Zeitarbeit
Die Branche bringt neue Jobs. Doch die Bezahlung ist oftmals dürftig.
Jörg Schlagbauer war sichtlich zufrieden. Stolz verwies der Betriebsrat der Audi AG in einer Anhörung des Arbeitsausschusses am 10. Dezember auf die Vereinbarung zur Zeitarbeit in seinem Unternehmen. Der Anteil der Leiharbeiter dürfe nur fünf Prozent der Belegschaft ausmachen, sagte er. Damit werde verhindert, dass die Stammbelegschaft durch Zeitarbeiter ersetzt werde. Außerdem gelte der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Von ganz anderen Erfahrungen berichtete hingegen der Vertrauensmann der IG Metall im Berliner Siemens-Schaltwerk, Felix Weitenhagen. In seinem Betrieb, sagte er, kämen auf 2.300 Beschäftigte der Stammbelegschaft 700 Leiharbeiter. Diese verdienten 30 bis 50 Prozent weniger als Siemens-Angestellte und müssten ihr Gehalt mit Arbeitslosengeld II aufstok-ken. "Der Erpressungsdruck für die Stammbelegschaft" sei durch das Lohngefälle enorm.
Ausdrücklich gegen "Lohndumping" in der Zeitarbeitsbranche wendet sich der Gesetzentwurf der Linksfraktion (16/4805 ). Vom ersten Tag der Beschäftigung an sollen Leiharbeiter den Lohn bekommen, den auch ihre im Betrieb angestellten Kollegen erhalten, verlangen darin die Abgeordneten. Das ging allen anderen Fraktionen zu weit, weshalb der Entwurf am 14. Dezember im Plenum abgelehnt wurde ( 16/7513 ).
Gleichwohl sieht nicht nur die Linksfraktion einen Regelungsbedarf. Die Aufnahme ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz stößt bei Sozialdemokraten und Grünen auf Sympathie. Und auf EU-Ebene wird derzeit angestrebt, dass spätestens nach einer Einarbeitungszeit von sechs Wochen gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden muss. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wiederum strebt eine tarifliche Lösung zur angemessenen Bezahlung an. Die Tarifpartner müssten in den jeweiligen Branchen bestimmen, nach welcher Einarbeitungszeit Leiharbeitern der gleiche Lohn zu zahlen sei wie den Beschäftigten der Stammbelegschaft, sagte DGB-Zeitarbeitsexperte Reinhard Dombre in der Anhörung. Es mache einen Unterschied, ob ein Lkw-Fahrer oder ein Chemiefacharbeiter entliehen werde, worauf flexibel eingegangen werden müsse. Gleichwohl verwies der Gewerkschaftsvertreter darauf, dass in der Zeitarbeitsbranche zum Teil Dumpinglöhne gezahlt würden, die mit Hilfe des Gesetzgebers unterbunden werden müssten.
Keine Frage, die Zeitarbeitsbranche in Deutschland boomt. Am Ende des Jahres, schätzte Leiharbeitsexperte Markus Promberger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der Anhörung, werden durchschnittlich bis zu 730.000 Menschen beschäftigt sein. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bezeichnet die Branche sogar als "wichtigen Beschäftigungsmotor". Bei Auftragsspitzen oder Krankheitsausfällen sei die Leiharbeit unverzichtbar, so der BDA-Experte Rainer Huke. Eine gleiche Bezahlung vom ersten Tag lehnte er strikt ab. "Die Auswirkung wäre fatal", sagte Huke. Die damit verbundene Kostensteigerung würde den Einsatz von Zeitarbeitern in vielen Fällen untragbar machen. Die Schubwirkung für den Arbeitsmarkt ginge verloren. Der DGB-Arbeitsmarktexperte Johannes Jakob wendet ein, der Beschäftigungseffekt der Branche müsse ohnehin sehr genau angeschaut werden. So sei der von der Politik gewollte "Klebeeffekt", also die Übernahme eines Leiharbeiters in ein reguläres Arbeitsverhältnis im entleihenden Betrieb, nach wie vor gering.