in Bonn - Biologische Vielfalt schützen, nachhaltig und gerecht nutzen
- Drucksache 16/8756 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef Parr, Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Eigenverantwortung und klare Aufgabenteilung als Grundvoraussetzung einer effizienten Präventionsstrategie
- Drucksache 16/8751 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Sportausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE
Gleichstellung in der Wissenschaft durch Modernisierung der Nachwuchsförderung und der Beschäftigungsverhältnisse herstellen
- Drucksache 16/8742 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
ZP 5 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD:
Aktuelle Lage in Tibet
ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
Angemessene und zukunftsorientierte finanzielle Unterstützung der Contergangeschädigten sicherstellen
- Drucksache 16/8754 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Kurth, Birgitt Bender, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für einen umfassenden Ansatz beim Umgang mit den Folgen des Contergan-Medizinskandals
- Drucksache 16/8748 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Alexander Bonde, Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine U-Bootlieferung an Pakistan
- Drucksache 16/5594 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Auswärtiger Ausschuss (f)
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss
Federführung strittig
ZP 9 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP:
Haltung der Bundesregierung zur Tätigkeit deutscher Sicherheitskräfte in Libyen
Wir beginnen unsere Beratung gleich also nicht mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Ausbildungschancen förderungsbedürftiger junger Menschen, sondern mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2008. - Aus der Zusammensetzung des Plenums gewinne ich den begründeten Eindruck, dass die meisten auf diese Veränderung eingestellt sind. Die Tagesordnungspunkte der Koalitionsfraktionen verschieben sich dadurch jeweils um einen Platz nach hinten.
Außerdem ist vorgesehen, den Tagesordnungspunkt 19 abzusetzen und an dieser Stelle den Tagesordnungspunkt 21 aufzurufen.
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Schließlich mache ich auf zwei geänderte Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 126. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Finanzausschuss (7. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG)
- Drucksachen 16/7076, 16/7440 -
überwiesen:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Finanzausschuss
Der in der 134. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll nicht mehr dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle
- Drucksachen 16/4933, 16/6314, 16/7537 -
überwiesen:
Ältestenrat
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 unserer Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2008
- Drucksache 16/8744 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96
GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann kann das als vereinbart gelten.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz.
Olaf Scholz, Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einer Woche hat das ZDF eine Umfrage veröffentlicht. Danach finden 61 Prozent der unter 30-Jährigen, dass die jetzt vorgesehene Erhöhung der Rente um 1,1 Prozent richtig ist. 28 Prozent hätten sich sogar mehr gewünscht, und nur 8 Prozent sagen, diese Erhöhung sei zu hoch. Diese repräsentative Umfrage bei unter 30-Jährigen macht also deutlich: Es gibt keinen Generationenkonflikt in Deutschland. Er wird in den Medien und an vielen anderen Stellen lediglich herbeigeredet.
Unser Gesetzentwurf, den wir jetzt beraten wollen, stärkt die Solidarität zwischen den Generationen, die viel größer ist, als oft behauptet wird. Wir haben in Deutschland eine solidarische Mehrheit, die zwischen den Generationen und in jeder Familie in Deutschland vorhanden ist. Darauf können wir uns bei unseren Beratungen auch verlassen.
Was wollen wir erreichen? - Wir wollen, dass auch die Rentnerinnen und Rentner an dem Aufschwung, den wir jetzt überall beobachten können, teilhaben.
Gleichzeitig wollen wir stabile Beiträge, die für die jüngere Generation mit ihrer Arbeitsleistung bezahlbar sind. Wir können garantieren, dass die Beitragssätze auch im nächsten Jahrzehnt nicht höher ausfallen werden als jetzt; sie werden unter 20 Prozent bleiben. Das ist eine große Leistung für die Stabilisierung der Rentenfinanzen, die wir in den letzten Jahren zustande gebracht haben.
Wir gehen einen sehr gut verantwortbaren Schritt. Wir haben im Hinblick auf die Stabilität der Rentenfinanzen in den letzten Jahren beschlossen, bei der Anpassung der Rente über mehrere Jahre hinweg die zusätzliche Altersvorsorge, die die Jüngeren zu betreiben haben, zu berücksichtigen. Das werden wir noch viermal tun. Jetzt wollen wir die Berücksichtigung der privaten Altersvorsorge für zwei Jahre aussetzen, um eine Rentenerhöhung um 1,1 Prozent zu ermöglichen. Gleichzeitig stellen wir klar, dass das zu einem späteren, zu einem günstigeren Zeitpunkt, nachgeholt wird. Das ist eine sehr vernünftige, stabile und verantwortbare Politik.
Das nächste Jahrzehnt ist ein günstigerer Zeitpunkt.
Was ist in den letzen Jahren geschehen, und wie ist die jetzige Situation? Drei Jahre lang haben die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland keine Rentenerhöhung bekommen. Im letzten Jahr gab es nur eine geringe Erhöhung. Deshalb ist es vernünftig, die private Altersvorsorge der Jüngeren nicht jetzt bei der Berechnung der Rente zu berücksichtigen, sondern zu einem Zeitpunkt, in dem wir größere Spielräume haben. Das gilt allerdings nur, wenn wir gleichzeitig all das miteinbeziehen, was zur Stabilisierung der Rentenfinanzen notwendig ist. Genau das tun wir auch. Wir sind prinzipienfest, aber wir sind keine Prinzipienreiter. Das ist gute demokratische und pragmatische Politik.
Überall ist vom Aufschwung die Rede. Aber wir müssen verhindern, dass es einigen so geht wie jemandem, der sehr lange auf den Bus wartet, einsteigen will, nachdem dieser endlich gekommen ist, aber in genau diesem Moment die Tür wegen Überfüllung zugeht, der Bus wegfährt und er auf den nächsten Bus warten muss. Auch die Älteren in unserer Gesellschaft sollen etwas von dem Aufschwung haben. Darum geht es in unserem heute vorgelegten Gesetzentwurf.
Seien wir ehrlich: 1,1 Prozent sind nicht viel. Wenn man all die zusätzlichen Belastungen und Aufwendungen berücksichtigt, die in den letzten Jahren auf die ältere Generation zugekommen sind, dann stellt man fest, dass das nur eine kleine Erholung von den schwierigen Situationen ist, die viele beschreiben, wenn sie zum Beispiel über ihre Miete oder die Preise im Supermarkt reden. Aber wir zeigen den Älteren in diesem Lande, dass wir ihre Situation verstehen. Das Signal, das der Deutsche Bundestag heute geben kann, ist notwendig und unverzichtbar.
Wir sollten die Lage der älteren Menschen in diesem Lande nicht vergessen; sie unterscheidet sich von der anderer Menschen. Ein 35-Jähriger, der von seinem Chef mitgeteilt bekommt, dass das Weihnachtsgeld gestrichen ist, denkt nichts Nettes über diesen, und wenn er klug ist, tritt er in eine Gewerkschaft ein.
- ?Wenn er klug ist, ist er schon drin?, sagt die Kanzlerin. Da muss man ihr recht geben. -
Ein 35-Jähriger, der mit dieser Situation konfrontiert ist, sagt sich, dass er an dieser Situation noch einmal etwas ändern kann. Wer aber 68 oder 72 Jahre alt ist und es jahrelang schwer hatte mit seiner Rente, der kann an seiner Situation nichts mehr ändern.
Deshalb ist es eine wichtige Botschaft zu zeigen, dass wir die Situation der Älteren in diesem Land im Blick haben. Das haben sie auch verdient.
Die Rente eignet sich nicht für Diskussionen über Generationenkonflikte. Denn mit der Rente - das muss uns allen klar sein - haben wir alle fast ein Leben lang etwas zu tun. Durchschnittlich werden heutzutage 40 Jahre lang Beiträge gezahlt und wird die Rente 17 Jahre lang bezogen. Wir nehmen alle mit großer Begeisterung zur Kenntnis, dass der Bezugszeitraum immer länger wird. Das funktioniert aber nur, wenn bei den Jüngeren all die Jahrzehnte, in denen sie Beiträge zahlen, die Vorstellung vorherrscht, dass sie zunächst leistbare Beiträge zu zahlen haben, dafür aber im Alter eine Rente in akzeptabler Höhe bekommen werden. Das ist das, was wir zu leisten haben. Das gewährleisten wir. Wir schaffen Vertrauen in die Rentenversicherung. Das ist das Gegenteil von Generationenkonflikt.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ein ?alter Bekannter? nicht mehr da ist. Es gab viele Zeitungsartikel, zahlreiche Sendungen und vieles mehr über das sogenannte Rentenloch, über die Unsicherheit bei den Rentenfinanzen und über die Gefahren, die der Rentenversicherung droht.
Davon sind wir heute weit entfernt. Wir haben eine ordentliche Nachhaltigkeitsrücklage gebildet. An eine bestimmte Seite dieses Hauses möchte ich sagen: Die anstrengende Politik der letzten Jahre hat sich gelohnt. Jetzt haben wir in Deutschland stabile Rentenfinanzen.
In der letzten Woche haben wir den 50. Geburtstag des Sozialbeirates der Bundesregierung gefeiert. Zu diesem Anlass haben bekannte Experten, die sich in Deutschland oft zu diesem Thema zu Wort melden, gesprochen, zum Beispiel Professor Rürup.
Es haben sich aber auch Experten der EU, der Internationalen Arbeitsorganisation und der OECD geäußert. Alle haben uns übereinstimmend bescheinigt: Deutschland ist eines der wenigen Länder, das die Herausforderungen des demografischen Wandels, der aufgrund der Tatsache, dass unsere Bevölkerung Gott sei Dank immer älter wird, auf uns zukommt, bewältigt und stabile Rentenfinanzen geschaffen hat. Wir haben das, was andere Staaten noch vor sich haben, schon erreicht. Das darf die demokratische Politik in diesem Lande mit Stolz erfüllen, meine Damen und Herren.
Es wird ja gerne schnell und ohne weiteres Nachdenken über Politiker geschimpft. Aber die verantwortlichen Politiker in Deutschland haben getan, was man von ihnen verlangt. Sie haben nicht auf die nächste Wahl geschielt,
sondern wichtige und schwierige Entscheidungen getroffen.
Über die Früchte dieser Arbeit dürfen wir jetzt gemeinsam diskutieren. Das Wichtigste dabei ist, dass wir die Rentenversicherung in eine sichere Zukunft führen.
Neben stabilen Rentenfinanzen haben wir aber noch eine zusätzliche Botschaft an die Jüngeren. Diese Botschaft lautet: Es ist notwendig, zusätzlich private und betriebliche Altersvorsorge zu betreiben, damit man seinen Lebensstandard im Alter sichern kann. Darum war es richtig, dass wir in den letzten Jahren die betriebliche Altersvorsorge und die private Zusatzvorsorge mit dem Namen Riester-Rente ausgebaut haben. An dieser Stelle bedanke ich mich bei Walter Riester, der dort hinten sitzt.
Ende 2007 gab es in Deutschland 10,8 Millionen Riester-Verträge. Das ist eine große politische Leistung.
Wir sind bei diesem Thema sehr konsequent. Das Bundeskabinett ermöglicht nicht nur, dass die Renten stärker als erwartet steigen können, sondern haen auch beschlossen, einen Berufseinsteigerbonus einzuführen. Dadurch soll jüngeren Leuten nahegelegt werden, möglichst früh mit ihrer Altersvorsorge zu beginnen. Denn wir hoffen, dass derjenige, der früh damit beginnt, auch dabeibleibt. So früh wie möglich mit der Altersvorsorge zu beginnen, ist im Leben eines jeden Berufstätigen die richtige Entscheidung.
Wir haben dafür gesorgt, dass auch diejenigen, die schon mit 42 oder 51 Jahren nicht mehr erwerbstätig sein können und eine Erwerbsminderungsrente beziehen, private Altersvorsorge betreiben können. Ihnen geben wir die Möglichkeit, in dieser Zeit zusätzlich eine Riester-Rente aufzubauen. Das ist eine gute Leistung, und sie ist konsequent, weil sie zum Gesamtbild unserer Alterssicherungspolitik passt.
Wir handeln sehr verantwortlich. Die wichtige Botschaft, die heute von diesem Gesetzentwurf ausgeht, kann ganz eindeutig beschrieben werden: Stabile Rentenfinanzen ermöglichen in einer wirtschaftlich guten Situation größere Erhöhungen für die Rentner, und sie sind gleichzeitig etwas, auf das die jüngere Generation vertrauen kann. Lassen Sie uns mit dieser Politik fortfahren.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb, FDP-Fraktion.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Scholz, nach dem Echo, das Ihre Rentenanpassung bis in höchste Regierungskreise hinein hervorgerufen hat - Merkel rügt Rentenpolitik ihrer Regierung, hieß es -, finde ich es wirklich erstaunlich, dass Sie Ihr Vorgehen erneut als rentenpolitische Großtat verkaufen wollen.
Nein, Herr Scholz, die von Ihnen geplante Aufstockung einer als peinlich empfundenen Rentenanpassung in diesem und im nächsten Jahr ist in doppelter Weise eine Beleidigung der Rentner in Deutschland. Sie wollen die Rentner, die in den letzten Jahren in der Tat deutlich an Kaufkraft verloren haben, mit einem Almosen abspeisen. Denn das, was Sie als Erhöhung vorgesehen haben, reicht ja nicht annähernd aus, um die Belastungen auszugleichen, die den Rentnern allein als Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung zuteil wurden: Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte, Inflation auf Rekordhöhe, Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge und vieles andere mehr; ich kann gar nicht alles aufzählen.
Ihre Rentenanpassung, Herr Scholz, ist auch deswegen eine Beleidigung der Rentner, weil das Motiv, Wählerstimmen bei den Rentnern zu kaufen, deutlich durchscheint. Wie heißt es nach Goethes Torquato Tasso, den viele der Älteren in der Schule noch gelesen haben? - Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt.
Herr Scholz, glaubt die Regierung wirklich, die Rentner seien nicht in der Lage, über den Wahltag hinaus zu denken? Tatsache ist, dass nach Ihrem Gesetzentwurf die Rentner nach der Wahl einen Gutteil dessen, was sie jetzt vor der Wahl erhalten, selbst werden bezahlen müssen. Die Aufstockung der Rentenerhöhung ist ein Wahlgeschenk - ein vergiftetes Geschenk. Sie kommt nicht von Herzen und ist nicht ehrlich gemeint.
Herr Scholz, Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie verhalten sich mit Ihrer panischen Aktion im Vorwahljahr wie der junge Mann, dem auf dem Weg zur Erbtante siedend heiß einfällt, dass die Tante Geburtstag hat, und der sich schnell einen Blumentopf von ihrer Fensterbank greift, damit er nicht mit leeren Händen vor die gute Frau treten muss. Der hat auch nicht wirklich das Wohl der Tante im Sinn, er denkt vor allem an sich selbst. Genauso ist es bei Ihnen, Herr Scholz.
Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Tante ihren Blumentopf erkennt und der Schwindel auffliegt, ist hoch, Herr Scholz. Mit allen aufmerksamen Rentnerinnen und Rentnern in unserem Lande lehnen wir Ihren tagespolitisch motivierten Eingriff in die Rentenformel ab.
Die Rentenformel macht doch das, was künftig sein wird, für die Rentner berechenbar, sie schafft Verlässlichkeit. Mit anderen Worten: Die Rentner werden durch die Rentenformel auch geschützt. Heute gibt es als Ergebnis des Herumfummelns an der Rentenformel eine Rentenerhöhung, morgen kann es eine Kürzung sein. Deswegen sage ich: Finger weg von der Rentenformel, Herr Scholz! Mit der geplanten Manipulation brechen Sie mit der langfristig angelegten Politik Ihrer Amtsvorgänger. Rentensystematisch ist das Aufstocken der Erhöhung ein schwerer Sündenfall. Die Rente wird zum Spielball parteipolitischer Interessen. Mit einer nachhaltigen Politik hat das nichts zu tun.
- Frau Nahles, diese Manipulation der Rentenformel, die wir Ihnen vorwerfen, nimmt zu viel und gibt zu wenig: Sie geben den Rentnern im Durchschnitt 7 Euro pro Monat und beschädigen dafür das Vertrauen in die langfristig angelegte Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir lehnen eine solche Rentenanpassung, die sich allein an den Umfragewerten der Regierung orientiert, ab.
Ich will ausdrücklich sagen: Auch wir, meine Damen und Herren von der Regierung und von der Koalition, sind sehr dafür, die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner zu stärken.
Das gilt zunächst einmal, Herr Kollege Weiß, für die sich aus der Rentenformel auch ohne Manipulation ergebende Erhöhung der Renten. Es ist ja nicht so, dass sich nach der derzeitigen Rechtslage keine Rentenerhöhung ergeben würde. Wenn es darum geht, die Rentner darüber hinaus am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben zu lassen, gibt es Alternativen, über die wir uns durchaus unterhalten können. Eine Verbesserung der Kaufkraft der Rentner muss aber aus dem Steuertopf finanziert werden. Denn die Früchte des Aufschwungs der letzten Jahre hat mit rund 110 Milliarden Euro Mehreinnahmen ganz überwiegend der Bundesfinanzminister, Herr Steinbrück, abgegriffen.
Eine Alternative, um die Kaufkraft der Rentner zu verbessern, wären gezielte Entlastungen der Rentner bei den Steuern auf den Energieverbrauch.
Ehrlicher wäre es aber, Herr Scholz, wenn Sie gemeinsam mit Herrn Steinbrück an jede Rentnerin und an jeden Rentner einen Brief mit etwa folgendem Wortlaut schreiben würden: Sehr geehrte Damen und Herren, als Ergebnis einer verfehlten Politik unserer Regierung sind Sie leider über Gebühr belastet worden.
Zum Ausgleich für die erlittenen Kaufkraftverluste übersenden wir Ihnen für die Jahre 2008 und 2009 einen Scheck über 200 Euro. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Bundesregierung.
Genau das tun Sie aber nicht. Das Geld für eine solche Aufstockung der Rentenerhöhung ist ja bei der IKB und der KfW gerade eben erst verzockt worden. Nein, Sie machen es sich einfach: Das Geschenk soll aus der Rentenkasse bezahlt werden - von den Beitragszahlern und den Rentnern selbst. Die Rentenkasse kann sich ein solches Geschenk aber nicht leisten. Die Erhöhung der Nachhaltigkeitsrücklage ist nämlich ausschließlich auf den 13. Monatsbeitrag zurückzuführen, den die Unternehmen und die Arbeitnehmer im Jahre 2006 an die Rentenkasse abführen mussten. Aus diesem Grund mache ich mir große Sorgen um die Nachhaltigkeit Ihrer Rentenpolitik.
Nachhaltigkeit - das war die Leistung Ihres Vorgängers Walter Riester, mit dem Sie sich nicht vergleichen können, Herr Scholz.
Die Nachhaltigkeit sollte dadurch erreicht werden, dass den Jüngeren aufgegeben wurde, höhere Beiträge zu zahlen, als es die jetzige Rentnergeneration musste, und auch länger zu arbeiten, während den Älteren zugemutet wurde, Dämpfungen ihrer Rentenzuwächse hinzunehmen, damit für die Jüngeren überhaupt noch ein Spielraum für den Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Vorsorge verbleibt.
Ich bezweifle, dass mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2008 der durch das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz vorgegebene Beitragskorridor noch eingehalten werden kann. Die Bugwelle durch die ausgefallene Dämpfung aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors in den Jahren 2005 und 2006 ist noch nicht abgebaut. Mit der Aussetzung der Dämpfung aus dem Riester-Faktor bauen Sie schon eine zweite Bugwelle auf. Beide Bugwellen sollen sich durch Rentenkürzungen vor der übernächsten Bundestagswahl auf wundersame Weise auflösen. Herr Scholz, das glauben Sie doch selbst nicht.
Ich fürchte eher, es wird Ihnen wie Goethes Zauberlehrling ergehen: ?Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los?. - Herr Scholz, deswegen biete ich Ihnen hier und heute eine Wette an: Die Rente mit 67 wird das Superwahljahr 2009 mit 16 Wahlen nicht überstehen. - Damit kann ich gut leben; denn die FDP fordert ja statt der Anhebung der starren Regelaltersgrenze von 65 auf 67 einen flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand bei einem Wegfall aller Zuverdienstgrenzen, was ohnehin sehr viel sinnvoller ist.
Herr Minister Scholz, nach der Blamage beim Mindestlohn - stell dir vor, es ist Mindestlohn und keiner macht mit - stehen Sie nun auch in der Rentenpolitik vor einem Scherbenhaufen - und das schon wenige Monate nach Ihrem Amtsantritt. Unbewusst haben Sie sich längst von der Agendapolitik Gerhard Schröders verabschiedet. Sie wollen sich das aber nicht eingestehen. Deswegen fehlt Ihrer Politik die richtige Richtung. Ein bisschen mehr dürfen die Menschen schon erwarten und erwarte auch ich persönlich von einem Minister, der seinen Amtseid ernst nimmt.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe, CDU/CSU.
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder Beobachter weiß: Unser Land ist wirtschaftlich auf einem guten Weg. Die Wirtschaft wächst, und wir haben heute 1,7 Millionen Arbeitslose weniger als vor drei Jahren. Wir als Große Koalition haben gesagt: Wir wollen, dass die Rentner an dieser guten wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. - Was ist daran eigentlich so skandalös und so zu kritisieren? Wir schlagen damit den richtigen Weg ein.
Zwei Faktoren bleiben dabei ganz klar: Es bleibt beim Lohnbezug der Rente und auch dabei, dass die Renten aufgrund unserer demografischen Entwicklung nicht so stark steigen können wie die Löhne. Das heißt, bei einem Anstieg der Lohnsumme um 1,4 Prozent in diesem Jahr steigen die Renten eben nur um 1,1 Prozent. Wir tun das, was möglich ist, um die Rentnerinnen und Rentner am Aufschwung teilhaben zu lassen. Wir schütten nicht das Füllhorn aus, aber wir tun das, was möglich ist.
Wir tun das vor dem Hintergrund der Zumutungen, die die Rentner in den letzten Jahren mit drei Nullrunden unzweifelhaft erfahren haben, und auch vor dem Hintergrund dessen, dass wir den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung halbiert haben, wovon die Rentner, wie wir wissen, nicht unmittelbar betroffen sind.
Wir haben erstmals seit der Einführung der Pflegeversicherung den Beitrag zu dieser Versicherung, der die Renterinnen und Rentner voll trifft, erhöhen müssen, weil wir uns richtigerweise dazu entschieden haben, die Leistungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung erheblich auszuweiten. Deswegen ist es zu dieser Beitragserhöhung gekommen.
Gelegentlich wird festgestellt, wir machten eine Rente nach Kassenlage.
Ich finde es durchaus sinnvoll, sich mit der Kassenlage der Rentenversicherung zu beschäftigen. Als die Regierung unter Angela Merkel im November 2005 ins Amt kam, wies die Rentenkasse ein Minus von 636 Millionen Euro auf. Ende 2007 war sie bei einem Plus von 11,7 Milliarden Euro angelangt. Das wäre nicht allein durch Minijobs, Billigjobs und Niedriglöhne möglich gewesen; es ist vielmehr ein Erfolg unserer Arbeitsmarktpolitik, dass wieder mehr Menschen in Beschäftigung sind und Steuern zahlen. Für diese Erfolge, die wir erzielt haben und die uns diese Rentenpolitik ermöglichen, werden wir uns bei niemandem entschuldigen. Das sind große wirtschaftspolitische und sozialpolitische Erfolge.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Lieber Kollege Brauksiepe, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kolb beantworten?
