Klaus Hofbauer trifft Pavel Krejcí und Olaf Klein im Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik
Partielle Differentialgleichungen dienen der Darstellung physikalischer Vorgänge. Für den 1954 in Decín an der Elbe geborenen Pavel Krejcí sind sie Grundlage der Arbeit. Er ist Mathematiker und arbeitet in Berlin am renommierten Weierstraß-Institut.
Wenn Pavel Krejc?í sagt: „Ich beschäftige mich mit Materialien, die ein Gedächtnis haben”, klingt das sehr schön. Man stellt sich irgendein Material vor, das sich erinnert, wozu es schon gedient und was es dabei erlebt und erfahren hat. Dann hätte man eine Geschichte. Ganz so sei es nicht, sagt Krejcí und lächelt. „Biegen Sie einen Draht und der merkt sich, dass er gebogen ist. Der Draht hat ein Gedächtnis, Wasser nicht.”
Pavel Krejcí und sein Kollege Olaf Klein, der mit ihm in einem kleinen Arbeitszimmer sitzt, sind Menschen, die den Dingen auf den Grund gehen und eine Sprache verstehen, die nur wenigen zugänglich ist. Wenn sie erzählen, was sie tun, bleiben immer noch Geheimnisse offen. Mathematiker sind schon besondere Menschen.
Der CDU/CSU-Abgeordnete Klaus Hofbauer hat in seiner Arbeit nur wenig mit theoretischer Mathematik zu tun. Umso interessierter hört er Pavel Krejcí zu. Klaus Hofbauer kommt aus Cham, der Stadt am Regenbogen, nahe der tschechischen Grenze. Er hat lange Jahre Kommunalpolitik gemacht, bevor er 1998 in den Bundestag kam. Kommunalpolitik ist immer auch Nachbarschaftspflege. Das weiß der Abgeordnete. Seit die Tschechische Republik ein Teil der Europäischen Union ist, lässt sich diese Nachbarschaft einfacher pflegen: „Im wirtschaftlichen Bereich läuft alles erfolgreich. Und die kulturellen Kontakte sind eng. Nicht nur, weil die Tschechen und die Bayern Blasmusik so mögen. Man spürt, dass wir eine Region sind.”
Das findet auch Pavel Krejcí, der als Jugendlicher noch Nutznießer eines kurzen „Tauwetters” sein durfte und sein Abitur in Frankreich machen konnte. Nach dem Abitur studierte er Mathematik an der Karlsuniversität in Prag, ein anschließendes Doktorat war nicht möglich, denn Pavel Krejcí war nicht Mitglied der Kommunistischen Partei. Also arbeitete er ein Jahr als Programmierer in einem Stahlwerk und ging dann an die tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften. „Diese Akademie war eine Nische für Menschen wie mich”, sagt er. 1991 bekam der Wissenschaftler das Alexander-von-Humboldt-Stipendium — die Krawatte der Stipendiaten trägt er an diesem Tag der Begegnung — und ging nach Deutschland. Es folgten drei Jahre Prag und 1997 ging Pavel Krejcí zum Weierstraß-Institut. Um sich mit dem Gedächtnis von Materialien zu befassen. Danach folgten noch einmal drei Jahre Akademie in Prag und 2004 kehrte Pavel Krejcí zurück nach Berlin ins Institut. Er pendelt zwischen Berlin und Prag, wo seine Familie lebt. Seine Frau ist auch Mathematikerin, die Tochter tritt in die gleichen Fußstapfen, und der Sohn studiert Elektrotechnik.
Klaus Hofbauer (Mitte) trifft Pavel
Krejcí (links) und Olaf Klein im Weierstraß-Institut
für Angewandte Analysis und Stochastik (© DBT/studio kohlmeier)
Das alles erzählt der Wissenschaftler mit leiser Stimme. Er ist ein zurückhaltender Mensch. Fast ein wenig verlegen bestätigt er, auch Chefredakteur einer Zeitschrift zu sein, die den Namen „Applications of Mathematics” trägt.
