Die Museen in Deutschland sollen verstärkt nach so genannter NS-Raubkunst in ihren Beständen fahnden, um diese an ihre Alteigentümer beziehungsweise deren Erben zurückgeben zu können. Für diese Provenienzforschung müssten sie jedoch eine stärkere personelle und finanzielle Unterstützung erhalten. Zumindest an diesem Punkt herrschte unter den Abgeordneten des Kulturausschusses und den geladenen Experten in der öffentlichen Anhörung am 29. März weitestgehend Einigkeit. Die Unionsabgeordnete Monika Grütters betonte im Namen aller Fraktionen des Bundestages, dass man sich in Deutschland dieser "moralischen Verpflichtung" bewusst sei.
Eine wichtige Grundlage für die derzeitige Restitutionspraxis von Kunstgegenständen, die zwischen 1933 und 1945 durch die Nationalsozialisten geraubt wurden, ist die Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998. Diese Erklärung, die auch von Deutschland unterzeichnet wurde, beinhaltet jedoch keine verpflichtenden gesetzlichen Regelungen, sondern stellt eine Art freiwilliger Selbstverpflichtung dar. So sieht das Abkommen zwar prinzipiell die Rückgabe von "NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern" vor. Angestrebt werden soll aber auch ein "fairer und gerechter" Interessenausgleich zwischen den rechtmäßigen Alteigentümern beziehungsweise ihren Nachkommen und den Museen, in deren Sammlung sich die Kunstgegenstände derzeit befinden.
Für erhebliche Furore hatte im vergangenen Jahr die Restitution des Kirchner-Bildes "Straßenszene" aus dem Berliner Brücke-Museum an die Enkelin des ursprünglichen Besitzers Alfred Hess gesorgt. Seitdem bangen viele Museen, mit ähnlichen Restitutionsansprüchen konfrontiert zu werden.
Der Vertreter der Jewish Claims Conference in Deutschland, Georg Heuberger, betonte in der Anhörung, dass die Museen jedoch keinen Grund hätten, sich nun zu "Opfern" zu stilisieren. Im Gegenteil, schließlich seien sie mitschuldig an der Situation. Sie hätten nach 1945 zwar sehr penibel aufgelistet, welche Kunstgegenstände ihnen durch alliierte Besatzungstruppen geraubt worden seien, aber eben nicht, welche unrechtmäßig durch die NS-Raubzüge in ihren Besitz gekommen sind. Sie seien "aktive wie passive Nutznießer" dieser Raubzüge. Zugleich zeigte Heuberger jedoch Verständnis für die "Zwickmühle", in der sich viele Museen befänden. Sie verfügten oft nicht über die personellen Ressourcen, um die Herkunft der betroffenen Ausstellungsstücke zu klären: "Das wird Geld kosten." Heuberger warb deshalb dafür, die Museen entsprechend zu unterstützen, dies sei eine "gesamtstaatliche Aufgabe."
Für eine verstärkte Provenienzforschung in den Museen und die entsprechende Unterstützung bei dieser Aufgabe plädierte auch die Historikerin Monika Tatzkow, die seit Jahren sowohl Museen als auch Erben von Alteigentümern berät. Sie forderte die Museen allerdings auf, nicht erst entsprechende Restitutionsansprüche abzuwarten, sondern von sich aus ihre Sammlungen auf Verdachtsfälle von NS-Raubkunst zu überprüfen. Sie verwies auf die Praxis in Großbritannien und den USA, wo die Museen alle Kunstgegenstände ungeklärter Herkunft im Internet veröffentlichen. So sei ein erhöhter Informationsaustausch zwischen Museen und Provenienzforschern über die Herkunft der Objekte möglich. Schließlich stelle nicht jeder Verdachtsfall automatisch auch einen Restitu- tionsfall dar - auch dies sei auf diesem Weg schneller und einfacher zu klären.
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, warnte allerdings davor, die Washingtoner Erklärung ausschließlich im Sinne einer "pauschalisierten Rückgabeverpflichtung" zu interpretieren. Es müsse von Einzelfall zu Einzelfall geprüft und entschieden werden. Es sei wichtig, sich mit den Alteigentümern und deren Erben "an einen Tisch zu setzen" statt mit deren Anwälten. In persönlichen Verhandlungen sei es wesentlich einfacher, etwa über ein Rückkaufrecht für das Museum oder die Möglichkeit von Leihgaben zu verhandeln, damit die Kunstgegenstände in den Sammlungen und damit auch der Öffentlichkeit zugänglich blieben. Zudem, so betonte Lehmann, leisteten solche Gespräche einen Beitrag zur Erinnerungskultur über das begangene NS-Unrecht.