Ausschuss für Kultur und Medien/
Berlin: (hib/SUK) Der Vorsitzende der so genannten
Sabrow-Expertenkommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Martin
Sabrow, hat sich am Mittwochnachmittag erstaunt und erfreut
über das breite Interesse der Öffentlichkeit an den
Empfehlungen der Kommission gezeigt. "Es gibt ein großes
Bedürfnis zur Verständigung über den Umgang der
zweiten deutschen Diktatur", sagte Sabrow im Kulturausschuss. Die
Expertenkommission hat empfohlen, sich der Thematik aus
verschiedenen Perspektiven zu nähern und dabei drei
Themengebiete vorgeschlagen: Überwachung und Verfolgung; Mauer
und Grenze und Herrschaft und Gesellschaft. Das Papier war im Mai
vorgestellt worden und hatte ein breites Echo in der
Öffentlichkeit zur Folge. Die Erinnerung an die DDR sei in der
Bevölkerung allerdings "außerordentlich
unterschiedlich", so Sabrow. Der Zerfall in unterschiedliche
"Milieugedächtnisse" habe begonnen. Es sei jedoch nicht
sinnvoll, mit der "Macht der Moral" zu predigen und so ein
öffentliches Gedächtnis zu schaffen. Da öffentliche
müsse mit dem persönlichen Gedächtnis gekoppelt
werden. Die Abgeordneten aller Fraktionen betonten, die
Empfehlungen der Kommission seien ein wichtiger Grundstein für
ein Konzept zum Umgang mit der kommunistischen Diktatur, das nun
schnellstmöglich folgen müsse. Die SPD-Fraktion regte an,
die Diktatur müsse im internationalen Vergleich betrachtet
werden: "Die DDR ist nur verständlich im internationalen
Kontext." Zudem müsse konstatiert werden, dass die
Aufarbeitung "faktisch unterfinanziert" sei. Obwohl geplant sei,
etwa bei der Birthler-Behörde die Kosten zu senken, würde
der Finanzbedarf "insgesamt steigen". Die Fraktion appellierte an
den anwesenden Kulturstaatsminister Bernd Neumann, sich dieser
"drängenden Haushaltsfrage" schnellstmöglich anzunehmen.
Auch die Union begrüßte das Gutachten der
Expertenkommission und bekräftigte, es sei nötig,
über die Aufarbeitung der deutschen Geschichte eine offene
Diskussion zu führen. Noch seien die Zeitzeugen "da und
vital", dies müsse genutzt werden. Mit Sorge betrachte man
Zahlen, nach denen über 30 Prozent der Ostdeutschen es
ablehnten, die DDR als Diktatur zu bezeichnen. Sollte dies "wahr
sein, ist es alarmierend". Es sei auch zu beobachten, dass
ehemalige Stasi-Funktionäre "immer frecher auftreten" und so
der Versuch unternommen werde, einen Unrechtsstaat im Nachhinein
"demokratisch aufzupolieren". Diese Beobachtungen bestätigten
auch die Bündnisgrünen. Man sehe dabei den Versuch,
"Geschichtsklitterung" zu betreiben und die Diktatur zu
rechtfertigen. Liberale und Linksfraktion betonten, die
Aufarbeitung der DDR-Geschichte sei nicht nur für die
Ostdeutschen wichtig, sondern ein gesamtdeutsches Thema. Die
Linksfraktion sah den Beginn einer neuen Aufarbeitungsdiskussion.
Dabei müsse neben den von der Kommission genannten Themen auch
die Kultur einen großen Raum einnehmen. Man müsse den
"engen Blick von den Gedenkstätten lösen, der bisher
geherrscht" habe und sich auch auf Schauspiel, Film und bildende
Kunst konzentrieren.
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