Dass einer wie Pavel Krejcí in Deutschland arbeitet, ist für den Abgeordneten Hofbauer selbstverständlich. „Heute arbeiten auch Deutsche in Tschechien”, sagt er und fügt hinzu: „Für mich ist Tschechien ein Kernland Europas.” Das ist ein Satz, der klingt fast wie in soliden Stein gemeißelt. Klaus Hofbauer sagt aber nicht nur solche Sätze, er hat sich immer auch um die ganz praktische Seite der Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland gekümmert. Schön ist die Geschichte, wie er zwei Monate nach Grenzöffnung in Plzen eine Messe organisierte, auf der sich rund 60 bayerische Unternehmen aus seinem Landkreis präsentierten. Vielleicht kommen so dreitausend Besucher, dachte sich Hofbauer. Gekommen waren dann 125.000. In zweieinhalb Tagen. Ein solcher Anfang macht natürlich Mut.
„Inzwischen sind so viele gute Kontakte entstanden, Freundschaften, dass man wirklich von guter Nachbarschaft reden kann”, sagt Klaus Hofbauer. „Wenn ich daran denke, wie deprimierend es früher oft war, diese undurchlässige Grenze in unmittelbarer Nähe zu haben, dann weiß ich, wie gut die Entwicklung der vergangenen Jahre uns allen tut.”
Pavel Krejc?í nickt. Er erzählt, wie es sich anfühlte, 1990 plötzlich die Möglichkeit zu haben, im militärischen Sperrgebiet spazieren zu gehen. „Es war noch immer Sperrgebiet, aber niemand hat einem mehr verboten, dort zu sein. Früher, da ging die Grenze mitten durch Häuser.” Wenn man so darüber redet, sich noch einmal erinnert, entsteht erneut dieses Gefühl von Freude und Erleichterung, das damals, Anfang der neunziger Jahre, dominierend gewesen sein muss. Inzwischen ist vieles selbstverständlich.
Klaus Hofbauer stellt zum Schluss noch eine gewagte These auf: Für ihn werde dieser Prozess des Zusammenwachsens erst vollendet sein, wenn der Bayrische Wald Böhmerwald heißt. Schließlich sei geologisch der ganze Wald ein einziges Gebirge, die unterschiedlichen Bezeichnungen seien politisch begründet.
Sachlich richtig. Aber kann man den Bayern ihren Wald wegnehmen?
Fläche: 78.866
Quadratkilometer
Einwohner: rund 10,3 Millionen
Währung: Tschechische Krone
Hauptstadt: Prag
Amtssprachen: Tschechisch
Staatsform: Republik
Nationalhymne: Kde
domov m?j? („Wo ist meine Heimat?”)
Kfz-Kennzeichen: CZ
Telefonvorwahl: +420
EU-Mitglied seit: 1. Mai 2004
Nationalfeiertag: 1. Januar (Tag der
Staatsgründung 1993), 28. Oktober (Gründung der
Tschechoslowakei 1918)
Interessant: Die Velká Pardubická
oder Steeplechase von Pardubice ist ein traditionelles
Pferderennen, das im ostböhmischen Pardubice stattfindet. Es
gilt als eines der weltweit härtesten Rennen und wird seit
1874 veranstaltet.
Fraktion: CDU/CSU
Geboren: 26. Juli 1947 in Kothmaißling
(Bayern)
Wohnort: Cham (Bayern)
Ausbildung: Ausbildung für den gehobenen
Verwaltungsdienst
Beruf: ehemaliger kommunaler Wirtschaftsreferent,
Geschäftsführer
Familie: verwitwet, zwei erwachsene
Töchter
Stv. Vorsitzender der Deutsch-Tschechischen
Parlamentariergruppe
klaus.hofbauer@bundestag.de
www.klaus-hofbauer.de
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Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 11. Mai 2007