EURO-WECHSELKURS
Paris will mehr Einfluss der Politik auf die Währung. Nicht nur dem Europaparlament geht das zu weit.
Der historische Auftritt begann mit einer Provokation: "Ich liebe einen starken Euro", sagte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) dem deutschen Fernsehen, bevor er im Brüsseler Ratsgebäude verschwand. Dort erwartete ihn ein Gast, den niemand eingeladen hatte, ein "nächtlicher Besucher", wie Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker nach der einstündigen Diskussion mit Frankreichs neuem Präsidenten, Nicolas Sarkozy, sagte. Der hatte wiederholt verlangt, die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen müsse durch einen niedrigeren Eurokurs verbessert werden.
Zur monatlichen Tagung der Eurogruppe hatte sich Sarkozy kurzerhand selbst eingeladen, um den Finanzministern der Währungsunion mitzuteilen, dass er sich nicht an ihre Absprache vom vergangenen April zu halten gedenke. Damals hatten die Finanzminister beschlossen, spätestens 2010 ohne neue Schulden auszukommen.
Diese Zusage steht im Widerspruch zu dem, was Sarkozy im Wahlkampf versprochen hat: Steuerbefreiung für Überstunden und Erbschaften, Senkung der Sozialabgaben und Steuervergünstigungen für Hausbauer. Die Experten rätseln noch, welcher ökonomischen Logik das "Finanzpaket" Sarkozys folgt. Die Einnahmeausfälle für den französischen Fiskus werden in Brüssel auf rund 14 Milliarden Euro im nächsten Jahr geschätzt. Damit würde das konjunkturbereinigte Staatsdefizit der Franzosen im nächsten Jahr steigen statt sinken, wie es der reformierte EU-Stabilitätspakt verlangt.
Vor den Finanzministern der Eurogruppe rechtfertigte Sarkozy das "Finanzpaket" mit der Notwendigkeit, der französischen Wirtschaft einen "fiskalischen Schock" zu versetzen. Er soll das Wachstum beschleunigen und die Voraussetzungen für Reformen verbessern, die Sarkozy danach in Angriff nehmen will. "Die Reformen sind eine gute Nachricht für Europa", sagt der neue französische Staatschef. Frankreich werde damit der Lissabon-Strategie der EU gerecht und lege die Grundlage für mehr Staatseinnahmen in der Zukunft. Die Regierung müsse dafür aber zunächst mehr Schulden machen und brauche länger, um einen ausgeglichen Haushalt vorzulegen. Die meisten Finanzminister fanden das nicht überzeugend. In der deutschen Delegation bestand man darauf, dass auch Frankreich 2010 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen müsse.
Sarkozy, dessen Auftreten in der Eurogruppe von einem Teilnehmer als "ausgesprochen schüchtern" beschrieben wurde, sah auch danach nicht wie ein Sieger aus. Frankreich werde versuchen, sein Defizit schneller abzubauen, wenn die Wirtschaft schneller wachse als gegenwärtig absehbar sei. Er erwarte auch keine Ausnahme von den Regeln des Stabilitätspaktes sondern "ihre dynamische Anwendung". Nach der Sommerpause wird der Streit darüber geführt, was darunter zu verstehen ist.
Für Währungskommissar Joaquín Almunia ist entscheidend, dass die französischen Reformen "im Rahmen des Stabilitätspaktes" durchgeführt werden: "Der Präsident hat sich verpflichtet Mitte September ein aktualisiertes Stabilitätsprogramm vorzulegen. Ich glaube der Stabilitätspakt wird dadurch gestärkt, denn alles wird sich nach seinen Regeln abspielen", erklärte er noch voller Zuversicht.
In der Kommission erwartet man eine detaillierte Rechnung. Jede Maßnahme müsse einzeln aufgeführt und die damit verbundenen Haushaltseffekte genau beziffert werden. Die Franzosen sollen zwei Szenarien durchrechnen: im einen wird der Haushalt bereits 2010 ausgeglichen, im anderen erst 2012, wie es die Regierung plant.
Anders als vor vier Jahren, als Deutsche und Franzosen den Stabilitätspakt gemeinsam aushebelten, kann die Kommission dieses Mal auf deutsche Unterstützung im Rat zählen. Auch andere Länder erwarten, dass die Kommission die französischen Zahlen genau unter die Lupe nimmt. Die Kommission muß prüfen, ob höhere Defizite als sie der Pakt erlaubt, unausweichlich sind. Auf keinen Fall dürfe der Eindruck entstehen, sagt der Vorsitzende der Eurogruppe Jean-Claude Juncker, dass zwischen Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung ein Widerspruch bestehe: "Der Eifer, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, würde dadurch gebremst."
Die Debatte über Reformen, öffentliche Schulden und Wechselkurse wurde in der vergangenen Woche nicht nur von den Finanzministern, sondern auch vom Europäischen Parlament geführt. Das kräftige Wachstum in der Eurozone müsse genutzt werden, um "die Schuldenberge abzubauen und die Qualität der öffentlichen Finanzen zu verbessern", heißt es im Bericht des Parlamentes zum Jahresbericht der Europäischen Zentralbank. Die Mehrheit der Abgeordneten hält das gegenwärtige Wachstum nicht für so dauerhaft, dass die entstehenden Mehreinnahmen langfristig verplant werden können.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erinnerte in der Debatte daran, dass der Euro vor allem eine Frage der Glaubwürdigkeit sei. "Es ist vollkommen unvorstellbar, dass die Beschlüsse der Eurogruppe nach jeder Wahl in einem Mitgliedsland der Währungsunion in Frage gestellt werden. Das würde die Autorität der Eurogruppe untergraben."
Das Parlament ist mit der Arbeit der Zentralbank überwiegend zufrieden. Positiv vermerkt der Bericht, dass sich der Euro zu einer "weltweit genutzten Reserve- und Referenzwährung" entwickelt hat. Der hohe Wechselkurs habe den "Exporten der Eurozone" bislang nicht geschadet, auch wenn er sich in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich auswirke. "Wenn Sarkozy mit dem Wechselkurs Probleme hat," sagt der deutsche Europaparlamentarier Alexander Radwan (CSU), "soll er dafür sorgen, dass die europäischen Airlines ihre Rechnungen von Airbus in Euro und nicht in Dollar bekommen".