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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Estland
Gültig ab: 08.05.2007 09:19
Autor: Kathrin Gerlof
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Estland

Flagge Estland


Liis Kolle.
Liis Kolle.
© DBT/studio kohlmeier


Christel Happach-Kasan (FDP).
Christel Happach-Kasan (FDP).
© DBT/studio kohlmeier


Christel Happach-Kasan trifft Liis Kolle im Café Cinema am Hackeschen Markt

Das Café Cinema ist ein Ort, der zu Liis Kolle passt. Ein etwas dunkler und geheimnisvoller Ort, an dem immer alle miteinander im Gespräch sind. Liis Kolle mag diesen schmalen, langen Raum, dessen Wände voller Porträtfotos der Gäste vergangener Tage hängen. Vielleicht ist sie, die estnische Opernregisseurin Liis Kolle, auch einmal Teil dieser Bilderwand.

Der 35-jährigen Künstlerin scheint nichts leichter zu fallen, als mit anderen ins Gespräch zu kommen. Gute Inszenierungen leben von dieser Fähigkeit. Wer inszeniert, versucht, mit einem Publikum ins Reden zu kommen. Das hat Liis Kolle in ihrem Leben schon oft versucht. Erfolgreich. Im estnischen Viinistu inszeniert sie gerade den „Fidelio” von Beethoven. Und in wenigen Tagen wird in Berlin ein kleiner Film von ihr gezeigt — das Porträt eines Menschen ohne Arme, der Schlagzeug spielt. Ein Film ist ein anderes Medium als Oper, aber am Ende auch der Versuch eines Dialogs. Manchmal.

Eine estnische Regisseurin in Berlin, die an einem regnerischen Tag im Café Cinema sitzt und mit der Bundestagsabgeordneten Christel Happach-Kasan redet. Zwei Menschen, die auf den ersten Blick kaum Berührungspunkte haben, aber eine Neugier auf den jeweils anderen. Ein Interesse daran zu erfahren, wer einem gegenüber sitzt. Christel Happach-Kasan ist promovierte Biologin, eine Wissenschaftlerin, die sich für Kunst und Kultur begeistern kann. „Nicht unbedingt für Oper”, sagt sie und lacht. Aber andererseits sei sie offen für alles, was gut gemacht ist. Und wenn Liis Kolle jetzt den „Fidelio” in einer Fabrikhalle inszeniere, das sähe sie schon gern, wie da Ort und Musik und Handlung miteinander in Beziehung kommen. Wie werde man denn eigentlich Opernregisseurin, will die Abgeordnete wissen.

Man macht als Kind viel und ausdauernd Musik und den Schulabschluss an einer musikorientierten Schule. Man fängt aber nicht, wie vielleicht gedacht, ein Studium an der Musikakademie an, sondern geht zur Universität nach Tartu und studiert zuerst estnische Philologie. Später wechselt man zum neugegründeten Lehrstuhl Literatur- und Theaterwissenschaft. Man geht für ein Jahr zum Studium nach Finnland, ist in Helsinki in dem wunderbaren neuen Opernhaus und sieht ein Gastspiel der Deutschen Oper: Götz Friedrichs Inszenierung der Oper „Tannhäuser”. Man beschließt, genau so etwas machen zu wollen. Oper inszenieren. Es folgt die Aufnahmeprüfung in Berlin an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler”, Fach Musiktheater/Regie. Studium und erfolgreicher Abschluss. Danach mehrere Operninszenierungen, darunter „Der Barbier von Sevilla” und „Der Wildschütz”. Seitdem ist Liis Kolle dabei auszuprobieren, zu experimentieren, sich herauszufordern.


Christel Happach-Kasan (oben links) trifft Liis Kolle im Café Cinema am Hackeschen Markt (© DBT/studio kohlmeier)

Wenn man neugierig aufeinander ist, lassen sich beim Reden doch fast immer Verknüpfungen, Verbindungen, Gemeinsamkeiten finden. „Kiel”, sagt die eine. „Meine erste deutsche Stadt, die ich kennengelernt habe, war Kiel. Ein angenehmes Erlebnis.” Zehn Jahre hat die andere im Landtag von Schleswig-Holstein gesessen, in der Landeshauptstadt Kiel. Aber Lübeck, sagt die Politikerin, sei viel schöner als Kiel. Lübeck kennt Liis Kolle auch, und die Stadt hat sie sehr an Tallinn erinnert.

