Frankreich
Vor der Parlamentswahl manövriert Nicolas Sarkozy Sozialisten und Zentristen in die Defensive
Divide et impera: Auf der Klaviatur des römischen Machtprinzips vom Teilen und Herrschen weiß Nicolas Sarkozy virtuos zu spielen. Mit der Zusammenstellung seines Kabinetts ist dem französischen Präsidenten ein taktisches Meisterstück geglückt, das den Sozialisten und den Zentristen bei den Parlamentswahlen im Juni den Knockout zu versetzen scheint. Unter der medial wirksamen Parole eines "Kabinetts der Öffnung" versucht der rechtskonservative Staatschef vor allem mit der Berufung des prominenten Sozialisten Bernard Kouchner der Partei seiner unterlegenen Konkurrentin Ségolène Royal Wind aus den Segeln zu nehmen. Und mit der Ernennung des UDF-Fraktionsvorsitzenden Hervé Morin zum Verteidigungsminister treibt Sarkozy den Spaltpilz in die Reihen der Liberalkonservativen, denen Francois Bayrou durch die Umwandlung der UDF zur "Demokratischen Bewegung" am 10. und 17. Juni zum Durchstarten verhelfen wollte.
Natürlich fühlen sich Sarkozy-Gefolgsleute durch Kouchners und Morins Bevorzugung bei der Postenvergabe düpiert. Doch der Präsident kontert kühl: Treue sei "für die Gefühle", in der Regierung gehe es um "Effizienz". Neben der Austarierung des Kabinetts sind es auch die noch frische Aura des Siegers, die Sarkozy und seiner Partei UMP zu einem Kantersieg verhelfen könnten. Umfragen geben der UMP 370 bis 410 der 577 Sitze in der Nationalversammlung. Traditionell ist es so, dass im Sog der Präsidentschaftskür die Partei des Gewinners auch bei den folgenden Wahlen zur Volksvertretung vorne liegt. Zwangsläufig ist das indes nicht: Der Sozialist Francois Mitterrand musste zeitweise mit dem rechten Premier Jacques Chirac leben, der später als Regent im Elysée fünf Jahre mit dem linken Regierungschef Lionel Jospin zurechtkommen musste.
Die prognostizierte dicke Parlamentsmehrheit der UMP spiegelt die Kräfteverhältnisse freilich nicht. Es werden nicht landesweit nach proportionalem Wähleranteil Parteien, sondern einzelne Kandidaten in Stimmbezirken gewählt. Erreicht am 10. Juni kein Bewerber die absolute Mehrheit, treten am 17. Juni jene noch einmal an, für die sich mindestens 12,5 Prozent der Wahlberechtigten entschieden haben. Für die erste Runde sehen Umfragen die UMP bei 40 Prozent und die Sozialisten bei 28 Prozent, was sich bei Letzteren aber nur in etwa 140 Sitzen niederschlagen würde. Bayrous Zentristen würden trotz 15 Prozent höchstens zehn Abgeordnete stellen.
Der Präsident mit dem Image des harten Machtpolitikers und sein eher ausgleichend wirkender Premier Francois Fillon profitieren nicht nur vom Wahlrecht, sondern auch von der Schwäche der Gegner. 22 der 29 UDF-Abgeordneten haben sich in der Hoffnung auf UMP-Hilfe bei den Parlamentswahlen auf Sarkozys Seite geschlagen und schriftlich Gefolgschaft in der Nationalversammlung versprochen. Gut möglich, dass sich Bayrous "Demokratische Bewegung" nach dem Höhenrausch der 18,5 Prozent bei der Präsidentschaftswahl als Eintagsfliege entpuppt. Die Sozialisten, durch Kouchners Seitenwechsel zusätzlich geschockt, muten seit Royals Niederlage wie paralysiert an. Die einstige Strahlefrau tritt im Juni gar nicht erst an. Offenbar will sie das Odium eines Desasters meiden, stattdessen nimmt sie schon jetzt die Präsidentschaftswahl 2012 ins Visier. Die Sozialisten können nur hoffen, dass die Franzosen Sarkozy nicht zu übermächtig werden lassen wollen.
Der Staatschef, der die Medienzaren auf seiner Seite weiß, präsentiert sich derweil als zupackender Managertyp. Ausflüge zu Angela Merkel und zum kriselnden Airbuswerk, Gespräche mit Gewerkschaften und Arbeitgebern, die Ankündigung eines Verbots von Millionenabfindungen für Wirtschaftsbosse, die Wandlung zum "Klimapolitiker": Mit ungestümem Aktionismus will Sarkozy vor der Parlamentswahl punkten. Und angesichts seiner repressiven Immigrationspolitik setzt Justizministerin Rachida Dati, die maghrebinische Wurzeln hat, PR-trächtig einen Kontrapunkt.
Allerdings kommt es im Alltag nicht nur auf die Nationalversammlung an. Zur Sache dürfte es im Herbst gehen, wenn Sarkozy und Fillon Beschneidungen des Kündigungsschutzes und des Streikrechts durchsetzen wollen. Mit Eingriffen ins Arbeitsrecht sind bereits Chirac und sein Premier Dominique de Villepin an Massendemonstrationen gescheitert - trotz klarer Parlamentsmehrheit.