Das Althing ist eines der ältesten Parlamente der Welt. Und eines der kleinsten.
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Island: Das Althing

„Warum ist da eine Königskrone auf dem Haus?”, fragt ein Sechsjähriger seinen Großvater. „Was sagst du, mein Junge?”, antwortet der Opa, der mit seinem Enkel auf dem Platz vor dem 1881 gebauten Hauptgebäude des Althings, des isländischen Parlaments, in Reykjavíks alter Stadtmitte steht. „Da”, sagt der Junge und zeigt aufs Dach des Gebäudes aus dunklem Naturstein. „Ach das da. Die stammt aus der Zeit, als die Dänen uns regierten. Wir haben wohl vergessen, sie zu entfernen.”

Die Einwohner Islands haben andere Sorgen in diesen Wintertagen. Wenige Wochen nachdem das Bankensystem der nordischen Inselrepublik in den Strudel der weltweiten Finanzkrise geraten ist, demonstrieren schockierte Isländer Woche für Woche vor dem „Protesthaus” – dem Parlament. Nur wenige erinnern sich daran, dass ihre Volksvertreter unter den Insignien eines ausländischen Königs ihrer Arbeit nachgehen – und das schon seit der Gründung der isländischen Republik vor über 60 Jahren.

Jeder Vorschlag, das Wappen des dänischen Königs Christian IX. durch das der isländischen Republik zu ersetzen, ist stets mit dem Hinweis auf den Denkmalschutz abgelehnt worden. Den Inselbewohnern ist nämlich nicht nur die Unabhängigkeit wichtig, sondern auch ihre lange Geschichte. Die über 500-jährige Zugehörigkeit zum dänischen Königreich streicht man nicht einfach weg, egal wie stolz man sonst auch ist auf die junge Republik.

Andererseits relativieren sich die 500 Jahre dänischer Herrschhaft angesichts der mehr als tausendjährigen Geschichte des Althings selbst. Seit 930 traf sich jedes Jahr im Juni die Volksversammlung auf Þingvellir – den „Thingwiesen”. Sie war gesetzgebendes Organ und oberster Gerichtshof zugleich. Auch nachdem Island im Mittelalter erst unter norwegische und dann unter dänische Verwaltung gestellt wurde, blieb das Althing bestehen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es dann als Parlament im modernen Sinne wiedergegründet. 1874 gestand Dänemark den Inselbewohnern eine eigene Verfassung zu, 1918 schließlich die volle Anerkennung als souveräner Staat. Bis zur Gründung als Republik 1944 blieb der dänische König noch offiziell das Staatsoberhaupt.

Heute sind fünf Parteien im Althing vertreten. Seit der Wahl im Mai 2007 regierten die zwei größten, die konservative Selbstständigkeitspartei und die sozialdemokratische Allianz, in einer Großen Koalition. Im Januar gab die Regierung dem wochenlangen Protest der Bürger nach und machte den Weg für Neuwahlen frei. Immer mehr Abgeordnete sprechen sich inzwischen für eine Annäherung Islands an die EU oder sogar für einen Beitritt aus. Ob nun mit oder ohne Königskrone auf dem Dach: In der Geschichte des ältesten noch aktiven Parlaments der Welt wird dann das nächste Kapitel geschrieben. 

Text: Auðunn Arnórsson
Erschienen am 25. Februar 2009