USA
Der Vorwahlkampf ist schon voll im Gange. Überraschungen kann es in beiden politischen Lagern geben.
Sechzehn Demokraten und Republikaner wollen es wissen. Die ersten stapften schon vor elf Monaten durch den Schnee von New Hampshire und Iowa. Nicht zufällig: Die Vorwahlsaison startet am 3. Januar 2008 in Iowa und am 8. Januar in New Hampshire. Bei der Gelegenheit werden die günstigsten Startplätze für den Fortgang des Rennens vergeben. Wer zum Auftakt nicht auf einem der drei vorderen Plätze landet, kann die Hoffnungen erfahrungsgemäß schon begraben. Auch wenn nicht jeder, wie seinerzeit Jimmy Carter, mit dem Rückenwind von Iowa und New Hampshire bis ins Weiße Haus segelt. 2000 konnte Arizonas Senator John McCain den Mitbewerber George W. Bush in New Hampshire mit 19 Punkten schlagen; kurz darauf in South Carolina war er dennoch am Ende, weil er der geballten Finanzkraft Bushs nichts entgegenzusetzen hatte.
Im Verlauf der vergangenen elf Monate haben sämtliche Wahlkämpfer in Iowa und New Hampshire 2.500 Veranstaltungen absolviert - in Sälen, Turnhallen, Scheunen, Wohnzimmern, sogar im Schnellimbiß - so viele, wie in den restlichen 48 Bundesstaaten zusammen. Iowa und New Hampshire sind der Streichelzoo des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes; hier kommt man den Kandidaten nahe, hier wird Politik noch als ein Einzelhandelsgeschäft betrieben. Iowa hat knapp drei Millionen, New Hampshire 1,3 Millionen Einwohner.
Ob die Sieger von Iowa und New Hampshire den Schwung umzusetzen verstehen, ist jedesmal die wichtigste Frage. Umso mehr, als fast alle Vorwahltermine im Kalender drastisch nach vorn gezogen wurden. Am 5. Februar, halten allein 21 Bundesstaaten Vorwahlen ab, darunter so einwohnerstarke wie Kalifornien, New York, New Jersey und Illinois, die bei der Nominierung entsprechendes Gewicht haben. In den Vorwahlen treten Demokraten gegen Demokraten und Republikaner gegen Republikaner an. Vorzeiten mag die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten von den Bossen in rauchgeschwängerten Hinterzimmern ausgehandelt und in Abstimmungsschlachten der Conventions durchgesetzt worden sein; inzwischen hat der Wähler den Parteien die wichtigste Personalentscheidung lange aus der Hand genommen.
Dies ist der Witz des Vorwahlmarathons, der in Wirklichkeit ein Karambolagerennen im eigenen Lager ist, bei dem nur einer durchkommen wird. Der Wahlkampf dauert über ein Jahr; jeder Bewerber hat ihn zu organisieren und zu finanzieren. Wer keine Spenden einzutreiben versteht, kann ohnehin nicht Präsident werden. Wer es schaffen will, sollte 100 Millionen Dollar auf der Kante haben. Gewählt wird wie immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November. Drei von vier Amerikaner sehen ihr Land unter dem Republikaner Bush auf falschem Kurs, insofern müssten die Demokraten gute Chancen haben, das Weiße Haus zurückzuerobern. Ihr Problem ist, dass ihre Meinungsumfragenspitzenreiterin Hillary Clinton, die Senatorin von New York, von allen Kandidaten auch auf den entschiedensten Widerspruch stößt. Barack Obama, der Jungsenator von Illinois, wiewohl erst seit drei Jahren im Senat, versucht, ihr den Weg zu verlegen.
Was ist wichtiger, das neue Gesicht oder die Erfahrung? Vor dieser Frage haben amerikanische Wähler immer wieder gestanden, und erstaunlicherweise haben sie sich für das neue Gesicht entschieden. John F. Kennedy, Jimmy Carter und Bill Clinton setzten sich gegenüber erfahrenen Gegnern - Nixon, Ford und Bush senior - durch. Die politisch erfahrenen - Walter Mondale, Al Gore und John Kerry - scheiterten.
Nach 220 Jahren ist Amerika nunmehr offensichtlich bereit, eine Frau oder einen Farbigen ins Weiße Haus zu wählen. Offen bleibt, ob es Hillary Clinton oder Barack Obama schon zu diesem Zeitpunkt sein muss. John Edwards, der Vizepräsidentschaftskandidat des Jahres 2004, könnte bei den Demokraten der lachende Dritte sein.
Völlig offen ist das Rennen bei den Republikanern; sie haben keinen Spitzenkandidaten. New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani verprellt Teile der republikanischen Stammwählerschaft, weil er nicht für das Verbot der Abtreibung, wohl aber für Rechtevon Homosexuellen und die Einschränkung des Schusswaffenbesitzes eintritt. Mitt Romney, der Ex-Gouverneur von Massachusetts, der Retter der Olympischen Winterspiele von Salt Lake City, stößt als Mormone bei vielen Evangelikalen auf Widerspruch, die diese Glaubensrichtung als Kult einstufen. Plötzlich bietet sich der Ex-Gouverneurvon Arkansas, Mike Huckabee, als Alternative an, ein ordinierter Baptistenpfarrer, der auch im Wahlkampf mit der eigenen Rockband auftritt.
Während die genannten Republikaner als Gouverneur oder Bürgermeister praktische Regierungserfahrung vorweisen können, trifft dies bei den Demokraten allein auf Gouverneur Richardson von New Mexico zu, der kaum Chancen auf den Durchbruch hat. Mitt Romney attackiert bereits Hillary Clinton, sie wolle die Vereinigten Staaten übernehmen, habe aber noch nicht einmal einen Eckladen geführt; dass man die Präsidentschaft im Praktikum lernen könne, wolle ihm nicht in den Kopf. Sie nimmt solche Angriffe gelassen: "Sie attackieren mich, weil ich vorne liege."