Bundeskunsthalle
Der Bundesrechnungshof prangert die Verschwendung von Steuergeldern an, und die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs
Bisher machte die Bundeskunsthalle eher mit spektakulären Ausstellungen und Besucherrekorden auf sich aufmerksam: "Tutanchamun - das goldene Jenseits" beispielsweise lockte vor rund zwei Jahren über 850.000 Besucher nach Bonn. Doch nun erscheint das renommierte Haus, das vom Bund mit rund 16 Millionen Euro pro Jahr finanziert wird, plötzlich in einem anderem Licht. Der Vorwurf: Verschwendung von Steuergeldern.
Die Bundeskunsthalle ist eine Einrichtung des Bundes und der Länder. In den vergangenen fünf Jahren soll sie ein Defizit von 6 Millionen Euro eingefahren und mit Bundesmitteln ausgeglichen haben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn in dem Fall. Der Verdacht: Betrug, Bilanzfälschung und Veruntreuung. Das verleiht der im April angelaufenen Ausstellung "Versunke Schätze" des französischen Unterwasserarchäologen Franck Goddio eine ganz andere Note.
Konkret beziehen sich die Vorwürfe auf einen Bericht des Bundesrechnungshofes vom 15. Mai dieses Jahres. Die Bundeszuwendungen an die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland wurden im Auftrag des Haushaltsausschusses des Bundestags geprüft. In dem Bericht, der der Redaktion vorliegt, stellten die Rechnungsprüfer "zahlreiche Verstöße gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Geschäftsführung fest".
Ein Minus in Millionenhöhe hat das Haus laut Rechnungshof mit der Veranstaltung von Open-Air-Konzerten auf dem Museumsplatz eingefahren. Regelmäßig waren dort in den Sommermonaten Stars wie Elton John, Bob Dylan oder The Who aufgetreten. Dieses Jahr stehen ZZ Top oder Katie Melua auf dem Programm. Damit soll nach Auffassung der Prüfer Schluss sein, denn Konzerte dieser Art gehörten nicht zum Kerngeschäft der BKH. Zudem hätte man "Verluste von rund 6 Millionen Euro (...) vermeiden können, wenn das Geschäftsfeld rechtzeitig aufgegeben worden wäre". Die Prüfer stießen auf zahlreiche Kalkulationsfehler der Geschäftsleitung. So ging man etwa von zu hohen Kartenverkäufen aus, Risikoabschläge wie zum Beispiel schlechtes Wetter habe man nicht erwogen.
Weiterhin sei die Vergabe von Freikarten in großem Maße rechtswidrig. Allein 2006 habe das Museum über 5.000 Karten im Nominalwert von 200.000 Euro verschenkt. Von 2002 an gerechnet beziffert sich der Gegenwert sogar auf 840.000 Euro.
Die Karten gingen "als Anerkennung" an die Polizei, an die Feuerwehr, an Geschäftspartner und Unternehmen. Der bereits abgesetzte kaufmännische Geschäftsführer, Wilfried Gatzweiler, betonte, diese Praxis sei "branchenüblich". Der Rechnungshof hingegen sieht darin einen Verstoß gegen das Zuwendungsrecht, das einen sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln gebietet.
Die Staatsanwaltschaft in Bonn beschäftigt nun nicht nur die freigiebige Verteilaktion der Karten, sondern auch die Tatsache, dass Akten über die Empfänger offenbar vernichtet wurden. "Schriftliche Aufzeichnungen (...) wurden im September 2006 im Sekretariat der Geschäftsleitung auf Weisung des kaufmännischen Geschäftsführers vernichtet", so der Bericht. Der Bonner Polizeipräsident lässt derzeit intern ermitteln, wer die Tickets - 15 bis 25 Stück pro Konzert - entgegengenommen hat. Ebenso betreibt die Stadtverwaltung in Bonn interne Recherchen.
Verstöße gab es auch bei Dienstreisen. Der Bericht attestiert: "Für Übernachtungen machten die Geschäftsführer regelmäßig ohne Begründungen die Aufwendungen von erstklassigen Hotels (...) geltend". Man habe "grundsätzlich von der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel" abgesehen, bei Flügen fast ausnahmslos Business Class gebucht. Gatzweiler soll bei einer Dienstreise nach Hongkong seine Bonusmeilen für den Flug einer privaten Begleitperson angerechnet haben. Die meisten Vorwürfe betreffen aber den langjährigen Intendanten des Hauses, Jacob Wenzel, der vorübergehend freigestellt wurde. Beide seien bei Bewirtungskosten nicht sparsam gewesen. Die Nutzung der Dienstwagen habe ebenfalls nicht den Vorschriften entsprochen.
