Studenten sollen erst ab 2008 mehr Bafög erhalten. Als das Bundesministerium für Bildung und Forschung diese Nachricht am 21. Mai bekannt gab, war die vierstündige Anhörung zum 22. Bafög-Änderungsgesetz ( 16/5172 ) erst wenige Stunden vorbei. Einmütig hatten die acht Experten die Entscheidung der Regierung kritisiert, dieses Jahr erneut die Bedarfssätze und die Freibeträge auf dem Stand von 2001 zu lassen. Die Bundesregierung hatte die Entscheidung damit begründet, die angespannte Haushaltslage erlaube diesen Schritt nicht. Konstantin Bender vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften forderte, es dürfe "keinen weiteren Aufschub" geben, denn schon unter der rot-grünen Vorgängerregierung sei nichts geschehen. Bedarfssätze und Freibeträge sollten "jetzt sofort" um je zehn Prozent angehoben werden. Der Ausbildungsbeirat der Bundesregierung hatte eine entsprechende Anpassung als notwendig bezeichnet, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen. Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes, ging sogar noch weiter. "Aus unserer Sicht wäre es erforderlich gewesen, die Bedarfssätze über die Empfehlung hinaus anzuheben, um mehr Studenten aus der unteren Mittelschicht zu erreichen."
Positiv bewerteten die Sachverständigen prinzipiell den geplanten Kinderbetreuungszuschlag von pauschal 130 Euro monatlich. Doch der gleichzeitige Wegfall des so genannten Kinderteilerlasses, durch den Eltern weniger Bafög zurückzahlen müssen, hebe die Unterstützung wieder auf, waren sich alle einig. "Durch die Streichung des Teilerlasses wird der Eindruck geweckt, der Staat wolle eine Leistung gegen die andere ausspielen", sagte Lukas Rölli vom Forum Hochschule und Kirche. Er plädierte außerdem für einen Zuschlag von 200 Euro monatlich für das erste Kind und 100 Euro für jedes weitere, da die jungen Eltern mit dem von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingeführten Elterngeld weniger Unterstützung vom Staat erhielten als zuvor mit dem Erziehungsgeld. Die geplante Beschränkung der elternunabhängigen Bafög-Förderung für Schüler des Zweiten Bildungswegs auf Empfänger, die entweder eine Berufsausbildung mit einem zusätzlichen Jahr Berufstätigkeit vorweisen können oder entsprechend lange gearbeitet haben, stieß ebenfalls auf Unverständnis. Anthony Allport vom Bundesring der Kollegs Niederrhein-Kolleg befürchtete "schwerwiegende Folgen für den Zweiten Bildungsweg". Gerade junge Menschen aus unteren Schichten lernten an Abendschulen. Ihnen die Förderung zu streichen, bedeute, diese Gruppe zu schwächen, was dem bisherigen Anspruch des Bafögs widerspreche.
Die Ausschussvorsitzende Ulla Burchardt (SPD) zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen der Anhörung. Die Experten hätten betont, was die SPD ohnehin fordere, "dass eine Anpassung des Bafög jetzt dringend notwendig ist". Fraktionschef Peter Struck hatte sich Anfang Mai dafür ausgesprochen, im kommenden Jahr 290 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, was nach seinen Angaben einer Anhebung der Bedarfssätze um zehn Prozent entspricht. Wieviel Geld die Regierung letztlich freigebe, so Burchardt, sei "eine Frage der finanziellen Spielräume". Die Koalitionsfraktionen hätten nach der Anhörung sofort Beratungen aufgenommen. Angesichts unterschiedlicher Regeln für Studenten, Auszubildenden und Meister-Anwärter sprach sie sich für eine grundlegende Reform der Ausbildungsfinanzierung aus. "Es gibt da keine Gesamtlogik, da wurde immer jedes für sich reformiert."
"Wir fordern, dass Bafög muss rauf und zwar jetzt", sagte Kai Gehring, jugend- und hochschulpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, und bezeichnete Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) als "Totalausfall für die Studierenden". Schon dieses Jahr sollten die Bedarfssätze um über zehn und die Freibeträge um über acht Prozent angehoben werden. Darüber hinaus müsse über eine grundsätzlich elternunabhängige Förderung nachgedacht werden.