Eine Pflege, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, ist das erklärte Ziel aller im Bundestag vertretenen Fraktionen. Auch bestätigten alle Redner während der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Reform der Pflegeversicherung ( 16/7439 , 16/7486 ) am 14. Dezember, dass im Grunde die Realität derzeit oft eine andere ist. Von der "Pflege vom Fließband" sprachen mehrere Abgeordnete. Doch welche Wege führen zum Ziel einer besseren und bezahlbaren Pflege? Es gebe noch viel Beratungsbedarf, räumte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ein - auch zwischen Union und SPD.
Mit dem von ihrem Haus erarbeiteten Entwurf soll der Pflegebeitrag zum 1. Juli 2008 um 0,25 Punkte auf 1,95 Prozent für Versicherte mit und auf 2,2 Prozent für Versicherte ohne Kinder erhöht werden. Das führt zu jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro.
Erstmals seit Einführung der Versicherung im Jahr 1995 können dem Gesetzentwurf zufolge die Pflegesätze erhöht werden. Im ambulanten Bereich sollen die Leistungen in Pflegestufe eins bis zum Jahr 2012 schrittweise von monatlich 384 auf 450 Euro steigen, in Pflegestufe zwei von monatlich 921 auf 1.100 Euro und in der Pflegestufe drei von 1.432 auf 1.550 Euro. Bei den stationären Pflegesätzen soll die Stufe drei angehoben werden: von 1.432 auf 1.550 Euro und von 1.688 auf 1.918 Euro in Härtefällen.
Zu den - auch in der Koalition - umstrittensten der vorgesehenen Neuerungen zählt die Schaffung von Pflegestützpunkten. In diesen sollen sich Bürger etwa unter anderem über Pflegeleistungen und -einrichtungen informieren können. Die Union, die einen Aufwuchs von Bürokratie befürchtet, hat dagegen die Einführung von Beratungsgutscheinen ins Gespräch gebracht, die Angehörigen zur Verfügung gestellt werden sollen.
Die Regierung will mit ihrem Entwurf für die Dauer von bis zu sechs Monaten für die Pflege von Angehörigen einen Anspruch auf unbezahlte, sozialversicherte Freistellung von der Arbeit ermöglichen. Die SPD setzt sich darüber hinaus für einen bezahlten Freistellungsanspruch bis zu zehn Tagen ein. Dies wird bislang von der Union abgelehnt.
Unumstritten ist in der Koalition hingegen der Plan, Demenzkranken, psychisch Kranken oder geistig behinderten Menschen künftig eine Zusatzleistung von bis zu 2.400 Euro jährlich zuzugestehen. Gleiches gilt für die angestrebten regelmäßigen und unangemeldeten Überprüfungen von Pflegeeinrichtungen und -diensten.
Auch die Oppositionsfraktionen haben ihre Vorschläge zur Reform der Pflegeversicherung auf den Tisch gelegt. Die Liberalen plädieren in ihrem Antrag ( 16/7491 ) dafür, die Versicherung auf ein kapitalgedecktes und prämienfinanziertes System umzustellen. Dieses müsse mit einem steuerfinanzierten sozialen Ausgleich verbunden werden.
Dagegen tritt die Fraktion Die Linke ( 16/7472 ) für die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung ein. Die Trennung zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung solle aufgehoben werden. Außerdem müssten die Arbeitgeber wieder insgesamt zur Hälfte an den Beiträgen für die Pflegeversicherung beteiligt werden.
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen macht sich in ihrem Antrag ( 16/7136 ) dafür stark, die gesetzliche und die private Pflegeversicherung in einer Bürgerversicherung zusammenzufassen. Ferner verlangen die Grünen, eine Demografiereserve zur Abfederung steigender finanzieller Belastungen zu schaffen. Die Abgeordneten setzen sich darüber hinaus für eine maximal dreimonatige gesetzliche Pflegezeit zur Organisation der Pflege oder zur Sterbebegleitung ein.
Der Gesundheitsausschuss wird sich mit allen vier an ihn überwiesenen Vorlagen ausführlich beschäftigen. Vereinbart wurden vier Expertenanhörungen mit insgesamt elf Stunden Beratungszeit am 21. und am 23. Januar.