Sachverständige beklagen schlechten Zustand des deutschen Schienennetzes
Berlin: (hib/HIL) Das deutsche Schienennetz ist nicht gut gewartet, darin sind sich Vertreter von Verkehrsverbänden, Lokführer-Gewerkschaft und Betreiber privater Eisenbahnunternehmen einig. Der bisher bekannte Entwurf eines Berichts des Bundesrechnungshofes zum Zustand des Netzes sei zutreffend. Die Deutsche Bahn AG (DB AG) halte das Schienennetz nicht ausreichend in Stand wie es eigentlich ihre Aufgabe wäre, sagten die Sachverständigen am Mittwochmittag bei einem Expertengespräch im Verkehrsausschuss. Statt einer vorbeugenden Instandhaltung verfolge die Bahn eine reaktive Politik, kritisierten sie einhellig. Arthur-Iren Martini, Geschäftsführer des Netzwerk Privatbahnen, in dem europäische Eisenbahngüterverkehrsunternehmen zusammen geschlossen sind und das nach eigenen Angaben 70 Prozent des Verkehrsaufkommens auf der Schiene vertritt, bezeichnete den Rechnungshofsbericht gar nur als "die Spitze des Eisbergs". Der Zustand des Schienennetzes ist seiner Meinung nach bedeutend schlechter als in dem vorliegenden Berichtsentwurf skizziert.
Der Grünrückschnitt werde nicht durchgeführt, eine große zahl von Gleisen sei in den vergangenen Jahren ebenso abgebaut worden wie "etliche Weichen", kritisierte Manfred Schell, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer. Zugverspätungen von zwölf bis 24 Stunden im Güterverkehr beispielsweise aufgrund fehlender Ausweichstrecken seien keine Seltenheit mehr. "Dieser Zustand ist für uns unerträglich", sagte Schell. Martin Henke, Geschäftsführer Eisenbahnverkehr beim Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), betonte, es gebe viel zu viele Langsamfahrstellen in Folge von Baustellen oder Schienenschäden, die nicht abgebaut würden. Man habe in den vergangenen Jahren auf eine Schön-Wetter-Bahn gesetzt, sagte er mit Blick auf den Abbau von Ausweichstrecken. "Es gibt eine Tendenz zu Großbaustellen, statt im Detail zu arbeiten", so der VDV-Vertreter. Für die Zukunft eines qualitativ guten Schienennetzes ist für Henke - ebenso wie für die anderen Sachverständigen - entscheidend, dass in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund als Eigentümer der DB AG und der DB AG klare Instandhaltungs- und Instandsetzungsziele festgeschrieben werden.
Bernd Kaiser von der Überwachungsgemeinschaft Gleisbau gab zu bedenken, bei allen Überlegungen zur Instandhaltung des Schienennetzes sei die Voraussetzung, dass es ein Instandhaltungsfähiges Netz gebe. Auch er spielte damit auf den in den vergangenen Jahren von der DB AG und deren Tochtergesellschaft DB Netz AG vorgenommenen Abbau von Nebengleisen und Weichenanlagen an. Dieser führt nach einhelliger Expertenmeinung zu einer zunehmenden Unflexibilität im Schienennetz. Es gebe mittlerweile Baustellen, zu denen Bautrupps und Maschinen erst 35 Kilometer oder weiter herangefahren werden müssen, weil es vorher keine Möglichkeit gebe, "auf das Gleis" zu kommen. "Es wird kein Automobilhersteller ein Auto ohne Motorhaube bauen und dem Monteur sagen, er müsse über den Kofferraum hineinkrabbeln", erläuterte Kaiser.
In einer der nächsten Ausschusssitzungen wollen die Abgeordneten auch die andere Seite hören: Dann sollen DB AG und der Bundesrechnungshof zum Expertengespräch geladen werden.
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