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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Drei vor zwölf im 21. Jahrhundert
Gültig ab: 11.11.2008 10:19
Autor: Jörg Michel
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Drei vor zwölf im 21. Jahrhundert

Schmelzendes Eis im Polarmeer, im Hintergrund grelles Sonnenlicht
Schmelzendes Eis an den Polen: Die Weltgemeinschaft steht beim Klimaschutz vor großen Herausforderungen
© Picture Alliance/United Archives

Globale Aufgabe Klimaschutz

Im Kampf gegen den Klimawandel steht die Weltgemeinschaft vor gewaltigen Herausforderungen. Ob Gletscherschmelze, Überschwemmungen oder Hitzewellen: Die Folgen der globalen Erderwärmung sind kaum noch zu übersehen. Die Regierungen rund um den Globus sind sich bei der Lösung der Probleme bislang nicht einig. Auf der Weltklimakonferenz dieses Jahr in Kopenhagen soll ein Durchbruch gelingen.

Mohamed Nasheed will nicht mehr warten. Deswegen hat sich der Präsident der kleinen Inselrepublik Malediven zu einem spektakulären Schritt entschlossen: Er will sich und seinen Inselbewohnern eine neue Heimat kaufen. Irgendwo in Australien oder Indien. Dazu will Nasheed einen Teil der Staatseinnahmen aus dem Tourismus in einen Fonds abzweigen. „Wir können den Klimawandel nicht selbst stoppen, also müssen wir woanders Land kaufen”, sagt er.

Der Inselstaat vor der Südspitze Indiens ist in seiner Existenz bedroht: Falls der weltweite Temperaturanstieg nicht bald gebremst wird, drohen die Korallenatolle und 1.920 Inseln der Malediven im wahrsten Sinne des Wortes unterzugehen. Experten des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC) rechnen damit, dass der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts weltweit um bis zu 60 Zentimeter und mehr ansteigen könnte. Umweltschützer befürchten sogar das Doppelte. Ein Großteil der 337.000 Inselbewohner müsste dann gehen.

Die Menschen auf den Malediven drohen Opfer der globalen Erderwärmung zu werden. Die weltweiten Durchschnittstemperaturen sind in den vergangenen 100 Jahren um mehr als 0,7 Grad Celsius gestiegen. Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wurden alle in den letzten beiden Jahrzehnten gemessen. Diese Entwicklung ist auch nicht mehr aufzuhalten. Der Weltklimarat hat errechnet, dass die Temperaturen auf der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts auf jeden Fall um ein weiteres Grad steigen werden. Ohne einschneidende Gegenmaßnahmen können es im Extremfall sogar bis zu sechs Grad werden.

Neben natürlichen Wetterphänomenen spielt der Mensch bei der Erderwärmung die Hauptrolle. Er verfeuert fossile Brennstoffe wie Öl oder Kohle und setzt so immer mehr Treibhausgase frei. Der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid ist mittlerweile doppelt so hoch wie 1970. Der Mensch zerstört zugleich natürliche Kohlendioxidspeicher, zum Beispiel, indem er Regenwälder abholzt. Dadurch steigt die Konzentration von Klimagasen in der Atmosphäre. Die Wärme der einstrahlenden Sonne kann nur noch schlecht aus der Erdumgebung weichen.

Von Kyoto nach Kopenhagen

Die Folgen sind überall spürbar: In der Arktis schmilzt das Eis, die Permafrostböden tauen auf, die Gletscher ziehen sich zurück. Auch in Europa werden die Temperaturen nach Berechnungen des Weltklimarates steigen. Das beschleunigt die Versteppung der Landschaft, Waldbrände und Hitzewellen werden häufiger. In Afrika dürften sich die Wüsten schneller ausbreiten. In den großen Flussdeltas der Welt werden Fluten wahrscheinlicher. 20 bis 30 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten drohen auszusterben. Das sind laut Weltklimarat nur einige der wahrscheinlichsten Folgen. Millionen Menschen auf dem Erdball könnten also bald auf der Flucht sein vor jenen Schäden, die sie selbst mit verursacht haben.