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU):
Gern.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Herr Kollege Brauksiepe, stimmen Sie mir zu, dass der Eindruck, den Sie vermitteln wollen, nämlich dass genügend Geld in der Rentenkasse ist, nicht zutrifft? Hängt nicht vielmehr der Anstieg der Rentenreserve ganz überwiegend mit den 10,5 Milliarden Euro zusammenhängt, die der 13. Monatsbeitrag im Jahr 2006 in die Rentenkassen gespült hat?
Stimmen Sie mir zu, dass die Rentenversicherung in den zurückliegenden Jahren Jahr für Jahr ein strukturelles Defizit zwischen 2 Milliarden und 4 Milliarden Euro aufgewiesen hat und dass wir auch im letzten Jahr trotz einer Erhöhung des Rentenbeitrags um 0,4 Prozentpunkte - das entspricht 4 Milliarden Euro - einen Überschuss von gerade einmal 1,2 Milliarden Euro erzielt haben, den Sie allein mit der Rentenerhöhung im Jahr 2008 wieder ausgeben wollen?
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU):
Ich stimme Ihnen nicht zu, Herr Kollege Kolb.
Die Behauptung, ein einmalig erzielter Effekt habe dazu geführt, dass die Rücklagen in der Rentenversicherung über Jahre hinweg angestiegen sind, ist völlig unlogisch. Der Natur der Sache nach ist das völlig unmöglich.
Von daher meine ich, Kollege Kolb: Setzen, sechs! Was Sie hier gesagt haben, kann nicht stimmen.
Die Lage der Rentenkasse wird zunehmend besser. Dadurch haben wir die Möglichkeit, die Renterinnen und Rentner am Aufschwung zu beteiligen, was wir auch tun.
Ich wiederhole: Wir schütten nicht das Füllhorn aus. Wenn wir Ihren unsinnigen und unfinanzierbaren Vorschlag umsetzen würden, allen Betroffenen Schecks zu schicken, dann würden Sie das wiederum als Scheckbuchdiplomatie der Bundesregierung bzw. der Großen Koalition bezeichnen. Das wäre der falsche Weg.
Herr Kollege Kolb, die FDP hat am 13. Februar eine Aktuelle Stunde beantragt. Sie haben behauptet, der Aufschwung komme bei den Menschen nicht an.
Er sei nur bei 1 Prozent der Menschen angekommen. Durch die Politik dieser Bundesregierung werden jetzt 20 Millionen Menschen bessergestellt. Diesen Weg können wir beschreiten. Wir legen eben nicht die Preise fest. Sie werfen uns vor, wir wollten beispielsweise den Brotpreis festlegen. Das ist aber nicht der Fall. Wir setzen an der Stelle an, an der man etwas für die Renterinnen und Rentner tun kann, indem sie mehr Geld bekommen.
Damit, dass wir rund 20 Millionen Renterinnen und Rentner begünstigen,
schlagen wir den richtigen Weg ein.
Natürlich beunruhigt auch uns die Preisentwicklung. Damit wende ich mich an die Grünen: Sie sind doch 1998 mit dem politischen Ziel angetreten, dass der Liter Benzin 5 D-Mark kosten sollte. Zum Glück sind wir noch nicht so weit. Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen uns: Wir wollen niedrigere Energiepreise. Sie hingegen wollen höhere Energiepreise, die den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen.
Wir führen eine Debatte über die Ordnungspolitik in dieser Frage. Wir sind durchaus bereit, darüber zu diskutieren. Ich erinnere Sie aber in diesem Zusammenhang daran, dass Sie die Rentenformel viermal in sieben Jahren rot-grüner Regierung geändert haben. Sie waren doch an der Aussetzung des demografischen Faktors beteiligt, für die sich Gerhard Schröder später bei den Menschen entschuldigt hat. Sie haben viermal die Rentenformel geändert und drei Nullrunden herbeigeführt. Sie haben nicht nur eine unsystematische Rentenpolitik betrieben, sondern sie waren auch sozial erfolglos und haben die wirtschaftliche Lage der Renterinnen und Rentner verschlechtert. Das ist der Unterschied zwischen uns: Sie mussten Rentenpolitik nach Kassenlage machen, weil Sie die Renten nicht erhöhen konnten. Wir haben dafür gesorgt, dass die Kassen wieder zulassen, dass die Renterinnen und Rentner am Aufschwung teilhaben.
Ich will noch etwas zu Ihnen sagen, meine Damen und Herren von der Linken. Sie haben in der Tat an den Eingriffen in die gesamtdeutsche Rentenformel nicht teilgenommen. Der letzte rentenpolitische Eingriff, den Sie vorgenommen haben, war 1989. Damals haben Sie zum 40. Jahrestag der DDR die Rente auf mindestens 330 Ost-Mark angehoben. Das ist die rentenpolitische Bilanz Ihrer Partei nach 40 Jahren. Dafür sollten Sie sich schämen, anstatt uns zu kritisieren.
In einem umlagefinanzierten Rentensystem ist völlig klar, dass jeder zusätzliche Euro, den die Rentner bekommen, nur von den aktiven Beitrags- und Steuerzahlern aufgebracht werden kann.
Deswegen sind die kritischen Fragen der Jüngeren, wie es um die Generationengerechtigkeit bestellt ist, vollkommen verständlich. Es ist die Aufgabe dieser Regierung genauso wie jeder anderen, auf die Herausforderungen, die sich durch die Alterung unserer Gesellschaft ergeben, generationengerecht zu reagieren. Vielen Älteren erscheint die jetzige Rentenerhöhung viel zu gering, während viele Jüngere mit Recht fragen, wie es um die Beiträge bestellt ist, die sie zu leisten haben, und was sie dafür bekommen. Deswegen ist es uns wichtig, dass klar ist, dass wir mit unserer Gesetzgebung die Beitragsziele für das Jahr 2020 und das Jahr 2030, die wir in der Großen Koalition vereinbart haben, erreichen können.
Worüber reden wir denn bis 2020? Wir reden doch nicht über Beitragserhöhungen und höhere Bundeszuschüsse. Vielmehr reden wir darüber, wann wir die Beitragszahler und die Steuerzahler um welchen Betrag entlasten können. Es ist klar, dass wir bis zum Jahr 2020 die Beitrags- und Steuerzahler im Vergleich zum heutigen Beitragssatz in der Rentenversicherung von 19,9 Prozent entlasten können. Auch das ist ein Unterschied zur Vorgängerregierung. Wir streiten nicht über höhere Beiträge, sondern über den Zeitpunkt und das Ausmaß der Entlastung. Das hat auch etwas mit unserer guten Wirtschafts- und Sozialpolitik zu tun, die für mehr Beschäftigung in diesem Land gesorgt hat.
Wir schütten nicht das Füllhorn aus. Wir bauen keine Wolkenkuckucksheime auf, sondern leisten einen Beitrag dazu, dass die Rentnerinnen und Rentner von der guten wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Land nicht abgekoppelt werden und gleichzeitig die jüngere Generation nicht auf unzumutbare Weise belastet wird. Das, was wir machen, ist sozial und generationengerecht. Deswegen bitte ich dafür um Unterstützung.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Volker Schneider, Fraktion Die Linke.
Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als die Deutsche Rentenversicherung Bund gerade verkündet hatte, dass die Renten um 0,46 Prozent steigen sollten, sprach mich eine Rentnerin bei einer Veranstaltung im Saarland an. Sie beziehe eine Rente von 651 Euro - das ist immerhin deutlich mehr als der Durchschnitt, der bei Frauen in Westdeutschland bei 465 Euro liegt -, und 0,46 Prozent, sagt sie, seien noch nicht einmal 3 Euro. Dafür könne sie sich allenfalls eine Tasse Kaffee mehr leisten; für ein Stückchen Kuchen reiche das nicht mehr. Tatsächlich hätte sie sogar die Tasse Kaffee vergessen können; denn nach Abzug des höheren Pflegeversicherungsbeitrags bleiben netto gerade einmal 1,37 Euro übrig. Immer habe sie CDU gewählt; aber damit sei nun Schluss. Beim nächsten Mal wähle sie die Linke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, Sie wissen nur zu genau, dass dies kein Einzelfall ist. Deshalb greifen Sie auf abenteuerliche Weise in die Rentenformel ein. Sie wollen Wahlgeschenke verteilen.
Nun sollen die Renten um 1,1 Prozent steigen. Nach Abzug der Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags um 0,25 Prozentpunkte bleibt eine reale Erhöhung von 0,85 Prozent übrig. Jetzt hätte unsere Rentnerin 5,53 Euro mehr in der Tasche. Die gehen aber bei einer 50-Quadratmeter-Wohnung allein für die gestiegenen Heizkosten drauf. Für alle weiteren Preiserhöhungen muss an anderer Stelle gespart werden. Ich befürchte, dass in Zukunft alle Café-Besuche gestrichen werden müssen.
Bei den Männern und einer durchschnittlichen Rente in Höhe von 969 Euro in den alten Bundesländern bleiben 8,24 Euro statt 2,03 Euro mehr in den Taschen. Auch das ist zu wenig, um die zahlreichen Preiserhöhungen ausgleichen zu können. 0,85 Prozent bei einer Inflationsrate von 2,3 Prozent im Jahr 2007 und von zuletzt 3,1 Prozent im März 2008! Da besitzen Sie die Frechheit, zu behaupten, es gehe Ihnen darum, die Rentner am Aufschwung teilhaben zu lassen. Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, wenn Bundesminister Scholz oder auch Herr Brauksiepe uns hier weismachen wollen, es sei ein Aufschwung, wenn die Rentner real weniger in den Taschen haben.
Dabei ist das nur die Spitze des Eisbergs; denn die Inflationsrate beinhaltet beispielsweise eine Senkung der Computerpreise von 10 Prozent.
Rentnern dürfte dies nicht wesentlich geholfen haben. Die Steigerung der Preise für Lebensmittel und Getränke in Höhe von 10 Prozent, die Steigerung der Heizkosten, etwa beim Heizöl, von mehr als 40 Prozent - das ist das, was die Rentnerinnen und Rentner hart trifft. Gemessen am tatsächlichen Konsumverhalten liegen die Preissteigerungen für die Rentner nach Berechnungen der Universität Fribourg aktuell bei 6 Prozent. Real haben Rentnerinnen und Rentner also mehr als 5 Prozent weniger in der Tasche, ich wiederhole: mehr als 5 Prozent.
Das ist der Aufschwung, von dem Sie sprechen. Das ist kein Aufschwung, sondern das ist eine Verhöhnung von Menschen, denen dieses Land für ihre Aufbauleistung erheblichen Dank schuldet.
Sie berauschen sich an Ihrem Aufschwung, den zu bejubeln Sie nicht müde werden. Für das Jahr 2007 hatten Sie eine Lohnentwicklung von 1,8 Prozent prognostiziert. Das ist nicht gerade ein ambitioniertes Ziel für ein Aufschwungjahr. Geworden sind es dann gerade einmal 1,4 Prozent. Auch bei den Arbeitnehmern kommt Ihr Aufschwung nicht an. Statt der zu erwartenden Rentenerhöhung von 1 Prozent beträgt diese ohne Ihre Notoperation nicht einmal ein halbes Prozent. Da trauen Sie sich noch, für 2012 von einer Lohnerhöhung von 2,2 Prozent auszugehen und weiter anzunehmen, dass diese bis 2020 gleichmäßig auf 3 Prozent ansteigt und danach konstant bleibt. Falls Sie es immer noch nicht bemerkt haben: Das Einzige, was bei Ihnen beschäftigungsmäßig explodiert, ist der Niedriglohnsektor, ist Leiharbeit, sind Mini- und Midijobs. Insoweit sind solche Annahmen Wolkenkuckucksheime und völlig unverantwortlich.
Aber in einem haben Ihre Planungen wirklich innovativen Charakter. Das ist sicherlich das erste Geschenk mit garantierter eingebauter Rückgabeverpflichtung. 46 Euro mehr wird der sogenannte Eckrentner 2008 nach Ihrem Entwurf erhalten. Der Betrag steigert sich auf bis zu 189 Euro im Jahr 2011. Aber ab 2013 wird die Rente nach Ihrem neuen Plan nun niedriger sein als nach dem bisherigen. Das wird auch mindestens bis 2030 so bleiben. Dumm ist nur, wenn man in den fetten Jahren nicht profitieren kann, weil der Rentenbezug erst in den mageren Jahren beginnt. Die heute 60-Jährigen, die 2013 in Rente gehen, profitieren von Ihrer Regelung nicht mehr, sondern sie zahlen nur noch drauf.
Bei den 17 Bezugsjahren, von denen auch der Bundesminister gerade eben gesprochen hat, wären das rund 400 Euro weniger. Da sagen wir als Linke: Sozial gerecht sieht anders aus.
Abschließend noch ein Wort zum Thema Generationengerechtigkeit. Auch durch das Dreisäulenmodell wird der Finanzbedarf für die Altersvorsorge insgesamt nicht niedriger. Bei dem Rentenreformgesetz von 1992 war für 2030 ein Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung von maximal 28 Prozent angenommen worden. Die rot-grünen Rentenreformen senkten den zu erwartenden Beitragssatz auf 22 Prozent im selben Jahr. Die daraus resultierenden Leistungskürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung machen jedoch eine zusätzliche private Altersvorsorge nötig. Das sind 3 Prozent Riester, wenn wir die staatliche Förderung von 25 Prozent abziehen, plus weitere 3 Prozent sonstige private Vorsorge. Das macht zusammen - man staunt - ebenfalls 28 Prozent, nur dass jetzt die Arbeitnehmer nicht mehr 14, sondern 17 Prozent zu tragen haben. Gespart wird also nichts.
Im Gegenteil: Die Studie ?Altersvorsorge in Deutschland - AVID -? lässt eher vermuten, dass 6 Prozent private Vorsorge nicht ausreichen werden, um das vorhergehende Versorgungsniveau zu erreichen. Wie sähe die aktuelle Beitragsversorgung aus? Nach der Gesetzeslage von 1992 läge der Beitragssatz heute bei rund 22 Prozent. Die Hälfte, also 11 Prozent, zahlt der Arbeitnehmer. Aktuell sind es für den Arbeitnehmer 9,75 Prozent plus 6 Prozent private Vorsorge, also 15,75 Prozent, oder er riskiert eine deutlich abgesenkte Versorgung im Alter. Was daran generationengerechter sein soll, wenn jüngere Arbeitnehmer schon heute und nicht erst 2030 deutlich höhere Beiträge für die Altersvorsorge einzahlen müssen und sich trotzdem auf niedrigere Versorgungsleistungen im Alter einstellen müssen, bleibt das Geheimnis der Kollegen Spahn, Fuchs und von wem auch immer, der meinte, sich an dieser Debatte beteiligen zu müssen.
Der Konflikt besteht nicht zwischen Alt und Jung, sondern zwischen oben und unten in dieser Gesellschaft, zwischen Arm und Reich. Unternehmen und Besitzer von Kapitalvermögen sind diejenigen, die den Löwenanteil des Aufschwungs einstreichen. Gleichzeitig entziehen sie sich ihren gesamtgesellschaftlichen Verpflichtungen. Von wegen Eigentum verpflichtet! Sie zahlen schon heute nur 9,75 Prozent statt 11 Prozent und perspektivisch 2030 nur 11 Prozent statt 14 Prozent in die gesetzliche Rente.
Für die Linke sind bezahlbare Renten für die jüngere Generation und ein würdevolles Leben im Alter keine Gegensätze. Sie sind eine Frage des politischen Willens. Aber dazu fehlt dieser Bundesregierung der Wille. Mit dem jetzt vorgelegten Taschenspielertrick werden Sie sich auf Dauer nicht über die Runden retten können. Für die Linke gehört der Riester-Faktor nicht aufgeschoben, sondern abgeschafft. Mit ihm sollten alle weiteren rot-grünen Dämpfungsfaktoren abgeschafft werden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was der Kollege Schneider von den Linken soeben vorgetragen hat, war nicht ehrlich.
Wer - wie die Linke - ignoriert, dass es in dieser Gesellschaft ein demografisches Problem gibt, der muss zu Rentenfragen eigentlich schweigen.
Lafontaine hat immer wieder gesagt, die demografische Frage sei eigentlich eine neoliberale Erfindung. Sie lehnen alle Vorschläge, die als ein sich in der Rentenformel niederschlagender Reflex auf die demografische Entwicklung zu verstehen sind, kategorisch ab. Würde man dem Rentenmodell der Linken folgen - ich habe mir einmal die entsprechenden Zahlen angeschaut -, käme es bis 2030 zu einer Beitragserhöhung auf 28 Prozent.
Das heißt, der Durchschnittsverdiener müsste im Jahr 1 700 Euro mehr Beitrag zahlen. Deswegen ist das, was Sie hier vortragen, einfach nicht ehrlich. Sie scheiden für mich aus der Diskussion wirklich aus.
Damit hier kein Missverständnis aufkommt, will ich hinzufügen: Als wir in den Medien gehört haben, der Bundesarbeitsminister wolle die Renten in den Jahren 2008 und 2009 erhöhen, fanden wir es richtig; schließlich können wir die soziale Lage der Rentner, vor allem der kleinen Rentner, natürlich nicht ignorieren. Gerade diejenigen, die kein privates Vermögen haben, die keine Wohnungen besitzen, also diejenigen, die unten sind, haben Probleme. Als wir aber gesehen haben, mit welcher Technik Sie, Herr Scholz, diese Rentenerhöhung vornehmen wollen, sind wir zu dem Ergebnis gekommen: Das können wir nicht mittragen; denn es ist ein willkürlicher Eingriff.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Kuhn, der Kollege Ernst würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nein, daran habe ich kein Interesse.
- Ihnen fehlt die Grundlage für diese Debatte. Deswegen hat es keinen Sinn.
Die erste Frage, der Sie, Herr Arbeitsminister, sich stellen müssen, ist folgende: Wenn 3,1 Prozent Inflation für den kleinen Rentner eine unzumutbare Belastung sind - das finde ich auch -, warum sind sie das nicht auch für die Arbeitslosengeld-II-Bezieher? Sie müssen wissen: 3 Prozent Inflation kann für bestimmte Haushaltsformen eine Verteuerung um bis zu 6 Prozent und mehr bedeuten, weil man nicht ausweichen kann. Mit dem, was Sie hier vorlegen, beantworten Sie diese Frage nicht.
Für eine der Ursachen dieser Kostensteigerung ist diese Bundesregierung verantwortlich, nämlich für die ruhmreiche Mehrwertsteuererhöhung, unter der die Leute weiter leiden. Das, was Sie vorlegen, ist kein rundes Konzept.
Ordnungspolitisch müsste folgender Grundsatz gelten: Wer durch haushaltsrelevante Politik wie eine Mehrwertsteuererhöhung bei denjenigen Menschen, die sehr wenig haben, soziale Probleme schafft, der muss darauf auf Ebene des Haushalts reagieren und der darf nicht willkürlich in die Rentenformel eingreifen.
Ein solcher Eingriff darf meines Erachtens nicht möglich sein. Wenn Sie ihn doch vornehmen, dann geraten Sie ordnungspolitisch in ein ziemliches Chaos.
Tatsächlich führt der Eingriff in die Rentenformel nur zu einer Verschiebung: Heute etwas geben, morgen wird?s bezahlt. Dies bedeutet Kosten von insgesamt 12 Milliarden Euro, die durch noch nicht vollzogene Lohnnebenkostensenkungen in den Jahren 2011 und 2012 finanziert werden müssen. Die Riester-Stufe muss nachgeholt werden, und dies wird dann später durch zu geringe Rentenerhöhungen wieder von den Rentnern zu bezahlen sein.
Das Absurdeste Ihres Vorgehens ist, dass Sie die Erhöhung im Jahr 2009 vornehmen. Zu 2008 kann man ja noch sagen, dies geschehe, weil die Rentenentwicklung der Lohnentwicklung nachhinkt. Aber dass Sie das Gleiche im Jahr 2009 auch machen wollen, obwohl wir im Jahr 2008, also dem Vorjahr, starke Lohnzuwächse haben und die Renten ohnehin über das Maß der vergangenen Jahre hinaus steigen werden, ist mit nichts anderem zu erklären als damit, dass Sie sich gesagt haben: Wenn wir uns jetzt hiermit schon den ordnungspolitischen Ärger einhandeln, dann wollen wir zumindest im Wahljahr noch richtig eins draufpacken. Die Rentenerhöhungen des Wahljahres, des nächsten Jahres, werden mit über 2 Prozent, vielleicht mit 2,2 bis 2,5 Prozent, so hoch sein, wie es diejenigen der darauffolgenden drei Jahre zusammen nicht sein werden. Damit ist doch ganz klar, was Sie da eigentlich vorhaben und anrichten.
Deswegen werden wir diesem Murks nicht zustimmen, den Sie da vorlegen, denn es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, die im Jahr 2008 auftretenden Probleme auszugleichen. Sie hätten sich zum Beispiel die Frage stellen können, ob es nicht richtiger wäre, die Grundsicherung zu erhöhen; denn diejenigen, die in der Altersgrundsicherung sind, werden aufgrund Ihres Vorschlags nur 2 Euro monatlich bekommen. Oder Sie hätten sagen können: Es wird einmalig aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen,
entweder nach dem Modell, das Sie dargestellt haben, oder etwa dadurch, dass Sie ein Jahr lang für die Bezieher von Arbeitslosengeld II die Halbierung vom 1. Januar 2007 zurücknehmen und doch die vollen Rentenversicherungsbeiträge einzahlen.
Der Witz ist ja, Herr Scholz: 2 Milliarden Euro kostet es den Bundeshaushalt ohnehin. Mit diesen 2 Milliarden Euro hätten Sie das Problem im Jahr 2008 tatsächlich lösen können, und diese Operation wäre gar nicht nötig.
Sie zerstören Vertrauen in die Rentenformel. Welchen anderen Sinn als Verlässlichkeit hat denn die Rentenformel? Wenn Sie wegen eines Problems, das real in einem Jahr besteht, in diese Formel eingreifen, dann zerstören Sie Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit, und Sie schädigen damit in großem Maße das Vertrauen, dass Politik nachhaltige Rentenpolitik überhaupt organisieren und finanzieren kann.
Deswegen hat die Bundeskanzlerin nicht Recht. Sie hat Herrn Scholz vorgeworfen, er hätte das schlecht verkauft. Aber sie hat nicht dazu gesagt, dass es Murks ist, was er gut hätte verkaufen sollen.
Ich meine, damit hat sie ihn überfordert. Diesen Murks kann man nicht gut verkaufen. Er gehört so verkauft, wie er verkauft worden ist, weil das schlechte Gewissen und der willkürliche Eingriff in die Rentenformel einfach nicht durch Schauspielerei wegzureden sind.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Ernst.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Herr Kollege Kuhn, einfach nur zur Klarstellung: Sie haben jetzt eben behauptet, die Linke wäre für eine Rentenerhöhung auf 28 Prozent.
