Jörg Tauss, SPD
Die jüngst veröffentlichte OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2004“ hat erneut gezeigt, dass das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich erheblichen Nachholbedarf hat. Beide Berichte bescheinigen der Bundesrepublik aber auch, dass sich seit der ersten PISA-Studie einiges bewegt hat in Deutschland.
Mit dem Investitionsprogramm „Bildung und Betreuung“ unterstützt die Bundesregierung die Länder beim Ausbau des Ganztagsschulangebots mit insgesamt vier Milliarden Euro. Die Länder haben damit begonnen, Bildungsstandards zu entwickeln, um zu mehr Vergleichbarkeit und Qualität der schulischen Bildung zu kommen. Gemeinsam haben sich Bund und Länder außerdem darauf verständigt, künftig einen regelmäßigen nationalen Bildungsbericht vorzulegen, damit wir nicht erst auf die nächste PISA-Studie warten müssen, um zu wissen, wie es um unser Bildungssystem steht.
Wenn es um die weitere Verbesserung der Qualität der Schulbildung geht, sind jetzt in erster Linie die Länder gefragt, die nach dem Grundgesetz die alleinige Kompetenz haben. Der Bund hat seine Hausaufgaben mit dem Ganztagsschulprogramm zum großen Teil gemacht. Seine Aufgabe wird es nun sein, die Länder im Rahmen seiner Zuständigkeiten bei weiteren Reformen zu unterstützen – etwa über die Förderung der Bildungsforschung oder über Modellvorhaben.
Vordringlich ist eine Reform der Lehrerausbildung und -fortbildung, die einen größeren Praxisbezug und mehr Pädagogik in die Lehrerausbildung bringen muss. Außerdem brauchen die einzelnen Schulen mehr Freiheit und Eigenverantwortung. Und weil der schulische Erfolg nirgendwo so sehr von der sozialen Herkunft abhängt wie in Deutschland, dürfen auch die bestehenden Schulstrukturen und die bessere individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern nicht tabu sein.
Wichtig ist, dass die Länder sich bei den Reformen abstimmen. Es kann nicht sein, dass etwa Niedersachsen die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern verweigert. Mit dieser Rückkehr zur Kirchturmspolitik des 19. Jahrhunderts wird Deutschland im zusammenwachsenden Europa nie internationalen Anschluss finden.
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am: 11. Oktober 2004