Die Krönungsmessen sind inszeniert, es kann losgehen. Der Showdown, den Frankreich vor den Präsidentschaftswahlen zwischen dem Konservativen Nicolas Sarkozy und der Sozialistin Ségolène Royal erleben wird, dürfte sich als Wahlkampf voller Spannung und Härte entpuppen.
Spitz auf Knopf steht es zwischen dem Haudegen "Sarko", dem rechten Innenminister, und dem Shootingstar "Ségo", der linken Präsidentin der Region Poitou-Charente: Die Demoskopen prognostizieren für den 22. April und für die Stichwahl zwei Wochen später ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Favoriten. Sarkozy ließ sich jetzt mit allen Raffinessen medialer Präsentationskunst zum Kandidaten der Regierungspartei UMP salben. Royal absolvierte ihren Sieg gegen zwei innerparteiliche Konkurrenten bereits im Herbst als Triumphzug.
Imageberater, PR-Agenturen, Kampagnenprofis, Plakatdesigner wuseln in den Stäben, Meetings sind gebucht, das Auf und Ab von Zehntelprozentpunkten in Umfragen wird TV-Sendungen dominieren. In seltsamem Kontrast zum politischen Fieber angesichts des Aufmarschs der Matadore steht indes der nüchterne Befund von Francois Bayrou, des Chefs der liberalkonservativen UDF: "Das ist ein Duo und kein Duell mehr." In der Tat fällt es zusehends schwerer, nennenswerte inhaltliche Differenzen zwischen den Kontrahenten auszumachen, sei es die Innen-, die Wirtschafts-, die Sozial- oder die Europapolitik - wobei die von Sarkozy wie von Royal demonstrierte Distanz zu Brüssel die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nicht erfreuen kann. Frankreich staunt allen Rechts-Links-Traditionen zum Trotz über die "Amerikanisierung" des Wahlkampfs: Rund um persönliches Profil und Stimmungen werden die Kandidaten als Antipoden inszeniert, in deren Wahlkampfmenüs macht sich der politische Pfeffer jedoch rar.
Bislang schwimmt Royal auf einer von vielen Medien befeuerten Woge der Sympathie. Die Sozialistin spielt geschickt mit dem Reiz des Neuen, des Frischen - obwohl sie in den alten Strukturen der bei den Franzosen herzlich unbeliebten politischen Kaste groß geworden ist und bereits unter François Mitterrand Ministerin war. Royal setzt zudem offensiv auf ihre Geschlechtszugehörigkeit und ihre vierfache Mutterschaft. Wie weit aber tragen diese "weichen" Faktoren?
Ohne Zweifel hat Sarkozy mit einem Problem zu kämpfen. Als Hardliner-Stratege, der es Kriminellen, illegal Eingewanderten und bösen Vorstadtjugendlichen mit Hilfe der Polizei so richtig zeigt, ist er durchaus populär, doch vielen Bürgern erscheint er gleichwohl herrisch, sprunghaft und unheimlich. Allerdings ist "Speedy Sarko" eifrig dabei, ein sanfteres Bild von sich zu zeichnen. Er sorgt sich plötzlich um das Schicksal der Kinder von illegal im Land lebenden "immigrants" oder lädt 500 junge Leute aus der kriselnden Banlieue zum Gespräch. Sollte der Kandidat wie angekündigt sein Amt als Innenminister während des Wahlkampfs niederlegen, könnte er aus der engen Jacke des rabiaten Repressionspolitikers leichter in den weiten Mantel des Staatsmanns schlüpfen, der Präsident aller Franzosen sein will. Und wer wie Royal die Kasernierung jugendlicher Straftäter und deren militärischen Drill fordert, vermag Sarkozy kaum fehlender Liberalität zu bezichtigen.
Selbstverständlich gerieren sich "Sarko" und "Ségo" unverzüglich als Fürsprecher der Wohnungslosen, nachdem die Gruppe "Kinder von Don Quichotte" mit Zeltaktionen medienwirksam deren miese Lage thematisiert hat. Der Konservative will die von den Linken eingeführte 35-Stunden-Woche weitgehend abschaffen, die Sozialistin nährt zumindest Zweifel an diesem Modell. Beide Bewerber propagieren den Kampf gegen die Abwanderung von Unternehmen ins Ausland. Billige Kredite und Steuererleichterungen sollen Existenzgründern helfen. Auffallend ist Sarkozys wie Royals Dis-tanz zur EU. Von einem Engagement für die EU-Verfassung, die von den Franzosen bei einem Referendum verworfen wurde, ist bei beiden nicht die Rede. Die Sozialistin will die Macht der Europäischen Zentralbank beschneiden und die Maastricht-Schuldenfesseln lockern. Der Rechte lehnt einen EU-Beitritt der Türkei ab, Royal will bei dieser Frage die "Position des französischen Volks" einnehmen.
Mangels politischem Zoff gewinnt Taktik an Gewicht. Im Moment sieht es so aus, als könne die Sozialistin das gesamte linke Lager stärker einen als 2002: Damals verhalf dessen Zersplitterung im ers-ten Durchgang dem Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl gegen Jacques Chirac. Jetzt sitzt Sarkozy in einer gewissen Zwickmühle. Zwar gelang es ihm, alle UMP-Parteigranden hinter sich zu bringen. Doch ausgerechnet Präsident Chirac versalzt ihm die Suppe: Der Intimfeind im Elysée will im März entscheiden, ob er selbst noch einmal antritt. Das darf zwar als ausgeschlossen gelten, doch die vergiftete Provokation unterminiert natürlich "Sarkos" Wahlkampf. Le Pen, in Umfragen immerhin bei 16 Prozent, kalkuliert unverhohlen mit den Zerwürfnissen im konservativen Lager und hofft, am 22. April mit Hilfe enttäuschter Wähler aus diesem Spektrum Sarkozy zu überrunden und die Endrunde gegen Royal zu erreichen. Wahrscheinlich ist das nicht, aber 2002 lehrt, dass auch das Undenkbare möglich ist.