Christel Happach-Kasan hat 1995 das erste Mal die drei baltischen Staaten besucht. Sie sagt, damals seien überall die Spuren der Umbrüche und Revolutionen zu sehen gewesen. Alles hätte auf Anfang gestanden. Es war eine beeindruckende Reise, denn die FDP-Abgeordnete macht seitdem oft mit ihrer Familie Urlaub im Baltikum. Namen von Orten und Landschaften werden nun ausgetauscht. „Kennen Sie?”, fragt Liis Kolle. — „Großartig”, schwärmt Christel Happach-Kasan. „Sie müssen unbedingt”, empfiehlt die Künstlerin. — „Mach ich, wenn ich Zeit habe”, verspricht die Abgeordnete.

Europa ist klein und groß. Man redet über Kunst und die Menschen, für die man Kunst macht, und über Politik und die Menschen, für die man Politik macht. Über den Zustand der estnischen Straßen und die Umweltpolitik in den Ostseestaaten, über Wahlen und Staatsbürgerschaften. Die beiden Frauen sprechen über den estnischen Wald und die vielen Rodungen der vergangenen Jahre, über den wirtschaftlichen Aufschwung in den jungen Staaten der Europäischen Union und über neue Wege in der Politik. „Diese Vielfalt der Kulturen auf engem Raum, das ist das Wunderbare an den baltischen Staaten. Kultur braucht keine Grenzen. Die Menschen dort bringen ein anders erfahrenes und gelerntes Gefühl von Freiheit in die Europäische Gemeinschaft ein.” Sagt die Abgeordnete.

Sie finde es gut, dass ihr Heimatland Teil der EU geworden sei. Sagt Liis Kolle. „Ich will nicht Deutsche werden, aber hier leben und arbeiten. Ich will mich bewegen und für ein Leben an einem Ort entscheiden können.” Jetzt gerade ist dieser Ort Berlin-Mitte. Hier wohnt Liis Kolle mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Mann.

Im Café Cinema ist es noch dunkler geworden. Wortfetzen und Sätze fliegen durcheinander. Alles ein einziger Versuch, miteinander ins Gespräch zu kommen. Zwei Frauen sagen: „Schön, dass wir uns kennengelernt haben.” „Vielleicht wieder einmal irgendwann”, sagen sie. „Und viel Glück für Sie.”

Republik Estland

Ausschnitt aus Programmheft.
© DBT/studio kohlmeier


Fläche: 45.227 Quadratkilometer
Einwohner: rund 1,3 Millionen
Währung: Estnische Krone
Hauptstadt: Tallinn
Amtssprache: Estnisch
Staatsform: Republik
Nationalhymne: Mu isamaa, mu õnn ja rõõm („Mein Heimatland, meine Freude, mein Glück”)
Kfz-Kennzeichen: EST
Telefonvorwahl: +372
EU-Mitglied seit: 1. Mai 2004
Nationalfeiertag: 24. Februar (Unabhängigkeitserklärung 1918)
Interessant: Die Esten waren die ersten Menschen in Europa, die sesshaft geworden sind. Die ersten Siedlungen in Estland entstanden schon vor mehr als 10.000 Jahren.

Christel Happach-Kasan

Christel Happach-Kasan (FDP).
© DBT/studio kohlmeier

Fraktion: FDP
Geboren: 4. Januar 1950 in Berlin
Wohnort: Bäk (Schleswig-Holstein)
Ausbildung: Studium der Biologie, Mathematik, Pädagogik; Promotion
Beruf: Biologin
Familie: verheiratet, ein Kind

Vorsitzende der Deutsch-Baltischen Parlamentariergruppe

christel.happach-kasan@bundestag.de
www.happach-kasan.de

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Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 11. Mai 2007


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