Für die erfolgsverwöhnten Hamburger Christdemokraten sind schwierigere Zeiten angebrochen. Die Partei, der 2004 das historische Kunststück gelang, in Hamburg die absolute Mehrheit der Stimmen einzusammeln, ist in der Wählergunst abgesackt. Eine Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der "Hamburger Morgenpost" riss die Mitglieder der Partei aus ihren Träumen, bei der Wahl 2008 mit dem "Bürgermeister-Bonus" des beliebten Stadtoberhaupts Ole von Beust die Opposition ein weiteres Mal locker an die Wand spielen zu können. Demnach würde die CDU in der Hansestadt derzeit nur noch 35 Prozent der Stimmen erhalten, während die von einer Führungskrise erschütterte Hamburger SPD mit 36 Prozent als stärkste Kraft in die Bürgerschaft einzöge.
Bitter für die CDU: Noch im August 2006 lag sie in Hamburg - auch damals schon gegen den Bundestrend - bei 44 Prozent. Der rasante Absturz gilt unter politischen Beobachtern denn auch als "selbst gemacht". Genannt wird vor allem ein Grund: Die von den Christdemokraten im Alleingang beschlossene Änderung des Wahlrechts, das in Hamburg nach einer Volksabstimmung 2004 in Kraft getreten war. Es schränkte, was der Hamburger CDU-Führung nicht passte, den Einfluss der Parteien über die Listen deutlich ein und setzte stattdessen stärker auf direkte Personenwahl durch so genanntes Kumulieren, die Zusammenlegung von Stimmen, oder das Panaschieren, die Möglichkeit Kandidaten verschiedener Wahlvorschläge auf einem Stimmschein zusammenzustellen.
So wurde das Wahlgesetz per Bürgerschaftsbeschluss im Oktober geändert - und die Möglichkeit der Direktwahl einzelner Abgeordneter deutlich geschwächt. Die Reihenfolge auf den Landeslisten der Parteien ist nun wieder unabänderlich, während die Hamburger 2004 dafür gestimmt hatten, dass einzelne Kandidaten durch direktes Ankreuzen gezielt gestärkt werden können. Durch die Stadt ging ein Aufschrei, auch Prominente wie die Schauspielerin Hannelore Hoger und der Politikwissenschaftler Michael Th. Greven kritisierten den "selbstherrlichen Umgang" der Partei mit Volkes Wille. Zwar gab es auch in der SPD etliche, die die Änderung hinter vorgehaltener Hand begrüßten - doch offiziell wurde die Maßnahme als "CDU-Wahlrechtsraub" angeprangert. Die Christdemokraten hatten sich verkalkuliert. In der Annahme, dass die komplizierte Materie kaum hohe Wellen schlagen würde, hatten sie - auch gegen Mahnungen aus den eigenen Reihen - schließlich bis auf einen Abgeordneten geschlossen dafür gestimmt, sich über den Volksentscheid hinwegzusetzen.
Als nach Bekanntwerden des Absturzes in der Wählergunst der parteiinterne Katzenjammer gerade erst einsetzte, erreichte die Mitglieder bereits die nächste Hiobsbotschaft: Ausgerechnet Wolfgang Peiner, der Finanzsenator und als Erfinder des Konzepts "Wachsende Stadt" auch Visionär des Senats, kündigte seinen Rücktritt zum Jahresende an. Der profilierte Politiker, der vor seinem Amtsantritt 2001 Vorstandschef der Gothaer Versicherungen gewesen war, kündigte an, wieder in die Wirtschaft zurückgehen zu wollen. Schon immer sei für ihn klar gewesen: "Politik ist nur eine Sache auf Zeit." Alle Versuche des Bürgermeisters, ihn umzustimmen, scheiterten. Und die "Bild"-Zeitung titelte: "Mit Peiner verliert von Beust seinen besten Mann." Die Oppositionsparteien beschworen bereits den Anfang vom Ende des Senats Beust - da gelang dem Bürgermeister ein Befreiungsschlag. Um eine lähmende Nachfolgedebatte zu vermeiden, regelte von Beust blitzschnell und mit einhelliger Zustimmung der Fraktion, wer Peiners Nachfolger als zweitmächtigster Mann des Senats werden sollte - Bausenator Michael Freytag, der bereits im kommenden Jahr auch den Parteivorsitz von Dirk Fischer übernimmt. Die Senatskrise fiel aus, und in der Öffentlichkeit war vom "Wahlrechtsraub" wie von den schlechten Umfrageergebnissen angesichts des überraschenden Revirements im Rathaus zunächst nicht mehr die Rede.