Motorik, Spracherziehung, Raumerfahrung - all das vereint sich in diesen klangvollen Momenten, in denen die Kinder spielerisch lernen und sich nicht scheuen, mit den Instrumenten etwas auszuprobieren. "Trommeln ist am schönsten", schwärmen Brian und Pia-Marie. Und im Kreis zu hüpfen, finden die beiden Fünfjährigen, "ist auch klasse!" Deren strahlende Gesichter unterstreichen, was Experten einen "nachweislich positiven Effekt auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, auf Konzentrationsfähigkeit und soziale Kompetenz" nennen.
Musik und aktives Musizieren sollte in Kindergärten auf keinen Fall zu kurz kommen, findet auch die Bertelsmann Stiftung und unterstützt ein niedersächsisches Fortbildungsprojekt für Erzieherinnen und Erzieher unter dem Titel "Kita macht Musik", ein bundesweit einzigartiges Projekt. Es soll mithelfen, die Musikerziehung in Kindertageseinrichtungen zu verbessern. Kursanbieter sind die Volkshochschulen, den Unterricht gestalten musikpädagogische Fachkräfte der örtlichen Musikschulen. Grundlage ist eine Kooperation des Landesverbandes niedersächsischer Musikschulen mit dem Verband der Volkshochschulen Niedersachsens, genauer dem Verbund vhsConcept, dem mehr als 60 Volkshochschulen des Landesverbandes angehören und der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales Weiterbildungsprogramme und Lehrgänge zur Qualifizierung und Fortbildung anzubieten.
Mit ihrem Projekt stoßen die Kooperationspartner in eine Lücke, die es angesichts von PISA eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn Musik, hat der Frankfurter Pädagogikprofessor Hans Günther Bastian in einer Langzeitstudie herausgefunden, "macht klug". Wer ein Instrument lernt, fordert seine Intelligenz heraus. Das ist nicht die einzige Erkenntnis. So fördere musikbetonter Unterricht auch die soziale Kompetenz, begünstige eine emotional positive Stimmung im Klassenverband und dämpfe Aggressionspotenziale und Vandalismus. Zwei Stunden Musikunterricht in der Woche - davon kann der Pädagogikprofessor allerdings nur träumen. Die Realität sieht anders aus. Nicht selten spielt Musizieren im Unterricht überhaupt keine Rolle.
Eine Entwicklung, von der auch Beschäftigte in Kindertagesstätten ein Klagelied singen können. "Musik war das erste, was während der Ausbildung aus dem Stundenplan gestrichen wurde. Und für musikalische Fortbildungen fehlt das Geld", berichtet eine Erzieherin, die im Volkshochschulverband Lilienthal, Zeven, Osterholz an "Kita macht Musik" teilnimmt. Auch Sina Schneider macht hier mit. Sie ist eine von 16 Frauen, die nach der Arbeit nicht die Füße hochlegen, sondern für ihren Job nochmal ordentlich powern. Bis in den späten Freitagabend hinein und sonnabends von 9 bis 18 Uhr steht für sie bis Januar nächsten Jahres Unterricht in Stimme und Singen, Rhythmuserfahrung, Musik und Bewegung sowie Instrumentalspiel auf dem Plan. Hinzu kommen noch lernpsychologisches und musikphysiologisches Hintergrundwissen sowie methodisch-didaktische Anregungen für die praktische Umsetzung im Arbeitsalltag. Vor allem darum geht es bei der Fortbildung. Kinder an Musik heranzuführen und sie anzuregen, sich intensiver mit ihr zu beschäftigen.
Damit soll Musikschulen und Musikfachkräften keineswegs Konkurrenz gemacht werden, betont Ute Welscher, Projektleiterin für musikalische Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung. Es gehe vielmehr darum, den "sicheren und selbstbewussten Umgang mit den eigenen musikalischen Fähigkeiten zu vermitteln", damit man Mädchen und Jungen in Kindertageseinrichtungen ein ansprechendes Vorbild sein könne und eine Umgebung schaffe, die den Kindern vielfältige musikalische Reize beschert. Ute Welscher: "Gemeinsames Singen und Tanzen, Bewegungsspiele, Klatsch- und Fingerspiele sowie das Experimentieren mit Klängen und Geräuschen sind Anregungen, die Kinder benötigen, um ein eigenes musikalisches Handlungsrepertoire entwickeln zu können."
Die Kursteilnehmerinnen sind nicht nur hoch motiviert. Sie lassen sich diese Motivation inklusive Abschlussarbeit auch etwas kosten. Rund 450 Euro pro Person müsse man für die Fortbildung rechnen, sagt Ute Welscher. Die Bertelsmann Stiftung schießt pro Person 125 Euro hinzu. Auch wenn die Träger zu den Gebühren noch etwas beisteuern, für den Großteil der Fortbildungskosten greifen die Erzieherinnen und Erzieher in die eigene Tasche. "Würden wir die Fortbildung mit einer höheren Summe bezuschussen", so die Projektleiterin der Bertelsmann Stiftung, "ist die Chance geringer, dass das Projekt weiterläuft."
Noch ist "Kita macht Musik" Modellversuch in nur einem Bundesland. Ziel ist jedoch, das Kooperationsmodell zwischen Kindertagesstätten, Volkshochschulen und Musikschulen auch auf andere Bundesländer zu übertragen. Und zwar ohne Bezuschussung. Von Seiten der Stiftung ist das Projekt bis Mitte 2007 genehmigt.
30 niedersächsische Kommunen machen derzeit mit. Ein großes Interesse, das Ute Welscher auch wegen der hohen Rückmeldequote freut. Zum Projekt gehört eine Evaluation, die den Einfluss der Fortbildung auf die Häufigkeit und Qualität der musikalischen Angebote in den Kindertagesstätten beleuchtet und die Kooperation zwischen Volkshochschule und Musikschule in den Blick nimmt, auch um zu sehen, in welchen Bereichen das Projekt noch verbesserungsbedürftig ist. Im kommenden Jahr liegen die Ergebnisse der Evaluation dann schriftlich vor, so dass andere Bundesländer von den Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren und die Übertragbarkeit des Konzepts prüfen könnten. Ute Welscher hofft auf einen Schneeballeffekt von Verband zu Verband. Interesse ist bereits signalisiert worden.
Internet: www.bertelsmann-stiftung.de
Die Autorin ist Historikerin und arbeitet als freie Journalistin in Bremen.