Angesichts dieser Szenarien mochte sich dann auch keiner der Politiker, die sich am 9. November an der Klimaschutzdebatte des Deutschen Bundestags beteiligten, den Vorwurf einhandeln, das Problem zu unterschätzen. In seltener Übereinstimmung sprachen sich die Redner aller Fraktionen für mehr Klimaschutz aus - und sie alle betonten, Deutschland müsse bei der gerade stattfindenden 12. Klimaschutzkonferenz in Nairobi eine besondere Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz spielen.
Der Grünen-Umweltpolitiker Reinhard Loske zeigte sich besorgt: Der Stern-Bericht lasse befürchten, "dass alles noch schlimmer als bislang angenommen wird, wenn wir nicht vorsorglich handeln". Angesichts der anstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft müsse sich Deutschland "verbindlich vornehmen", den CO2-Ausstoß, der als Auslöser der globalen Erwärmung gilt, bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. Dieses Ziel vertrat auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Die hohe Reduzierung in Deutschland sei nötig, damit man in ganz Europa auf eine Minderung von insgesamt 30 Prozent kommen könne. Gabriel betonte, in den elf Monaten der Großen Koalition sei mehr für den Klimaschutz erreicht worden als "jemals zuvor". Sie habe 1,4 Milliarden Euro in die energetische Gebäudesanierung zur Senkung des CO2-Ausstoßes investiert und die Mittel für Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien fast verdoppelt. Auch der Umweltexperte der Unions-Fraktion, Josef Göppel (CSU), unterstrich, die Maßnahmen der Koalition seien "wichtige Voraussetzungen für die Verhandlungsposition der deutschen Delegation in Nairobi". Man werde sich dort um eine Nachfolgeregelung des Kioto-Protokolls ab 2012 bemühen.
Die Opposition teilte die positive Einschätzung nicht: Der Klimaschutz liege auf nationaler Ebene "im Argen", so der FDP-Umweltexperte Michael Kauch. Die Minderungsziele des Nationalen Allokationsplans, der Höchstgrenzen für den CO2-Ausstoß festlegt, seien zu niedrig. Es sei ein Fehler, dass sich Wirtschaftsminister und Umweltminister weigerten, einen Teil der Emissionsrechte zu versteigern, wie es die EU-Richtlinie erlaube. Auch Loske bemängelte diese Entscheidung: Die Einnahmen einer solchen Versteigerung - etwa 500 Millionen Euro - könnten für ein Effizienzprogramm verwendet werden. Der Umgang mit dem Emissionhandel sei der "entscheidende Lackmus-test für die Glaubwürdigkeit der Regierung". Die Sprecherin der Linksfraktion, Eva Bulling-Schröter, erklärte, der Stern-Bericht lasse an Deutlichkeit "nichts zu wünschen übrig". Er zeige, dass "verhinderter Klimaschutz irgendwann Volkswirtschaften erdrosseln kann". Deutschland müsse die zugesagten Mittel für den UN-Fonds zur Anpassung an den Klimawandel verdoppeln.
Bei aller gemeinsamer Sorge um die Folgen des Klimawandels besann man sich spätestens bei der Abstimmung wieder auf die Fraktionsgrenzen: Ein Antrag der Liberalen, eine "Klimaschutz-Offensive 2006" zu starten ( 16/242 ), wurde von Union, SPD und Linksfraktion gegen die FDP bei Enthaltung der Grünen ebenso abgelehnt wie ein Antrag zur Bekämpfung des Klimawandels der Grünen ( 16/898 ) mit den Stimmen der Koalition gegen die von Linksfraktion und Grünen bei Enthaltung der FDP. Anträge der Opposition zum Klimaschutz (Bündnis 90/Die Grünen, 16/3283 ), zu den Kioto-II-Verhandlungen (Die Linke, 16/3026 ) und zum Nationalen Allokationsplan (FDP, 16/3051 ) wurden in den Umweltausschuss überwiesen.