MENSCHENRECHTE
Europarat kritisiert Terrorlisten von EU und UNO
Eigentlich steht dem Mann Arbeitslosengeld zu, doch ein Berliner Amt verweigert dessen Auszahlung: Der Name des Antragstellers findet sich auf der Schwarzen Liste der UNO mit Personen und Organisationen, die terroristischer Aktivitäten verdächtigt werden - und mit diesen Leuten darf niemand Geschäfte machen. Mit Terror hat der Mann nichts zu tun: Er heißt zufällig so wie einer jener, die in dem UN-Dokument vermerkt sind. Es kostet den Betroffenen eine gewaltige Mühe, die Verwechslung aus der Welt zu schaffen. Dietmar Müller, Sprecher der Bundesdatenschutzbehörde: "Die Schwarze Liste kann existentielle Folgen für Unschuldige haben".
Auch der Geschäftsmann Youssef Nada sitzt in der Schweiz und darf nicht ausreisen, seine Konten sind blockiert. Dem Mitglied der Moslembruderschaft war die Mitfinanzierung der Attentate von New York vorgeworfen worden, doch die eidgenössische Justiz stellte das Ermittlungsverfahren ein. Gleichwohl steht Nada immer noch auf dem UN-Papier. Für den liberalen Schweizer Europarats-Abgeordneten Dick Marty zeigt auch dieses Schicksal, dass die Schwarzen Listen der UNO wie der EU "grundlegende Bürgerrechte mit Füßen treten".
Im Blick auf die beiden Listen spricht der Rechtsausschuss des Europarats-Parlaments, der einen Bericht Martys einstimmig gebilligt hat, in einer Resolution von "vollkommen willkürlichen" Maßnahmen. Auch ohne rechtskräftige Verurteilung genüge ein "vager Verdacht", empört sich Marty. Vor allem auf der Basis von Geheimdienstinformationen haben die UNO rund 370 und die EU über 60 Personen und Organisationen auf ihre Listen gesetzt.
"Da sind rechtsfreie Räume entstanden", so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die dem Straßburger Justizausschuss angehört. Es werde nicht gründlich geprüft, wie stichhaltig ein Verdacht überhaupt sei. Marty kritisiert, dass selbst die UN-Gremien, die über einen Vermerk in der Liste entscheiden, "kaum etwas über die Gründe wissen". Leutheusser-Schnarrenberger beklagt, dass Betroffene mit Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, wenn sie ihre Entfernung von den Listen betreiben wollen. Sie verweist darauf, dass der EU-Gerichtshof das Vorgehen bei der Listung einer palästinensischen Stiftung, eines philippinischen Kommunisten und der oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin als nicht korrekt klassifiziert habe "Doch deren Namen sind noch immer vermerkt". In einer Antwort auf eine FDP-Anfrage ( 16/6879 ) betont hingegen die Bundesregierung, der EU-Ministerrat beschließe die Aufnahme aufgrund "schlüssiger Beweise oder Indizien" einstimmig. Den Betroffenen, die vor dem EU-Gerichtshof klagen könnten, werde die Begründung mitgeteilt. Laut Regierung sind zwölf solche Verfahren anhängig. Das EU-Listungsverfahren sei aufgrund der bisherigen drei Urteile geändert worden.