Steinmeier weist Vorwurf der BND-Kriegsbeteiligung als "aberwitzig" zurück
Berlin: (hib/KOS) Als "absurd" und "aberwitzig" kritisierte Außenminister Frank-Walter Steinmeier Versuche, aus dem Einsatz zweier BND-Agenten in Bagdad während des Irak-Feldzugs der USA im Frühjahr 2003 eine Beteiligung Deutschlands an diesem Waffengang abzuleiten, die von der rotgrünen Regierung öffentlich abgelehnt worden war. Zum Auftakt seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss erklärte der damals als Chef des Kanzleramts amtierende SPD-Politiker am Donnerstagnachmittag, die von Pullach zum Teil an das US-Hauptquartier in Katar weitergeleiteten Meldungen der BND-Mitarbeiter aus Bagdad hätten nicht der "operativen Kriegführung" dienen dürfen. Diese "rote Linie" sei nicht überschritten worden. Die nach Katar übermittelten BND-Erkenntnisse seien lediglich in allgemeine militärische Lagebilder der US-Armee eingeflossen. Steinmeier bezeichnete die Vorstellung als "irrwitzig", dass zwei deutsche Agenten die Kriegführung einer 150.000-Mann-Streitmacht hätten beeinflussen können, die "mit allen technischen Aufklärungsmitteln" ausgerüstet und für die zudem im Irak eine Vielzahl von Informanten tätig gewesen sei. Die Kooperation des BND mit US-Diensten sei natürlich ein "Balanceakt" gewesen. Doch habe er keinen Zweifel, dass Pullach die Vorgaben für die Beschränkungen bei der Informationsweitergabe nach Katar beachtet habe.
Entschieden wies der Minister Äußerungen einiger während des Irak-Kriegs an führender Stelle aktiven US-Militärs in deutschen Medien und vor allem im "Spiegel" zurück, die nach Katar gelangten Meldungen der beiden BND-Mitarbeiter seien von "unschätzbarem Wert" für die US-Strategie gewesen. Auf diese Weise wolle man aus dem Pentagon "alte Rechnungen begleichen", kritisierte Steinmeier. Offenbar solle der ehemaligen deutschen Regierung nachträglich eine Mitverantwortung für die falsche Entscheidung der USA aufgebürdet werden, den Irak-Krieg zu beginnen. Er sprach von "Räuberpistolen" in Medien.
Rückendeckung erhielt der Sozialdemokrat vom früheren Außenminister Joschka Fischer. Der Grünen-Politiker bezeichnete die Thesen der amerikanischen Ex-Generäle als "tote Flugente" des "Spiegel". Die inhaltliche Substanz der Vorwürfe sei "sehr gering". So solle etwa die US-Armee einen Angriff auf einen Bagdader Airport wegen der Erkenntnisse der BND-Agenten unterlassen haben, wobei sich deren Meldungen in Wahrheit auf einen anderen Flughafen bezogen hätten. Fischer zweifelte die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen an. Das Auftreten der US-Militärs in hiesigen Medien habe auch damit zu tun, "dass Steinmeier SPD-Kanzlerkandidat ist." Das Lob aus den USA für die BND-Informationen charakterisierte Fischer als "Küsse voller Gift." Steinmeier sagte, für Wahlkampfvorbereitungen sei der Untersuchungsausschuss der falsche Ort.
Fischer wies die Kritik, die frühere Regierung habe im Falle des Irak-Kriegs "anders gehandelt als gesprochen", als "völligen Quatsch" zurück. Hinter dem BND-Einsatz in Bagdad verberge sich kein "Doppelspiel", so der Ex-Außenminister. Im Vergleich zu den trotz des deutschen Neins zum Krieg der US-Luftwaffe gewährten Überflugrechten in Deutschland sei die BND-Aktion eine "Nebensächlichkeit" gewesen, die jetzt "aufgebauscht" werde. Dass die Pullacher Meldungen seinerzeit von den USA nicht als Kriegsbeteiligung gedeutet worden seien, zeige sich schon daran, dass der damalige Kanzler Gerhard Schröder bei der US-Regierung "fast als Gottseibeiuns" gegolten habe, Berlin habe man des "üblen Verrats" bezichtigt, "wir stießen in Washington auf eisige Ablehnung." Auch Steinmeier meinte, die US-Regierung wäre wohl kaum so verärgert über die Deutschen gewesen, wenn diese "im Hintergrund verstohlen" beim Krieg mitgewirkt hätten.
Wie Fischer rechtfertigte der SPD-Politiker die Fortführung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit wie auch die Überflugrechte für die US-Luftwaffe oder die Erlaubnis zur Nutzung hiesiger Militärbasen mit dem Hinweis, trotz des Neins zum Krieg habe man die Bündnisverpflichtungen nicht in Frage gestellt. Die Ablehnung einer solchen Kooperation, so Fischer, hätte damals knapp an die "Kündigung der Bündnisloyalität" herangereicht. Aus Sicht Steinmeiers kann man den BND-Einsatz in Bagdad auch deshalb nicht als Kriegsbeteiligung deuten, weil Pullach mit seinen Recherchen das Nein der Regierung zu diesem Feldzug wesentlich unterfüttert habe.
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