SACHSEN-AFFÄRE
Ministerpräsident Milbradt will den geplanten Untersuchungsausschuss verhindern
Der Sachsen-Sumpf und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellt die Regierungskoalition aus CDU und SPD im Freistaat vor eine Zerreißprobe. Vorerst haben sich die Beteiligten auf allen Seiten jedoch noch einmal zusammengerissen.
Albrecht Buttolo (CDU) hat seine schlimmsten Tage als sächsischer Innenminister überstanden. Von heute auf morgen ist er aus dem Rampenlicht verschwunden.
Dafür musste er trotz zahlreicher Pannen in seinem Ressort nicht einmal zurücktreten. Buttolo selbst kann diesen Umstand wohl am wenigsten glauben. Denn der Streit um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hat dem überfordert wirkenden Minister erst einmal Luft verschafft.
Korruption, Kinderprostitution und Amtsmissbrauch: Buttolos Verfassungsschützer hatten jahrelang Akten über dubiose Netzwerke von Staatsanwälten, Politikern und Polizisten gesammelt. Illegales Treiben - nicht nur die entdeckten Mafiastrukturen im Freistaat, auch die Arbeit des sächsischen Geheimdienstes.
Als diese Inhalte öffentlich geworden waren, brach eine Staatskrise über Sachsen herein. Doch die vermeintlich brisanten Akten rückten schnell in den Hintergrund. Vielmehr wurde der Aufklärungswillen der Landesregierung zur Affäre, welche nun der geplante Untersuchungsausschuss klären soll. Dann wird Albrecht Buttolo wieder in den Vordergrund rücken und wieder in Erklärungsnöte geraten - wie so häufig in den vergangenen Wochen. Der Innenminister musste zugeben, dass der ihm unterstellte Verfassungsschutz 40 Ordner mit brisanten Akten zur Korruptionsaffäre einfach geschreddert hatte, und das erst im April dieses Jahres.
Der genaue Inhalt der Dokumente wird zudem bis heute geheim gehalten und ein "kommunikatives Missverständnis" innerhalb des sächsischen Geheimdienstes als Grund für die Vernichtung vorgeschoben. Niemand in Sachsen will oder kann dies so recht glauben. Die Opposition im Dresdner Landtag wirft Buttolo daher die "Vernichtung von Beweismitteln" vor. Denn just zum Zeitpunkt der Schredderaktion beriet die Parlamentarische Kontrollkommission, ob die geheimen Akten der Staatsanwaltschaft übergeben werden sollen.
Die Staatsermittler bekamen schließlich den Auftrag, in den geheimen 100 Ordnern des Verfassungsschutzes nach Straftaten zu suchen. Finden werden sie jedoch nicht viel. Denn nach der Aktion sind nur noch 60 Ordner übrig geblieben.
Die Aufklärung sei dadurch aber nicht beeinträchtigt, versucht Anti-Korruptionsstaatsanwalt Christian Avenarius momentan zu beschwichtigen. Dabei monierte der Oberstaatsanwalt zuletzt immer wieder selbst die unleserlichen Akten des Verfassungsschutzes.
Denn diese sind nachträglich geschwärzt der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Zum Schutz von Informanten, so der Verfassungsschutz. Die Ermittlungen werden allmählich zur Farce. Ebenso pikant in dieser Angelegenheit: Die Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft werden gleich durch das Justizministerium versandt. Arbeitsteilung trotz Gewaltenteilung?
Den Linken, der FDP und den Grünen im Landtag reicht es. Sie haben gemeinsam einen Untersuchungsausschuss beantragt. Sogar Regierungspartner SPD will sich dem nicht verschließen. SPD-Fraktionsvize Stefan Brangs gesteht ganz offen, seine Partei solle nicht für die Verzögerungstaktik in Haftung genommen werden. Damit zog sich der Juniorregierungspartner den Zorn der CDU zu. Denn Ministerpräsident Georg Milbradt will den geplanten Untersuchungsausschuss mit Händen und Füßen verhindern. Die Staatsanwaltschaft habe ja bisher in den Verfassungsschutzakten keine Straftaten entdeckt, so Milbradt. Somit könne der Vorwurf nicht gelten, es werde die Aufklärung von Straftaten behindert.
Er sei nicht bereit, einem verfassungswidrigen Untersuchungsausschuss zuzustimmen, sagt der Regierungschef und ließ daraufhin den geplanten Ausschuss durch ein Rechtsgutachten überprüfen. Der Juristische Dienst des Landtages gab ihm Recht und bemängelte, dass eine juristische Entscheidung nicht Gegenstand einer Untersuchung werden darf. Die Opposition spricht von einem Gefälligkeitsgutachten und will den Ausschuss trotzdem durchsetzen. Auch SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss kündigt an, dass seine Partei dem U-Ausschuss zustimmen werde.
Ministerpräsident Milbradt spricht von Klamauk. Für den Vize-Ministerpräsidenten Thomas Jurk von der SPD ist die Lage dagegen ernst. Doch beide wissen: Einen Bruch der Regierungskoalition kann sich keiner von beiden leisten. Denn bei einer Neuwahl würde die Union gewiss noch mehr Stimmen verlieren als bei der Landtagswahl 2004; die Sachsen-SPD würde wohl in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.