- Eine Beitragssatzerhöhung auf 28 Prozent;
keine Aufregung, wir bringen das gleich in Ordnung.
Wenn Sie meinem Vorredner Schneider zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass er gesagt hat: Im Jahr 2030 werden wir tatsächlich einen realen Beitrag von 28 Prozent haben, allerdings mit einem Unterschied. Dieser Beitrag von 28 Prozent wird nicht mehr paritätisch finanziert sein, sondern es werden 11 Prozent Arbeitgeberbeitrag, aber faktisch 17 Prozent Arbeitnehmerbeitrag sein.
Sind Sie wenigstens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass, wenn dieser Beitrag von 28 Prozent paritätisch finanziert werden würde, der Beitrag für die Arbeitnehmer auf 14 Prozent sinken würde, also 3 Prozent geringer wäre als vorher? Zumindest auf diese mathematische Betrachtung des Problems müsste man sich in diesem Haus doch verständigen können. - Dies ist das Erste, Herr Kuhn.
Das Zweite: Wenn ausgerechnet Sie von den Grünen im Zusammenhang mit der Rentenformel von Verlässlichkeit reden, dann haut es einem ja den Gürtel vor. Das kann doch nicht wahr sein! Sie haben doch die Rentenformel in einer Art und Weise verändert, und zwar unter Ihrer Regierung mit der SPD,
dass heute jeder weiß, dass er als Rentner in Armut leben wird bzw. nicht mehr von seiner Rente wird leben können.
Im Übrigen, Herr Kuhn, auch das ist falsch: Der Sinn der Rentenformel ist nicht Verlässlichkeit. Der Sinn der Rentenformel ist, dass die Rentner im Alter vernünftig leben können. Den haben Sie zerstört; das will ich in aller Klarheit sagen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Kuhn, Sie dürfen antworten.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die 28 Prozent, Herr Kollege Ernst, kommen folgendermaßen zustande: Wir haben uns angeschaut, was Sie bei den Rentenreformen der letzten Jahre, die unter den Stichworten ?Demografie? und ?Generationenvertrag? gemacht wurden, alles abgelehnt haben. Wenn man dies auf der Basis dessen, was Sie alles abgelehnt haben, rechnet - Sie wollten immer schön populistisch das Händchen fein sauber halten -,
kommt man auf die 28 Prozent im Jahre 2030.
Wenn ich das umrechne, dann kann ich Ihnen nachweisen, wie viel mehr das die Beschäftigten kostet.
Das ist eine einfache Rechnung. Wir können sie einmal öffentlich gemeinsam ausführen. Sie können sich aber nicht bei jedem Punkt, der aus demografischen Gründen im Rentensystem reformiert wird, sozusagen einen schlanken Fuß machen und dann von uns verlangen, nicht mehr daran erinnert zu werden, welche Konsequenzen Ihre Politik hätte.
Außerdem möchte ich die willkürlichen Eingriffe ansprechen. Ich nenne es willkürlich, die Rentenformel durch das Aussetzen der Riester-Stufe zu verändern, um ein Problem im Jahre 2008 zu lösen. Die Grundreformen der letzten Jahre - ob von Rot-Grün oder der Großen Koalition - tragen aber einer Grundtatsache Rechnung.
- Er hat doch eine Frage gestellt. Benehmen Sie sich also und hören Sie bei der Beantwortung zu! Das ist doch nicht so schwer, auch wenn es wehtut. - Die Rentenformel muss eines berücksichtigen: den Generationenvertrag.
Wenn die heutigen jungen Einzahler merken, dass sie zwar einzahlen, aber beim Stand der alten Rentenformel keine auskömmlichen Renten bekommen, dann muss der Staat, wenn er Verantwortung übernimmt, in die Rentenformel eingreifen. Dies darf nicht willkürlich und mit schnellem Atem geschehen, sondern prinzipiell, wie wir es zum Beispiel mit der Riester-Rente gemacht haben. Diese lehnen Sie ja draußen immer noch populistisch ab.
Deswegen sage ich noch einmal: Sie haben in diesem Hause nicht auf diese Weise über die Seriosität, was den Generationenvertrag angeht, zu sprechen, denn draußen reden Sie anders. Das war der Sinn meiner Ausführungen, Herr Ernst. - Vielen Dank noch für Ihre Frage.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Ferner, SPD-Fraktion.
Elke Ferner (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist in den letzten Tagen und Wochen viel zum Thema Generationengerechtigkeit gesagt worden, insbesondere von jüngeren Kollegen und Kolleginnen aus dem Hause. Es heißt, die Aussetzung der sogenannten Riester-Treppe und die damit verbundene höhere Rentenanpassung gefährdeten das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Ich halte das für ebenso falsch wie zynisch; denn diejenigen, die zur heutigen Rentnergeneration gehören - das ist die Generation meiner Eltern -,
haben den Zweiten Weltkrieg miterleben müssen - wir haben dazu heute früh Eindrucksvolles gehört -, sind in der Nachkriegszeit aufgewachsen. Sie haben wesentlich schlechtere und weniger Bildungschancen gehabt als die Angehörigen meiner Generation, der Generation danach, haben in den 50er- und 60er-Jahren aber die Grundlagen für den relativen Wohlstand unserer Gesellschaft gelegt.
Wenn wir über Generationengerechtigkeit reden, sollten wir die Lebensleistung dieser Rentnergeneration, die im Vergleich zu der meiner Generation oder auch der nachfolgenden Generationen eine ganz besondere ist, nicht kleinreden, indem wir jetzt künstlich einen Generationenkonflikt aufmachen, der so überhaupt nicht existiert.
Es geht nicht nur um Generationengerechtigkeit, sondern auch um Solidarität zwischen den Generationen. Diese ist nicht nur daran zu messen, ob eine Rentenformel akribisch umgesetzt wird. Es geht auch darum, dass alle Generationen an dem Wohlstand, der erarbeitet worden ist, teilhaben können. Die Rentenformel ist kein Dogma, darf auch kein Dogma sein, sondern muss sich an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientieren, und die Lebenswirklichkeit ist, dass die Rentner und Rentnerinnen wie die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch Preissteigerungen zu verkraften haben. Insofern ist jetzt zwar kein vollständiger Ausgleich, aber doch zumindest eine Verbesserung möglich.
Herr Kolb, es wundert mich schon ein bisschen, wenn Sie auf der einen Seite beklagen, dass die Rentenanpassung zu gering sei, gleichzeitig aber sagen, an der Rentenformel dürfe nichts geändert werden. Sie fordern steuerliche Entlastungen. Wenn ich mich nicht sehr verhört habe, dann habe ich eben von Ihnen gehört, dass Sie eine Steuerentlastung auf den Energieverbrauch der Rentnerinnen und Rentner fordern. Das habe ich so verstanden.
Wenn das wirklich ein ernsthafter und seriöser Vorschlag von Ihnen ist, dann weiß ich nicht, was Sie als Mitglied der Regierung Kohl/Genscher überhaupt gelernt haben. In dieser Zeit haben Sie auch in Rentenformeln eingegriffen und beispielsweise die Kosten der deutschen Einheit im Wesentlichen über die Sozialversicherungssysteme und die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler finanziert.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Kolb?
Elke Ferner (SPD):
Ja, gern.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Frau Kollegin Ferner, ich bedanke mich für die Gelegenheit, die beiden Vorschläge, die ich gemacht habe, näher zu erläutern. Wären Sie bereit, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen? Ich habe gesagt, eine Möglichkeit wären gezielte steuerliche Entlastungen der Rentnerhaushalte, zum Beispiel bei den Energiesteuern, weil die Rentner besonders von den Preissteigerungen, die gerade bei den Kraftstoffen wie Benzin und Heizöl zu verzeichnen sind, betroffen sind. Das wäre eine Möglichkeit.
Die andere Möglichkeit ist ehrlicher. Hier hat mir jetzt sogar der Herr Kollege Kuhn von den Grünen zugestimmt. Die andere Möglichkeit wäre, den Rentnern einfach einen Scheck in der Höhe zu schicken, die sich rechnerisch ergibt. Das sind für die beiden Jahre durchschnittlich 200 Euro. So etwas gibt es in den USA auch immer mal wieder. Dann hätten Sie konkret einen Finanzierungsbeitrag zu dem, was die Rentnerinnen und Rentner Tag für Tag in Deutschland ausgeben müssen, um ihren Unterhalt zu fristen. Das sind die beiden Alternativen.
Wir können über beide Möglichkeiten reden. Entscheidend ist, dass der Ausgleich nicht aus der Rentenkasse erfolgen kann, weil hier nicht die Masse vorhanden ist. Vielmehr muss die Finanzierung aus dem Haushalt erfolgen. Weil Herr Steinbrück auch das Gros der Mehreinnahmen aus dem Aufschwung für sich vereinnahmt hat, soll er auch für diese Geschenke geradestehen. Wären Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?
Elke Ferner (SPD):
Herr Kollege Kolb, ich nehme zur Kenntnis, dass Ihre Tätigkeit in einer Bundesregierung offenbar nicht dazu geführt hat, dass Sie die Dinge mit klarem Blick sehen. Erstens. Eine Steuerentlastung auf Energiekosten nur für Rentnerinnen und Rentner entspricht für mich - obwohl ich keine Juristin bin - nicht dem Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes. Es gibt sehr wohl auch Familien, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen und die unter den hohen Preisen und Energiekosten leiden. Aus diesem Grund haben wir beispielsweise das Wohngeld erhöht.
- Herr Kolb warten Sie doch die Antwort ab. Sie dürfen gern noch einmal nachfragen. - Wir werden also deshalb das Wohngeld erhöhen und eine Energiekostenkomponente in das Wohngeld einbauen.
Zweitens. Sie sagen, wir sollten jetzt einfach 200 Euro ausschütten, die aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren sind. Entscheiden Sie bitte, was Sie wollen: Mehrausgaben aus dem Bundeshaushalt oder Einsparungen?
Sie fordern die Abschaffung der Mehrwertsteuererhöhung. Das bedeutet geringere Einnahmen. Damit kann auch weniger ausgegeben werden. Das ist eigentlich ganz logisch. Das scheinen Sie aber nicht begreifen zu können.
Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den der Kollege Kuhn eben angesprochen hat. Herr Kuhn, Sie haben eben gesagt, nach Ihrer Auffassung hätte man die Grundsicherung anheben können. Man kann die Grundsicherung zum einen nicht losgelöst sehen, denn sie hängt mit allen Grundsicherungssystemen zusammen. Zum anderen ist auch Ihre Aussage falsch, dass die Grundsicherungsbezieher von der Rentenerhöhung nichts haben; denn die Höhe und die Steigerungsrate der Grundsicherung sind an den Mechanismus der Rentenanpassung gekoppelt. Es gibt also auch dort eine Erhöhung. Wie ich höre, wurde im Arbeits- und Sozialausschuss gesagt, zwei Euro seien viel Geld, wenn es um das Thema SGB II gehe. Wenn es um das Thema Rente geht, dann sind zwei, drei oder sechs Euro aber nicht viel Geld. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, auch hier muss man sich entscheiden.
Ich muss auch sagen: Die Vorschläge, die alte Rentenformel wieder einzusetzen, wobei man sich fragt, ob dies mit oder ohne den demografischen Faktor von Herrn Blüm erfolgen soll, was auch noch zu klären ist, sind genauso abenteuerlich wie Ihre Finanzierungsvorschläge. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, auch wenn es vielleicht ein bisschen unbequem ist, dass die demografische Entwicklung heute Handeln erfordert, damit sowohl die Renten für die zukünftige Generation gesichert sind als auch sichergestellt wird, dass die Rentenbeiträge von denjenigen, die sie bezahlen müssen, noch getragen werden können. Insofern werden wir, wie ich glaube, das Richtige tun. Wir passen gemäß den Möglichkeiten, die wir derzeit haben, die Renten in diesem und im nächsten Jahr an.
Ich hoffe, dass wir uns in der nächsten Zeit auch einmal über das Thema unterhalten, wie wir für armutsfeste Renten sorgen können. Meiner Meinung nach könnten wir das erreichen, indem wir durch die Festlegung von Mindestlöhnen für existenzsichernde Löhne sorgen und uns darum kümmern, dass beispielsweise Frauen häufiger Vollzeit statt Teilzeit arbeiten können. Dies wäre in meinen Augen besser als die Einführung eines Erziehungsgehalts bzw. eines Betreuungsgeldes, worüber ja in Teilen des Hauses diskutiert wird.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion.
Max Straubinger (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Rentenpolitik ist von jeher ein Anlass für Auseinandersetzungen hier im Parlament. Darüber hinaus ist es aber entscheidend, dass es uns gelingt, den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen, dass wir ein gutes Rentensystem haben, das sie im Alter vor Armut schützt. Diese Aussage sollten wir, wie ich glaube, häufiger in den Mittelpunkt unserer politischen Debatten und Diskussionen stellen. Deshalb, verehrter Kollege Kolb, missbillige ich durchaus, dass Sie hier in dieser Debatte, bei der es um die Erhöhung der Renten geht, von Manipulation der Rentenformel, von Almosen für die Rentnerinnen und Rentner bzw. dem Kauf von Wählerstimmen sprechen, nur weil Ihnen der Weg nicht gefällt.
Ich glaube, dass dies nicht angemessen ist für eine Debatte, in der es um die soziale Sicherung der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland geht.
Ich möchte hier darlegen, dass unser Rentenversicherungssystem auf stabilen Grundfesten ruht, nämlich auf dem Generationenzusammenhalt. Das heißt, diejenigen, die im Erwerbsleben stehen und damit Beitragszahler sind, können sich im Alter darauf verlassen, dass sie abhängig von den geleisteten Beiträgen eine Rente bekommen. Damit ist zugleich der Anspruch an die gesetzliche Rentenversicherung verbunden, im Alter eine finanzielle Lebensgrundlage zu bieten.
Natürlich sind in der Vergangenheit vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung immer wieder Anpassungen im Rentenversicherungssystem erfolgt; diese werden auch in Zukunft - davon bin ich überzeugt - immer wieder nötig sein. Auch die FDP hat ja noch 1992 einen entsprechenden Beitrag geleistet, indem sie mit für die Einführung des Mechanismus gesorgt hat, dass Rentenerhöhungen erst verzögert erfolgen, nämlich nach entsprechenden Lohnerhöhungen in der Vergangenheit. Dies ist meines Erachtens ebenfalls darzustellen. Auch unter diesem Gesichtspunkt muss die geplante Rentenerhöhung betrachtet werden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Straubinger, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schewe-Gerigk?
Max Straubinger (CDU/CSU):
Ja.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herzlichen Dank, Herr Kollege Straubinger, dass Sie mir Gelegenheit zu einer Zwischenfrage geben. - Sie sind ja Mitglied der CSU. Man hört nun, dass Minister Seehofer und auch Kollege Ramsauer der Meinung seien, man solle die Riester-Treppe, also diese 0,6 Prozent, für die nächsten vier Jahre ganz aussetzen.
Ich möchte Sie vor diesem Hintergrund fragen: Sind Sie auch dieser Meinung? Wenn ja, möchte ich Sie als Zweites gerne fragen, ob Sie wissen, dass das 115 Milliarden Euro kostet.
Als Drittes möchte ich Sie gerne fragen, wie Sie das finanzieren wollen.
Max Straubinger (CDU/CSU):
Werte Frau Kollegin, herzlichen Dank für die Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, darzustellen, dass der Riester-Faktor nicht zu einem beständigen Faktor der Rentengesetzgebung werden darf. Er ist ja daraufhin angelegt, dass er irgendwann ausläuft.
Ich bin überzeugt davon, dass er dann 2012 auch endgültig auslaufen wird.
Natürlich, Frau Kollegin Schewe-Gerigk, sind wir eine Volkspartei.
Eine Volkspartei ist breit aufgestellt, und in manchen Diskussionsprozessen gibt es viele Meinungen.
Diese Meinungen werden in einer breiten Volkspartei, wie es die CSU ist, kanalisiert und dementsprechend zu einem guten Gesamtergebnis zusammengeführt. Das ist meines Erachtens das Entscheidende. Wir werden diese Diskussion sehr eindringlich in unseren eigenen Reihen führen.
- Ich bin nicht dafür.
- Wir sind immer für vernünftige Lösungen.
Werte Damen und Herren, ich glaube, dass dieser Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung, den wir heute einbringen, auch bedeutet, dass wir dem sozialpolitischen Beistand für die Rentnerinnen und Rentner besonderes Gewicht beimessen. Dies ist meines Erachtens auch erforderlich. Heute wurde ja bereits vielfältigst dargelegt, dass Preissteigerungen und dergleichen mehr zu großen Belastungen der Rentnerinnen und Rentner ebenso wie aller Bürgerinnen und Bürger - auch derjenigen, die über kleine Einkommen verfügen - führen.
Deshalb gilt es hier nicht, Preissteigerungen zu berücksichtigen. Vielmehr geht es nach der guten Formel, dass die Rente an die Entwicklung der Löhne und Gehälter angepasst wird. Das wird auch weiterhin so sein - unter den demografischen Gesichtspunkten.
Dass die Linke in unserem Haus die demografischen Gesichtspunkte ausblendet, das liegt direkt auf der Hand. Von ihrem Vorsitzenden Lafontaine wurde die demografische Entwicklung immer ausgeblendet. Er war ja einmal SPD-Vorsitzender. Zu diesem Zeitpunkt, 1997, als wir den demografischen Faktor eingeführt haben, hat die SPD die demografische Entwicklung ausgeblendet. Im damaligen Bundestagswahlkampf ist gesagt worden, dieser sei nicht notwendig. Damals wurde er von Lafontaine ausgeblendet. Genauso muss es jetzt bei der Linken weitergehen.
Herr Kollege Ernst, Ihr Modell bedeutet, dass die Beitragszahler mit bis zu 28 und 30 Prozent belastet werden.
Das zeigt natürlich sehr deutlich, dass Sie eine Politik an den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorbei betreiben.
Sie beklagen, dass es keine paritätische Finanzierung der Renten gebe. Dies ist aber in Zukunft mit der Kombination der Riester-Rente gewährleistet; denn die umfangreichen staatlichen Zuschüsse über Steuergelder mit einer Förderung von bis zu 80 Prozent bei der Riester-Rente sind eine Form der paritätischen Finanzierung der Zukunftssicherung im Alter. Dies sollten wir in das Blickfeld rücken und nicht einfach kleinkrämerisch abzählen, welche Beiträge geleistet werden. Dass damit über die Steuerzahler ein wesentlicher Beitrag für die Sicherung der Bürgerinnen und Bürger im Alter geleistet wird, das ist sehr deutlich anzuerkennen. In diesem Sinne erleichtert dies gerade der jüngeren Generation die Möglichkeit, verstärkt Eigenvorsorge zu betreiben, was bereits in der Vergangenheit Gebot der Stunde war.
Auch wenn es jetzt 10 Millionen Riester-Verträge gibt, so gab es bereits vor Beginn der Riester-Rentengesetzgebung bzw. der kapitalgestützten Rentengesetzgebung 80 Millionen Lebensversicherungsverträge und Verträge der betrieblichen Altersvorsorge.
Es ist also nichts Neues, dass wir für das Alter zusätzlich vorsorgen müssen. Das wurde ja nicht im Jahr 2005 oder 2006 erfunden. Ständiges Gebot war vielmehr: Wer seinen Lebensstandard im Alter aufrechterhalten möchte, kann sich nicht nur auf die gesetzliche Rentenversicherung verlassen, -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege!
Max Straubinger (CDU/CSU):
- sondern muss zusätzlich vorsorgen. Das ist das Gebot der Stunde.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Anton Schaaf, SPD-Fraktion.
Anton Schaaf (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich festhalten: Die Opposition im Deutschen Bundestag ist sich in dem Punkt einig, dass sie die Rentenerhöhung um 1,1 Prozent für Rentnerinnen und Rentner in diesem Jahr nicht will. Das ist offensichtlich die Botschaft, die uns allen klar geworden ist.
Herr Kuhn, Sie brauchen nicht mit dem Kopf zu schütteln. Sie haben gesagt, dass wir sozusagen an Prinzipien rütteln, wenn wir an die Dämpfungsfaktoren herangehen. Die Dämpfungsfaktoren sind aber keine Prinzipien, sondern Instrumente, um Ziele zu erreichen. Eines dieser Instrumente setzen wir jetzt aus, weil wir der festen Überzeugung sind, dass dieses Jahr nach drei Nullrunden eine Minianpassung für Rentnerinnen und Rentner schlicht nicht zumutbar ist. Wir wollen die Rentnerinnen und Rentner nicht auf mögliche Rentensteigerungen aufgrund späterer Lohnzuwächse vertrösten; wir wollen sie jetzt am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben lassen. Darum geht es. Die vorhandenen Möglichkeiten nutzen wir dazu aus.
Herr Kolb, Sie haben im Ausschuss das Beispiel gebracht, dass der Blumentopf beim Nachbarn - nicht bei der Erbtante - geklaut worden ist. Außer der materiellen Frage, wer den Blumentopf bezahlt hat, gibt es aber noch eine ideelle Sichtweise: Meine Tante freut sich sehr, wenn ich ihr ein paar Blumen schenke.
Sie fragt nicht vorrangig danach, wer die Blumen bezahlt hat. Sie freut sich darüber, dass ich an sie denke, sie nicht links liegen lasse und mich um sie kümmere. Die Rentnerinnen und Rentner in diesem Lande werden sich über diese Erhöhung ebenfalls freuen.
Dass Sie diese Maßnahme zwei Jahre vor der Bundestagswahl mit Wahlkampf gleichsetzen, ist schon hochinteressant. Herr Kolb, ich sage Ihnen: Während Ihrer Regierungszeit hatten Sie nie den Mut, die großen sozialen Probleme in diesem Lande tatsächlich anzupacken.
Das haben die Regierung Schröder und die Große Koalition gemacht. Sie aber hatten nie den Mut dazu. Wir müssen kämpfen, der Bevölkerung die Notwendigkeit der großen Sozialreformen zu verdeutlichen. Uns fallen sie sozusagen immer wieder auf die Füße. Aber wir haben im Gegensatz zu Ihnen den Mut zu Reformen. Eine bescheidende Erhöhung jetzt als Wahlgeschenk zu bezeichnen, ist aus meiner Sicht sehr abenteuerlich.
Herr Schneider hat gesagt, die Rentenerhöhung würde für manche Rentnerinnen und Rentner, insbesondere im Westen, nur 2 Euro betragen, was sehr wenig sei. Ich will diesen Punkt aufgreifen, weil er sehr gut dokumentiert, wie beliebig Ihre Argumentation ist.
Wenn es um Arbeitslosengeld-II-Empfänger geht, spricht Frau Kipping jedes Mal davon, dass 2 Euro viel Geld sind. Für Rentnerinnen und Rentner soll das plötzlich nicht mehr gelten? Ihre Argumentation ist beliebig. Was Sie da betreiben, ist Populismus pur.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Schaaf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider?
Anton Schaaf (SPD):
Nein, danke.
