Kontroverse um Informantenschutz für Arbeitnehmer
Berlin: (hib/KOS) Kontroversen hat am Mittwochnachmittag bei einer Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Absicht der Bundesregierung ausgelöst, den Informantenschutz für Arbeitnehmer zu verbessern, die Gesetzesverstöße und Missstände in ihren Unternehmen bei zuständigen Stellen anzeigen. Einen entsprechenden Vorschlag zur Verankerung eines solchen Anzeigerechts im Bürgerlichen Gesetzbuch haben das Arbeits-, Verbraucherschutz- und Justizministerium erarbeitet. Während die Vertreter von Arbeitgeberverbänden zum Auftakt des Hearings den Vorstoß strikt ablehnten, wurde die Gesetzesänderung von Seiten der Gewerkschaften und der Lebensmittelkontrolleure nachdrücklich unterstützt.
Für die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und den DGB erklärte Micha Heilmann, eine gesetzliche Regelung des Informantenschutzes sei im Interesse der Verbraucher, der Öffentlichkeit und der Arbeitnehmer dringend geboten. Ein Anzeigerecht für Beschäftigte könne die Aufdeckung nicht nur von Gammelfleisch-Skandalen, sondern auch von Arbeitnehmerbespitzelungen wie bei Lidl, von Schmiergeldzahlungen wie bei Siemens oder von Datenmissbrauch wie bei der Telekom erleichtern. Zudem könne die Gesetzesänderung einen Beitrag zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung leisten. Heilmann bezeichnete es als richtig, dass sich laut der Gesetzesnovelle Beschäftigte dann direkt an zuständige Behörden wenden können, wenn etwa auf innerbetrieblichem Weg eine Abhilfe bei Missständen nicht zu erreichen sei.
Vehement stark für den geplanten Informantenschutz machte sich Martin Müller. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure beklagte, dass diese Einrichtungen wegen einer unzureichenden Personalausstattung keine umfassende Überwachung von Betrieben gewährleisten könnten und deshalb im Falle krimineller Machenschaften auf Hilfe aus den betreffenden Unternehmen angewiesen seien. Das habe nichts mit Denunziantentum zu tun.
Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betonte, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung das Anzeigerecht für Arbeitnehmer bereits geregelt und dabei eine Abwägung zwischen den Interessen der Beschäftigten und der Arbeitgeber vorgenommen habe. Schon jetzt könnten sich bei großen Bedrohungen der Allgemeinheit Arbeitnehmer direkt nach außen wenden. Die Gesetzesänderung, so Wolf, stelle hingegen einen "schweren Schlag gegen die Loyalität" in den Unternehmen dar und beschwöre die Gefahr des Denunziantentums herauf. Konkret kritisierte der BDA-Vertreter, dass Beschäftigte Anzeigen schon dann erstatten können sollen, wenn sie den subjektiven Eindruck haben, ein Problem sei innerbetrieblich nicht zu lösen.
Michael Andritzky von der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss hob hervor, dass die Lebensmittelindustrie eine "gewaltige Eigensicherung" betreibe, um Fehler im Produktionsablauf weitgehend auszuschließen. Im Falle krimineller Machenschaften wie etwa beim Gammelfleisch könnten Arbeitnehmer bereits heute ihre Arbeitgeber anzeigen. Wenn sich Kriminalität dieser Art nicht durch Strafgesetze und wirtschaftliche Sanktionen wie Betriebsschließungen verhindern lasse, dann auch nicht durch die geplante Gesetzesnovelle. Offenbar wolle sich der Staat zum Teil seiner Überwachungsfunktion entledigen und diese Aufgabe Arbeitnehmern zuschieben. Andritzky sagte, jede Anzeige berge die Gefahr in sich, dass ein Unternehmen unberechtigt an den Pranger gestellt werde und eine massive Rufschädigung erleide.
Aus Sicht von Dieter Deiseroth kann ein gesetzlich verankertes Anzeigerecht das zivilgesellschaftliche Engagement stärken. Der Richter am Bundesverwaltungsgericht hält eine solche Regelung für geboten, weil die Rechtslage zu dieser Problematik Defizite aufweise. Für Klaus Rinck vom Bundesarbeitsgericht ist die Gesetzesänderung angesichts der bereits erfolgten Rechtsprechung zu dieser Thematik "nicht zwingend notwendig", könne aber mehr Klarheit schaffen. Er plädierte dafür, Arbeitnehmer zu einer sorgfältigen Prüfung eines Verdachts zu verpflichten, bevor sie Anzeige erstatten. Solche Anzeigen sollten nur bei Staatsanwaltschaften und zuständigen Behörden möglich sein, so Rinck, hingegen solle der Weg zu Medien oder Verbraucherverbänden nicht eröffnet werden. Stehe hinter dem Vorgehen eines Beschäftigten das Motiv, sich am Arbeitgeber zu rächen oder diesen zu schädigen, so müsse eine Kündigung möglich sein.
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