Mit Fachtagungen und Podiumsdiskussionen begleiteten EU-Kommission, Parlament und Umweltverbände vergangene Woche in Brüssel den Auftakt der Weltklimakonferenz in Nairobi. In Teilen Europas waren am Samstag davor zeitweise die Lichter ausgegangen, weil der deutsche Energieversorger Eon eine Hauptleitung abgeschaltet hatte. Eine bessere Illustration für ihre Forderung, die Energiepolitik in Europa müsse besser koordiniert werden, hätten sich EU-Kommission und Europäisches Parlament kaum wünschen können: Der Stromausfall demonstrierte eindrucksvoll, wie stark die Verbraucher und die Energieversorger in der EU mittlerweile vernetzt sind.
Energiekommissar Andris Piebalgs griff eine Forderung von Kommissionspräsident José Manuel Barroso wieder auf, der eine europäische Regulierungsbehörde für die Energieversorgung fordert. Piebalgs sagte nach dem Blackout: "Wir haben ein europäisches Netz - und das muss auch auf EU-Ebene verwaltet werden." Der grüne Abgeordnete Claude Turmes wandte sich auf einer Podiumsdiskussion im EU-Parlament gegen den Vorwurf von Eon, das deutsche Netz werde durch unregelmäßige Einspeisungen aus Offshore-Windanlagen destabilisiert. Das Problem liege vielmehr darin, dass den großen Stromkonzernen das Netz gehöre und sie auch über Investitionen entscheiden könnten: "Welches Interesse könnte Eon daran haben, sein Netz so auszudehnen, dass es gut an die Offshore-Anlagen in der Nordsee angebunden wäre? Keinerlei Interesse!" Die oligarchische Struktur der europäischen Energiebetreiber verhindere einen funktionierenden Markt mit Energie und sei eine Gefahr für die Demokratie. Turmes plädiert dafür, stattdessen kleine regionale Versorgungsstrukturen zu fördern.
Verfehlte europäische Förderpolitik macht der britische Energieberater Anthony Froggatt dafür verantwortlich, dass es erneuerbare Energien auf dem europäischen Strommarkt so schwer haben. Bei der Energiedebatte im Europaparlament erinnerte er daran, dass zwei der drei Gründungsverträge der EU - die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl und Euratom - aus dem Bestreben entstanden seien, die Energiesicherheit durch Gemeinschaftsverträge zu verbessern. Doch die Förderpolitik der Gemeinschaft sei nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Noch immer würden 65 Prozent der Forschungsmittel der Mitgliedstaaten in die Nuklearforschung fließen. Auf fossile Brennstoffe entfielen 11 Prozent, für erneuerbare Energien und Energieeffizienz blieben jeweils 12 Prozent der Fördermittel. Auch Jean-Arnold Vinois aus der Generaldirektion Energie übte scharfe Kritik an der aktuellen Energiepolitik der Mitgliedstaaten. "Wir sind auf Kurs in eine Zukunft mit instabiler, umweltverschmutzender und unsicherer Energieversorgung", sagte der Kommissionsbeamte. Für Januar kündigte er einen Vorschlag der Kommission für mehr Netzsicherheit an. Die Option für die Atomenergie müsse allerdings offen bleiben. "Wir befinden uns in einer Übergangsphase hin zu einer CO2-freien Zukunft. Da brauchen wir alle Energieträger, die den Klimawandel stoppen können." Einigkeit herrscht zwischen Kommission, Parlament und Energieexperten allerdings immerhin darin, dass die Ziele Europas für die nächste Runde der Kioto-Verhandlungen zum Klimawandel weiter ehrgeiziger ausfallen müssen.