Erlauben Sie mir noch die folgende Bemerkung. Sie von der Linken prognostizieren einen Rentenversicherungsbeitrag von 28 Prozent. Indem Sie die Beiträge für die Riester-Rente mit einbeziehen, kommen Sie zu dem Ergebnis, dass wir schon jetzt in Richtung 28 Prozent gehen. Dabei rechnen Sie aber die enorme Förderung bei Riester - das sind ja keine Beiträge des Einzelnen, sondern Steuergelder - als Beitrag mit ein. Wie Sie rechnen, ist schlichtweg unredlich. Das ist der entscheidende Punkt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, lassen Sie denn eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst zu?
Anton Schaaf (SPD):
Nein, danke.
Ein weiterer Punkt. Sie werfen uns vor, dass die paritätische Finanzierung verletzt wird. Sie wollen 14 Prozent Versicherungsbeitrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und 14 Prozent für Arbeitgeber. Die Gewerkschaften müssten einmal darüber diskutieren, was die Linke da fordert und was das für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet. Sie schlagen vor, dieses Geld bei den Reichen einzusammeln. Ich sage Ihnen, was Sie machen wollen: Sie wollen das Geld bei den Unternehmen einsammeln. Trotzdem sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unmittelbar betroffen, weil nämlich die Sozialversicherungsbeiträge steigen. Das kann nicht Sinn der Sache sein.
Herr Kolb, eine letzte Bemerkung zu Ihren Ausführungen. Sie sind nicht konsistent in Ihrer Politik, wenn Sie sagen, wir sollten die Steuern und die Beiträge senken. Seien Sie ehrlich: Wenn wir das tun würden, müssten wir sofort die Renten kürzen, weil sie dann nicht mehr finanzierbar wären.
Dieses sagen Sie aber den Menschen nicht. Wir machen keine Politik, die sich aus Prinzipienreiterei zusammensetzt. Man kann die Instrumente verändern. Man kann mit ihnen auch variabel umgehen, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Keine Prinzipienreiterei, sondern eine an den Menschen orientierte Politik - das ist unsere Prämisse.
Danke.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie sieht die Bilanz dieser rentenpolitischen Debatte aus? Den einen ist es zu viel, den anderen ist es zu wenig. Die Wahrheit liegt - wie meist - in der Mitte, und genau deshalb ist der Gesetzentwurf der Großen Koalition zur Rentenanpassung 2008 richtig.
In einer sich schnell verändernden Gesellschaft, in der die Zahl der Älteren im Verhältnis zu den Jüngeren deutlich zunimmt, wird es immer die Vermutung geben, dass das Alterssicherungssystem den Alten, gemessen an ihrer Lebensleistung, zu wenig gibt. Andererseits werden die Jüngeren vermuten, dass sie zu viel leisten müssten. Angesichts dieses Dilemmas kann es eigentlich nur eine seriöse Antwort geben: Generationengerechtigkeit, gerechte Verteilung der Lasten. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, ob jung oder alt, wollen nicht irgendwelche schönen Sprüche, sondern die Wahrheit hören. In Sachen Altersvorsorge lautet die Wahrheit: Es geht nur, wenn die Lasten zwischen Jung und Alt gerecht verteilt werden. Genau das machen wir.
Die Rentenerhöhungen orientieren sich weiterhin an der Lohnentwicklung. Seit den Rentenreformen sorgen verschiedene Abschlagsfaktoren aber dafür, dass nicht mehr die volle Lohnerhöhung weitergegeben wird. Die Rentnerinnen und Rentner mussten in den vergangenen Jahren zusätzliche Belastungen verkraften: mehrere Nullrunden, Umstellung auf Zahlung des vollen Pflegeversicherungsbeitrags und teilweise der vollen Krankenversicherungsbeiträge.
Im Jahr 2008 treffen zwei Sonderbelastungen zusammen: Die im vergangenen Jahr vorgenommene Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrages wirkt sich mindernd auf die Rentenerhöhung 2008 aus,
und die bitternotwendige Reform der Pflegeversicherung, die wir zum 1. Juli 2008 vornehmen, erfordert eine Beitragserhöhung um 0,25 Prozentpunkte, die die Rentnerinnen und Rentner alleine tragen müssen.
Mit der Aussetzung des sogenannten Riester-Faktors, der die Rentenerhöhung um weitere 0,64 Prozent mindert, ist ein gerechter Ausgleich möglich. Ansonsten hätte die Rentenerhöhung in diesem Jahr nur 0,46 Prozent betragen. Ich finde, wenn solche Sonderbelastungen zusammenkommen, muss in der Politik die Regel gelten: Außergewöhnliche Situationen bedürfen einer außergewöhnlichen Antwort. Genau das ist der Inhalt unseres Gesetzentwurfs.
Wir verteilen die Lasten nicht einseitig auf die junge Generation. Wir wollen den zeitlich ohnehin begrenzten Riester-Faktor um zwei Jahre verschieben. Viele tun so, als wäre der Riester-Faktor in der Rentenformel dauerhaft gültig. Er ist aber zeitlich begrenzt und soll ohnehin nur bis 2011 wirken.
Die Stabilität der Rentenfinanzen wird dadurch nicht beeinträchtigt; denn die Rentenversicherung kann dank sprudelnder Mehreinnahmen - sie nimmt mehr ein, als sie ausgibt -
in 2008 und 2009 ihre finanziellen Rücklagen ausbauen, obwohl wir die Renten um 1,1 Prozent erhöhen, was wir jetzt beschließen wollen.
Dass man für die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland etwas tun muss, dass man dafür sorgen muss, dass sie am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben, zeigen auch die Stellungnahmen der verschiedenen Oppositionsfraktionen. Die Vorschläge, die vonseiten der Opposition heute vorgelegt wurden, sind aber unsystematisch. Zum Teil würden sie aktuell gar nichts bewirken oder stellen simples Almosenverteilen dar.
Entschuldigung, Herr Kolb und Herr Kuhn, der Vorschlag, einfach einmalig Schecks zu verschicken - weil es Ihnen gerade mal Spaß macht -, ist Almosenpolitik.
Das, was Sie hier vorgeschlagen haben, Almosen an Rentner zu verteilen, ist schlicht eine Beleidigung der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland.
Die Rentnerinnen und Rentner in unserem Land sind keine Almosenempfänger, denen man, wenn es brennt, schnell eine Einmalzahlung überweist.
Nein, die Rentnerinnen und Rentner haben aufgrund ihrer enormen Lebensleistung einen Anspruch auf eine angemessene Rente.
Nicht Almosen, sondern Rente ist gefragt. Deshalb lautet der Antrag der Koalitionsfraktionen: Eine Rentenerhöhung um 1,1 Prozent ab 1. Juli 2008. Das erfolgt dadurch, dass ein ohnehin zeitlich befristeter Faktor in der Rente, der sogenannte Altersvorsorgefaktor, um zwei Jahre verschoben wird. Damit wird nicht die Gesamtarchitektur des Rentensystems zerstört, damit wird keine Rentenwillkür oder Rente nach Kassenlage etabliert - oder wie sonst noch die Vorwürfe lauten -, sondern es wird im System gehandelt und der Ausgleich im System herbeigeführt.
Eines wird erreicht: Wir helfen den Rentnerinnen und Rentnern jetzt, da es dringend notwendig ist und die Rentenfinanzen es erfreulicherweise zulassen. Unsere Rentnerinnen und Rentner sollen angemessen am Wirtschaftserfolg beteiligt werden.
Die Große Koalition handelt aber nicht einseitig. Generationengerechtigkeit ist der Maßstab unseres Handelns. Damit auch die heute Jungen für das Alter eine angemessene Versorgung aufbauen können, haben wir - ich nenne einige Stichworte - die Entgeltumwandlung zugunsten der Altersvorsorge dauerhaft steuer- und sozialabgabenfrei gestellt,
haben wir die Förderung bei der Riester-Rente deutlich verbessert, und werden wir mit dem geplanten Eigenheimrentengesetz eine zusätzliche Förderung der Altersvorsorge ermöglichen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Okay.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Weiß, es freut mich, dass Sie noch bereit sind, eine Zwischenfrage von mir zu beantworten. Das hebt Sie wohltuend von den Vorrednern ab.
Sie haben eben davon gesprochen, dass Sie mit dieser Maßnahme das Rentenniveau wieder anheben wollen. Vorher habe ich etwas von einem Blumentopf gehört, den man der Tante oder sonst wem schenkt.
Finden Sie es angemessen, dass man diesen Blumentopf nach einigen Jahren wieder einkassiert? Finden Sie es korrekt, von einer Anpassung der Rente zu sprechen, wenn diese Anpassung, wie Sie selber gesagt haben, wieder kassiert wird? Ist es unter dem Aspekt, dass die Anpassung, die Sie jetzt vornehmen, wieder zurückgenommen wird, nicht naheliegend, zu sagen, dass diese Rentenerhöhung mit Wahlkampf zu tun hat?
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Herr Kollege Ernst, es wurde Ihnen hier schon einmal von einem Kollegen vorgeworfen, dass Sie das Rentensystem in Deutschland schlichtweg nicht verstehen wollen,
weil Sie den Menschen in diesem Land etwas vorgaukeln, das nicht der Wahrheit entspricht. Das ist Ihr Problem.
Die gesamten Reformen der vergangenen Jahre im Rentensystem zielen auf eines ab: den Beitrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, den sie für die Rentenversicherung zu zahlen haben, nicht in astronomische Höhen steigen zu lassen. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass Prognos 1987
- ja, ich will es Ihnen aber erklären - geschätzt hat, dass wir, wenn wir an der Rente nichts ändern, im Jahr 2030 einen Rentenversicherungsbeitrag zwischen 36 und 41 Prozent haben werden. Das wäre Enteignung der Jungen in Deutschland.
Auf der anderen Seite wird die Einhaltung der Beitragsziele dadurch erreicht, dass durch sogenannte Abschlagsfaktoren das Rentenniveau für die künftigen - nicht für die heutigen - Rentnerinnen und Rentner niedriger liegt als in der Vergangenheit. Deswegen sollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzlich ein zweites und drittes Standbein der Altersvorsorge aufbauen, nämlich eine betriebliche und eine private kapitalgedeckte Altersvorsorge. Wir als Staat - darüber habe ich gerade gesprochen - fördern dies maßgeblich; dies hilft übrigens gerade den Geringverdienern.
Für einen Geringverdiener ist es möglich, beim Abschluss einer Riester-Rente bis zu 90 Prozent staatliche Förderung zu erhalten.
Herr Ernst, wenn Sie dieses System verstehen würden, dann bräuchten Sie Ihre Frage nicht zu stellen.
Denn dieses System funktioniert nur, wenn Sie diese Faktoren beibehalten. Das machen wir. Aber wir helfen jetzt, da in der aktuellen Situation Sonderbelastungen auf die Rentnerinnen und Rentner zugekommen sind: Unser Gesetzentwurf sieht eine einigermaßen angemessene Rentenerhöhung um 1,1 Prozent vor.
- Herr Kollege Ernst, ich habe Ihnen das System erklärt. Ich stelle aber fest, dass Sie es nicht verstehen wollen und nicht verstehen können. Deswegen sagen Sie den Menschen in Deutschland die Unwahrheit!
Gerade mit der Förderung der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge, von der die Jungen profitieren werden, zeigen wir als Große Koalition, dass wir die Generationengerechtigkeit ernst nehmen. Generationengerechtigkeit statt Generationenkampf - das ist die Leitlinie der Altersvorsorgepolitik der Großen Koalition. Jetzt sind die Rentnerinnen und Rentnern an der Reihe; das ist dringend notwendig. Deshalb sage ich Ja zur Rentenanpassung 2008.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/8744 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 sowie den Zusatzpunkt 3 auf:
4. Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Das Energiekartell aufbrechen - Für Klimaschutz, Wettbewerb und faire Energiepreise
- Drucksache 16/8536 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Strukturelle Wettbewerbsdefizite auf den Energiemärkten bekämpfen
- Drucksache 16/8079 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Strom ist aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken. Strom ist wichtig für die Wirtschaft sowie für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Stromversorgung ist eine extrem wichtige Frage, die in Deutschland in der Hand von vier großen Energiekonzernen liegt. Die vier großen Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW beherrschen den deutschen Energiemarkt. Sie kontrollieren 80 Prozent der Stromproduktion und 100 Prozent der Übertragungsnetze. Sie diktieren die Strompreise, die für viele Verbraucher zunehmend zu einer sozialen Last werden. Diese Energiekonzerne machen Rekordgewinne. Damit muss Schluss sein. Dieses Problem müssen wir anpacken!
Ich weiß, dass das nicht einfach ist; das ist ein Bohren dicker Bretter. Aber wir müssen damit beginnen. Denn wo auch immer man hinschaut, haben die vier großen Energiekonzerne ihre Hände im Spiel: Das betrifft zum Beispiel Wettbewerbsverstöße, Klimakiller-Kohlekraftwerke, Lobbyisten in Ministerien oder das Verfahren der Bundesnetzagentur gegen die vier Energiekonzerne, weil sie den Verbrauchern in den Jahren 2006 und 2007 800 Millionen Euro zu viel berechnet haben sollen. So darf es nicht weitergehen.
Es ist kein Wunder, dass die vier Energiekonzerne in einer Skala der Beliebtheit von Institutionen bei den Bürgern noch vor den Finanzämtern auf dem allerletzten Platz gelandet sind.
Die Finanzfachleute wissen, dass es eigentlich nichts Schlimmeres als das Finanzamt gibt. Aber bei den vier Energiekonzernen machen die Verbraucher eine Ausnahme; sie sind noch unbeliebter als die Finanzämter.
Die Frage ist, warum es diesen Energiekonzernen trotzdem so gut geht. Es geht ihnen so gut, weil sie einen Freund haben, auf den sie sich verlassen können, der Gold wert ist: das Bundeswirtschaftsministerium. Das dürfen wir nicht zulassen.
Der Bundeswirtschaftsminister, der leider nicht anwesend ist, weil ihm diese Frage offenbar nicht so wichtig ist, sagt immer wieder, er wolle gegen die vier Energiekonzerne vorgehen. Tatsächlich macht er aber das Gegenteil. Minister Glos hat in Brüssel für mehr Emissionszertifikate gekämpft. Das bedeutet Mehreinnahmen für die vier Energiekonzerne. Das ist die Arbeit von Bundesminister Glos, die er in Brüssel geleistet hat.
Bundesminister Glos lässt keine Gelegenheit aus, eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zu fordern.
Er begrüßt es praktisch sogar, wenn die Unternehmen aus dem Atomkonsens aussteigen. Auch das bedeutet mehr Geld und Macht für die Energiekonzerne. Das ist die Politik des Bundeswirtschaftsministers. Bundesminister Glos lässt auch keine Gelegenheit aus, deutlich zu machen, dass die Konzerne die Netze behalten sollen. Er will ihnen die Kontrolle über die Märkte in diesem Bereich sichern.
Bundesminister Glos lässt noch nicht einmal eine Gelegenheit aus, um auf die Argumente von Herrn Großmann einzugehen, der von einer Stromlücke gesprochen hat. Es ist schließlich das größte Angstargument, dass wir irgendwann einmal ohne Strom dasitzen. Herr Glos warnt vor einer Versorgungslücke und sagt, letztlich müssten wir Strom importieren. Das wäre aus seiner Sicht dramatisch. Der Minister müsste es aber besser wissen.
Im letzten Jahr waren sieben Atomkraftwerke gleichzeitig nicht am Netz, aber nicht eine einzige Glühbirne hat geflackert. Deutschland hatte immer noch einen Exportüberschuss in Höhe von fast 20 Terawattstunden. Minister Glos sollte nicht mit der Angst der Leute spielen, sondern mit harten Argumenten gegen die Energiekonzerne vorgehen. Das wäre die richtige Politik.
Wenn er nur halb so viel Einsatz im Kampf gegen die unfairen Energiepreise zeigen würde, dann würden wir uns schon freuen.
Wir Grüne verfolgen das Ziel, die Energiekartelle aufzubrechen. Zu diesem Zweck haben wir einen Antrag vorgelegt. Wir hoffen, dass er Ihre Unterstützung findet. Auf drei Aspekte dieses Antrags möchte ich kurz eingehen.
Der erste Punkt betrifft den Wettbewerb. Wir haben immer die Trennung von Netz und Produktion gefordert. Aber die Bundesregierung tut nichts, und das, obwohl es eine große Koalition von Befürwortern der Trennung von Netz und Produktion gibt. Dazu gehören Attac, die Deutsche Bank, Verbraucherverbände und die EU-Kommisson.
- Ja, und die Grünen. - Meine Damen und Herren, die Bundesregierung sollte sich dieser Koalition anschließen und nicht dagegen Sturm laufen.
Selbst Eon will mittlerweile sein Netz verkaufen. Aber die Bundesregierung ist uneinsichtig und blockiert. Das tut sie übrigens Seite an Seite mit RWE; das muss man zur Kenntnis nehmen. Damit schadet die Bundesregierung dem Wettbewerb, den Verbrauchern und dem Teil der Wirtschaft, der keine Energie herstellt, sondern auf Energie angewiesen ist.
Der zweite Punkt: faire Energiepreise. Je knapper Öl und Gas werden, desto teuerer werden Öl und Gas. Deshalb müssen wir endlich die unfaire Preistreiberei der vier großen Energiekonzerne beenden. Da wir gerade über das Thema Rente diskutiert haben, will ich auf Folgendes hinweisen: Die Renten wurden in den Jahren 2002 bis 2007 um 4 Prozent erhöht. Die Hartz-IV-Leistungen wurden nicht einmal um 1 Prozent erhöht. Aber die Gewinne der Energiekonzerne sind zwischen 2002 und 2007 auf 300 Prozent gestiegen.
Das sind die Verhältnisse in diesem Land. Diese Situation müssen wir ändern.
Zu diesem Zweck wollen wir bei den Emissionszertifikaten ansetzen. Die Unternehmen bekommen sie umsonst. Trotzdem preisen sie die Emissionszertifikate in den Strompreis ein. Hierbei geht es um eine Größenordnung von ungefähr 5 Milliarden Euro pro Jahr. In den nächsten vier Jahren soll es sich laut einer Studie sogar um 34 Milliarden Euro handeln. Aber die Bundesregierung schaut tatenlos zu. Wir, die Grünen, fordern eine Abschöpfung dieser Gewinne.
Wir wollen dieses Geld zur Entwicklung sparsamer Haushaltsgeräte und zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte verwenden. Die Devise muss lauten: Wenn sich der Energiepreis verdoppelt, dann muss der Energieverbrauch halbiert werden. - Das ist das Konzept der Grünen.
Das dritte Themenfeld, mit dem wir uns beschäftigen wollen, betrifft die Lobbyverknüpfungen zwischen Wirtschaft und Ministerien. Die ehemaligen Wirtschaftsminister Clement und Müller sind nach ihrer Tätigkeit im Ministerium in die Energiewirtschaft gewechselt. Gleichzeitig arbeiten heute viele Mitarbeiter der Energiekonzerne im Ministerium. Der Bundesrechnungshof hat diese Entwicklung kritisch aufgegriffen. Wir wollen den Wechsel von Politikern in die Energielobby
und den Einsatz von Lobbyisten in den Ministerien beenden
bzw. für diesen Bereich Regelungen schaffen. Derzeit ist dies nicht geregelt. Das schadet der Politik und dem Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Höhn.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Schluss.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Redezeit ist überschritten.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja. - Wir brauchen eine Politik der fairen Energiepreise. Wir brauchen eine klimaschonende Energieversorgung. Wir brauchen mehr Wettbewerb. Das heißt: Minister Glos muss aus der Kuschelecke, in der er mit den Energiekonzernen ist, heraus. Wir wollen die Energiekartelle aufbrechen.
Ich fordere die Bundesregierung auf: Machen Sie mit! Tun Sie etwas gegen die Energiekartelle! Denn sie schaden der Wirtschaft dieses Landes und den Interessen der Verbraucher.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Höhn, die Überschrift Ihres Antrags lautet: ?Das Energiekartell aufbrechen - Für Klimaschutz, Wettbewerb und faire Energiepreise?. Diese Zielsetzung ist richtig; insofern gibt es Übereinstimmung.
Ihre Forderungen sind jedoch von großer Unglaubwürdigkeit, weil die Grünen überall dort, wo sie Verantwortung tragen, haargenau das Gegenteil tun.
Sie beschweren sich in Ihrem Antrag darüber, dass die Erzeugungskapazitäten praktisch ausschließlich in den Händen der vier Großen sind, und fordern mehr Wettbewerb, mehr Konkurrenz. Doch wenn in meinem Wahlkreis 21 Stadtwerke ein neues Kraftwerk bauen wollen, mit dem mehr Wettbewerb in den Markt gebracht werden könnte, wird dies von den Grünen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene auf Teufel komm raus bekämpft.
Diese Art von Unglaubwürdigkeit darf man Ihnen nicht durchgehen lassen.
In den Jahren 2006 und 2007 ist eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen worden - ich trage sie Ihnen gerne vor, wenn Sie das möchten -: Regulierung der Netzentgelte, Entflechtungsmaßnahmen, Verordnungen zur Erleichterung des Anbieterwechsels, Anreizregulierung, Erleichterung des Anschlusses neuer Kraftwerke ans Netz, Verbesserung der Preismissbrauchsaufsicht, sogar mit einer Umkehrung der Beweislast. All das ist unmittelbar nachdem Sie nicht mehr in der Regierung waren erfolgt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Meyer, die Kollegin Höhn würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie das zu?
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Aber gerne, jederzeit.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Meyer, ich finde es spannend, dass Sie Wettbewerb im Energiebereich nur auf Kohlekraftwerke beziehen. Wäre es nicht besser für den Wettbewerb, wenn wir für mehr Konkurrenz sorgten, indem wir endlich die erneuerbaren Energien ausbauten, anstatt das eine Kraftwerk durch das nächste zu ersetzen? Das bringt nicht mehr Wettbewerb; das ist die falsche Politik.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Frau Höhn, das ist ein Teilaspekt. Wir sind uns darin einig, dass die erneuerbaren Energien, wie es im Regierungsprogramm heißt, bis 2020 einen Anteil von 25 Prozent ausmachen sollen. Lassen Sie uns, damit wir eine glatte Zahl haben, von 30 Prozent reden. Das ist eine anspruchsvolle Zielsetzung. Doch selbst wenn die erneuerbaren Energien einen Anteil von 30 Prozent ausmachen und selbst wenn wir den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung, wie wir es uns gemeinsam vorgenommen haben, steigern - übrigens auch mit dem uns vorliegenden Gesetz dieser Regierung -, braucht man immer noch Kraftwerke für die reine Stromerzeugung.
- Es war doch in der Anhörung in der letzten Woche Ihre Position, dass der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung auf 25 Prozent verdoppelt werden solle. Doch selbst wenn wir 25 Prozent Kraft-Wärme-Kopplung haben, brauchen wir für die Stromerzeugung Kondensationskraftwerke.
Diese Kraftwerke brauchen wir im Übrigen auch, um Strom zu erzeugen, wenn kein Wind weht,
oder in den 8 000 Stunden im Jahr, in denen die Sonne nicht scheint; sie scheint in Deutschland ja nur ungefähr 800 Stunden.