Die Liste der Mängel im Bericht ist lang. So wird auch aufgeführt, dass beispielsweise die Auftragsvergabe oft ohne Ausschreibungen über die Bühne ging - sprich: man hätte günstigere Anbieter finden können. In einem Fall kam es zu einer hohen Provisionszahlung ohne ersichtlichen Grund. Der Bundesrechnungshof empfiehlt deshalb abschließend: "Der Bundesbeauftragte sollte die Verstöße gegen die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten prüfen und die angemessenen Folgerungen ziehen." "Skandalös" nennt Steffen Kampeter (CDU), Berichterstatter im Haushaltsausschuss des Bundestages, diese Defizite. Man hätte die Geschäfte schon vor Jahren prüfen sollen. Dennoch: "Die Bundeskunsthalle darf als Institution nicht unter der Fehlleistungen einzelner leiden", so der Politiker. Auch Petra Merkel (SPD), zeigte sich entsetzt. "Die Unterlagen der Bundeskunsthalle stimmen vorne und hinten nicht", so die Haushaltsexpertin. Sie möchte vor allem eine Frage beantortet wissen: "Warum hat die Verwaltung bei den hohen Ausgaben immer wieder mitgespielt?" Aufklärung müsse geleistet werden, gleichwohl wolle sie eine Rufschädigung der Bundeskunsthalle vermeiden.
In Bonn wird man diese Worte mit Erleichterung aufnehmen: "Wir wollen und können dem Prozess der politischen Gremien nicht vorgreifen. Wir hoffen aber, dass man in Berlin fair mit den Leistungen des Hauses umgeht", so die Presssprecherin der Bundeskunsthalle, Maja Majer-Wallat.
Politisch verantwortlich für die Vorgänge im geprüften Zeitraum ist der heutige Staatssekretär im sächsischen Wissenschaftsministerium, Knut Nevermann. Er war bis 2006 Amtschef und Abteilungsleiter der Kulturstaatsminister Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin und Christina Weiss. Auf Anfrage lehnte er eine Stellungnahme ab.
Doch auch der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann (CDU), sowie das Kuratorium, ein Kontrollgremium aus Bund und Ländern, stehen in der Kritik. "Das Aufsichtsgremium befasste sich nur vereinzelt mit finanziellen Angelegenheiten", stellen die Prüfer fest. Neumann habe zudem "die Zuwendungen an die Gesellschaft unzureichend gesteuert und kontrolliert". Das Fazit: "Der Bundesrechnungshof erwartet, dass sich der Bundesbeauftragte zügig einen gesicherten Überblick über die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft verschafft."
Dieser Aufforderung hat sich der Haushaltsausschuss in der vergangenen Woche angeschlossen. Alle rechtlichen Gesichtspunkte sollten geprüft und entsprechende Schlussfolgerungen getroffen werden. Bis Mitte Juni erwartet der Ausschuss einen neuen Bericht.
Wie es nun weitergeht mit einem der bestbesuchtesten Museen Deutschlands ist offen. Handlungsfähig ist die Bundeskunsthalle, denn man hat ihr als kommissarischen kaufmännischen Leiter Otto Lindner, stellvertretender Verwaltungschef der Deutschen Welle in Bonn, zur Seite gestellt. "Ich erwarte Vorschläge", so Kampeter, "wie die Open-Air-Konzerte künftig gestaltet werden können". Noch ist unklar, ob das Museum weiterhin Veranstalter bleibt. Wahrscheinlicher ist aber, dass diesen Part künftig ein privates Unternehmen übernimmt.
Die Stadt Bonn jedenfalls wolle gern bei der Suche eines Partners behilflich sein, so der Stadtsprecher Friedel Frechen. Für die ehemalige Geschäftsführung wird die Affäre vermutlich ein juristisches Nachspiel haben, gegebenenfalls mit Schadensersatz- und Regressansprüchen.