UN-Sonderbeauftragter Muñoz wartet weiter auf Antwort der Bundesregierung
Berlin: (hib/GOD) Der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz, hat die Bundesregierung bei einem Besuch in Berlin erneut aufgefordert, die UN-Kinderrechtskonvention lückenlos umzusetzen. Deutschland verstoße mit seinem Vorbehalt klar gegen das Menschenrecht auf Bildung, erklärte Muñoz am Donnerstagabend im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, wo er auf Einladung der Ausschussvorsitzenden, Ulla Burchardt (SPD), sprach. Seine "perverse Folge" sei, dass die Kinder von Flüchtlingen "in erster Linie vor ihrem Migrationshintergrund und erst in zweiter als Kinder betrachtet werden." Die Bundesregierung hatte bei der Ratifizierung der Konvention 1992 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kein besonderes Schutzrecht zuerkennen wollen.
Bei seiner zweiten Anhörung im Bundestag seit 2006 legte der Vertreter der Vereinten Nationen dar, welche Schritte seit seinem Bericht über das deutsche Bildungssystem seiner Ansicht nach gemacht wurden. Vor einem Jahr hatte der costa-ricanische Rechtsanwalt und Pädagoge ein vernichtendes Urteil über das deutsche Schulsystem gefällt: Mit seiner frühen Aufteilung auf verschiedene Schultypen, überdurchschnittlich vielen Sonderschulen und mangelnder Chancengleichheit für Kinder aus unterprivilegierten Familien sei das deutsche Schulsystem selektiv, diskriminierend und ungerecht. Fortschritte attestierte der UN-Vertreter in der Schulstrukturfrage: Dass Hamburg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz sich jüngst auf den Weg gemacht hätten das mehrgliedrige Schulsystem auf ein zweigliedriges umzustellen, sei ein Schritt in die richtige Richtung. Auch habe der Staatssekretär im Bildungsministerium, Andreas Storm, bei einem Treffen überzeugend dargelegt, dass in der Lehrerausausbildung künftig ein größeres Gewicht auf pädagogische Inhalte gelegt würde. Ungeachtet eines informellen Treffens mit dem Bildungsstaatssekretär am Rande seines Deutschland-Besuchs stellte Muñoz aber auch klar, dass er nach wie vor eine offizielle Antwort der Bundesregierung erwartet: "Solche Dinge brauchen ihre Zeit", erklärte er, "aber natürlich erwarte ich, dass auf meine Berichte reagiert wird."
Wenig Bewegung konnte Muñoz bei seinem dreitägigen Besuch, der ihn in vier Bundesländer führte, in dem Umgang mit Kindern mit Behinderungen erkennen. "Ich fürchte dass der Weg zu einer integrativen Erziehung, bei der alle Kinder gemeinsam lernen und die gleichen Chancen bekommen, noch sehr weit ist." Der getrennte Unterricht von mehr und weniger begabten Kindern sowie solchen mit Behinderungen stand 2007 im Zentrum der Kritik des Berichterstatters. Karin Evers-Meyer, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und Abgeordnete (SPD), bestätigte im Ausschuss: "Wir haben nicht nur ein Problem in der Ausbildung von Migranten, sondern auch in der Integration von behinderten Kindern. Der Besuch einer Sonderschule führt zu 90 Prozent in eine Werkstatt für beschützte Arbeit. Das ist keine Integration, sondern eine Parallelgesellschaft."
Die Grünen fügten hinzu, Kinder aus Migrantenfamilien und solche auf Sonderschulen seien häufig dieselben: "Auch Kinder mit Sprachschwierigkeiten werden dorthin geschickt. Eltern, die das deutsche Schulsystem nicht kennen, können sich kaum dagegen wehren." Die FDP verwies auf eine jüngst veröffentlichte Studie des Erziehungswissenschaftlers Helmut Fend, laut der Unterricht in Gesamtschulen nicht automatisch sozial gerechter ist.
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