Experten plädieren für weitergehende Änderungen beim Elterngeldgesetz
Berlin: (hib/HAU) Die von den Koalitionsfraktionen geplante Novellierung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) ( 16/9415) wird von Experten begrüßt. Bei einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Dienstagnachmittag wurden jedoch gleichzeitig weitergehende Änderungen gefordert. Kritisiert wurde zudem der Zeitpunkt der Gesetzesvorlage. Nach Ansicht der Sachverständigen wäre es sinnvoller gewesen, auf den von der Bundesregierung bis Anfang Oktober 2008 vorzulegenden Evaluationsbericht über die Auswirkungen des BEEG zu warten. Ziel der Koalitionsvorlage ist unter anderem die Vereinheitlichung der Mindestbezugszeit von Elterngeld auf zwei Monate und die Schaffung einer Möglichkeit für Großeltern, bei Betreuung der Enkelkinder Elternzeit beanspruchen zu können.
Professor Benjamin Benz von der Evangelischen Fachhochschule Freiburg sieht in dem Gesetzentwurf einen "Schritt in die richtige Richtung", der jedoch an "wichtigen Konstruktionsmängeln" des Elterngeldes vorbei gehe. So führe nach wie vor die Situation von beiden in Teilzeit arbeitenden Eltern zu einer Reduktion der Anspruchsdauer, was in vielerlei Hinsicht kontraproduktiv sei. Das Gesetz schaffe auch neue Probleme, so Benz. Die zu befürwortende Einführung einer "Großelternzeit" ohne die Möglichkeit des Bezugs von Elterngeld durch die Großeltern
führe zu "sozialer Selektion". Ebenso wie Christine Fuchsloch vom Deutschen Juristinnenbund sprach sich auch Benz gegen die zweimonatige Mindestbezugszeit beim Elterngeld aus. Laut Fuchsloch führe dies dazu, dass Elternteile, die ihre Erwerbsarbeit nicht volle zwei Monate unterbrechen können oder wollen, vom Elterngeld ausgeschlossen seien.
Jutta Dehoff-Zuch vom Deutschen Gründerinnen Forum sieht im Elterngeldgesetz, wie auch in der vorgelegten Novellierung, die Interessen Selbstständiger nicht ausreichend berücksichtigt. Sie forderte ein Mindestelterngeld für selbstständige Alleinerziehende, die für ihren Lebensunterhalt mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten müssten und bisher auch bei geringem Verdienst vom Elterngeld ausgeschlossen seien. Für eine Anhebung des Sockelbetrages sprach sich Marion von zur Gathen vom Paritätischen Gesamtverband aus. Die Einführung des Elterngeldes als einkommensabhängige Lohnersatzleistung habe dazu geführt, dass laut statistischem Bundesamt knapp die Hälfte aller Eltern lediglich Elterngeld in der Höhe des Mindestbetrages von 300 Euro erhalte. Verbunden mit der Reduzierung der Bezugsdauer von 24 auf 12 bzw. 14 Monate bekämen diese Familien bis zu 3.600 Euro weniger Förderung. Barbara König vom Zukunftsforum Familie sprach sich für die geplante Mindestbezugszeit von zwei Monaten aus. Damit könne auch gegenüber dem Arbeitgeber deutlich gemacht werden, dass bei einer Nichtgewährung einer zweimonatigen Freistellung der Anspruch vollständig erlösche. Als "vermutlich folgenlos" bezeichnete sie die Regelung zur Großelternzeit, wenn diese nicht an die Gewährung von "Großelterngeld" gekoppelt werde. Jochen Kluwe vom RWI Essen sieht dies hingegen als "zu weitgehend" an. Schließlich gehe es um die Stärkung der jungen Familien mit gleichzeitiger Einbindung von Vater und Mutter und weniger um die systematische Ermöglichung von Lebensentwürfen, in denen die Großeltern die Kindesbetreuung leisteten. Für den Deutschen Städte- und Gemeindebund sei die Vereinfachung der Einkommensermittlung die entscheidende Zielrichtung, sagte Uwe Lübking. Nur so könne der derzeit sehr hohe Verwaltungsaufwand deutlich gesenkt werden.
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