Sie spiegeln das gesamte Meinungsspektrum ihrer Zeit: Von der Forderung nach einem im wahrsten Sinne des Wortes "kurzen Prozess" für die 22 angeklagten deutschen Hauptkriegsverbrecher über Gnadengesuche bis hin zur völligen Ablehnung des Tribunals. Mehrere hundert Briefe erreichten Robert H. Jackson, den amerikanischen Hauptankläger im Nürnberger Prozess, in den Jahren 1945/46. Eine Auswahl dieser Briefe aus dessen Nachlass in der Library of Congress in Washington hat der Publizist Henry Bernhard nun erstmals in einer empfehlenswerten Edition veröffentlicht.
Unter den Briefen, die vorwiegend von deutschen und amerikanischen Absendern stammen, finden sich der Wunsch nach einem Autogramm Jacksons und der Angeklagten in Nürnberg genauso wie das Anliegen, selbst die Hinrichtung der Angeklagten "mit dem Handbeil" vornehmen zu wollen. Die Lektüre offenbart aber vor allem eines: Viele Deutsche hatten in der Nachkriegszeit nicht das geringste Unrechtsbewusstsein, sondern eiferten noch immer dem nationalsozialistischen Gedankengut nach: "Es ist und bleibt bei der alten demokratisch-jüdischen-kapitalistischen Bande Amerikas und Großbritanniens, die an dem Unheil der ganzen Welt schuld haben und nun vor aller Welt die Gerechten sein wollen", schreibt ein anonymer Absender im September 1946 an Jackson.
Auffällig sind auch die häufigen Vergleiche zwischen deutschen Kriegsverbrechen und dem Vorgehen der Alliierten vor und während des Zweiten Weltkrieges. Genannt werden immer wieder die Bombenangriffe auf deutsche Städte und die Verbrechen unter Stalin. Die Folgerung: Es stehe den Allierten schlicht nicht an, über Deutschland zu richten.
Henry Bernhard (Hg.): Ich habe nur noch den Wunsch, Scharfrichter oder Henker zu werden. Briefe an Justice Jackson zum Nürnberger Prozess. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2006; 335 S., 22,90 Euro.