Stoiber-NachfolgE
Die Spekulationen reißen nicht ab und die Kronprinzen fressen Kreide
Scheiden tut weh: Edmund Stoibers Rückzug wächst sich zum wohl längsten und quälendsten Abschied eines bayerischen Ministerpräsident und CSU-Chefs aus. Sein im Januar für den Herbst angekündigter Rücktritt sorgt seit Monaten für die absurdesten Schlagzeilen. Und es ist nicht zu erwarten, dass sich daran bis zu dem auf den 28. und 29. September vorgezogenen CSU-Parteitag etwas ändert.
Die Situation bedeutet nicht nur eine partielle Lähmung des Politikbetriebs in Bayern, sondern auch eine besondere Prüfung für die potenziellen Nachfolger: Innenminister Günther Beckstein als künftigem Ministerpräsidenten (bisher unstrittig) und Wirtschaftsminister Erwin Huber als künftigem CSU-Chef. Er hat als Mitbewerber Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Ob und wie dieser sein kompliziertes und viel diskutiertes Privatleben in Ordnung gebracht hat, dazu schweigt Seehofer nach wie vor beharrlich. Die Boulevardpresse macht derweil unter anderem mit Fotos seiner angeblichen schwangeren Geliebten in Berlin auf.
Die Spekulationen schießen ins Kraut. Erst jüngst geisterte ein angeblicher Geheimplan durch die Medien, Stoiber wolle einen Gegenputsch anzetteln, um weiter regieren zu können. Auf dem September-Parteitag sollten, so die Münchner "Abendzeitung", die Stoiber-Anhänger so lange "Edmund, bleib!" skandieren, bis Stoiber vom Rücktritt zurücktritt. Der "Geheimplan" speiste sich auch aus einer von Stoibers Hardcore-Anhängern verbreiteten Version der schicksalsschweren Kreuther CSU-Klausur vom Januar. Danach sollen Beckstein und Huber die beiden Spitzenämter erst unter sich aufgeteilt und dann gegen Stoiber geputscht haben. Tatsächlich, so versichern jedoch zuverlässige Quellen, ist der damals stark unter Druck geratene Stoiber in die Offensive gegangen und hat zur Überraschung aller seinen Rücktritt von beiden Ämtern für Ende September angekündigt.
Die Überlänge des Dramas lässt sich mit dem Umstand erklären, dass Stoiber vom Regieren nur unendlich schwer lassen kann. Mit seinem angekündigten Zukunftsprogramm "Bayern 2020" hinterlässt er zudem gleich detaillierte Handlungsanweisungen für die Zeiten nach seinem Rückzug.
Den Nachfolgern bleibt daher bisher sehr wenig Raum für eigene Profilierung. Vor allem Beckstein ist zur größtmöglichen Zurückhaltung verurteilt, will er Stoiber nicht unnötig reizen. Er führe über seine Pläne nicht einmal Selbstgespräche, meint Beckstein schmunzelnd.
Stoiber lässt sich unterdessen landauf, landab auf Parteiveranstaltungen für sein Lebenswerk mit Riesenbeifall feiern. Gleichzeitig gibt er sich locker wie selten. Dann erzählt er auch gern schnurrige Sachen - die in Partei und Landtagsfraktion schnell wieder die Alarmstufe Rot auslösen. Zum Beispiel, dass ihm der russische Präsident Wladimir Putin kürzlich bedeutet habe, dass nicht einmal sein Geheimdienst herausgefunden habe, warum er, Stoiber, eigentlich zurücktreten müsse.
Vergessen ist im Stoiber-Lager offenbar der weithin schmählich empfundene Rückzieher bei der geplanten Berufung ins Bundeskabinett vor anderthalb Jahren. Dieser hatte Stoibers Sinkflug letztlich ausgelöst und weitere Stolperer nach sich gezogen.
Natürlich hätten viele in der CSU die Abschiedsrunde Stoibers gerne verkürzt. Doch der Noch-Chef wehrt ein solches Ansinnen barsch ab. Das mag auch damit zusammenhängen, dass er seinen 66. Geburtstag beim Parteitag noch in Amt und Würden feiern will. Den meisten ist auch bewusst, dass der Übergang nur mit Stoiber und nicht gegen ihn funktionieren kann: 2008 stehen Kommunal- und Landtagswahl an - ohne Geschlossenheit droht ein Debakel. z