Ich bin in die Politik aus der Erkenntnis eingestiegen, dass sich etwaige Missstände nur marginal in Selbstgesprächen bekämpfen lassen." Also, Humor hat der gebürtige Münchner Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, der für die CSU seit zwei Jahren im Deutschen Bundestag sitzt. Ausnahmsweise stellt sich für die Interviewerin die Frage nach der korrekten Anrede. "Herr zu Guttenberg" war namensrechtlich knapp daneben formuliert. "Freiherr zu Guttenberg" hätte es heißen müssen. Aber dem Parlamentarier ist das gleichgültig, wie er sagt. Zu Guttenberg wurde mit sehr viel Rückenwind nach Berlin geschickt. Den Wahlkreis Kulmbach holte er mit überwältigenden 63 Prozent. Einmal im Deutschen Bundestag zu sitzen hatte sich Guttenberg nicht ausgemalt: "Grundsätzliches Ziel war, sich effektiv politisch zu äußern, was nicht zwingend mit einem Mandat verbunden sein muss", findet der Jung-Politiker. Diesem Mandat mit entsprechendem Fleiß gerecht zu werden, ist für ihn wichtig. Da sich seine Erwartungen daran nicht in Träumereien erschöpften, wie er sagt, hätten sich diese positiv wie negativ weitgehend erfüllt. Eine Leistungsbilanz zur Halbzeit sollten allerdings andere ziehen, findet er. Für sich selbst resümiert er: "In gewissen Themenbereichen hat die notwendige Tiefe und Horizonterweiterung Platz gegriffen. Die Arbeitsbilanz ist erwartungsgemäß erheblich."
Dass zu Guttenberg ein Mensch ist, der sich viel vornimmt, zeigt sein beruflicher Werdegang: Studium der Rechts- und Politikwissenschaften mit Prädikatsexamen; mit 23 Jahren leitet er den Familienbetrieb in München und Berlin. Er sammelt Erfahrungen bei beruflichen Stationen in Frankfurt und New York. Auch während seiner Mitgliedschaft im Parlament bleibt er Geschäftsführer in der freien Wirtschaft. Außerdem ist zu Guttenberg Mitglied des Kreistages in Kulmbach, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin sowie Vorsitzender des Neuen Akademischen Forums in München.
Dass ihm zeitweise als freier Journalist bei der Tageszeitung "Die Welt" der Umgang mit Sprache Spaß gemacht hat, merkt man seinen Antworten an. Auf die Frage, worin er die größte Herausforderung des Oppositionspolitikers sieht, antwortet er: "Die Eroberungsmöglichkeit von Windmühlen zu beweisen, sowie die Furchen auf der Stirn manches Regierungspolitikers so zu vertiefen, dass hieraus stützenswerte Handlungsmaximen erwachsen." Schnell auf den Punkt zu kommen und Dynamik zu vermitteln, das scheint zu Guttenbergs Selbstverständnis zu sein. Heute umschreibt er sein Verhältnis zu den Medien als Politiker so: "Es definiert sich aus dem Verständnis, das ich bei den Medien gewinnen durfte. Großer Respekt wie völlige Verständnislosigkeit dürfen beidseitig nie ausgeschlossen werden."
Der 32-Jährige konzentriert sich im Auswärtigen Ausschuss auf die transatlantischen Beziehungen im weitesten Sinne, insbesondere auf das Verhältnis zu den USA im Sinne einer Rückkehr zu einer Balance-Rolle Deutschlands. Und er befasst sich mit dem Balkan, China und Frankreich. Im Unterausschuss Abrüstung und Rüstungskontrolle beschäftigt er sich mit den Entwicklungen in der Region, die unter der Bezeichnung "weiterer Mittlerer Osten" firmieren, aber auch mit Nordkorea, Russland und China. Als Stellvertreter gehört er dem Ausschuss für Menschenrecht und humanitäre Hilfe an. Außerdem sitzt er in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und in der Versammlung der WEU, die Interparlamentarische Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung.
Ins kalte Wasser springen zu müssen und keine Schwimmflügel zu haben, das schätzt zu Guttenberg. So empfand er es auch bei seiner ersten Rede in der Kernzeit des Parlaments. Es ging um Mazedonien. Auf die Frage, welche Eigenschaften denn seiner Meinung nach ein Bundestagsabgeordneter unbedingt mitbringen muss, um erfolgreich zu arbeiten, lautet seine Antwort: "Er muss zwei Wechselspiele begreifen: zum einen das zwischen Hartnäckigkeit und Geduld, zum anderen das zwischen dem Verständnis der eigenen Verzichtbarkeit und gelebter Bürgernähe."
Zwischen Berlin und seinem Wahlkreis Kulmbach zu pendeln bedeutet für den jungen Politiker natürlich auch eine Herausforderung. "Der Spagat gelingt hervorragend, solange er komplementär und nicht konkurrierend gestaltet wird", so seine Erfahrung. Für zu Guttenberg steht der Einsatz für die Wirtschaft im Wahlkreis ganz oben: "Um wirtschaftlich wieder an die europäische Spitze zu rücken, braucht Deutschland eine starke, tatkräftige und reformwillige Politik. Eine Politik, die dafür sorgt, dass unsere Region Oberfranken wieder auf eine verlässliche wirtschaftliche Ordnung vertrauen kann. Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt müssen den Arbeitnehmern Sicherheit und den Betrieben mehr Beweglichkeit geben."
Wer den dynamischen Parlamentarier besser kennen lernen möchte, kann dies demnächst auf seiner neu gestalteten Homepage. Dem Auftritt im Netz misst er eine enorme Bedeutung bei. "Andernfalls würde die Überarbeitung nicht so kläglich lange dauern", sagt er. "Die fühlbare Sprachlosigkeit gegenüber der jüngeren Generation lässt sich nicht durch Aufoktroyieren eigener, archaischer Mittel überwinden." Das meint ganz einfach die Notwendigkeit, über das Netz mit der Internet-sozialisierten Jugend ins Gespräch zu kommen.
Kurz ist zu Guttenbergs Antwort auf die Frage, wie er denn von der Politik abschaltet: "Diesen Schalter betätigen meine Kinder." Es kam Nachwuchs während seiner jungen MdB-Zeit. Außen- und Familienpolitik scheinen sich also nicht auszuschließen.