Nichts kommt von selbst. Straßen, Schulen, Arbeitslosengeld — alles kostet. Die Mittel muss sich der Staat bei Bürgern, Unternehmen und Organisationen besorgen. Die oberste Verpflichtung des Parlamentes: Dass es bei den Steuergesetzen so gerecht und nachvollziehbar wie eben möglich zugeht.
Im alten Ägypten maßen sogenannte „Nilometer“, wie hoch die Überschwemmung jeweils ausgefallen war. Daraus konnten die „Finanzbeamten“ des Pharaos berechnen, wie hoch die Erträge der Bauern aller Erfahrung nach ausfallen werden, wie hoch also die Abgabenpflicht an den Staat sein durfte, ohne den Landwirt zu unter- oder überfordern. Das Prinzip ist geblieben: Besteuert wird nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Wer wenig verdient, zahlt wenig. Wer mehr verdient, zahlt mehr.
Daneben hat der Bund zahlreiche Feinjustierungen eingeführt. So steigt zwar weiterhin der Steuersatz, je mehr ein Bürger verdient. Doch sowohl der Höchst- wie der Eingangssteuersatz sind mehrfach heruntergesetzt worden. Der eine von 53 auf 42, der andere von 25,9 auf 15 Prozent. Inzwischen stieg der Spitzensteuersatz für bestimmte Einkünfte oberhalb von 250.000 Euro (Ledige) und 500.000 Euro (Verheiratete) wieder auf 45 Prozent. Andererseits setzte der Bundesgesetzgeber den Grundfreibetrag, der also völlig steuerfrei bleibt, von 6.322 auf 7.664 Euro hinauf. Hinzu kommen steuerliche Erleichterungen für Verheiratete, für Familien, Alleinerziehende und zahlreiche weitere persönliche Umstände.
Nach der Umsatzsteuer macht die Lohn- und Einkommensteuer den zweitgrößten Anteil unter den Staatseinnahmen aus. Der Bund rechnet daraus im Jahr 2007 mit 62,2 Milliarden Euro Einnahmen, bis zum Jahr 2010 soll der Betrag sogar auf 67 Milliarden Euro ansteigen. Und das ist nur ein Teil der eingenommenen Einkommensteuer. Denn viele Steuern teilen sich Bund, Länder und Gemeinden. Von der Einkommensteuer gehen beispielsweise je 42,5 Prozent an Bund und Länder und 15 Prozent an die Kommunen. Die Einkommensteuer wird nicht nur auf die klassischen Löhne und Gehälter erhoben. Sie gilt daneben für die sechs weiteren Arten von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieben, aus selbstständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und aus sonstigen Einkünften, wozu beispielsweise Renten oder Spekulationsgewinne gehören.
Größter „Brocken“ aus Sicht des Bundes ist die Umsatzsteuer. Sie funktioniert im Prinzip ganz einfach: Diese Steuer begleitet jedes Produkt, ganz gleich, wie oft es weiterverarbeitet oder veredelt wird, bis es vom Endverbraucher gekauft wird. Weil es von Stufe zu Stufe mehr an Wert gewinnt, wird die Steuer auch Mehrwertsteuer genannt. Es gibt sie in drei Stufen: Zum vollen Satz (19 Prozent), zum ermäßigten Satz (sieben Prozent) — zum Beispiel für Bücher oder Kunstgegenstände — und zum Nullsatz, etwa für Briefmarken der Post. Lebensmittel sind an die Verzehrsituation geknüpft. Deshalb wird in den Schnellrestaurants auch stets gefragt: „Wollen Sie es mitnehmen oder hier essen?“ Mitnehmen bedeutet ermäßigter, vor Ort verzehren voller Steuersatz.
Der Verbraucher merkt es in der Regel nur bei einem genauen Blick auf die Quittung, der Staat kann davon einen guten Teil seiner Aufgaben erfüllen. Allein beim Bund, der gut die Hälfte aus der Umsatzsteuer erhält, werden für das Jahr 2007 rund 92,3 Milliarden Euro daraus erwartet, für das Jahr 2010 sogar über 94 Milliarden.
