Die meisten Ausgaben des Bundes sind durch langfristige Verpflichtungen bereits lange vor der Aufstellung eines Haushaltsplanes festgelegt. Der Spielraum ist deutlich kleiner, als es sich der Außenstehende vorzustellen vermag — und die Ausgaben werden auch ganz anders verteilt, als es landläufigen Klischees entspricht.
Hartnäckig hält sich die Vorstellung, der Steuerzahler müsse vor allem für die teure Bundeswehr und ein Heer von Beamten aufkommen; das Soziale komme dahinter zu kurz. Ein Blick in die aktuellen Haushaltspläne spricht eine gänzlich andere Sprache. Denn jeder zweite Euro wird für die soziale Sicherung ausgegeben (mehr als 130 Milliarden jährlich), nicht einmal elf Prozent für die Verteidigung (2007: 28,4 Milliarden). Der Anteil der Personalausgaben am Gesamthaushalt sinkt zudem ständig. 1991 betrug er noch 12,1 Prozent, 2006 waren es 10,0 Prozent, und bis 2009 soll er auf 9,5 Prozent sinken. In Beschäftigtenzahlen ausgedrückt kommt die ganze Wucht des Einsparvolumens zum Ausdruck: Vom Spitzenwert des Stellenbestandes im Jahr 1992 mit 381.000 Planstellen ging es bis zum Jahr 2001 auf 300.000 Planstellen herunter und ist nun bei 270.000 Stellen angekommen — mehr als jede vierte Stelle ist also weggefallen.
Das mit großem Abstand meiste Geld fließt in die Rentenversicherung: Über 78 Milliarden Euro macht hier der jährliche Bundeszuschuss insgesamt aus; er wird weiter steigen: bis 2010 voraussichtlich auf rund 80 Milliarden. Auf Platz zwei der Bundesausgaben stand in der Vergangenheit die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Hierfür sind 2007 insgesamt 33,6 Milliarden Euro vorgesehen, wovon das Arbeitslosengeld II mit 21,4 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Mit anhaltender Konjunktur können diese Kosten glücklicherweise weiter sinken. Die Arbeitslosenzahl von 4,8 Millionen im Jahr 2005 hat Deutschland lange hinter sich gelassen.
Wachsende Zinsbelastung
Aber nicht nur aus diesem Grund haben die Zinsausgaben den zweiten Platz der Bundesausgaben erobert. Sie könnten nach Plan von 39,3 Milliarden Euro im Jahr 2007 auf 42,6 Milliarden Euro im Jahr 2009 steigen. Doch das bedeutet bereits eine deutliche Verbesserung gegenüber der ursprünglichen Planung. Denn zunächst war mit deutlich höheren Zinssätzen kalkuliert worden. Dennoch nimmt die wachsende Zinsbelastung immer mehr Gestaltungsspielraum weg. Im Jahr 1969 musste der Bund umgerechnet noch 1,1 Milliarden Euro für Zinsausgaben vorsehen. 1980 waren es bereits 7,1 Milliarden Euro, ein Jahrzehnt später 17,5 Milliarden Euro und um die Jahrtausendwende 39,2 Milliarden Euro. Damit wird deutlich, wie notwendig das Runterfahren der jährlichen Neuverschuldung ist: Die Nettokreditaufnahme soll von den für 2006 vorgesehenen über 38 auf bald schon deutlich unter 20 Milliarden Euro sinken. Damit kann die Verfassungsbestimmung wieder eingehalten werden, wonach die Summe der Neuverschuldung die Summe der Investitionen nicht überschreiten darf. Für 2007 legte der Bundestag die Investitionen nunmehr auf knapp 24 Milliarden, die Nettokreditaufnahme auf unter 20 Milliarden fest.
Wie die Manövriermasse im Laufe der Zeit immer weiter abgenommen hat, zeigt auch ein weiterer Vergleich. Im Jahr 1991 machten die Personalausgaben 12,1 Prozent, die Zinsausgaben 9,9 Prozent und die soziale Sicherung 34,1 Prozent der Haushaltsstruktur des Bundes aus. Es blieben also 43,9 Prozent für alle übrigen Ausgaben. Anderthalb Jahrzehnte später, im Jahr 2007, erfordern die Personalausgaben 9,7 Prozent, die Zinsausgaben 14,5 Prozent und die soziale Sicherung 51 Prozent. Übrig bleiben also für alles andere nur noch 24,8 Prozent. Die veränderte Haushaltsstruktur und steigenden Zins- und Soziallasten stellen die Bedingungen dar, unter denen heute die Haushaltspolitik gestaltet werden muss.
Gestaltung und Investition
Doch die Spielräume werden genutzt, wie ein Blick in einige Einzelpläne zeigt. Insgesamt 25 Milliarden Euro sollen zusätzlich in der laufenden Wahlperiode das Wachstum stimulieren. Im Rahmen dessen sollen etwa zusätzlich sechs Milliarden Euro für besonders zukunftsträchtige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Verfügung gestellt werden. Rund 9,4 Milliarden zusätzlich sind für den Mittelstand und die allgemeine Belebung der Wirtschaft vorgesehen, 4,3 Milliarden mehr fließen in die Verkehrsinvestitionen, drei Milliarden extra in die Familienförderung; auch der private Haushalt soll als Arbeitgeber stärker hervortreten. Zu den größeren Etats gehören außer der Verteidigung (10,5 Prozent aller Ausgaben) die Bereiche Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (9,1 Prozent), Bildung und Forschung (3,1 Prozent), Wirtschaft und Technologie (2,2 Prozent), Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (1,9 Prozent) sowie Familie (2 Prozent).
Ein anderes Beispiel: die Entwicklungszusammenarbeit. Die Fraktionen des Bundestages sind sich einig, dass größere Anstrengungen nötig sind, um die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen. Dazu gehört unter anderem, die seit vielen Jahren verabredeten staatlichen Entwicklungsleistungen zu erfüllen. Von 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens soll die Quote bis zum Jahr 2010 auf 0,51 Prozent steigen und bis zum Jahr 2015 auf 0,7 Prozent. Neben höheren Haushaltsmitteln gehört dazu auch eine Politik der Schuldenerlasse.
Daneben ist jedoch stets die Konsolidierung als oberste Richtschnur zu sehen. Nach den jüngsten Schätzungen verändert sich das Verhältnis zwischen Arbeit und Versorgung dramatisch: Derzeit kommen auf 100 Einwohner im erwerbsfähigen Alter weniger als 30, die 65 Jahre und älter sind. Im Jahr 2050 könnten es mehr als 50 sein. Das wird auch den Bundeshaushalt massiv verändern.
Aktualisiert am 30. August 2007