Arbeiter im Regenwald verladen abgeholzte Bäume auf einen LKW
Mit der Abholzung der Regenwälder wie hier in Afrika zerstört der Mensch natürliche Kohlendioxidspeicher
© laif/Guenay Ulutuncok

Und das wird teuer. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Sir Nicholas Stern, hat die Kosten der Erderwärmung 2006 in einem Bericht in Zahlen gegossen: Auf bis zu 5,5 Billionen Euro könnten sich die Schäden summieren, wenn die Menschheit weiter so viele Treibhausgase produziert. Das entspricht etwa 20 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft. Die Schäden könnten damit über jenen der großen Depression in den 30er-Jahren oder der aktuellen Finanzmarktkrise liegen. Stern empfiehlt daher, jedes Jahr ein Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes in den Klimaschutz zu investieren. Das sind rund 250 Milliarden Euro. Damit soll verhindert werden, dass die Welt in eine neue Depression stürzt. „Klimaschutz ist auch in Zeiten der Wirtschaftskrise wichtig. Mehr Klimaschutz ist nicht das Problem, sondern ist Teil der Lösung”, meint auch Karsten Sach vom Bundesumweltministerium. Denn: Investitionen in Klimaschutztechnologien sichern Arbeitsplätze und kurbeln gleichzeitig die Konjunktur an. Sach ist Delegationschef der Bundesrepublik auf internationalen Klimakonferenzen.

Das Problembewusstsein ist da. Bereits beim Erdgipfel in Rio de Janeiro vor 16 Jahren hatten die Regierungen gelobt, die Erde vor den Folgen der Erderwärmung zu schützen. Vor mehr als zehn Jahren hatten die wichtigsten Staaten in der japanischen Kaiserstadt Kyoto das erste weltweite Klimaabkommen vereinbart. Laut Kyoto-Protokoll sollten die Industriestaaten ihre Emissionen von Treibhausgasen bis 2012 um durchschnittlich fünf Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Doch die bisherige Entwicklung deutet nicht darauf hin, dass dieses Ziel erreicht wird. Allein zwischen 2000 und 2006 haben die 40 Industrieländer des Protokolls ihre Emissionen um 2,3 Prozent gesteigert. Die USA haben es nie ratifiziert. Schwellenländer wie China oder Indien müssen trotz ihrer enormen Wirtschaftsleistung bislang keinen Beitrag leisten.

Zwei afrikanische Kinder stehen in einer Dürrelandschaft neben Tierskeletten
Hitzewellen, hervorgerufen durch die globale Erwärmung, führen zur Ausbreitung von Wüsten und entziehen Menschen ihre Lebensgrundlage
© Picture Alliance/Joel Robine

Wenn sich die Weltgemeinschaft dieses Jahr im Dezember zur Weltklimakonferenz in Kopenhagen trifft, steht also viel auf dem Spiel. In der dänischen Hauptstadt soll ein wirksames Folgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll verhandelt werden. Ein Ziel formuliert dabei der vierte Weltklimabericht von 2007: Aus diesem lesen Experten wie Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung heraus, dass sich die schlimmsten Folgen der Erderwärmung nur noch vermeiden lassen, wenn der globale Temperaturanstieg auf gut zwei Grad Celsius begrenzt wird. Dafür darf der Ausstoß an Treibhausgasen ab dem Jahr 2020 nicht weiter ansteigen. Bis Mitte des Jahrhunderts müssen die Emissionen dann um 50 bis 85 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 sinken.

Gegensätzliche Interessen

An starken Worten fehlt es nicht. „Die nächste Generation setzt auf uns. Wir dürfen nicht versagen”, beschwor UN Generalsekretär Ban Ki-Moon auf dem Weltklimagipfel 2008 in Posen. Die lange zögerlichen USA, immerhin mit China an der Spitze der Verursacher von Treibhausgasen, erklärten im selben Jahr auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Der damalige Präsident George W. Bush kündigte an, man unterstütze ein langfristiges Ziel zur Emissionsminderung. Sein Nachfolger Barack Obama will noch weiter gehen. Er will die Vereinigten Staaten zum Vorreiter beim Klimaschutz machen und jedes Jahr 15 Milliarden Dollar in saubere Energietechniken investieren. Die Emissionen der USA will er bis 2020 auf das Niveau von 1990 zurückführen.

