Fluggastdaten
Mit der Billigung des Bundestags werden die Daten der Fluggäste an die US-Behörden gegeben. Und auch die Bundespolizei bekommt künftig noch mehr Informationen.
Ein schlechtes Abkommen ist immer noch besser als gar kein Abkommen: Auch wenn es so deutlich am 15. November niemand sagen wollte, liefen die Versuche der Koalition und der Bundesregierung, das umstrittene Abkommen zur Speicherung und Weitergabe der Fluggastdaten zwischen den USA und der EU sowie einen entsprechenden Gesetzentwurf der Regierung ( 16/6750 ) zu verteidigen, auf dieses Fazit hinaus.
Während die Opposition den Gesetzentwurf komplett ablehnt, bemühte sich Staatssekretär Peter Altmaier (CDU) in der Plenardebatte um Verständnis: Der Abschluss des Fluggastdatenabkommens unter deutscher Ratspräsidenschaft sei "eine der schwierigsten, der anspruchsvollsten, aber auch der wichtigsten Aufgaben" der vergangenen Monate gewesen. Diese Aufgabe sei "nicht einfach" gewesen, da die US-Seite lange der Auffassung gewesen sei, es bedürfe überhaupt keines Abkommens und die Verhandlungen zäh und schwierig gewesen seien.
Carl-Christian Dressel (SPD) gestand der Regierung zu, "nach Lage der Dinge wohl ein Optimum" erreicht zu haben, auch wenn einige Details des Abkommens - etwa die lange Speicherdauer der Daten und die Niederlegung konkreter Vereinbarungen in einem Briefwechsel außerhalb des Abkommens - einen "gewissen Beigeschmack" hätten.
Dieser Beigeschmack machte es für die Opposition unmöglich, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Einen "Dammbruch im Datenschutzrecht" nannte es die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz und wies darauf hin, dass die Frage längst nicht beantwortet sei, welcher Zugewinn an Sicherheit durch die Weitergabe der Daten überhaupt erreicht werde. Für Die Linke wies Jan Korte darauf hin, dass sich im Vergleich zum bisherigen Abkommen zur Übermittlung der Fluggastdaten, das vom Europäischen Gerichtshof im Sommer 2006 aufgehoben worden war, für die Passagiere und den Datenschutz vieles noch verschlechtert habe: So sei die Speicherdauer ausgedehnt worden und es liege künftig im Ermessen der USA, ob und wann ihre Geheimdienste auf die Daten zugreifen werden.
Wenn man sich "die Terrorhysterie der Bush-Administration anschaut", könne man sich auch vorstellen, in welchem Umfang die Daten genutzt würden und "welche fatalen Folgen das auch für völlig unschuldige Leute haben kann". Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, der Preis, den Deutschland hinsichtlich seiner eigenen Standards beim Datenschutz gezahlt habe, sei "völlig indiskutabel" - das Dokument sei "von Ignoranz gegenüber dem Datenschutz und den Datenschützern in der EU geprägt".
Für viel Verärgerung in der Opposition sorgten die Angaben zum Umfang der erhobenen Daten. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte noch im Sommer im Innenausschuss mit dem Argument für das Abkommen geworben, die Zahl der erhobenen Daten werde von bislang 34 auf 19 gesenkt. Tatsächlich aber wurden in dem neuen Abkommen einfach bestimmte Angaben zusammengefasst - die Gesamtsumme der erhobenen Einzelinformationen reduziert sich dadurch nicht. Für Piltz ist diese behauptete Reduzierung deshalb "eine Mogelpackung".
Während der Gesetzentwurf zu den Fluggastdaten nachträglich legitimiert hat, was ohnehin schon längst praktiziert wird, stimmte die Koalition gegen die Stimmen der Opposition auch für ein Gesetz, das es künftig erlaubt, Fluggastdaten an die Bundespolizei zu übermitteln ( 16/6292 ). Betroffen sind davon Fluggäste, die über die Schengen-Außengrenzen in die Bundesrepublik einreisen. Diese Daten sollen 24 Stunden nach der Einreise gelöscht werden - wenn sie nicht benötigt werden. Davon erhofft sich die Regierung einen "Mehrwert für die Terrorismusbekämpfung" und ein Instrument für die Bekämpfung illegaler Einwanderung. Einen solchen Mehrwert will auch EU-Innenkommissar Franco Frattini für die Europäische Union. Er stellte Anfang November ein Anti-Terroor-Paket in Brüssel vor, das ein europaweites System zur Auswertung von Fluggastdaten beeinhaltet. Darin ist unter anderem vorgesehen, Sicherheitsbehörden wie etwa dem deutschen Verfassungsschutz ab 2011 den Zugriff auf 19 persönliche Daten von Fluggästen zu gewähren. Sie sollen dann so genannte "Risikoprofile" erstellen.
Korte bezeichnete diese Pläne als "Orwellsche Fantasien" und auch für Nouripour ist dieses System überflüssig. Man habe genug Abkommen zur Datenerfassung, etwa den Prümer Vertrag und ein erweitertes Abkommen für Europol. Noch ein zusätzliches einzurichten, sei "überhaupt nicht sinnvoll". Man schaffe immer mehr Datenbanken und baue gleichzeitig Personal in den Ländern ab. Die Folge: "Es gibt mittlerweile nicht mehr genügend Polizistinnen und Polizisten, die in all diesen Datenbanken nachschauen könnten."
Diejenigen, die die Daten erfassen und weitergeben müssen, haben sich mit der Mehrarbeit abgefunden. Lufthansa-Sprecher Michael Göntgens erklärte gegenüber dieser Zeitung, man befinde sich mitten in der Systemumstellung. "Das ist mit einem gewissen Aufwand verbunden. Was uns das am Ende kosten wird, können wir überhaupt noch nicht sagen."