Wir brauchen auch Kohlekraftwerke. Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, brauchen wir neue Kohlekraftwerke, um die alten abschalten zu können. Man kann nicht gleichzeitig aus Kohle und Kernenergie aussteigen. Das haben selbst Herr Kuhn und Herr Bütikofer letztens zugegeben. Sie von den Grünen dürfen nicht je nachdem, wo Sie gerade auftreten, sagen, was Ihnen in den Kram passt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Meyer, der Kollege Fell würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Bitte schön.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Meyer, Sie haben gerade gesagt, wir würden die Kohlekraftwerke aus Klimaschutzgründen benötigen.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Neue statt der alten.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Umso schlimmer.
Ich möchte Ihnen mitteilen - vielleicht haben Sie davon schon Kenntnis -, dass einer der renommiertesten Klimaforscher der Erde, Herr Hansen von der NASA aus den USA, in der letzten Woche einen neuen Klimabericht vorgelegt hat, in dem er erstmals die Selbstverstärkereffekte dieser Erde berechnet hat und zu dem Ergebnis kommt, dass die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen überhaupt nicht ausreichen. Vor allem schreibt er, dass die Kohlenutzung bis 2030 weltweit beendet werden muss, wenn dieser Planet noch gerettet werden soll.
Wie können Sie es verantworten, in den nächsten Jahren noch neue Kohlekraftwerke zu bauen, die sicherlich nicht nur 15 oder 20 Jahre lang in Betrieb sein sollen? Nach unserer festen Überzeugung hat es nichts mit Klimaschutz zu tun, wenn man neue Kohlekraftwerke baut.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Die Alternativen in den nächsten 20 Jahren sind: Entweder importieren wir den Strom aus anderen Ländern, in denen er zu wesentlich schlechteren Bedingungen hergestellt wird, oder - das können Sie sich überlegen - wir verringern die Anzahl neuer Kohlekraftwerke zu einem wesentlichen Teil, indem wir die Laufzeit der Kernkraftwerke in Deutschland verlängern, um den Zeitraum, bis Alternativen vorliegen, zu überbrücken.
Das ist doch genau der Punkt: Ausgerechnet in der Zeit, in der wir den Umschwung hin zu alternativen Energiekonzepten schaffen müssen, wollen Sie die - CO2-freien - Kernkraftwerke aus dem Betrieb nehmen, wodurch Sie den ohnehin bestehenden Druck erhöhen, neue Kohlekraftwerke zu bauen. Das ist Ihre Widersprüchlichkeit.
Eines werfe ich Ihnen wirklich vor: Wenn Sie der Meinung sind, dass Kernkraftwerke unsicher sind, dann hätten Sie dem Ausstiegsbeschluss niemals zustimmen dürfen. - Wenn ich der Meinung bin, dass ein Kernkraftwerk unsicher ist, dann muss ich es heute und nicht erst 2015 abstellen.
Wenn es aber bis 2015 sicher ist und ich es aus Klimaschutzgründen länger brauche, dann muss ich doch bereit sein, die Laufzeit bis 2020 zu verlängern, um auf diese Weise einen vernünftigen Übergang zu erreichen.
Das ist die Politik, die wir als CDU/CSU-Fraktion ins Auge fassen. Genau da liegen die Widersprüche.
Frau Höhn, ich komme zu einem weiteren Punkt, den ich den Grünen vorwerfe; Sie waren damals in der Landesregierung zum Teil mit dafür verantwortlich. Eine der Großtaten der letzten Regierung Kohl war es, endlich Wettbewerb im Energiebereich einzuführen. Viele in den großen Unternehmen haben das überhaupt nicht für möglich gehalten. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich in meiner beruflichen Zeit in einer Versammlung von leitenden Angestellten einmal gefragt habe: Wer hat eigentlich Angst vor Wettbewerb? Unsere Vorstände wollten mir damals noch erklären, dass es einen Wettbewerb im Strombereich nicht geben kann. Was für Idioten!
Endlich hatten wir auf diesem Gebiet Wettbewerb eingeführt. 1998 kamen Sie dann an die Regierung. Der gerade aufkeimende Wettbewerb wurde wieder gestoppt, weil die rot-grüne Regierung - die Kollegen müssen sich nicht übertrieben angegriffen fühlen, aber es ist so - mit den Energiekonzernen einen stillschweigenden Deal abgeschlossen hatte: Die Konzerne haben sich nicht besonders gegen die zusätzlichen Belastungen am Strommarkt durch alle möglichen Abgaben und Auflagen gewehrt - sie haben den Mund gehalten -, und Sie haben dafür nicht richtig hingeguckt, wenn sie die Preise erhöht haben. Das genau war der Deal, den es in Ihrer Zeit gegeben hat. - Jetzt, nach dem Wechsel der Regierung von Rot-Grün zur Großen Koalition, wird der Wettbewerb wieder eingeführt.
In dieser Situation stellen Sie solche Anträge. Das ist an Unglaubwürdigkeit wirklich nicht zu überbieten.
Jetzt komme ich zum nächsten Punkt, nämlich zur eigentumsrechtlichen Entflechtung.
Wenn Sie gestern in der Anhörung gewesen wären, dann hätten Sie sich heute wahrscheinlich nicht so geäußert, wie Sie sich geäußert haben.
Außer einem Vertreter, den die Linken benannt haben - ich weigere mich, das, was da vorgetragen wurde, hier jetzt zu qualifizieren -,
gab es niemanden, der mehr oder wenige präzise eine Verstaatlichung des gesamten Energiebereichs vorgeschlagen hat.
- Das wollen Sie nicht, richtig.
Hinzu kam noch ein von Ihnen benannter Vertreter - ein ehemaliger Mitarbeiter der hessischen Landtagsfraktion der Grünen -, der vielleicht eine ähnliche These vertreten hat. Dann kamen die Fragen auf, wie die eigentumsrechtliche Entflechtung erfolgen und wer die Netze kaufen soll. Spätestens an der Stelle hatten komischerweise alle, die sich theoretisch dafür einsetzen könnten, große Bedenken, zum Beispiel als es um die Frage ging, an wen Eon seine Netze verkaufen könnte. Denn die Alternative zu unseren Unternehmen, die wir halbwegs im Griff haben, besteht darin, dass möglicherweise irgendwelche Fonds oder ausländische Unternehmen - vielleicht sogar ausländische Staatsunternehmen - in den Besitz unserer Netze kommen. Diese Alternative gefiel niemandem in dieser Anhörung. Deshalb blieb als einzige klare Position eine Verstaatlichung der Netze.
- Sie können viele Kollegen in Ihrer Fraktion fragen, welche Erfahrungen sie in dem Bereich gemacht haben und in welchem Zustand die Netze waren, als die DDR zusammenbrach.
Ein riesiger Teil des Investitionsvolumens der letzten Jahre musste für die Netze verwendet werden, weil der Staat zu DDR-Zeiten nicht gerade viel in die Netze investiert hatte, erst recht nicht in Fernwärmenetze. Ich habe mich mit dem Thema Fernwärme sehr intensiv beschäftigt. Es gab allenfalls den Effekt, dass in Halle und Leipzig die Straßen im Winter frostfrei waren, weil die Netze aus der Zeit vor 1920 stammten; ansonsten hat sich in diesem Bereich nicht viel getan.
Darauf, dass ausgerechnet der Staat für eine bessere Infrastrukturversorgung mit allen damit verbundenen Kapitalerfordernissen eintreten soll, wusste in der gestrigen Anhörung auch niemand eine Antwort. Es ist nicht nur prinzipiell Unfug, dass der Staat diese Aufgabe wahrnimmt. Hinzu kommt, dass wir, wenn wir etwas für die Verbraucher erreichen wollen, nach meiner Lebenserfahrung eine sehr konsequente Kosten- und Preiskontrolle brauchen, wie wir sie durchgesetzt und eingeführt haben. Meine Lebenserfahrung sagt mir auch, dass der Staat genauer hinsieht, wenn er Private kontrolliert, als wenn er sich selber kontrolliert. Insofern ist es sicherlich richtig, dass die Bundesnetzagentur den Auftrag hat, entsprechende Vorhaben sehr konsequent zu untersuchen und nachzuvollziehen.
Im Übrigen sind die Kosten der Netze allein in den letzten zwei Jahren um 20 Prozent gesenkt worden, und zwar durch Maßnahmen, die diese Regierung eingeleitet hat. Die Unterstützung der Bundesnetzagentur durch die Bundesregierung geht auf das Bundeswirtschaftsministerium zurück, das Sie vorhin so angegriffen haben.
- Frau Höhn, es tut mir für Sie leid, aber akzeptieren Sie doch einfach, dass jetzt etwas passiert. In der Zeit davor ist nichts passiert.
Notwendig ist also eine klare Kostenkontrolle. Ungerechtfertigte Preise müssen verhindert werden. Ich kenne Sie schon lange und schätze Sie als intelligent ein. Ich erinnere Sie daran, wie schwer wir uns damit getan haben, die Anreizregulierung im kommunalen Bereich durchzusetzen
und unter welch starkem Druck die Politik vonseiten der Stadtwerke gestanden hat, möglichst wenig strenge Kontrollen vorzunehmen, damit aus den Stromerlösen noch andere Bereiche - beispielsweise Stadtbäder - mitfinanziert werden können. Alle wollten daran festhalten, dass solche Bereiche aus den Stromerlösen finanziert werden. Sie wollten keine harte Regulierung der im Netzbereich anfallenden Kosten.
Insofern fordere ich Sie auf: Finger weg vom Staatsbesitz! Der Staat sollte sich nicht selber kontrollieren. Notwendig sind klare Kontrollen und eine Entflechtung der Unternehmen. Über die Frage des Eigentums der Netze sollten wir sehr sorgfältig nachdenken. Alles, was die EU-Kommission vorschlägt, erscheint mir noch nicht ausgegoren. Ich bin froh, dass unsere Bundesregierung diesen Weg ablehnt und unseren Weg zunächst weitergehen will, um zu schauen, ob wir mit den erzielten Erfolgen ein Stück weiterkommen.
Sie fordern, dass alles unter einen Hut gebracht werden müsse: faire Energiepreise und Klimaschutz. Lassen Sie uns doch unseren Weg wählen! Wir haben Ziele für die Minderung der CO2-Emissionen und die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien gesetzt. Es muss uns gelingen, diese Ziele so effizient wie möglich zu erreichen; denn die Verbraucher erwarten, dass wir sie nicht über Gebühr belasten. Wenn ich die Summen sehe, die für den relativ kleinen Bereich der Fotovoltaik zur Verfügung gestellt werden, dann muss ich feststellen, dass dieses Ziel noch nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt wird. Wenn wir das umsetzten, was Sie in Ihrem Antrag fordern, liefen wir Gefahr, neue Sozialleistungen zu benötigen, die das, was oben willkürlich draufgesattelt würde, unten ausgleichen. Diejenigen, die keinen Sozialtransfer erhalten, also die ?normalen? Arbeitnehmer in Deutschland, wären dann die Gekniffenen Ihrer Politik. Diesen Weg wollen wir nicht gehen. Wir gehen unseren eingeschlagenen Weg weiter.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort der Kollegin Gudrun Kopp.
Gudrun Kopp (FDP):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! Ich stelle fest, dass Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Grünen, viele Ungereimtheiten enthält. Frau Höhn, es ist richtig, dass es auf dem Markt eine Konzentration der vier großen Energieerzeuger gibt und dass wir dringend für mehr Kraftwerkskapazitäten bzw. Erzeugungskapazitäten sorgen müssen. Sie kritisieren in Ihrem Antrag das Energiekartell der vier großen Konzerne und stellen fest, dass mit Eon Ruhrgas nur ein einzelnes Unternehmen im Gasbereich dominiert. Ich finde es aber wichtig und richtig, dass Sie auch reflektieren, dass dieses sogenannte Energiekartell mit Ihrer Beteiligung unter der Regierung von Rot-Grün geschaffen wurde. Wir bemühen uns nun, Ihre schlechten Entscheidungen von damals auf irgendeine Weise rückgängig zu machen.
Wir haben Anträge auf Stärkung des Wettbewerbs und Entflechtung eingebracht. Zu den Entflechtungsregelungen wird der Kollege Zeil gleich Stellung nehmen. Sie tun aber nun so, als hätten Sie mit dem Ganzen gar nichts zu tun. Das ist nicht redlich.
Ihr Antrag enthält mehr oder weniger willkürlich zusammengestellte Maßnahmen. Sie sprechen über die Energiepolitik und fordern gleichzeitig eine Erhöhung des ALG-II-Satzes. Sie fordern des Weiteren die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und wollen neue Förderprogramme für einkommensschwache Haushalte auflegen. Wir, die FDP-Fraktion, haben bereits vor einigen Wochen den Antrag eingebracht, den zu erwartenden Nettoerlös in Höhe von circa 400 Millionen Euro aus der Versteigerung der Emissionszertifikate komplett den Energiekunden zugute kommen zu lassen. Das heißt, wir wollen den Verbrauchern, die unter ständig steigenden Kosten leiden und übermäßig belastet werden, endlich etwas zurückgeben.
Dass die Energiepreise, Strom-, Gas- und Spritpreis, längst zu einem riesigen Problem für mehrere Bevölkerungsschichten geworden sind, ist kein Geheimnis; darauf gehe ich später ausführlich ein. Aber Ihr Antrag ist ein Ausweis von Schludrigkeit. Im Zusammenhang mit der Einschränkung der Lobbymacht der Energiekonzerne wollen Sie die Verbraucherrechte durch eine europäische Charta der Rechte der Energieversorger stärken. Ich finde es interessant, dass Ihnen das gar nicht aufgefallen ist.
Ich gehe nun auf den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion ein. Wir möchten, dass die Energiepolitik in Deutschland strukturell gestärkt wird. Herr Kollege Meyer, Frau Kollegin Höhn, ich stelle fest, dass weder die Opposition noch die Regierungsfraktionen oder die Bundesregierung ein schlüssiges, in sich konsistentes Energieprogramm haben. Das habe ich schon oft an dieser Stelle bemängelt. Bei Ihnen zeigt sich auch, wie schwierig es ist, ohne eine Grundüberzeugung in der Energiepolitik voranzukommen.
Unsere Grundüberzeugung - das sage ich ganz klar - ist, dass wir keinen breiten Energiemix haben. Die Klimaziele wird die Bundesregierung aller Voraussicht nach nicht erreichen. Das mag man auch schon daran erkennen, dass Herr Minister Glos einen Brandbrief an die EU-Kommission geschrieben hat, in dem er darum bittet, dass der Bundesrepublik ein Rabatt von 150 Millionen Tonnen CO2 gewährt wird. Das sind 20 Prozent der CO2-Emissionen im Energiebereich in Deutschland. Er möchte einen Nachlass, weil er schon jetzt erkennt, dass wir die Klimaziele und auch die Versorgungssicherheit ohne die Kernenergie im Energiemix nicht erreichen werden und wir nicht zu bezahlbaren Energiepreisen kommen werden.
Zum Thema Entflechtung haben wir einige Vorschläge eingebracht; dazu kommen wir gleich noch. Wir wollen Ihnen mit unserem Antrag das Konzept der Netz AG nahebringen. Wir möchten, dass die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland ihre Netze in eine sogenannte Netz AG einbringen, wobei sie die Eigentumsanteile in Höhe ihrer Netzwerte behalten sollen. Sie sollen aber innerhalb dieser Netz AG keinen Einfluss auf Betrieb, Instandsetzung und Investitionen insgesamt nehmen. Wir möchten, dass diese Netz AG unabhängig arbeiten kann. Wir nennen dies den vierten Weg, den wir für den richtigen halten, um in Deutschland auf der Netzebene endlich weiterzukommen. Wir wollen mit einer solchen Netz AG ein Zweites erreichen, nämlich dass die Aufteilung Deutschlands in derzeit vier Regelzonen der großen Energieerzeuger endlich wegfällt und diese vier Zonen zu einer verschmolzen werden, damit wir Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen erzielen können.
Wir wollen weiterhin mehr Energieerzeugung durch neue Kraftwerke. Ich habe eben gesagt, wie wichtig es ist, nicht auch noch den Neubau von Kohlekraftwerken zu verhindern. Im Übrigen emittieren auch Gaskraftwerke CO2, wenn auch längst nicht in derselben Höhe.
Es ist ungefähr nur die Hälfte, aber immerhin. Auch uns wäre es lieber, wenn wir im Rahmen des Energiemixes, zu dem auch Kernenergie gehört, weniger Kohlekraftwerke errichten müssten, aber dass wir sie völlig aus dem künftigen Energiemix heraushalten können, ist, so glaube ich, illusorisch.
Wir brauchen dringend den Netzausbau, gerade an den Netzkuppelstellen; auch das enthält unser Antrag. Wir wollen mehr Transparenz und schärfere Kontrollen für die Großhandelsmärkte bei der Strombörse, eine unabhängige Marktbeobachtungsstelle, ein wirklich intelligentes Mess- und Zählersystem für Strom, und wir wollen, dass die Bürger endlich entlastet werden und dass nicht ständig mehr Steuern und Abgaben auf Energie durch immer neue Programme erhoben werden.
Ich nenne Ihnen zum Schluss nur eine Zahl: Würden wir die Stromsteuer abschaffen oder über den Verkauf der Zertifikate an die Bürger zurückführen, dann hätten wir eine Ersparnis von allein 6,3 Milliarden Euro. Das bedeutete pro Haushalt in Deutschland eine Einsparung von 165 Euro pro Jahr. Das wäre eine Größenordnung, die die Bürger gut vertragen könnten.
Insofern ist es wichtig, dass man sich in diesem Haus endlich Gedanken macht und dass nicht dauernd Steuererhöhungen und neue Förderprogramme beschlossen und nicht immer neue Abgaben auferlegt werden; ansonsten braucht man sich nicht darüber zu beklagen, dass die Bürger kein Geld mehr für den Konsum haben. Wenn wir dies tun, dann brauchen wir uns auch keine Gedanken über irgendwelche Sozialprogramme zu machen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Legen Sie ein konsistentes Programm für die Energieversorgung in Deutschland vor! Beenden Sie Ihr Stückwerk, das die Bürger nur belastet und durch das die Bürger nicht so versorgt werden, wie sie es eigentlich verdient hätten.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Rolf Hempelmann, SPD-Fraktion.
Rolf Hempelmann (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die vorliegenden Anträge, insbesondere der Antrag der Grünen ?Das Energiekartell aufbrechen - Für Klimaschutz, Wettbewerb und faire Energiepreise?, zeigen, dass die eigentliche Absicht der Antragsteller darin besteht, die Gelegenheit zu haben, eine energiepolitische Generaldebatte zu führen. Das ist auch legitim. Durch das, was vorgetragen worden ist - auch durch das, was der andere Antragsteller, die FDP-Fraktion, gesagt hat -, zeigt sich, dass wir in der Tat mit den bekannten, uns hier immer wieder vorgetragenen Argumenten konfrontiert werden.
Einige dieser Argumente teilen wir, andere eindeutig nicht.
Zum Antrag der Grünen. Klimaschutz, Wettbewerb und faire Energiepreise, das sind in der Tat drei Dimensionen, die unsere Energiepolitik berücksichtigen muss. Hinzu kommt eine weitere Dimension - wir haben es letztlich mit einem Zielviereck zu tun; darüber sind wir uns mittlerweile einig -: die Versorgungssicherheit. Zu unterstellen, dass eine Politik, die für Klimaschutz, Wettbewerb und faire Energiepreise sorgt, automatisch Versorgungssicherheit gewährleistet, würde dieser Herausforderung nicht wirklich gerecht.
Es hilft auch nicht, immer wieder darauf zu verweisen und immer wieder den eigenen Glauben daran öffentlich vor sich her zu tragen, dass wir Versorgungssicherheit allein mit erneuerbaren Energien und mit Effizienzsteigerungen in jedem Fall kurz-, mittel- und langfristig gewährleisten können. Wir müssen die Leute davon überzeugen. Man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass zum Beispiel die Deutsche Energie-Agentur - sie ist wirklich keine Lobbyorganisation der großen vier - erst kürzlich deutlich gemacht hat, dass wir sehr genau darauf achten müssen, dass in den nächsten anderthalb Jahrzehnten die notwendigen Investitionen in die Energieerzeugung und in die Netze erfolgen. Damit müssen wir uns seriös auseinandersetzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Koalition genau dies tut.
Wenn wir wollen, dass Emissionshandel wirkt, dass durch die Kosten des Ausstoßes von CO2 möglichst viele alte Kohlekraftwerke abgestellt werden, dann müssen wir auch wollen - Herr Meyer hat das eben zu Recht dargestellt -, dass diese Kraftwerke kurzfristig durch neue, ich sage jetzt: Kraftwerke ersetzt werden. Wir arbeiten daran, dass ein möglichst hoher Anteil dieser Kraftwerke auf der Basis von erneuerbaren Energien funktioniert. Ein Anteil von 30 Prozent bis 2020, das ist ein durchaus unbescheidenes Ziel. Wenn wir aufgrund der Rahmenbedingungen, die wir setzen, mehr erreichen sollten, dann werden wir uns alle freuen. Aber wir wissen gerade durch die dena-Studie, dass noch eine ganze Menge Hindernisse aus dem Weg zu räumen sind.
Es ist beispielsweise so, dass wir bei den Netzen im Augenblick unsere Probleme haben, gerade mit der Anbindung von möglichen Offshore-Windparks. Für Investitionen sind Rahmenbedingungen notwendig. Nur wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind, stellen private Investoren entsprechende Mittel zur Verfügung. Natürlich müssen auch die Genehmigungsverfahren so ablaufen, dass diese Netze in absehbarer Zeit tatsächlich errichtet werden können.
Wenn wir hierbei erfolgreich sind - dies wollen wir sein -, dann heißt das aber gerade vor dem Hintergrund eines Kernenergieausstiegs, dass wir bis zum Jahre 2020 immer noch einen erheblichen Anteil fossil betriebener Kraftwerke haben werden; ich will mich jetzt gar nicht auf eine konkrete Prozentzahl festlegen, weil wir uns da womöglich von unserem Koalitionspartner unterscheiden, der auch zum Thema Kernenergie eine andere Auffassung hat. Insofern muss es unser Ziel sein, dass jedenfalls die alten Anlagen - ich habe das gerade schon angedeutet - so früh wie möglich aus dem Verkehr genommen werden. Dies ist der Grund für unsere Anstrengungen, insbesondere beim Thema Kraft-Wärme-Kopplung.
Aber auch das wird nicht ausreichen, um unsere Energieversorgung bis zum Jahre 2020 tatsächlich zu 100 Prozent abzudecken. Dabei ist schon unterstellt, dass wir auch bei dem Thema Energieeffizienz und beim Ausschöpfen von Energieeinsparvolumen sowohl in den privaten Haushalten als auch in den Unternehmen erfolgreich sind.
Zu diesem Zeitpunkt werden wir in Deutschland auch noch das eine oder andere Kondensationskraftwerk haben. In Bezug darauf muss man sich fragen: Sollen das alte Anlagen mit entsprechendem Mehrausstoß an CO2 sein, oder akzeptieren wir, dass auch das eine oder andere neuere, effizientere Kraftwerk darunter ist? Das ist eine Grundsatzfrage, darum dreht sich der Grundsatzstreit insbesondere zwischen den Grünen und sicherlich auch Teilen unserer Fraktion, es ist eine Frage neben vielen anderen, die wir zu lösen haben.
