Runder Tisch soll Schicksal früherer Heimkinder aufarbeiten
Berlin: (hib/HAU) Mit dem Schicksal ehemaliger Heimkinder hat sich der Petitionsausschuss in einer öffentlichen Sitzung am späten Mittwochnachmittag auseinandergesetzt. Einstimmig erklärte der Ausschuss, er "sieht und erkennt erlittenes Unrecht und Leid, das Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Kinder- und Erziehungsheimen in der alten Bundesrepublik in der Zeit zwischen 1945 und 1970 widerfahren ist und bedauert das zutiefst". In der Sitzung, an der auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) teilnahm, sprach sich der Ausschuss zudem für die Einrichtung eines Runden Tisches unter Vorsitz der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Bündnis 90/Die Grünen) zur Aufarbeitung des erfahrenen Unrechts aus.
Keine Petition habe den Ausschuss in den letzten Jahren so beschäftigt, wie das Anliegen der ehemaligen Heimkinder, sagte die Ausschussvorsitzende Kersten Naumann (Die Linke). Die besondere Bedeutung zeige sich auch in der Anwesenheit des Parlamentspräsidenten. Lammert hob die Einmaligkeit hervor, mit der das Thema vom Parlament aufgegriffen worden sei. Es wäre zu rechtfertigen gewesen, so Lammert, das Begehren der ehemaligen Heimkinder an die eigentlich zuständigen Länder weiterzureichen. Dass der Ausschuss dies nicht getan habe, verdeutliche die hohe Wertschätzung dieses Anliegens. Mit dem Runden Tisch schaffe man ein Format, das dem "äußerst komplizierten" Sachverhalt entgegen komme. Der "zähe" Prozess, der aus Sicht vieler Betroffener sicher viel zu lange gedauert habe, habe sich gelohnt, so Lammert. Das Ergebnis werde "Anliegen und Bedeutung gerecht".
"Wir brauchen Mut zur Aufklärung", sagte die designierte Vorsitzende des Runden Tisches, Antje Vollmer. Sie sehe in der neu zu schaffenden Institution "kein Tribunal und keine Enquetekommission". Vielmehr müsse es sich um eine "kleine Wahrheitskommission" handeln, die zuhören und einordnen müsse, um zu einem Urteil zu kommen und Lösungen zu erarbeiten. Neben Vollmer sollen unter anderem auch Vertreter ehemaliger Heimkinder, der konfessionellen und nicht-konfessionellen Heimträger, der Vormundschafts- und Jugendgerichte, sowie der Kinder- und Jugendhilfeverbände am Tisch sitzen, sagte Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Sie erinnerte daran, dass ohne das Engagement der Betroffenen der nun beschlossene Weg hin zur Aufarbeitung des Geschehenen nicht möglich gewesen wäre. Keine Einigung, so räumte Lösekrug-Möller ein, konnte bisher darüber erzielt werden, ob durch den Bundestag über die Anerkennung des erlittenen Unrechts hinaus weitere Schritte gegangen werden sollten. Daher werde die der Sitzung zugrunde liegende Petition auch den Fraktionen zur Kenntnis gegeben. Der Bundestag wird in der kommenden Woche über die Empfehlung des Petitionsausschusses beschließen.
Von einem "Meilenstein bei der Aufarbeitung des Geschehens" sprach der Grünen-Abgeordnete Joseph Winkler. Der Ausschuss sei durch die Petition "emotional besonders gefordert gewesen". Ziel sei es gewesen, ein "starkes Signal" zu setzen, das auch an die Gesellschaft und an die Träger von Heimen sowie an die Heime selbst gerichtet sei. Er hoffe nun, dass auch die Länderparlamente ähnlich reagieren.
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