ISLAMische Welt
Eine gelunge Darstellung über den Auslöser des Karikaturenstreits
Nachdem im Herbst 2005 die dänische Tageszeitung "Jyllands-Posten" zwölf Mohammed-Zeichnungen abdruckte und sich infolge der Karikaturenstreit entzündete, geisterte immer wieder folgende These durch die Meinungsspalten: Das islamischen Bilderverbot sei ursächlich gewesen für die große Empörung und Gewalt in der islamischen Welt.
Ist das richtig? Gibt es im Islam tatsächlich ein theologisch begründetes Verbot bildlicher Darstellungen? Silvia Naef, Professorin für Kulturgeschichte der arabischen Welt in Genf, hat sich dieser spannenden Frage angenommen. In ihrem Buch "Bilder und Bilderverbot im Islam" liefert sie einen in dieser Form einmaligen Überblick über die Stellung des Bildes im Islam.
Die Autorin erläutert anhand ihres profunden Wissens, dass selbst die klassischen Quellen, wie der Koran und die Hadithe, breiten Interpretationsspielraum bieten. Wie weit die Meinungen auseinandergehen können, spiegelt sich in der Vielzahl theologischer Meinungen zum Thema wider. Da gibt es etwa jene wahabitischen Gelehrten, die noch 1988 Fotografien für das Familienalbum verboten sehen wollten, aber andererseits ein Rechtsgutachten wie das von 1997: Damals wurde eine Darstellung Mohammeds für legitim erklärt, die sich immerhin im Fries des höchsten Gerichts von Washington befindet.
Naef gelingt es - trotz des umfangreichen und divergierenden Quellenmaterials aus 14 Jahrhunderten - grundlegende Erkenntnisse zu vermitteln. Eine wichtige ist: Tatsächlich sind im Islam seit Beginn an Bilder als Kultgegenstände nicht zulässig, weshalb in den Moscheen die Kalligrafie zur viel bestaunten sakralen Kunstform erblühte. Andererseits belegt die Autorin jedoch, dass im nichtreligiösen privaten sowie auch im öffentlichen Raum Bilder schon immer existent und überwiegend auch erlaubt waren.
Nach welchen Kriterien von Fall zu Fall entschieden wurde, hängt dabei im Wesentlichen von den jeweiligen Umständen ab. So habe Aischa, die Lieblingsfrau des Propheten Mohammeds, aus dem Stoff eines bebilderten Vorhangs kurzerhand Kissen geschneidert, um ihren Mann zu besänftigen. Da sich Kissen in der Regel auf dem Boden befinden und zur Anbetung nicht mehr geeignet sind, hatte sie damit auch Erfolg. Das Verbot der Barbie-Puppe 2003 in Saudi-Arabien erfolgte dagegen eher, so Naef, um ein nicht erwünschtes "Symbol der westlichen Frau" zu bannen. Denn mit Puppen spielen, das durfte bereits die junge Aischa.
Selbst Abbildungen Mohammads sind im Islam erlaubt, wenngleich sie, wie bereits der Schutzumschlag des anschaulich bebilderten Bandes zeigt, in der Regel eine Besonderheit aufweisen: Der Kopf des Propheten wird entweder nicht dargestellt oder das Gesicht hinter einem Schleier verborgen. Es darf sich sozusagen kein Bild von der Physiognomie des Propheten gemacht werden.
Ein generelles Bilderverbot gab und gibt es im Islam also nicht, wie die Autorin letztlich zum Schluss kommt. Sie stellt dabei die These auf, dass die Schmähungen bestimmter Bilder sich ausschließlich auf die politische Botschaft beziehen, die diese aus muslimischer Sicht zu transportieren scheinen. Genau das erläutert sie abschließend anhand des Karikaturenstreits.
Auch wenn die Bezüge zur aktuellen Diskussion ausführlicher hätten ausfallen können, sei Naefs Abhandlung interessierten Lesern empfohlen. Das Buch zeigt, wie nützlich wissenschaftliche Arbeit sein kann, wenn sie der Allgemeinheit in solch prägnanter und verständlicher Form präsentiert wird.
Bilder und Bilderverbot im Islam. Vom Koran bis zum Karikaturenstreit.
Verlag C.H. Beck, München 2007; 160 S., 19,90 ¤