EMISSIONSHANDEL
EP fordert schärfere Vorschriften für Fluggesellschaften
Verkehrskommissar JacquesBarrot will die Flugbuchungssysteme von Reisebüros für mehr Konkurrenz öffnen, damit die Preise sinken. Verbraucherkommissarin Meglena Kuneva will Websites verbieten lassen, die mit irreführenden Schnäppchen für Flugreisen werben. Das Europaparlament aber will kostenpflichtige Verschmutzungsrechte für den Flugverkehr einführen und das Fliegen damit teurer machen.
Die drei widersprüchlichen Nachrichten aus Brüssel und Straßburg machen deutlich, dass es beim Klimaschutz in der EU offenbar an einem Konzept fehlt, in dem Umweltschäden und Wettbewerbsnachteile gegeneinander abgewogen werden. Das zeigte sich auch bei den beiden Debatten, die vergangene Woche im Europaparlament zu dem Thema geführt wurden. Der Umweltausschuss hatte dem Plenum eine verschärfte Fassung des Kommissionsentwurfs zum Emissionshandel im Luftverkehr vorgelegt. Der Sonderausschuss für Klimafragen hatte eine Resolution erarbeitet, mit der die EU aufgefordert wird, bei der Klimaschutzkonferenz in Bali Anfang Dezember ehrgeizige Ziele für die Zeit nach 2010 anzustreben.
Die Abgeordneten fordern ein weltweites Emissionshandelssystem, das zu drastischen Einsparungen führen soll. Bis 2050 sollen die Treibhausgase im Vergleich zum Stand von 1990 um 50 Prozent reduziert werden. In der von der finnischen Abgeordneten Satu Hassi (Die Grünen) ausgearbeiteten Resolution wird betont, dass nur so der Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius begrenzt werden könnte. Ihre Fraktionskollegin Rebecca Harms von den deutschen Grünen kritisierte aber, die Bekenntnisse zum Klimaschutz stimmten mit der politischen Realität in der EU nicht überein. "Weltweit fordern wir große Taten, gehen aber zu Hause nur in Trippelschritten voran." Noch immer halte eine Mehrheit des Hauses Kohle und Atomstrom für zukunftsfähig. "Die Regierungen anderer Staaten würden sich wundern, wenn sie hinter die Kulissen gucken könnten und sehen würden, wie mühsam die Mitgliedstaaten über das Energiepaket verhandeln."
Dass sich die EU schwer tut, großen Worten Taten folgen zu lassen, zeigte sich vergangene Woche in der Abstimmung über den Emissionshandel für den Luftverkehr. Ab 2011 sollen auch Fluggesellschaften in den Handel mit Verschmutzungsrechten einbezogen werden. Das Startdatum gilt, wenn sich das EU-Parlament mit seiner Haltung gegenüber dem Rat durchsetzen kann, gleichzeitig für innereuropäische und internationale Flüge von und nach Europa. Die in Umlauf gebrachten Zertifikate sollen 90 Prozent des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes der Jahre 2004 bis 2006 entsprechen. Ein Viertel der Zertifikate wird nicht an die Gesellschaften verteilt, sondern auf Auktionen gehandelt. Die Umweltverbände hatten deutlich strengere Sparziele gefordert. Anfang Oktober hatten sie an die deutschen EU-Parlamentarier appelliert, "sich dafür einzusetzen, dass der Luftverkehr angemessen zu den von der EU beschlossenen Klimazielen beiträgt". Eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um fünfzig Prozent, gemessen am Stand der Jahre 2004 bis 2006 sei erforderlich. Werner Reh vom Naturschutzverband BUND will, dass der Flugverkehr schon 2010 in den Emissionshandel einbezogen werden müsse. Klaus Milke von Germanwatch will, dass keine Verschmutzungsrechte an die Fluggesellschaften verteilt werden, sondern alle Zertifikate ersteigert werden.
Die Flugunternehmen halten diese Vorschläge für ruinös. Schon die nun von den EU-Abgeordneten beschlossenen deutlich milderen Auflagen würden 160 Milliarden Euro kosten, behauptet der Europäische Luftfahrtverband AEA. "Wenn Europa das allein durchzieht, werden die CO2-Emissionen kaum zurückgehen. Doch der Effekt auf Wachstum und Tourismus wird verheerend sein, vor allem in den neuen EU-Ländern", prognostiziert AEA-Präsident Fernando Conte, der die spanische Fluglinie Iberia leitet. Die EU-Kommission kommt zu deutlich optimistischeren Prognosen - allerdings auf der Grundlage ihres ursprünglichen Vorschlags. Danach würde das Flugticket zwischen 2 und 9 Euro mehr kosten - ein lächerlicher Betrag im Vergleich zu den Preissteigerungen, die durch höhere Spritpreise zu erwarten sind.
Die Debatte im EU-Parlament hatte den Zwiespalt der Abgeordneten deutlich gezeigt. Ihren Wählern gegenüber wollen sie mit dem Argument für Europa werben, dass Flugreisen immer billiger werden. Gleichzeitig wollen sie die Sorgen vieler Bürger berücksichtigen und klimaschonende Entscheidungen treffen. Die britische Abgeordnete Caroline Lucas (Grüne) forderte, dass ab 2011 Emissionsrechte im Wert von nur 50 Prozent des mittleren CO2-Ausstoßes aus den Jahren 2004 bis 2006 ausgegeben werden sollten. "Nur wenn die Lizenzen knapp sind, wird es Einsparungen geben!", erklärte sie. Diese knappen Verschmutzungsrechte sollten nur versteigert und nicht, wie die anderen Parteien fordern, teilweise gratis verteilt werden.
Heftige Kritik übte Lucas am Berichterstatter des Umweltausschusses, dem konservativen deutschen Abgeordneten Peter Liese. "Ich wusste seine Arbeit zu schätzen - aber nur, bevor er mit seiner eigenen Fraktion Kompromisse eingehen musste...", sagte Lucas. Sie spielte darauf an, dass Liese ursprünglich einen früheren Starttermin angestrebt hatte und die Gratis-Zertifikate auf 50 Prozent der Verschmutzungsrechte beschränken wollte. Liese selber äußerte sich zufrieden über das Abstimmungsergebnis. "Wir haben die Vorlage verbessert und sowohl umweltpolitisch ambitionierter als auch wettbewerbspolitisch realistischer gemacht." Eine Reduzierung der Obergrenze auf 75 Prozent, wie von manchen Abgeordneten gefordert, hätte nach Lieses Überzeugung mittlere Unternehmen zu stark belastet. Er sprach sich auch dagegen aus, kleine Flugzeuge in das System einzubeziehen, da der bürokratische Aufwand den Nutzen übersteige. Die Vorlage wird nun den Rat beschäftigen. Die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten über Bezugsjahr, die angestrebte Reduktionsquote und die Kostenfrage versprechen kompliziert zu werden. Der Klimagipfel von Bali ist dann längst vorbei.
Daniela Weingärtner