Ich persönlich glaube, dass wir nicht völlig ohne Neuinvestitionen in diesem Bereich auskommen werden. Noch einmal: Je mehr Kraft-Wärme-Kopplung, umso besser, aber wenn das eine oder andere Kondensationskraftwerk dabei ist, dann muss das Ziel sein - auch daran wird gearbeitet -, dass diese Kraftwerke möglichst CCS-fähig sind, das heißt, dass bei ihnen eine Technik zur CO2-Abscheidung zur Anwendung kommen kann.
Ich weiß, dass ich auch mit diesem Thema ein Fass aufgemacht habe. Ich weiß, dass es auch hierbei noch unbeantwortete Fragen gibt. Aber es gibt auch Unternehmen, die zurzeit gerade in dieses Thema investieren, im Übrigen nicht ganz ohne Aufforderung aus dem Bereich der Politik. Deswegen glaube ich, dass wir zumindest offen dafür sein müssen, dass möglicherweise auch eine solche Technologie eine Antwort bieten kann.
Ich weiß, dass damit auch Herausforderungen verbunden sind, etwa mit dem Transport und mit der Speicherung von CO2. Dies sind Fragen, die hoffentlich zeitnah beantwortet werden, und zwar auf eine Art und Weise, die dazu führt, dass hier eine echte Alternative besteht. Aber von vornherein und rundheraus zu sagen, dies alles sei keine Alternative, halte ich angesichts der Herausforderungen allein schon hier in Deutschland für ausgesprochen problematisch, aber erst recht, wenn wir über unsere Grenzen hinwegschauen, denn ich bin der festen Überzeugung, dass Kohleverstromung noch lange Jahrzehnte in Europa, insbesondere in Osteuropa, aber auch außerhalb Europas, gerade in den großen Schwellenländern, in Indien und in China, eine erhebliche Rolle spielen wird.
Wenn wir das alles wissen, dann ist es meines Erachtens die Aufgabe eines Industrie- und eines Hochtechnologielandes wie Deutschland, mitzuhelfen, dass Technologien entstehen, mit deren Hilfe diese Kohleverstromung jedenfalls so effizient wie möglich, das heißt mit so wenig CO2-Emissionen wie möglich, erfolgt.
Wenn wir uns an dieser Stelle verweigern und nicht mithelfen, dann haben wir genau das Aufgabenspektrum verfehlt, das ein Land wie Deutschland zu erfüllen hat. Wir sind nicht Frankreich, das einen hohen Anteil an Kernenergie aufweist; die Franzosen haben ihre Aufgaben möglicherweise eher in diesem Bereich. Wir sind ein Industrieland und ein Energieerzeugungsland, und unsere Energieerzeugung ist sehr kohlenstoffintensiv. Deswegen meine ich, dass wir neben der größeren Effizienz im Verbrauch und in der Erzeugung von Energie und neben der Verbreitung von erneuerbaren Energien auch die Aufgabe haben, solche Energieerzeugungsanlagen zu modernisieren und technisch weiterzuentwickeln, die fossile Brennstoffe verwenden. Dies ist meines Erachtens auch die Erwartungshaltung der internationalen Gemeinschaft, und ihr sollten wir uns in Kenntnis der Probleme, die damit verbunden sind und die ich an dieser Stelle überhaupt nicht kleinreden will, nicht völlig verweigern.
Nun möchte ich etwas zu dem Thema Eigentumsentflechtung sagen. Frau Höhn hat über das Aufbrechen des Energiekartells gesprochen; auch die Überschrift des Antrages selbst macht dies noch einmal deutlich.
Ich glaube, wir sind uns im Parlament weitgehend darüber einig, dass wir mehr Wettbewerb im Energiesektor brauchen. Ich glaube aber auch, dass wir in den letzten Jahren gerade dazu eine ganze Menge gemacht haben. Weder Rot-Grün noch Schwarz-Rot sollte an dieser Stelle sein Licht unter den Scheffel stellen, denn wir haben in den letzten Jahren gemeinsam an Rahmenbedingungen für mehr Wettbewerb gearbeitet; dies habe ich in anderen Debatten schon mehrfach vorgetragen. Wir haben im Jahre 2005 das Energiewirtschaftsgesetz verabschiedet. Alle Fraktionen haben daran mitgewirkt: Rot-Grün im Deutschen Bundestag, aber im Grunde auch Schwarz-Gelb, weil es durch den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ging, nicht aber die Linke, da sie damals im Deutschen Bundestag als Fraktion nicht vertreten war.
Vor diesem Hintergrund sollten wir ein Stück weit stolz darauf sein, dass wir die Bundesnetzagentur geschaffen haben und dass sie im Bereich der Netze durchaus schon Wirkung erzielt hat: sinkende Netzentgelte - Herr Meyer hat gerade schon darüber gesprochen -, aber auch ein hohes Maß an Diskriminierungsfreiheit beim Zugang zu den Netzen. Dies gilt sowohl für diejenigen, die aus vorhandenen Kraftwerken einspeisen wollen, als auch für diejenigen, die neue Kraftwerke ans Netz bringen wollen.
Unter Schwarz-Rot haben wir diese Politik fortgeführt und haben unter anderem eine Kraftwerks-Netzanschlussverordnung verabschiedet, die dieses Ziel noch einmal deutlich unterstützen soll. Sie soll dafür sorgen, dass neue Kraftwerke und damit letztlich auch neue Anbieter bevorzugt ans Netz kommen können.
Die gestrige Anhörung hat kein Argument für die eigentumsrechtliche Entflechtung geliefert.
Von keinem Sachverständigen ist die Behauptung aufrechterhalten worden, dass die eigentumsrechtliche Entflechtung zu niedrigeren Preisen und zu mehr Investitionen führt. Auch der Vertreter der Europäischen Kommission - sie spricht sich bekanntermaßen für die eigentumsrechtliche Entflechtung aus - hat ausdrücklich gesagt, dass es diesen Nachweis, jedenfalls in Reinkultur, nicht gibt.
Deswegen sollte man mit diesem Thema sachlich umgehen.
Wir wollen, dass große Unternehmen ihre Machtposition nicht zulasten von Verbrauchern, egal ob es private oder industrielle Verbraucher sind, ausnutzen können. Deswegen kommt es darauf an, dass wir das Bundeskartellamt, aber auch die Bundesnetzagentur so stärken, dass sie ihrer Aufgabe gerecht werden können. Das ist schon die Politik von Rot-Grün gewesen. Das ist jetzt auch die Politik von Schwarz-Rot. Ich glaube, dass sie auch zunehmend erfolgreich ist. Gerade die letzte Wettbewerbsrechtsnovelle, die Novelle des GWB, zeigt dies. Jetzt sind insbesondere die Gasversorgungsunternehmen sozusagen unter der Lupe des Bundeskartellamts. Sie unterliegen einem Missbrauchsverfahren. Hier ist in absehbarer Zeit auch mit Entscheidungen zu rechnen. Beim Thema Regelenergie betrifft das auch die Stromunternehmen.
Die Verfahren sind also im Gange. Wir sollten beobachten, wie das, was wir angestoßen haben, wirkt. Auf dem nationalen Markt müssen wir uns auf das Zusammenspiel von Bundeskartellamt, Bundesnetzagentur, Wettbewerbsrecht und Regulierung verlassen.
International stehen die Unternehmen ohnehin in einem ganz anderen Wettbewerb, im Wettbewerb beispielsweise - das ist eben schon angeklungen - mit großen ausländischen Staatsunternehmen, die in ihren Ländern Monopolisten sind. Ich glaube, dass es deswegen schon wichtig ist, einmal sehr genau darüber nachzudenken: Wie müssen wir die Unternehmen hier eigentlich ausstatten, damit sie in diesem Wettbewerb bestehen können?
Auch das ist im Interesse des deutschen Verbrauchers. Wenn wir beispielsweise Gas nicht mehr preisgünstig einkaufen können, etwa in Russland, dann geht das zulasten des deutschen Verbrauchers. Ein guter Preis lässt sich gegenüber Gasprom zum Beispiel, gegenüber den Russen, aber nur durchsetzen, wenn eine entsprechende Nachfragemacht dahintersteht. Wenn wir die Nachfragemacht zersplittern, dann wird es mit Sicherheit nicht einfacher, auch langfristig günstige Preise für deutsche Verbraucher zu erzielen.
Damit will ich sagen: Es ist schon ein bisschen komplizierter, als es oft dargestellt wird.
Wir sind in dem Dilemma, dass wir uns auf der einen Seite eigentlich starke Unternehmen wünschen müssen, die im internationalen Wettbewerb zugunsten gerade auch deutscher Verbraucher im unternehmerischen wie im privaten Bereich günstige Preise durchsetzen können. Wir müssen uns eine Regulierungs- und Wettbewerbskontrollpraxis wünschen, die dafür sorgt, dass diese günstigen Konditionen auch an den Verbraucher weitergereicht werden.
Beim zweiten Punkt sind wir in der Tat auf dem Weg, aber wir sind noch längst nicht am Ziel. Jedenfalls hat für mich die gestrige Anhörung ergeben, dass der Weg nicht unbedingt eine eigentumsrechtliche Entflechtung ist. Hier sind andere Alternativen deutlich geworden, die wir in der Koalition auch verfolgen wollen, ich bin sicher, am Ende mit einem guten Ergebnis.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort der Kollegin Ulla Lötzer, Fraktion Die Linke.
Ulla Lötzer (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns mit Ihnen, Frau Höhn, durchaus darin einig, dass es eine eigentumsrechtliche Entflechtung der Übertragungsnetze geben muss. Aber auch wir stellen Ihnen die Frage, wer das Netz betreiben soll. Zumindest in Ihrem Antrag drücken Sie sich um eine Aussage herum. Einerseits wollen Sie eine öffentliche Kontrolle. Andererseits kritisieren Sie uns immer wieder, wir hätten auf alles nur die Antwort einer Überführung der Netze in die öffentliche Hand.
Glauben Sie im Ernst, dass dann, wenn die Netze beispielsweise in der Hand von privaten Finanzinvestoren sind, mit staatlicher Kontrolle eine soziale und ökologische Energiepolitik durchgesetzt werden könnte?
Das halte ich allerdings für realitätsfremd. Das wird hier genauso wenig gelingen wie gegenüber dem Energiekartell. Das gilt erst recht für Ihren Vorschlag, Frau Kopp. Die FDP will, dass die Konzerne ihre Netze in eine gemeinsame ?Netz AG? einbringen. In der Anhörung ist das auf breite Ablehnung gestoßen; bei uns auch.
Die Monopolstellung der großen vier in einer ?Netz AG? zusammenzuführen, verstärkt das Problem und dehnt es höchstens europaweit aus, mehr nicht.
In der gestrigen Anhörung ist von der Vertreterin der Grünen, der Kollegin Andreae, für eine Netzgesellschaft das Modell einer öffentlich-privaten Partnerschaft in die Diskussion gebracht oder unterstützt worden. Das ist in der Klärung der Eigentumsfrage immerhin ein Schritt in unsere Richtung. 51 Prozent der Netzgesellschaft sollen in die öffentliche Hand überführt werden. Herr Krawinkel hat für die Verbraucher ausdrücklich auch eine öffentliche Mehrheit für wichtig befunden, um volkswirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Das bleibt aber unserer Meinung nach auf halbem Weg stehen. Ich frage Sie: Warum sollen 49 Prozent privat sein? Begründet wurde das in der Anhörung damit, dass die Konzerne damit für Effizienz sorgen würden. Kollegin Andreae, haben die großen vier nicht in den letzten Jahren nachdrücklich bewiesen, dass ihre Effizienz vor allem darin besteht, ihre Rendite zulasten sozialer und ökologischer Interessen zu steigern, dies allerdings sehr effizient?
Sie haben die Kunden übervorteilt. Sie haben das Land in Regionen aufgeteilt und Preisabsprachen getroffen. Erneut ist jetzt von der Bundesnetzagentur ein Verfahren gegen RWE und Eon eingeleitet worden, weil sie in den letzten Jahren Kosten in Höhe von 800 Millionen Euro zu viel in Rechnung gestellt haben. Herr Meyer, trotz allem sind die Übertragungsnetze hier und jetzt überaltert und nicht auf die heutigen Anforderungen in der Energieversorgung ausgerichtet, und zwar trotz Gewinnsteigerungen von 6 Milliarden auf 20 Milliarden Euro.
Frau Höhn, wie Sie selbst in Ihrem Antrag formuliert haben, haben sie diese Gewinne auch dadurch erzielt, dass sie einer schmutzigen und gefährlichen Energieversorgung mit Atomenergie festhalten, wie insbesondere auch die CDU.
Die Vertreter von Eon und RWE haben gestern in der Anhörung die Dreistigkeit besessen, zu fordern, die Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich für sie Investitionen wieder lohnten. Im Klartext heißt dies, sie wollen noch höhere Profite auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Damit haben sie nur eines deutlich gemacht: wie dringend die Maßnahmen wären, ihnen die Übertragungsnetze endlich aus der Hand zu nehmen. Solche Interessen haben in einer Netzgesellschaft nichts zu suchen.
Ein Austausch der privaten Eigentümer, zum Beispiel RWE gegen Blackstone, löst das Problem aber nicht.
Auch eine Netzgesellschaft in öffentlicher Hand, Herr Meyer, würde Netzentgelte einnehmen. Diese würden dann allerdings nicht in Form von Dividenden ausgeschüttet, sondern könnten zum Beispiel für Investitionen verwendet werden. Natürlich ist aber auch dann weiterhin eine Regulierung notwendig. Deshalb fordern wir zumindest Sie von den Grünen auf, nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, sondern uns bei unserer Forderung zu unterstützen, die Netze in die öffentliche Hand zu überführen, nicht als Allheilmittel, sondern als notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung ökologischer und sozialer Interessen.
Das gilt nicht für die Verteilnetze, über die die Energie zum Endverbraucher kommt. Diese sind oft in der Hand der Stadtwerke. Allerdings haben sich auch hier die großen vier ihren Einfluss gesichert. An mehr als 270 Stadtwerken sind RWE und Eon beteiligt. Das Bundeskartellamt hat gestern den Vorschlag in die Diskussion eingebracht, die Unabhängigkeit der Stadtwerke zu stärken, indem dafür gesorgt wird, dass die großen vier ihre Anteile an den Stadtwerken abgeben. Energieversorgung gehört wieder mehr in die Hand der Kommunen. Vor diesem Hintergrund unterstützen auch wir diesen Vorschlag.
Die Bekämpfung von Energiearmut, zum Beispiel durch Umsetzung der Forderung des Verbraucherschutzverbandes nach einem Aktionsplan zur Sicherstellung des Energiezugangs für alle, ist ein weiterer wichtiger Schritt. Erfreulich ist, dass die Grünen in ihrem Antrag die Position vertreten, dass ein armutsfester gesetzlicher Mindestlohn eingeführt und die Hartz-IV-Regelsätze angehoben werden sollen. Diese Maßnahmen sind notwendig und tragen auch zur Bekämpfung von Energiearmut bei. Allein in NRW wurde im letzten Jahr 59 000 Privathaushalten der Strom zumindest teilweise abgestellt. Wir sind allerdings der Meinung, dass diese Maßnahmen dringend durch die Bereitstellung von kostenfreien Stromkontingenten und die Einführung eines Sozialtarifs ergänzt werden müssen.
Energie für alle, bezahlbar, sicher und ökologisch erzeugt, ist nur durch Entmachtung der großen vier und eine Rekommunalisierung der Stromversorgung möglich.
Danke.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Franz Obermeier, CDU/CSU-Fraktion.
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! ?Das Energiekartell aufbrechen - Für Klimaschutz, Wettbewerb und faire Energiepreise? lautet der Titel des Antrags der Grünen. Arbeiten wir einmal auf, was zu fairen Energiepreisen gehört. Der Antrag befasst sich in erster Linie mit Strom; also nehmen wir exemplarisch die Strompreise.
Bei der Stromerzeugung fallen zunächst einmal Produktionskosten an. In Deutschland ist die Erzeugung von Strom mithilfe von Kohle, insbesondere Braun- und Steinkohle, sowie Kernenergie am preiswertesten. Aus beiden Stromerzeugungsverfahren möchten die Grünen aussteigen. Das hätte zur Folge, dass teurere Produktionsmethoden die bisherigen substituieren müssen. Das ist so. Derzeit liegen die Produktionskosten für Strom aus Kohle oder Kernenergie zwischen 4 und 5 Cent pro Kilowattstunde. Bei den anderen Produktionsmethoden liegen die Kosten aber teilweise um ein Vielfaches höher. Sie müssen der Bevölkerung also erklären, was Sie vor diesem Hintergrund unter ?fairen Energiepreisen? verstehen.
Das Zweite sind die Übertragungskosten, also die Netzkosten. Diese Netzkosten stehen in letzter Zeit - zu Recht - sehr stark in Rede. Darauf hat die Regierung reagiert und dem Kartellamt und der Bundesnetzagentur bei ihren Bemühungen, sich verstärkt um diesen Punkt zu kümmern, den Rücken gestärkt. Frau Höhn, Sie haben den Bundeswirtschaftsminister Michael Glos völlig zu Unrecht kritisiert. Er hat nämlich als Erster mit Macht darauf gedrängt, die Preisgestaltung bei den Netzkosten unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen. Das zeitigt bereits Erfolge. Denn die Bundesnetzagentur hat, wie wir alle wissen, schon die ersten Bescheide entsandt, zur Entlastung unserer Verbraucher.
Der Bundeswirtschaftsminister ist im Gegensatz zu seinem Vorvorgänger nicht dafür verantwortlich, dass wir bei der Gasversorgung ein echtes Kartell haben. Verantwortlich ist jemand, der in der Regierung saß, an der Sie von den Grünen beteiligt waren. Jetzt kommen Sie auf uns zu und werfen uns vor, dass es beim Netz ein Kartell gibt.
Es ist scheinheilig, Frau Höhn, was Sie hier betreiben. Sie hätten während Ihrer Regierungszeit die Möglichkeit gehabt, diese Dinge zu unterbinden.
Dann haben wir bei der Strompreisgestaltung als dritten großen Block den staatlich induzierten Teil. Fangen wir einmal mit der Ökosteuer an. Die Ökosteuer macht beim Endverbraucher immerhin 5 bis 6 Cent pro Kilowattstunde Strom aus. Wer hat denn die Ökosteuer eingeführt? Das waren Sie.
Sie haben die Ökosteuer eingeführt. Sie haben die Zweckentfremdung solcher Einnahmen für die Rentenversicherung induziert. Sie haben das veranlasst.
Sie sind die Preistreiber auf dem Stromsektor. Das muss man der Öffentlichkeit sagen. Wer hat denn die Kosten erhöht?
Übrigens, Frau Lötzer, die beiden Vertreter der Energiekonzerne gestern haben nicht gesagt, der Gesetzgeber solle ihnen den Weg öffnen, damit sie leicht Netze bauen könnten, sondern sie haben gesagt, dass sie eine gesetzliche Regelung wollen, damit sie überhaupt Netze bauen können. Das wird das nächste Problem.
Im Übrigen ist diese ganze Situation auch preistreibend. Dies alles zahlt der Verbraucher. Diese staatlich induzierten Kosten nehmen ja einen erheblichen Teil ein. Da darf man nicht zu laut schreien; denn wir sind mit unserer Mehrwertsteuererhöhung daran beteiligt.
- Das gehört mit zur Wahrheit. Davor scheue ich nicht zurück.
Aber der Hauptteil besteht darin, dass die Vorgängerregierung - daran waren Sie von den Grünen beteiligt - einen großen Block auf die Stromkosten obendrauf gesetzt hat. Ich bin ein harter Brocken. Im Jahr 2000 haben wir in der Energie-Enquete-Kommission furchtbar über die Frage gestritten, ob der Weg richtig ist, dass man die Strompreise so erhöht, dass der Stromverbrauch in Deutschland zurückgeht. Die alte Strategie der Grünen, dass man die Energiepreise nur genügend erhöhen muss, damit der Verbrauch insgesamt zurückgeht, war Ihre Politik. Heute beschweren Sie sich in Ihrem Antrag über die hohen Preise.
Dies lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Wir wehren uns mit Händen und Füßen dagegen, dass Sie vor der Öffentlichkeit eine Politik betreiben, die irreführend ist und mit den Realitäten überhaupt nichts zu tun hat.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Obermeier, die Frau Kollegin Kopp würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Selbstverständlich, Frau Kopp.
Gudrun Kopp (FDP):
Vielen Dank, Herr Kollege Obermeier. - Sie haben eben selbstkritisch gesagt, dass Sie, die Regierung, durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer einen Anteil daran haben, dass die Energiepreise in die Höhe getrieben worden sind. Ich finde es fair und richtig, dass Sie das sagen. Sind Sie bereit, zu beantworten, was der Sinn der Erhebung der Mehrwertsteuer auf den Energieverbrauch ist, der zuvor schon durch andere Steuern belegt ist? Ich nenne als Beispiel die Produktpreise bei den Energieformen Gas und Strom. Darauf wird die Gassteuer bzw. die Stromsteuer erhoben, und darauf erhebt die Regierung noch einmal die Mehrwertsteuer. Das ist ein Gesamtkostenblock von 14 Milliarden Euro. Halten Sie es für gerechtfertigt, eine Mehrwertsteuer auf bereits mit Steuern belastete Produkte zu erheben?
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Sie fragen, ob ein solches Vorgehen gerechtfertigt ist. Sie wissen doch ganz genau, wie die Mehrwertsteuer zustande gekommen ist.
Es ging in erster Linie um die Belange der Länder.
- Selbstverständlich ist es in erster Linie um die Sanierung der Länderhaushalte gegangen. Die entsprechenden Erfolge gibt es schon.
Die Doppelbesteuerung ist ein Faktum. Aber nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, Frau Kopp, dass dieser Punkt sicherlich nicht entscheidend ist. Der entscheidende Punkt bei der Preisgestaltung im Energiesektor ist vielmehr, dass es eine Fülle von Begleitmaßnahmen gibt, die sich auf der Produktionsseite wesentlich stärker kostentreibend auswirken als die Mehrwertsteuererhöhung und die Belastung beispielsweise durch die Gassteuer.
Ich möchte noch etwas zur Strategie sagen und darstellen, wie widersprüchlich der Antrag der Grünen ist. Was den Bereich der Stromproduktion mit Kohle angeht, haben wir die Situation, dass die Investoren die Absicht haben, alte Kohlekraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 35 bis 38 Prozent durch neue Kohlekraftwerke mit einem Wirkungsgrad von rund 50 Prozent zu ersetzen.
- Entschuldigung, Frau Höhn, da müssen Sie mir überhaupt nichts sagen; davon verstehe ich garantiert mehr als Sie.
Die Folge Ihrer Strategie wäre - das muss man wissen, wenn man über Energiepreise redet -, dass die alten Kohlekraftwerke mit einem schlechten Wirkungsgrad am Netz blieben und dabei hohe Kosten für Emissionszertifikate verursachten. Diese Kosten würden wiederum auf die Verbraucher umgelegt. Diese Strategie würde also dazu führen, dass die Stromkosten weiter stiegen.
Die Stromerzeuger könnten höhere Preise rechtfertigen.
