Libanon
Zweiter Anlauf für Präsidentenwahl am 23. Oktober
Am Dienstag kommender Woche wollen sie sich wieder im Parlament einfinden. Doch dass die libanesischen Abgeordneten bereits dann einen neuen Präsidenten wählen, glaubt in der Zedernrepublik eigentlich niemand. Warum auch? Bis zum 24. November noch läuft das Mandat von Amtsinhaber Emile Lahoud.
Zeit genug also, meinen viele, um sich auf einen für Regierungsmehrheit wie Opposition akzeptablen Konsenskandidaten zu einigen. Ursprünglich sollte der Präsident am 25. September gewählt werden. Nachdem aber weniger als 85 der 128 Abgeordneten zur Sitzung erschienen waren, wurde die Wahl verschoben.
Angesichts der tiefen Gräben, die zwischen der von Parlamentspräsident Nabih Berri und dem Generalsekretär der schiitischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, geführten Opposition sowie der von den USA und der EU unterstützten Parlamentsmehrheit liegen, läuft der politischen Klasse die Zeit aber davon. Daran ändert auch die Annäherung von Nabih Berri und dem Mehrheitsführer, Saad Hariri, nach der ersten Parlamentssitzung nach über einem Jahr Ende September nichts. Zwar beteuerten beide, bis zum Ablaufen der Amtszeit Lahouds eine Lösung zu finden, die das Land vor einer institutionellen Krise bewahren werde. Doch die Hardliner auf beiden Seiten haben längst andere Töne angeschlagen.
So brachte Nasrallah in einer Rede zum Al Quds-Tag die Direktwahl des Präsidenten ins Gespräch - was eine deutliche Abkehr vom sorgfältig austarierten konfessionellen Proporzsystem des Landes bedeutete. Demnach ist der Präsident immer ein maronitischer Christ, der Parlamentspräsident ein Schiit und der Regierungschef ein Sunnit. Nasrallahs Kalkül ist leicht durchschaubar: Sein wichtigster maronitischer Verbündeter, Exgeneral Michel Aoun, würde mit den Stimmen der Hisbollah-Wähler sicherlich eine Mehrheit erzielen. Da der Präsident aber vom Parlament bestimmt wird und im ersten Wahlgang eine Zweidrittelmehrheit hinter sich vereinen muss, ist Aoun de facto aus dem Rennen. Doch auch die von Hariri, Siniora und Hardlinern wie dem Vorsitzenden der Forces Libanaises (FL), Samir Geagea, und dem Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP), Walid Jumblatt, repräsentierte Regierungsmehrheit verfügt nur über 68 Sitze.
Deshalb geht es nun darum, einen Konsenskandidaten zu finden, der für Opposition wie Regierung akzeptabel wäre - wenn möglich, bis zur Sitzung am 23. Oktober, spätestens aber bis zum 24. November. Der derzeitige Oberbefehlshaber der Armee, Michel Sleiman, wird immer wieder genannt, ebenso der Zentralbankchef, Riad Salameh.
Was passiert, wenn kein Konsenskandidat gefunden werden sollte, haben die Hardliner auf Seiten der Regierungsmehrheit bereits erklärt: Sie wollen mit einfacher Mehrheit einen ihrer Kandidaten durchbringen. Doch bis es soweit ist, bleibt noch viel Zeit zum Reden. Das nächste Mal am 23. Oktober im Parlament.