Am Beispiel der Umsatzsteuer lässt sich auch die enorme Veränderung verdeutlichen, die einzelne Steuerarten durchmachen. Im Jahr 1968 lag der Satz bei zehn Prozent; die Gesamteinnahmen aus der Umsatzsteuer beliefen sich auf umgerechnet 13 Milliarden Euro, binnen vier Jahrzehnten stieg der Satz auf 19 Prozent, der Ertrag verdreizehnfachte sich auf 170 Milliarden. Entsprechend macht die Umsatzsteuer nicht mehr nur ein Fünftel, sondern inzwischen schon mehr als ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen aus.
Drittgrößter Posten bei den Steuereinnahmen ist für den Bund die Energiesteuer (rund 40,5 Milliarden, abzüglich knapp sieben Milliarden Länderbeteiligung). Der Bundesanteil an nicht veranlagten Steuern vom Ertrag, vom Zinsabschlag und an der Körperschaftsteuer fällt mit rund 19,6 Milliarden ebenfalls noch deutlich ins Gewicht, dicht gefolgt von rund 14,1 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer. Überaus nennenswert sind daneben die Stromsteuer mit knapp sieben Milliarden für den Bund und die Branntweinabgabe mit etwa zwei Milliarden.
Regulierungsinstrument
Die Steuerschätzer dürfen nie vergessen, dass Steuern auch das Verhalten der Bürger lenken. Häufig setzt der Staat die Steuerschraube ein, um anderes zu bewirken als nur mehr Einnahmen. So freute sich die Gesundheitsministerin über eine wachsende Nichtraucherquote in der Folge höherer Tabaksteuer und die Drogenbeauftragte über einen sprunghaft wachsenden Konsumverzicht von Jugendlichen bei den sogenannten Alcopops durch eine drastische Besteuerung. Eine Doppelstrategie verfolgte der Staat mit der sogenannten Ökosteuer: Die Einnahmen sollten dazu verwendet werden, die Beiträge zur Rentenversicherung zu stabilisieren, gleichzeitig sollte die höhere Belastung von Energieverbrauch zu einem nachhaltigeren Umgang mit dem knappen Gut anregen oder zum Umsteigen auf erneuerbare Energien anregen, die von der Ökosteuer befreit blieben.
In den ersten 50 Jahren der deutschen Nachkriegsgeschichte finanzierte sich der Bund mehr aus direkten Steuern (wie der Einkommensteuer) als aus indirekten Steuern (wie der Umsatzsteuer). 1950 betrug dieses Verhältnis 50,6 zu 49,4 Prozent (5,3 zu 5,2 Milliarden Euro). 1989 war das Verhältnis auf 59,5 zu 40,5 Prozent (159,5 zu 121,6 Milliarden Euro) auseinander gedriftet. Seit dem Jahr 2001 hat sich das Verhältnis umgekehrt, liegt nun bei etwa 49 zu 51 Prozent. Zu weiteren Einnahmen des Bundes gehört zum Beispiel der Bundesbankgewinn, der derzeit im Umfang von jährlich 3 bis 3,5 Milliarden Euro an den Bund abgeführt wird. Mit etwa fünf Milliarden werden die Einnahmen aus Gebühren und Entgelten, wie zum Beispiel der Lkw-Maut, kalkuliert. Hinzu kommen unter anderem Gewinne aus Beteiligungen des Bundes, Erlöse aus dem Verkauf von Bundesbesitz und Zuweisungen und Zuschüsse, so dass sich die gesamten „sonstigen Einnahmen“ auf 30,2 Milliarden belaufen (Schätzung 2007).
Alles, was dann noch fehlt, um Einnahmen und Ausgaben auszugleichen, muss entweder durch nochmaliges Absenken der Ausgaben, weiteres Drehen an der Steuerschraube oder, wenn man beides nicht kann und will, durch das Aufnehmen neuer Kredite gelöst werden. Aus diesem Grund stieg der Umfang der Verschuldung beim Bund von 719 Milliarden im Jahr 2002 auf rund 950 Milliarden im Jahr 2007. Die Gesamtverschuldung des Staates einschließlich Länder und Gemeinden hat sich seit 1990 fast verdreifacht: von 537 auf 1.519 Milliarden.
Fotos: Deutscher Bundestag, Picture-Alliance