Ich sage in aller Offenheit: Ob der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg letztendlich zu den in der Klimapolitik vorgegebenen Zielen führen wird, Frau Kopp, muss man einmal abwarten. Auch ich bin mir da nicht ganz sicher. Wir müssen jetzt wesentliche Maßnahmen einleiten. Dazu gehört zum einen eine komplette Modernisierung des Kraftwerkparks einschließlich der Anlagen für erneuerbare Energien. Wir müssen mit Macht darauf drängen, dass wir die modernsten Technologien für die Stromproduktion haben. Ich nenne zum anderen die Effizienzstrategie. Da sind wir auf einem guten Weg. Es ist offensichtlich, wie gut die KfW-Programme mittlerweile angenommen werden.
- Natürlich gibt es sie noch. - Angesichts der Tatsache, dass diese Programme gut laufen, bin ich sicher, dass unsere Strategie erfolgreich ist.
Ob wir aber die Klimaschutzziele erreichen, wenn es bei dem vereinbarten Ausstieg aus der Kernenergie bleibt, ist nicht sicher. An dieser Stelle kann ich an die Kolleginnen und Kollegen der SPD nur appellieren: Wenn Sie schon den Ausstieg aus der Kernenergie partout wollen, dann lassen Sie uns doch miteinander darüber reden, ob es nicht eine zeitliche Verzögerung beim Ausstieg geben kann. Mit der Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke könnten wir die Zeitspanne, bis die erneuerbaren Energien und Effizienzsteigerungen die Lücke füllen können, überbrücken. Das ist mein Petitum zum Abschluss.
Ich bin froh, dass wir in der Energiepolitik schon so weit sind. Ich bin überzeugt, dass wir bald mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD über die Frage der Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke reden können.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Andreae für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Energieversorgung ist Daseinsvorsorge, und zwar für die Menschen und für die Wirtschaft. Wir brauchen eine sichere und verlässliche Energieversorgung. Energie muss aber auch bezahlbar sein. Frau Höhn hat schon darauf hingewiesen, wie sich die Preise entwickelt haben, aber auch darauf, wie sich parallel dazu die Gewinne der Energieversorgungsunternehmen entwickelt haben. Das sind keine fairen Preise mehr.
Es gibt zwei Gründe für steigende Preise. Der eine Grund ist der Ressourcenverbrauch; denn knappe Ressourcen bedeuten höhere Preise. Die Ölpreise von heute waren für uns vor ein paar Jahren noch undenkbar. Wir müssen damit rechnen, dass sie weiter steigen werden; denn was knapp wird, wird teurer. Ungezügelter Energieverbrauch heißt auch hoher Ressourcenverbrauch. Das ist teuer, schädlich für die Umwelt und Ursache für den Klimawandel. Das ist der Hauptgrund, warum wir sagen: Wir brauchen eine Energiewende; wir brauchen ein Umsteuern in Richtung erneuerbarer Energien.
Welche Situation haben wir jetzt? Der Energiemarkt wird von den vier großen Energieversorgungsunternehmen dominiert. In Sachen Energiewende sind diese Unternehmen keine Verbündeten. Sie forcieren die erneuerbaren Energien nicht. Deswegen müssen wir uns überlegen, wie wir die erneuerbaren Energien voranbringen können. Eine Möglichkeit ist, das Energiekartell aufzubrechen.
Die vier großen Energieversorgungsunternehmen haben die Marktmacht inne. Sie kontrollieren die Kraftwerke, den Stromabsatz, und vor allem befinden sich die Übertragungsnetze in ihrem Eigentum. Warum ist das ein Problem? Mangelnder Wettbewerb erschwert den Marktzugang. Die Energieversorgungsunternehmen erschweren neuen Anbietern den Marktzugang. Wir brauchen aber mehr Dynamik, mehr Anbieter, stärker dezentrale Versorgungsstrukturen und einen neutralen und diskriminierungsfreien Netzzugang.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, darf ich Sie unterbrechen? Der Herr Kollege Meyer möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bitte.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Sie haben gesagt, dass die in diesem Bereich exorbitant hohen Gewinne ausschließlich mit der traditionellen Stromerzeugung zusammenhingen und sich das geben würde, wenn man auf neue, alternative Modelle umsteigen würde. Haben Sie die Kapitalverzinsung und die Umsatzrenditen im Bereich der traditionellen Energieerzeugung einmal berechnet und mit den Umsatzrenditen verglichen, die im Bereich der Fotovoltaik erwirtschaftet werden?
Wenn Sie sich die Berichte in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen anschauen, können Sie feststellen, dass die Fotovoltaikunternehmen, die diesen Bereich in Deutschland stützen, im letzten Jahr eine Umsatzrendite von 45 Prozent verzeichnen konnten. Wir sind uns hier eigentlich alle einig, dass eine Eigenkapitalverzinsung in Höhe von 20 Prozent bei der Deutschen Bank ein ziemlich hoher Wert ist. Angesichts einer Umsatzrendite von 45 Prozent bei Fotovoltaikunternehmen muss ich jedoch sagen: Wir haben noch eine ganze Menge Arbeit vor uns, ehe die Preise für die Verbraucher akzeptabel sind.
In den Fachzeitschriften der Fotovoltaikindustrie können Sie nachlesen, dass der Preis für 1 Watt auf dem Weg vom Produzenten zum Verbraucher von 82 Cent auf 2,52 Euro steigt. Angesichts dessen frage ich mich, worauf Sie Ihre These stützen, dass sich die Rendite der Unternehmen durch einen Umstieg von Kohle- und Kernenergie auf zum Beispiel Fotovoltaik ändern würde. Im Moment scheint es eher so zu sein, dass sie dadurch deutlich steigen würde.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, dass ein neuer Energieanbieter per se niedrigere Preise anbietet. Ich sage übrigens auch nicht, dass mehr Wettbewerb zwangsläufig zu sinkenden Preisen führt. Das haben Sie angeführt. In der Anhörung wurde klar, dass es dafür keine Belege gibt.
Wir können aber erkennen, dass mangelnder Wettbewerb in den letzten Jahren zu diesen enormen Preissteigerungen geführt hat.
Wir können sehen: Mangelnder Wettbewerb führt zu steigenden Gewinnen, die nicht mehr im Verhältnis zu den steigenden Preisen, die von den Verbraucherinnen und Verbrauchern gezahlt werden, stehen.
Deswegen bleiben wir dabei: Mangelnder Wettbewerb führt zu steigenden Preisen.
Das ist im Übrigen unabhängig davon, ob es ein konventioneller oder ein alternativer Energieanbieter ist. Wir haben dieses Preisproblem. Wir brauchen Instrumente, um dieses Preisproblem zu lösen. Ein Instrument ist, das Energiekartell aufzubrechen, Herr Meyer.
Ein Hauptpunkt - da haben die Grünen die Europäische Union von Anfang an unterstützt - ist das Ownership-Unbundling. Es ist aus unserer Sicht richtig, die eigentumsrechtliche Entflechtung hier voranzubringen. Seit dem 28. Februar 2008 ist Bewegung in die Situation gekommen, weil Eon selber gesagt hat, dass sie ihre Übertragungsnetze hergeben. Übrigens am gleichen Tag hat Wirtschaftsminister Glos in der EU weiterhin für den dritten Weg plädiert. Ich sage Ihnen: Die EU zu unterstützen, ist der richtige Weg, um auf diesem Markt voranzukommen. Wir brauchen eine Entflechtung von Infrastruktur und Energieversorgung. Die Energienetze sind unsere große Systeminfrastruktur. Das ist zum Beispiel mit dem Schienennetz der Bahn vergleichbar; hier haben wir große Sorge, was Sie entwickeln.
Wenn wir sagen, Energieversorgung sei Daseinsvorsorge, und Daseinsvorsorge und Energieversorgung brauchen ein funktionierendes Netzsystem, dann weise ich auf Folgendes hin - deswegen habe ich gestern in der Anhörung über ein Modell gesprochen, das wir meiner Meinung nach in die Diskussion einbringen müssen -: Sie müssen Kriterien entwickeln, wer diese Netz AG - oder wie auch immer Sie es nennen wollen - irgendwann verwaltet, wer die Netze besitzt und wie die Politik dieser Netz AG ausgestaltet sein muss. Darüber müssen Sie sich Gedanken machen.
Sich heute immer noch darüber Gedanken zu machen, dass die Entflechtung nicht kommt, ist rückwärtsgewandt. Ich bin ziemlich sicher - das haben wir schon vor längerer Zeit gesagt -, dass die Entflechtung kommt. Die EU wird sich an dieser Stelle durchsetzen. Deswegen lassen Sie das mit dem dritten Weg. Es ist Energieverschwendung, den dritten Weg weiter zu forcieren. Überlegen Sie sich vielmehr, wie das Ganze künftig ausgestaltet sein soll.
Natürlich brauchen wir Regulierung. Wir brauchen das Kartellamt und starke wettbewerbsrechtliche Regelungen auf diesem Markt. Wir brauchen im Übrigen vor allem das Unbundling. Denn wenn Sie die Netz AG gestalten, dann darf einer, der Investor in der Netz AG ist, nicht gleichzeitig Erzeuger sein. Also stimmt die Vorstellung, dass Gasprom dann zum Teil unsere Netze quasi in der Hand hätte, nicht, weil Gasprom als Energieerzeuger nicht Netzbesitzer sein kann.
Aber ich glaube, dass wir uns über Folgendes Gedanken machen sollten: staatliche Interessen, Investitionen in die Netze, Wartung der bestehenden Netze, Ausbau eines europäischen Energiebinnenmarktes, Ausbau der Grenzkuppelstellen und Aufbau einer noch effizienteren Regulierung. Wir sollten hier nicht nur über die Variante ?nur privat? und im Übrigen überhaupt nicht über die Variante ?nur staatlich? reden. Vielmehr sollten wir darüber reden, ob es Zwischenmodelle gibt. Das ist die Position, die wir in die Diskussion einbringen wollen.
Es spricht für mich viel dafür, das private Know-how und das private Kapital, das bei den Energieversorgungsunternehmen vorhanden ist, zu nutzen und in Anspruch zu nehmen. Es spricht auch viel dafür, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir die staatliche Aufgabe zur Leistung einer der großen Systeminfrastrukturen, einer der Lebensadern unserer Volkswirtschaft, gestalten und mit welchen Kriterien wir sie unterlegen wollen. Wir sollten uns sehr genau Gedanken darüber machen, wie wir unsere Netze in Deutschland in Zukunft verwalten und gestalten wollen. Wir sollten auf europäischer Ebene nicht den dritten Weg forcieren, dessen Grab quasi schon geschaufelt ist.
Ich bitte Sie ganz dringend, sich hier für mehr Wettbewerb einzusetzen, dem Energiekartell entgegenzustehen, sich für faire Preise einzusetzen, Marktmacht zu verhindern, die Verbraucher zu schützen und das Primat der Ökologie in den Vordergrund zu stellen. Hierauf sollten Sie Ihre Energie verwenden und nicht auf Modelle, die keine Zukunft mehr haben.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Ulrich Kelber.
Ulrich Kelber (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele private Haushalte und viele Unternehmen in unserem Land bekommen in diesen Tagen Briefe von Energieversorgern oder von Vermieterinnen und Vermietern. Die Briefe der Energieversorger sind in der Regel durch eine deutliche Tariferhöhung gekennzeichnet, die übrigens weit über den Prognosen zum Beispiel der Internationalen Energieagentur und weit über dem liegen, was wir als Politiker noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten haben.
Viele Mieterinnen und Mieter bekommen in denselben Tagen Rechnungen über Nachzahlungen für den Energieverbrauch, weil der Einkauf von Heizöl und Erdgas sehr viel teurer geworden ist, als bei der Berechnung der Vorauszahlungen für ihre Mietnebenkosten angenommen wurde. Die Energiepreise sind zu einer Belastung geworden. Sie sind für viele private Haushalte nicht mehr oder nur noch unter stärksten Einschränkungen zahlbar. In zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen werden sie zu einem Faktor, der Wachstum begrenzt und Arbeitsplätze gefährdet.
Der Anstieg der Energiepreise hat sich in den letzten drei Jahren enorm beschleunigt. Es ist richtig, auf die Gründe für diesen Anstieg zu schauen. Es gibt drei wesentliche Gründe, auf die dieser Anstieg zurückgeht.
Als erstes muss man natürlich die Frage nach dem staatlichen Anteil an den Energiepreisen stellen.
Natürlich hat die Mehrwertsteuererhöhung und natürlich haben leicht gestiegene Abgaben als Folge von Fördergesetzen zu höheren Energiepreisen geführt. Es gibt allerdings zwei wesentliche Unterschiede zu den beiden anderen Gründen des Preisanstiegs. Erstens sind die Fördermaßnahmen teilweise Bestandteil von Programmen, die ihrerseits die Energiekosten senken sollen, indem mehr Wettbewerb entsteht. Sie kommen den Energiekunden also an anderer Stelle wieder zugute, ganz anders als die gestiegenen Gewinnmargen der Energiekonzerne. Zweitens ist der staatliche Anteil an den Energiepreisen in den letzten zwei Jahren wieder gesunken, weil die Preissteigerungen der Privaten weit höher waren als die staatlichen Belastungen.
Ich will das einmal am Beispiel des Benzins, nicht des Stroms, deutlich machen, weil es dazu vor kurzem einen Vorschlag des geehrten Kollegen Westerwelle gegeben hat. Er hat gesagt, der Staat habe an den Benzinpreisen einen Anteil von 75 Prozent. Ich habe das einmal überprüft und herausgefunden, dass der Kollege Westerwelle ein ausgesprochen gutes Gedächtnis hat. Er hat nämlich fast auf den Prozentpunkt genau den staatlichen Anteil im Jahr 1998 in Erinnerung gehabt, dem letzten Jahr der FDP-Regierungsbeteiligung. In der Zwischenzeit - das waren einige Jahre unter Rot-Grün und alles Jahre mit SPD-Regierungsbeteiligung - ist der staatliche Anteil von 75 Prozent auf 60 Prozent gesunken.
- Wir können das gemeinsam nachrechnen, das ist ziemlich einfach nachzuvollziehen.
Die zweite Ursache sind die steigenden Weltmarktpreise. Die Politik muss den Menschen deutlich sagen, dass sie sie vor steigenden Weltmarktpreisen kaum schützen kann. Wir können höchstens etwas bei der Diversifizierung der Liefergebiete machen. Aber eigentlich sind wir - auch im Rahmen der Europäischen Union - viel zu klein, um etwas gegen steigende Weltmarktpreise unternehmen zu können. Allerdings können wir helfen, den Energieverbrauch zu senken, was dazu führt, dass man von den teurer werdenden Energieträgern weniger importieren muss. Dabei können wir helfen, und darauf müssen wir uns in der Politik konzentrieren.
Das ist sehr gut mit den Anstrengungen beim Klimaschutz kompatibel. Denn fast jede Anstrengung beim Klimaschutz läuft darauf hinaus, weniger von den treibhausgasemittierenden Energieträgern zu verbrauchen. Indem wir die Unternehmen und privaten Haushalte dabei unterstützen, weniger Energie zu verbrauchen, wird einer der beiden Faktoren der Energierechnungen gesenkt.
Der dritte und wichtigste Grund ist das Oligopol auf unserem Energiemarkt, das es bei der Gas- und bei der Stromversorgung gibt. Es ist gerade gesagt worden, dass die Gewinne der vier großen Strom- und Gasversorger in den letzten Jahren von 6 Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro gestiegen sind. Herr Kollege Meyer, ich hätte mich gefreut, wenn Sie die gleiche Frage, die Sie Frau Andreae gestellt haben, auch mir gestellt hätten; denn ich habe eine Antwort darauf. Es gibt mehrere Zehntausend Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, die sich mit Solarenergie beschäftigen. Sie haben gerade vereinfachend die hohen Renditen von lediglich zwei dieser mehreren Zehntausend Unternehmen genannt.
Sie sind zum Beispiel nicht darauf eingegangen, dass ein Handwerker heutzutage eine Rendite von 2 Prozent hat, wenn er eine Solaranlage installiert.
Es gibt außerdem einen wesentlichen volkswirtschaftlichen Unterschied. Während die beiden Unternehmen, die Sie genannt haben, die Gewinne jedes Jahr reinvestieren, um eine jährliche Verdoppelung der Kapazitäten zu erreichen, werden die 18 Milliarden Euro Gewinn der großen Energiekonzerne nicht, wie in den letzten Jahren versprochen, in neue Kraftwerke und die Modernisierung der Netze investiert, sondern sie werden ausgeschüttet. Jedes Jahr gibt es eine neue Ausrede, weshalb man die Gewinne behalten müsse und sie nicht, wie versprochen, investiere.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ulrich Kelber (SPD):
Ja, selbstverständlich.
Gudrun Kopp (FDP):
Vielen Dank, Herr Kollege Kelber, dass Sie die Frage zulassen. - Sind Sie bereit, zu bestätigen, dass es in der Solarbranche in Deutschland 35 000 Arbeitsplätze gibt und dass die Stromkunden über die hohen Abgaben und Steuern auf Energie 153 000 Euro pro Arbeitsplatz pro Jahr mitfinanzieren? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?
Ulrich Kelber (SPD):
Ich nehme zunächst einmal zur Kenntnis, dass Sie eine Studie des RWI gelesen haben, zumindest Ausschnitte daraus bzw. die Zusammenfassung für Entscheidungsträger,
wie wir alle es häufig tun müssen, wenn eine Studie mehrere 100 Seiten lang ist.
Aber - jetzt kommt der Punkt - wo hat diese Studie recht? Es fängt damit an, dass darin falsche Arbeitsplatzzahlen zugrunde gelegt werden. Man tut so, als seien die Preise, die Sie gerade genannt haben, Preise pro Jahr. Dabei wurden diese Preise über 30 Jahre hochgerechnet.
In dieser Studie wird beim Strom aus fossilen Energieträgern eine Preissteigerung in Höhe von 3 Prozent angesetzt. In den letzten Jahren betrug die Preissteigerung allerdings 8 Prozent. Außerdem wird eine Senkung der Vergütung der Kosten für Fotovoltaik in Höhe von 5 Prozent angenommen. Die Koalition wird aber auf jeden Fall eine von 8 Prozent beschließen; das ist ein Vorschlag der Regierung.
Darüber hinaus wird in dieser Studie ein weiterer eklatanter Fehler gemacht: Die größten Zubauzahlen werden für die Jahre nach 2015 prognostiziert. In der Studie heißt es, das werde besonders teuer. Aber im Jahre 2015 wird nach den Beschlüssen, die die Bundesregierung vorbereitet hat und die Große Koalition bis zur Sommerpause fassen wird, der Strom aus einer Fotovoltaikanlage unter deutschen Verhältnissen billiger sein als der Strom aus der Steckdose. Das wird der Zeitpunkt sein, zu dem jemand, der eine Fotovoltaikanlage installiert, keine EEG-Vergütung mehr in Anspruch nehmen wird, sondern dafür sorgen wird, dass er den teuren Strom von RWE, Eon & Co. nicht mehr beziehen muss. Das ist der Augenblick, in dem der Boom erst richtig losgehen wird.
Deswegen ist die Studie des RWI, was die Kosten betrifft, falsch, und zwar um den Faktor 15. Was die Zahl der Arbeitsplätze, die entstehen sollen, angeht, liegt sie sogar um ein Vielfaches daneben. Roland Berger zum Beispiel geht von 200 000 Arbeitsplätzen und nicht von 35 000 Arbeitsplätzen aus.
Wie Sie sehen, habe ich die Studie ausführlicher gelesen, als Sie es vermutlich getan haben.
Viel spannender ist dieses Thema, wenn man nicht die Angaben verwendet, die RWE, Eon und Vattenfall in ihrer Öffentlichkeitsarbeit machen, sondern wenn man sich ansieht, welche Informationen die Unternehmen verbreiten, wenn sie ganz andere Ansprüche bedienen müssen. Ein Beispiel ist die Jahresbilanzpressekonferenz von Vattenfall in Stockholm.
- In Stockholm war ich schon einmal. Auf dieser Jahresbilanzpressekonferenz war ich aber leider nicht. Ich bin nicht eingeladen worden, Herr Pfeiffer. -
Dort hieß es, dass zwei Drittel des Gewinns dieses Unternehmens aus Deutschland stammen, weil man in Deutschland im Stromgeschäft besonders hohe Margen erzielen kann. Dasselbe Unternehmen erzählt uns, die Preise seien in Deutschland aufgrund der hohen Abgaben so hoch. In Schweden hingegen sagt man, in Deutschland seien besonders hohe Margen zu erzielen.
Man sollte sich auch einmal die entsprechenden Folien besorgen, die gezeigt werden, wenn RWE in London Finanzinvestoren dazu motivieren will, in die Aktien des Unternehmens zu investieren. Auf ihnen steht nämlich, dass in 80 Prozent der Kraftwerke Strom für weniger als 2 Cent produziert wird und dass man Kraftwerke vom Markt genommen hat, um eine höhere Marge erzielen zu können. Das steht auf den Folien dieses Unternehmens. Das hört sich anders an als das, was in den Pressemitteilungen steht, die dieses Unternehmen in Deutschland verbreitet.
Die Politik kann dennoch einiges tun. Wir können dazu beitragen, dass von den teuren Energieträgern weniger verbraucht wird. Die Stichworte lauten: erneuerbare Energien, Gebäudedämmung und sparsamere Verwendung. Ich hoffe nach wie vor, dass wir in Deutschland mit aller Kraft gemeinsam daran arbeiten, auf europäischer Ebene das Top-Runner-Programm zu verankern.
Dann können wir in Zukunft verlangen, dass man sich bei allen Instrumenten, Maschinen und Geräten, die verkauft werden, am Besten orientieren muss und dass fünf Jahre später nur noch Geräte verkauft werden dürfen, die mindestens so energieeffizient sind wie die besten Geräte fünf Jahre zuvor. Damit würden wir einen Wettlauf der Ingenieure auslösen, der im Interesse der Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher wäre und zu ungeahnten Ergebnissen führen würde. Wer weniger Klimaschutz will, der lässt die Verbraucherinnen und Verbraucher mit den steigenden Energiekosten allein.
Viele Umstände werden dazu führen, dass wir nie wieder niedrige Energiepreise haben werden. Die Frage ist: Schaffen wir es, zu fairen Energiepreisen zu gelangen?
Wer dazu einen Beitrag leisten will, der muss sich mit dem Oligopol auf dem Energiemarkt befassen. Denn es ist die Situation eingetreten, dass die Renditen im liberalisierten Markt höher sind, als es die Renditen vor dem Jahr 1998 in einer regionalen Monopolsituation waren. Das war nicht der Gedanke, der hinter der Liberalisierung stand. Deswegen sind wir darauf angewiesen, jede einzelne politische Maßnahme zu überprüfen: Stärkt sie das Oligopol, oder bricht sie das Oligopol auf? Ich pflichte dem Bundeswirtschaftsminister bei, wenn er sagt: Wir brauchen als Erstes mehr Kapazität auf dem Markt. Das ist richtig. Aber wir brauchen auch mehr Wettbewerber auf dem Markt, wir brauchen mehr Unternehmen auf dem Markt. Dafür braucht es eine ordnungspolitische Vorgabe, wie viel Marktdominanz wir, die Politik, zu akzeptieren bereit sind und wo wir, wie in anderen Bereichen der Wirtschaft, gegen Marktdominanz Maßnahmen ergreifen.
