Sibylle Laurischk ist nicht nur gern Abgeordnete, sondern auch gern dort, wo das Leben stattfindet – um die Auswirkumgen der Gesetze einschätzen zu können.
Der Moment, an dem Sibylle Laurischk in die Politik eintrat? Die 49-Jährige muss nicht lange überlegen: vor 19 Jahren, mit einem Baby auf dem Arm, beim Aufschlagen der Lokalzeitung. "Da läuft was falsch", war ihr erster Gedanke, als sie erfuhr, dass in Offenburg die gynäkologischgeburtshilfliche Abteilung des Zentralkrankenhauses geschlossen und dem katholischen Krankenhaus zugeschlagen werden sollte. Noch weniger Wahlfreiheit für Frauen, die der Kirche nicht nahe stehen? Und das nach den harten Auseinandersetzungen um den Paragrafen 218? Für die junge Mutter Anlass, selbst aktiv zu werden. Binnen kurzem waren 20.000 Unterschriften gesammelt. Die Erfahrungen mit einer spontan entstandenen Bürgerinitiative, der (ergebnislose) Besuch beim Sozialministerium, die weiteren Krankenhausentwicklungen in den Schwarzwaldtälern - immer mehr näherte sich Sibylle Laurischk der Kommunalpolitik an. Zunächst auf der Wahlliste der FDP, ohne noch selbst Mitglied zu sein, dann nach dem herausragenden Ereignis der deutschen Wiedervereinigung auch in der Partei Hans-Dietrich Genschers.
Stets wiederholte es sich für sie in den Neunzigerjahren: die erste Frau der FDP im Stadtrat jener Region, die erste Frau der FDP in diesem und in jenem Gremium. Und seit 1999 auch die erste Frau der FDP als Fraktionschefin. Sicherlich hatte sie durch ihre inzwischen drei Kinder einen persönlichen Zugang zu familiennahen Anliegen, etwa zu Kindergärten, Spielplätzen, öffentlichem Nahverkehr, aber ansonsten hat sie sich "vom Thema Frau nicht sonderlich beeindrucken lassen".
„Frauen im Bundestag - das kann noch besser werden. Da gibt es nach wie vor sehr stark männerbesetzte Felder. Das ist für mich aber nichts Neues, das verdrießt mich nicht. Im Gegenteil, ich habe mich daran gewöhnt, damit umzugehen.“
Als Anwältin trat sie wie selbstverständlich in vormaligen typischen Männerbastionen auf und behauptete sich. Schließlich rutschte sie über ein lokales Denkmalschutzprojekt von nationaler Bedeutung auch "in die bundespolitische Schiene", versuchte es spontan, bei der Aufstellung einen designierten Kandidaten aus dem "old boys network" beiseite zu schieben, war von dem erfolgreichen Ergebnis selbst "kolossal überrascht", arbeitete sich in zwei Anläufen vom zwölften zum sechsten Landeslistenplatz vor - und zog 2002 in den Bundestag ein.
Am Anfang ging es ihr wie allen Neulingen, gleich ob Frau oder Mann: sich in den Abläufen zurechtfinden, lernen, wie sich die Fraktion aufstellt. Für sie war alles neu. Sie hatte zuvor nie reingerochen - kam auch entsprechend unbefangen in ihre Facharbeit im Rechtsausschuss. Zwar verfügt sie inzwischen auch über Rückhalt in einem Frauennetzwerk als Vizevorsitzende der Liberalen Frauen in Baden- Württemberg. Wichtiger für ihre politischen Aufgaben in Berlin ist ihr jedoch der Kontakt zur Lebenswirklichkeit: über ihre Kinder, über ihren Beruf, über ihre kommunalpolitische Tätigkeit. "Es wird oft unterschätzt, wie wertvoll gerade diese Erfahrungen sind, um die Auswirkungen der Gesetze einschätzen zu können."
Sibylle Laurischk ist inzwischen allein erziehende Mutter. "Das geht", unterstreicht sie. Es sei eine Frage des Wollens und der Grundsituation der Kinder. Wenn es sich um gesunde, stabile, intelligente junge Menschen handele, die es gewohnt seien, selbstständig zu leben, lasse sich Mandat und Mutterschaft mit Unterstützung von Haushaltshilfen gut organisieren. Deshalb ist Laurischk nicht nur gern Abgeordnete, sondern auch "gern dort, wo das Leben stattfindet".
sibylle.laurischk@bundestag.de
www.laurischk.de
Text: Gregor Mayntz
Fotos: Deutscher Bundestag