Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union/
Berlin: (hib/AS) Der Vertrag von Lissabon bietet nach Meinung von
Europaexperten neue Chancen für eine Gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik der EU. Bei der Ausgestaltung komme es aber
in starkem Maße darauf an, welche zukünftige Rolle das
Europaparlament (EP) und die nationalen Parlamente dabei spielen
werden. "Alle Parlamente sind aufgefordert, sich einzumischen",
sagte Joachim-Fritz Vannahme, Projektleiter Europa der
Bertelsmann-Stiftung bei einem Expertengespräch des
Europaausschusses zur Vorbereitung der Ratifizierung des Vertrages
von Lissabon am Mittwochnachmittag. Er zeigte sich zuversichtlich,
dass die neuen Regelungen zu einer verstärkten Zusammenarbeit
im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik der Union
führen können. "Die Wirklichkeit wird den Vertrag
überholen und eher zu Vergemeinschaftung führen", so
Vannahme. Einig waren sich die Experten darüber, dass in
vielen Bereichen noch eine unklare Kompetenzverteilung besteht:
"Der Konflikt ist, wer wann wofür zuständig sein wird.
Das regelt der Reformvertrag überhaupt nicht", sagte Andreas
Maurer von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Nach Meinung
Maurers stellt das Vertragswerk eine "Aufaddierung verschiedener
Integrationsvorstellungen" dar. Neben der EU als
Rechtspersönlichkeit könnten dabei aber auch das
Europaparlament und die nationalen Parlamente eine mögliche
Klammerfunktion übernehmen, so Maurer. Auch Wolfgang Wessels
von der Universität Köln verwies darauf, dass der Nutzen
des Reformvertrages davon abhänge, "was die Regierungen daraus
machen wollen", so Wessels. Dabei hob er zudem hervor, dass der
Bundestag im Vergleich zu anderen Parlamenten ein großes
Mitspracherecht in außenpolitischen Fragen habe. Hinsichtlich
der Frage des Einflusses des EP kritisierte Tobias Pflüger,
Abgeordneter der Linkspartei im Europaparlament, dass es mit dem
Vertrag von Lissabon zwar eine Verlagerung von Kompetenzen an die
EU gegeben habe, aber keine Sicherung der parlamentarischen
Kontrolle. Dies nannte er auch als einen der Gründe, sich
gegen eine Ratifizierung des Vertragswerkes auszusprechen. Elfriede
Regelsberger vom Institut für Europäische Politik sprach
sich hingegen auf Nachfrage der Abgeordneten für eine
Ratifizierung des Vertragswerkes aus, da er im institutionellen
Bereich einen Fortschritt bedeute. Als positive Aspekte nannte sie
das Ende der routierenden Präsidentschaft sowie mehr
Sichtbarkeit und Kontinuität. Gleichzeitig gab sie jedoch auch
zu bedenken, dass der neue Vertrag beispielsweise bezüglich
der Rolle des Hohen Vertreters für die Außen- und
Sicherheitspolitik in Abgrenzung zum neuen Präsidenten des
Europäischen Rates noch viele "offene Fragen" erkennen
ließe.
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