Sachverständige warnen vor Fonds-Lebensversicherungen
Berlin: (hib/HLE) Neuregelungen für die Versicherungsbranche im Gesetzentwurf zur Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie ( 16/10536) sind von den Sachverständigen in einer nicht öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch völlig konträr beurteilt worden. Die Verbraucherzentrale Bremen warnte vor Risiken durch die Schaffung einer neuen Lebensversicherungsform auf der Grundlage von Investmentfonds ("Variable Annuities"). In den USA hätten derzeit gerade die führenden Anbieter von "Variable Annuities" mit schweren Verlusten zu kämpfen. Daher solle man die Beratung lieber verschieben. Dagegen befürwortete der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft die Neuregelung, mit der neue Chancen auf den Aktienmärkten genutzt werden könnten.
Das Gesetz stellt nach Angaben des Sachverständigen Axel Kleinlein (math concepts) "die stärkste Deregulierung der deutschen Lebensversicherung seit 1994" dar. Der Sachverständige wies in einer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass die von der Versicherungswirtschaft geplanten neuen Garantieprodukte "erheblich riskanter als bisherige Garantieprodukte" seien. Er befürchte einen eingeschränkten Schutz durch den Sicherungsfonds Protector. Die Verbraucherzentrale Bremen empfahl, vor der Einführung dieser Produkte im Schnellgang in Deutschland zunächst sehr sorgfältig die krisenhaften Erfahrungen in den USA auszuwerten. Es bestehe im Übrigen in Deutschland auch deshalb keine Eile, weil die deutschen Versicherer selbst Anlass hätten, die in der Finanzkrise zutage getretenen Probleme aufzuarbeiten. Die Finanzkrise habe gezeigt, "dass der bisherige Wettlauf um die weitestgehende Deregulierung in die falsche Richtung führt und diesbezüglich ein Umdenken erforderlich ist". Die Verbraucherzentrale warnte vor einer "Grauzone", in der die Versicherer operieren könnten. Es gebe die Tendenz, immer mehr Derivate in klassische Versicherungsprodukte einzubauen.
Dagegen bezeichnete die Versicherungswirtschaft die geplanten "Variable Annuities" als das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt. Derzeit würden diese Produkte in Deutschland von ausländischen Anbietern zum Beispiel aus Irland oder Luxemburg verkauft. Die Kunden hätten jedoch ein stärkeres Bedürfnis nach Sicherheit. Im Ausland gebe es teilweise keine Sicherungsinstrumente. Auch hätten die USA ein anderes Aufsichtssystem. Die Angebote der deutschen Versicherungsbranche würden dem Regime des Branchensicherungsfonds Protector unterliegen. Protector schütze nicht ein einzelnes Produkt, sondern die Zusagen des Versicherers.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht durch die Schaffung von "Variable Annuities" gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Versicherer in Deutschland. Es gebe aber auch Risiken für die Versicherten, wurde eingeräumt. Eine Produktaufsicht durch die BaFin finde nicht statt.
Der Hauptgegenstand des Gesetzentwurfs, die Erleichterung des Erwerbs von Beteiligungen im Finanzsektor, wurde von den meisten Sachverständigen grundsätzlich positiv beurteilt. So hatten BaFin, Bundesbank und Zentraler Kreditausschuss (ZKA) keine Einwände gegen den Entwurf. Von Seiten des Zentralen Kreditausschusses wurde darauf hingewiesen, dass Verzögerungen bei Investitionen im Ausland zu dieser Initiative der EU geführt hätten. Mit dem Entwurf werden Fristen für die Aufsichtsbehörden gesetzt, um zu lange Prüfungen von Investitionsvorhaben zu verhindern. Der Sachverständige Christian Waigel wies in einer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass die Vorgabe enger Prüfungsfristen ins Leere gehe, wenn es letztlich in das Ermessen der Behörde gestellt werde, wann die Fristen beginnen sollen. Auch könne die BaFin bestimmen, wann von der geforderten Vollständigkeit der Angaben für eine Investition auszugehen sei. "Damit steht es weitgehend im Ermessen der BaFin, wann von einer Vollständigkeit der Anzeige auszugehen ist", betonte Waigel.
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