costa rica
Eine knappe Mehrheit hat sich für ein Freihandelsabkommen mit den USA ausgesprochen. Die Gegner des Vertrages fechten das Ergebnis an.
Es hätte ein "Fest der Demokratie" werden sollen, so Costa Ricas Präsident Oscar Arias. Denn erstmals in der Geschichte Lateinamerikas konnten die Bürger über die Ratifizierung eines Freihandelsabkommens mit den USA entscheiden. Doch das Ergebnis des Referendums vom 7. Oktober hat neue Gräben aufgerissen. 51,6 Prozent stimmten zu, so das bisher vorläufige Ergebnis. Die unterlegenen 48,4 Prozent wollen sich aber nicht geschlagen geben. Die Stimmung ist nach dem Urnengang noch aufgeheizter als zuvor, denn das Ergebnis überrascht. Umfragen hatten auf eine knappe Ablehung des Abkommens hingedeutet.
Rolando Araya, einer der führenden Köpfe der Nein-Bewegung und ein früherer Parteifreund von Präsident Arias, sprach von "Wahlbetrug". Darunter versteht er die zuletzt "ungesetzliche Wahlpropaganda" der Befürworter, finanziert mit einer "Kaskade von Geld der Regierungen von Costa Rica und den USA". Ähnliche Äußerungen sind in San José derzeit oft zu hören. Denn in den letzten Tagen vor der Abstimmung, als bereits jegliche Werbung gesetzlich verboten war, starteten die Befürworter eine massive Angstkampagne, mit Unterstützung von Präsident Arias und des Weißen Hauses in Washington. Sie warnten vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und der Abwanderung der Exportbetriebe. Die entsprechenden Interviews strahlten die von der Exportwirtschaft kontrollierten Fernsehsender Costa Ricas nahezu pausenlos aus, bis zum Abstimmungstag.
Die Gegner des Abkommens, die vor allem aus den Universitäten, den Gewerkschaften und den Kirchen kommen, haben ihre Niederlage bisher nicht eingeräumt. Eugenio Trejos, Wissenschaftler und Führer der Neinbewegung, kündigte "passiven und patriotischen Widerstand" an, solange nicht "Stimme für Stimme" nachgezählt werde. Diese Nachzählung ist laut Wahlbehörde bereits in Gang und wird in rund einer Woche abgeschlossen sein. Dann erst wird die Ratifizierung Gesetzeskraft erlangen. Mit Blick auf dann mögliche Straßenproteste hat der Leiter der Wahlbehörde, Luis Antonio Sobrado, die Freihandelskritiker bereits dazu aufgerufen, "den Weg der Legalität" einzuhalten.
Die aufgeheizte Stimmung könnte für Präsident Arias, Friedensnobelpreisträger von 1987, zum Stolperstein werden. Denn er ist auch nach dem Referendumssieg auf die Mitarbeit der Opposition angewiesen. Arias muss die im Freihandelsabkommen vorgesehenen Reformen des Wohlfahrtsstaates durchsetzen. Bisher sorgt in Costa Rica der Staat für eine umfassende Sozialversicherung sowie eine flächendeckende Versorgung mit Schulen, Strom und Telefon. Die Bürger erfreuen sich eines für Lateinamerika ungewöhnlich starken sozialen Ausgleichs. Investoren aber klagen über ausufernde Bürokratie und Korruption.
Dreizehn Gesetzesvorlagen, die nicht Gegenstand der Referendumsabstimmung waren, muss das Parlament darum jetzt durchbringen. Dazu zählen die Liberalisierung von Strom-, Telefon- und Versicherungsbranchen. Der von den USA in das Abkommen eingebrachte schärfere Patentschutz dürfte zudem höhere Medikamentenpreise verursachen. Kommen die Gesetze nicht bis nächsten März durch, tritt in Costa Rica trotz Ratifizierung das Abkommen nicht in Kraft.
"Es wird kein (Freihandels-)Abkommen geben, wenn die Gesetze nicht angenommen werden", sagt Edgar Sánchez, einer der Initiatoren der Nein-Kampagne. Der Anwalt spielt damit auf die wackelnde Regierungskoalition an. Die Partei von Präsident Arias verfügt nur über 25 der 57 Parlamentssitze. Von den weiteren 12 Abgeordneten der losen Koalitionspartner sind nach dem Referendum bereits sechs auf Distanz zu Arias Freihandelskurs gegangen. Damit hat die parlamentarische Opposition genügend Macht, um die Gesetzesreformen entweder bis zum Sankt-Nimmerleinstag zu verzögern - oder aber dem Präsidenten weitgehende Zugeständnisse abzuringen.
Auch auf der Straße muss sich der Präsident und Freihandelsbefürworter Arias auf Widerstand gefasst machen. Denn die Gewerkschaften des Landes, alle Gegner des Freihandelsabkommens, verfügen über Mobilisierungspotenzial. Anfang Oktober demonstrierten bereits 150.000 Menschen gegen das Abkommen, die größte Kundgebung in der Geschichte des Landes.
Costa Ricas Ringen um den Freihandel hat auch Signalwirkung für andere Länder Lateinamerikas. Im US-Kongress stehen derzeit Abkommen mit Kolumbien, Peru und Ecuador zur Ratifizierung an.
Sieben Staaten umfasst das Freihandelsabkommen Mittelamerikas mit den Vereinigten Staaten. In sechs davon ist es bereits ratifiziert und teilweise in Kraft, nämlich in den USA, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und dem ebenfalls eingebundenen Karibikstaat Dominikanische Republik.