Trotz der positiven Signale aus den USA stehen die 192 Länder der Klimarahmenkonvention der UN in Kopenhagen vor einer gewaltigen Herausforderung. Ob ein Abkommen gelingen kann, ist offen. Die Interessen- gegensätze sind immens. Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko sehen individuelle Minderungsverpflichtungen skeptisch. Sie wollen weiter wachsen und sehen die Hauptverantwortung für den Klimaschutz bei den Industrieländern. Denn diese haben historisch betrachtet den größten Teil der Emissionen verursacht. China, Indien, Brasilien, Mexico und Südafrika fordern deshalb, dass die Industrieländer ihre Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts um 80 bis 95 Prozent reduzieren.

Die westlichen Industrieländer sind in einem gewissen Umfang bereit, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Die Europäische Union (EU) hat sich auf dem EU-Gipfel im Dezember 2008 verpflichtet, ihre Emissionen bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent abzusenken. Sollten die Industriestaaten außerhalb der EU mitmachen, bietet sie eine Reduktion von 30 Prozent an. Bundesregierung und Bundestag können sich für Deutschland in diesem Fall sogar ein Minus von 40 Prozent vorstellen. Dieses Ziel hatte die Enquetekommission des Bundestages „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre” schon 1990 verlangt.

Um diese Ziele zu erreichen, will die EU einen Teil der Industrieunternehmen und Energieerzeuger verpflichten, für ihren Ausstoß von Treibhausgasen Geld zu zahlen. Hierfür soll der Emissionshandel ausgebaut werden. In der Diskussion ist die Versteigerung der Zertifikate, die bislang größtenteils kostenlos ausgegeben werden. Geplant sind außerdem Maßnahmen zur Energieeinsparung, etwa im Verkehrsbereich oder in Wohngebäuden. Im Gegenzug wollen die Industrieländer in Kopenhagen durchsetzen, dass sich auch die Schwellenländer möglichst früh und umfassend zum Klimaschutz verpflichten.

Wer trägt die Kosten?

Den ärmeren Ländern dagegen geht es weniger um langfristige Klimaziele. Sie sorgen sich vielmehr um die Folgen der Erderwärmung. 2007 litten bereits rund 923 Millionen Menschen an Mangeloder Unterernährung. Wirtschaftsexperten wie Nicholas Stern schätzen, dass ein Temperaturanstieg um ein Grad dazu führen wird, dass insgesamt 1,3 Milliarden Menschen von Hunger betroffen sein werden. Der Klimawandel würde diesen Prognosen zufolge 250.000 Kinder pro Jahr das Leben kosten. Das betrifft vor allem Länder in der Sahelzone Afrikas oder an den großen Flussdeltas in Asien. Diese Länder erhoffen sich von einem Abkommen also konkrete Hilfen im Alltag: eine sichere Nahrungsmittelversorgung, eine umweltfreundliche Energieerzeugung oder den Bau von Dämmen und Deichen. Dem Schutz ihrer Regenwälder wollen sie nur zustimmen, wenn die Industrienationen dafür zahlen.

Grafik: Wie entsteht der Treibhauseffekt?

© Marc Mendelson

Im Kern geht es auf dem Weg nach Kopenhagen also darum, nach welchem Prinzip die Kosten des Klimaschutzes untereinander aufgeteilt werden. Die deutsche Regierung hat eine Vision vorgebracht, die am Ende in einen Kompromiss münden könnte. Danach hätte jeder Erdenbürger in Zukunft Anspruch auf denselben Ausstoß an Treibhausgasen. Im Jahr 2050, wenn voraussichtlich neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern, wären das nach Berechnungen von Experten nur noch zwei Tonnen Treibhausgase pro Kopf und Jahr, wenn man die Ziele des Weltklimarates zum Maßstab nimmt. Derzeit verursacht jeder Deutsche fünfmal, jeder Amerikaner zehnmal so viele Emissionen.

Das ist eine gewaltige Aufgabe. Dabei stellen sich noch reichlich Fragen. Zum Beispiel: Wie viele Kohlekraftwerke können wir uns noch leisten? Muss die Atomenergie wieder eine größere Rolle spielen? Sind Biotreibstoffe eine nachhaltige Lösung? Wie kann der Energieverbrauch von Haushalten gesenkt werden? So viel ist schon heute klar: Die Welt braucht schnelle Antworten.

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Text: Jörg Michel
Erschienen am 25. Februar 2009

Aktiv beim Klimaschutz

Weiterführende Informationen und einen CO2-Rechner unter:
www.klimaktiv.de


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