Bei vielen Maßnahmen kann man relativ schnell prüfen, ob sie sinnvoll sind. Eine Stärkung der Stadtwerke zum Beispiel ist sinnvoll, weil sie mehr Wettbewerb bringt. Wir sind dazu aufgerufen, bei allen Energiewirtschaftsgesetzen auf die Bedingungen, zu denen die Stadtwerke arbeiten müssen, stärker zu achten. Wir brauchen ein Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Bei der Kraft-Wärme-Kopplung treten fast immer regionale, kleine Wettbewerber gegen die Oligopolisten an. Eine Förderung der erneuerbaren Energien ist ebenfalls sinnvoll. Sinnvoll ist auch, wenn im Energiesektor ab 2013 100 Prozent der Zertifikate versteigert werden, damit es im Emissionshandel nicht länger Wettbewerbsverzerrungen gibt.
Die Grünen fordern in ihrem Antrag, bei der zweiten Emissionshandelsphase nachträglich Abschöpfungen vorzunehmen. Sie wissen, dass das schwierig ist. Als ich in meinem Archiv gekramt habe, habe ich den Brief gefunden, den ich damals als Berichterstatter Klimaschutz an Umweltminister Jürgen Trittin geschrieben habe und in dem ich vor der Verabschiedung der Emissionshandelsrichtlinie nachgefragt habe: Besteht nicht die Gefahr, dass den Energiekonzernen ungerechtfertigte Gewinne entstehen? Antwort des damaligen Umweltministers: Diese Gefahr sehe er nicht.
Wir müssen jetzt gemeinsam an der Richtlinie für die dritte Emissionshandelsperiode arbeiten. Die Gefahr ungerechtfertigter Gewinne ist erst dann gebannt, wenn 100 Prozent der Zertifikate auktioniert werden. Wir können die entsprechenden Einnahmen nutzen, um die Energiekosten der Haushalte zu senken.
Wir diskutieren immer wieder über eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke. Das ist eine Maßnahme, die für mehr Wettbewerb schädlich wäre.
Ich will Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn sich ein regionaler Wettbewerber überlegt, ein Kraftwerk zu bauen, muss der Aufsichtsrat den Eigentümern erklären, was für eine Rendite zu erwarten ist. Wenn die jetzige Politik fortgesetzt wird, wenn 100 Prozent der Zertifikate auktioniert werden, wenn bestimmte Nutzungsrechte eingeschränkt werden, ist eine Rendite von 11 Prozent zu erwarten. Vielen Finanzinvestoren wäre das zu wenig; aber ein regionaler Betreiber ist bereit, für eine Rendite von 11 Prozent zu investieren. Eine Folie weiter wird betrachtet, wie die Rendite aussieht, wenn die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert wird. Dann sinkt diese Rendite auf unter 4 Prozent, und das neue Kraftwerk ist nicht mehr refinanzierbar. Das heißt, die Entscheidung eines Unternehmens, ob es in Deutschland in den Markt einsteigt und durch Konkurrenz für niedrigere Energiepreise sorgt, steht und fällt damit, ob die Bundesregierung die Atomkraftwerke - die hoch subventioniert waren und längst abgeschrieben sind und noch heute von der Allgemeinheit subventioniert werden -
abschalten lässt, wie es vorgesehen ist. Sonst bleibt es bei der Monopolrendite, sonst bleiben 80 Prozent der Stromproduktion in den Händen von vier Unternehmen. Wir sind es also, die entscheiden, ob Unternehmen in den Wettbewerb einsteigen oder nicht.
In den Anträgen der Grünen und der FDP stehen weitere Vorschläge für mehr Wettbewerb. Zum einen geht es dabei um die Netze. Ich glaube, dass wir mit der Bundesnetzagentur auf einem guten Weg sind; allerdings gibt es bei der Netzregulierung noch Ausreißer, wie ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Bonn zeigt.
In Bonn sind 60 Prozent des Netzes im Besitz der Stadtwerke Bonn und 40 Prozent im Besitz von RWE. Die Kunden werden von den Stadtwerken Bonn beliefert; RWE bekommt Netznutzungsentgelte gezahlt. Nachdem die Bundesnetzagentur die Netzentgelte geregelt hat, darf RWE ein wesentlich höheres Netzentgelt verlangen als die Stadtwerke Bonn. Das führt dazu, dass die Stadtwerke Bonn RWE mit 4 Millionen Euro subventionieren. Ich kann nicht verstehen, wie so etwas das Ergebnis einer Netzentgeltregulierung sein kann.
Im Jahr 1995 wurde rekommunalisiert, und die Stadtwerke haben Netze zurückgekauft. Wie kann die Bundesnetzagentur die Meinung vertreten, dass der Preis, den die Stadtwerke damals gezahlt haben, zu hoch gewesen sei, und deshalb nicht anerkennen, dass die Stadtwerke die Netzentgelte zu senken haben, während die RWE-Tochter mit dem Geld, das die Stadtwerke damals gezahlt haben, Wettbewerb machen kann? Das kann nicht das Ergebnis von Regulierung sein. Wir brauchen eine Stärkung der Stadtwerke.
Die Grünen haben vorgeschlagen, Kraftwerksverkäufe und die Privilegierung neuer Wettbewerber zu prüfen. Ich habe dafür eine persönliche Sympathie, aber Sie machen an der Stelle einen Denkfehler: Sie kommen damit vor Gericht nur durch, wenn Sie nachgewiesen haben, dass Sie vorher bei der Förderung von Wettbewerbern und der Ermöglichung des Zubaus an Kapazitäten die notwendigen Maßnahmen ergriffen haben. So weit sind wir nicht. Den Menschen zu erzählen, man könne diese Maßnahmen jetzt ganz schnell ergreifen, ist schlichtweg juristisch falsch.
Noch dazu kommen viele der neuen Wettbewerber zu uns und sagen: Wenn ihr diese Privilegierung einführt, dann nutzt sie uns nur in den ersten Jahren. Wissen wir aber, ob ihr nicht nach fünf Jahren dem Nächsten dieses Vorrecht gegenüber unseren Kraftwerken gebt, sodass sich unsere Investition dann nicht mehr rechnet? - Sie säen Misstrauen in den Markt, der im Augenblick leider sehr diffizil ist und in dem die Investitionen nicht so gut fließen, wie wir uns das wünschen.
Letzter Punkt. Die FDP schlägt die Absenkung der Mehrwertsteuer vor. Ich finde das spannend. Mit Ausnahme der ersten und der letzten Erhöhung der Mehrwertsteuer waren Sie bei allen in der Regierung. Was glauben Sie, wie viel von dieser Senkung RWE und Eon wieder zurückgeben werden? Die Senkung der Mehrwertsteuer würde dem Gesamtbetrag entsprechen, der in den letzten 18 Monaten aufgrund der Preiserhöhungen der letzten Jahre mehr gezahlt werden musste. Diese Entlastung würde innerhalb kürzester Zeit wieder aufgefressen werden. Dann gäbe es eine staatliche Unfähigkeit, den Menschen bei der Senkung des Energieverbrauchs zu helfen, weil wir die dazu notwendigen Gelder unmittelbar in die Kassen der großen Energieversorger umgelenkt hätten.
Ich glaube, wenn wir das Ordnungsrecht und die Klimaschutzinstrumente stringent anwenden, dann helfen wir den Menschen sehr viel mehr als mit schnellen Sprüchen, weil wir für mehr Wettbewerb und weniger Energieverbrauch sorgen. Es gibt den alten Satz: Lieber viele erfolgreiche kleine Schritte als einen großen Spruch.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat der Kollege Martin Zeil für die FDP-Fraktion das Wort.
Martin Zeil (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Debatte deutlich geworden, dass uns ein Ziel eint: Wir wollen mehr Wettbewerb.
In der Debatte geht es um die verschiedenen Wege und Instrumente zu mehr Wettbewerb. Und Wettbewerb ist dabei ja kein Selbstzweck. Wenn wir den Wettbewerb in einer Marktwirtschaft richtig organisieren, dann kann und muss er die soziale Funktion des Marktes zum Ausdruck bringen.
Durch die gestrige Anhörung zum 3. Binnenmarkt-Paket der EU-Kommission wurden hinsichtlich des Themas Entflechtung offensichtlich unterschiedliche Wahrnehmungen ausgelöst. Es ist sicher deutlich geworden, dass insbesondere die Entflechtung auf der Eigentumsebene Ultima Ratio sein kann und muss. Herr Kollege Hempelmann, es war aber doch nicht so, dass alle gesagt haben, wir brauchten keine Entflechtungsinstrumente. Deswegen hat die FDP-Fraktion hier im Bundestag - übrigens wie das Land Hessen im Bundesrat - einen Gesetzentwurf vorgelegt, durch den der kartellrechtliche Instrumentenkasten um das Instrument der Entflechtung für alle verschiedenen Ebenen und Notwendigkeiten erweitert wird. Darüber sollten wir doch Einigkeit erzielen.
Bemerkenswert ist, dass jetzt gerade noch einmal von Herrn Kollegen Kelber, aber vorhin auch von den Grünen auf die Monopole und Kartelle Bezug genommen worden ist, die aufzubrechen seien. Während Ihrer letzten gemeinsamen Regierungszeit hatten Sie beispielsweise bei der Fusion von Eon/Ruhrgas ganz konkret Gelegenheit, die Bildung von Marktmacht zu verhindern, aber Sie haben die Ministererlaubnis von damals zu verantworten.
Herr Kollege, interessant in der Debatte ist, dass die Oppositionsparteien gerade im Verhältnis zur EU-Kommission versuchen, Modelle, über die man streitig diskutieren muss, und Konzeptionen vorzulegen, während sich die Regierung in entscheidenden Fragen der Konzeption und der Umsetzung uneinig ist. Das hat ja auch die heutige Debatte noch einmal gezeigt.
Herr Kollege Obermeier, weil Sie so stolz auf die GWB-Novelle waren - von Herrn Kollegen Kelber ist gesagt worden, es seien jüngst Briefe an die Bürgerinnen und Bürger wegen einer Preiserhöhung verschickt worden -: Diese GWB-Novelle hat, wie wir das auch vorausgesagt haben, bisher in keiner Weise zu einer Preissenkung beigetragen.
Unser Vorwurf, dass es sich um eine Placebo-Gesetzgebung handelt, ist insofern bestätigt worden.
Was die Atomkraft angeht, hat Herr Kollege Kelber gemeint, eine Laufzeitverlängerung führe zu höheren Preisen. Es geht doch letztlich um eine Wettbewerbsfrage, Herr Kollege.
Es geht darum, ob es die Aufgabe der Politik ist, aus ideologischen Gründen eine Art der Energieerzeugung vom Markt abzukoppeln und auszuschließen.
Damit verhindern Sie mehr Wettbewerb. Das Problem besteht eben darin, dass Sie ideologisch verkrampft Energiepolitik betreiben.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zum Antrag der Grünen. Sie haben sich für einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen, der armutsfest sein soll. Auch dabei rate ich zu etwas mehr Glaubwürdigkeit. Sie haben in Ihrer Regierungszeit - das war auch das erklärte Ziel - alles getan, um Energie zu verteuern. Sie haben auf die Energiepreise draufgesattelt. Dass Sie jetzt nach dem Motto ?Haltet den Dieb!? den Mindestlohn einführen wollen, ist nicht sehr glaubwürdig.
Wir brauchen auf jeden Fall mehr Wettbewerb. Ein Weg dahin kann und muss die Einführung einer Entflechtungsnorm im Kartellrecht auf nationaler Ebene sein. Wir wollen diesen Impuls auch auf die europäische Ebene übertragen. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, auf nationaler Ebene zu einer gemeinsamen Initiative zu kommen, um den Überlegungen auf EU-Ebene eine klare deutsche Konzeption entgegensetzen zu können.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Hans-Kurt Hill.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Betrug an den Stromkunden in Deutschland hat System. Ohne Rücksicht wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern von den Energieunternehmen das Geld aus der Tasche gezogen. Nun hat die Bundesnetzagentur ein Missbrauchsverfahren gegen die vier Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW eingeleitet. Es besteht der konkrete Verdacht, dass die Monopolisten künstlich teuren Strom erzeugen, obwohl billigere Energie im Netz ist.
Vorausgegangen sind, wie wir wissen, zahlreiche Überprüfungen, Kontrollen und Hausdurchsuchungen, die von den EU-Behörden angestrengt wurden. Der Vorwurf ist der Missbrauch des Strommarktes durch das Monopol. Die vier Energiekonzerne verteuern den Strom künstlich, behindern den Ausbau erneuerbarer Energien und kassieren bei den Stromkundinnen und Stromkunden jährlich Milliarden Euro zu viel. Wir nennen das Diebstahl per Steckdose. Das muss ein Ende haben.
Doch was tut die Bundesregierung? Nichts! Was noch viel peinlicher ist: Die EU-Kommission macht ihre Arbeit, aber was machen Sie, meine Damen und Herren von der Regierung? Sie reden dem Energiekartell auch noch das Wort und blockieren. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich? Auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger offenbar nicht.
Sie führen im Kanzleramt die üblichen Branchengespräche mit den Strombossen. Wir haben im Wirtschaftsministerium nachgefragt. Aber es wird nicht verraten, was Gegenstand dieser Treffen ist. Wir fordern Sie auf, das Parlament und die Verbraucherinnen und Verbraucher in vollem Umfang über diese Gespräche zu informieren. Das ist unser gutes Recht. Denn wer sich so verhält, sieht sich zu Recht dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ausgesetzt. Frau Höhn ist bereits darauf eingegangen.
Sprechen wir es offen aus: Auch die Nähe einzelner Abgeordneter mit Regierungsverantwortung zur Energiewirtschaft ist meines Erachtens unübersehbar. Ich gebe Herrn Kelber darin recht, Frau Höhn: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Ich erinnere nur an die Frau Kollegin Rösel, die zwischenzeitlich bei einer Tochtergesellschaft von Eon beschäftigt war
- Entschuldigung, Frau Röstel! -, und den ehemaligen Kollegen Rezzo Schlauch, der heute im EuBW-Beirat sitzt. Das muss man ebenfalls in Betracht ziehen.
Ich fordere die Regierung auf, endlich etwas zu unternehmen. Unterstützen Sie die EU in ihren Bemühungen! Zerschlagen Sie endlich die Stromkartelle und schaffen Sie faire Bedingungen auf dem Energiemarkt! An die Adresse der EU: Mit dem Energiezirkus in ganz Europa muss endlich Schluss sein.
Immerhin wurden einige Vorschläge, die die Linksfraktion bereits 2006 in den Bundestag eingebracht hatte, aufgegriffen. Ich nenne nur die Erhöhung des Wohngeldes unter Einbeziehung der Heizkosten und Sozialtarife für arme Haushalte. Über die sogenannten Watchdogs, Verbraucherbeiräte, zur Stärkung der Verbraucherrechte auf dem Strommarkt wird ebenfalls diskutiert.
Was jetzt noch fehlt, ist: Nehmen Sie den Kartellen die Stadtwerksbeteiligungen weg! Herr Meyer hat darauf hingewiesen, dass sich 21 Stadtwerke an einem Kraftwerk beteiligt haben. Schauen Sie genau hin, um wen es sich dabei handelt, wie viel Prozent in den Händen der großen Energiekonzerne liegen! Trennen Sie den Netzbetrieb von der Stromerzeugung! Überführen Sie die Stromübertragungsnetze in die öffentliche Hand! Führen Sie die Strom- und Gaspreisaufsicht wieder ein! Kassieren Sie die unerlaubten Gewinne der Stromkonzerne in Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro jährlich aus dem Emissionshandel über eine Abschöpfungsteuer!
Zum Antrag der Grünen möchte ich noch sagen: Frau Höhn, gut abgeschrieben von unseren Anträgen.
Ich sehe, dass sich die Politik der Linken auch bei Ihnen zunehmend durchsetzt. Allerdings ziehen Sie teilweise falsche Schlüsse. Als sogenannte Ökopartei versuchen Sie sich zwar in der Beantwortung sozialer Fragen. Aber Energie kann Ihnen nicht teuer genug sein, und zwar ohne sozialen Ausgleich für arme Haushalte. Das verstehe ich nicht.
Ich fasse zusammen: Die Linke will, dass Energie wieder bezahlbar wird und bleibt. Das geht langfristig nur mit einer radikalen Energiewende hin zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Kurzfristig brauchen wir einen fairen Ausgleich. Das bedeutet, die Energiekosten insbesondere für private Haushalte mit geringem Einkommen müssen sofort wirksam gesenkt werden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns darüber einig - das ist schon angeklungen -, dass seit dem Beginn der Liberalisierung 1998 einiges passiert ist - und zwar auf dem Strommarkt mehr als auf dem Gasmarkt -, aber bei weitem noch nicht genug. Wir haben gemeinsam das Ziel, den Wettbewerb weiter zu forcieren und zu stärken. Dabei gibt es einige Dinge zu bedenken, auf die ich später eingehen möchte.
Zuerst möchte ich auf die Anträge zu sprechen kommen. Die FDP fordert in ihrem Antrag einen verbesserten Zugang zu den Kraftwerken - Frau Kopp, das haben wir mit der Kraftwerksanschlussverordnung erreicht -,
einen beschleunigten Ausbau der Kuppelstellen - das ist auf dem Weg - und beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz ist verabschiedet und in Kraft, hat aber nicht die Wirkung, die wir alle wollen. Deshalb werden wir im Rahmen des zweiten integrierten Klima- und Energiepaketes im Mai mit dem Energieleitungsausbaugesetz die Rechtswege und die Planungsprozesse verbessern. Sie fordern des Weiteren mehr Transparenz beim Stromhandel. Auch hier sind wir auf dem richtigen Weg.
Ein anderes Stichwort ist die Marktdurchdringung durch intelligente Zähler. Mit der Liberalisierung des Mess- und Zählwesens werden wir einen völlig neuen Weg beschreiten. Es wird dort zu ganz anderen Entwicklungen kommen, wenn das, was in anderen Bereichen wie der Telekommunikation durch moderne Technologie ermöglicht wurde, auch in den Haushalten Einzug hält. Der Bürger weiß dann, wie viel Strom er verbraucht und wie viel er dafür bezahlt. Er wird zukünftig nicht einmal im Jahr eine Rechnung bekommen - das ist wie eine Blackbox - und Vorauszahlungen leisten, sondern genau wissen, wie viel Strom der Fernseher und andere Elektrogeräte im Stand-by-Modus verbrauchen. Wir sind auch hier auf dem richtigen Weg.
Ich könnte das fortführen: Reduzierung der Marktgebiete bei Gas. Natürlich gibt es zu viele Marktgebiete. Wir reduzieren sie jetzt auf acht, aber auch das sind noch zu viele. Insofern kann ich sagen: Ihr Antrag beschreibt eigentlich unser Tun.
Sie sollten uns eigentlich dafür loben, denn die Dinge, die Sie fordern, sind Dinge, die wir fast alle schon umgesetzt haben. Im Übrigen sind wir dabei, die wenigen Dinge umzusetzen, die noch nicht umgesetzt sind.
Jetzt zu dem Antrag der Grünen. Frau Höhn, Sie haben vorhin gesagt, die Bundesregierung und der Bundeswirtschaftsminister würden zu wenig in Richtung Entlastung und Wettbewerb tun. Sie müssen sich schon eines fragen lassen, was der Kollege Kelber vorhin angesprochen hat. Wenn ich mich richtig erinnere, so war eine der größten preistreibenden Aktionen im Strombereich der letzten Jahre der Emissionshandel, aber nicht deshalb, weil der Emissionshandel falsch ist, sondern weil er falsch angegangen wurde. So wurden die Emissionszertifikate kostenlos an die Energieerzeuger vergeben, was zu Windfall Profits in Höhe von 5 Milliarden Euro geführt hat.
- Stimmt es, oder stimmt es nicht?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Selbstverständlich, gerne.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Bitte sehr, Frau Höhn.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Pfeiffer, Sie haben gerade eben gesagt, der größte Fehler sei gewesen, den Emissionshandel ohne Versteigerung zuzulassen. Sagen Sie doch bitte, wie viel Versteigerung die EU in der ersten Periode überhaupt zugelassen hat. Bitte beantworten Sie einmal die Frage, wie viel man hätte machen können.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Die beantworte ich Ihnen sehr gern, zunächst einmal mit einer Gegenfrage: Wer hat denn in dieser Zeit die entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzt? Die sind doch nicht in Brüssel vom Himmel gefallen, sondern aufgrund nationaler Vorschläge
dort erarbeitet worden. Dort war derselbe Umweltminister, der den Emissionshandel in Deutschland so eingeführt hat. Herr Kollege Kelber hat vorhin vorgelesen, dass gesagt wurde, dass keine höheren Preise und keine Windfall Profits zu erwarten seien.
- Sie dürfen ruhig stehenbleiben, ich bin noch bei der Beantwortung Ihrer Frage.
- Die Frage ist noch nicht beantwortet, Frau Höhn. - Der bvek hat ausgerechnet, dass letztlich der Verbraucher jährlich 5 Milliarden Euro mehr zu zahlen hat. Das sind die Fakten. Insofern frage ich Sie: Wer hat dazu beigetragen?
Auch zum Thema Emissionshandel äußern Sie sich in Ihrem Antrag ambivalent. Wir wollten den Emissionshandel als marktwirtschaftliches Instrument - darin waren wir uns einig -, mit dem man versucht, die externen Kosten zu internalisieren, weil der Emissionshandel diesen einen Preis gibt. Der Fehler bisher war in der Tat, dass die Zertifikate unentgeltlich vergeben wurden. Jetzt werden 10 Prozent auktioniert. Das aber hat die Große Koalition beschlossen. Wir werden in der dritten Periode auf jeden Fall eine hundertprozentige Auktionierung haben.
Wenn wir das aber anstreben und dieser Emissionshandel mit dem Cap and Trade funktioniert, dann wird über dieses Instrument auch gesteuert, wie der Kraftwerkspark in Zukunft aussieht. Das betrifft auch den Umweltaspekt. Wenn wir die CO2-Emissionen jährlich senken, dann wird die Stromerzeugung für diejenigen, die Emissionen erzeugen, teurer. Deshalb werden die Emissionshandelspreise steigen, was auch Auswirkungen auf die Kosten der Kohlekraftwerke haben wird. Wir brauchen den Emissionshandel als funktionierendes Instrument. Wir dürfen aber nicht - was Sie fordern - den Neubau von Kohlekraftwerken, die noch effizienter sind, verbieten. Sie sollten sich einmal ordnungspolitische Gedanken machen, weil diese Dinge sonst nicht zusammenpassen.
Auch einen weiteren Punkt in Sachen Preistreiberei muss man der Ehrlichkeit halber ansprechen. Der größte Preistreiber neben dem, was ich gerade ausgeführt habe, war und ist der Staat. Von 1998 bis 2005 - man kann es nicht oft genug wiederholen - sind die staatlich administrierten Abgaben von 6,5 Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro gestiegen. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer, die Kollege Obermeier angesprochen hat.
- Haben Sie noch eine Frage? Sie möchte noch eine Frage stellen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Es sieht nicht so aus, Herr Kollege.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/8536 und 16/8079 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 16/8536 soll federführend beim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie beraten werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 154. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 11. April 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]