Birma
Die Militärjunta reagiert mit Massenverhaftungen auf Proteste
Der stille Aufstand der buddhistischen Mönche gegen die Militärdiktatur in Birma hat die Welt nicht lange erschüttert. Als die Junta zuschlug, Klöster und Pagoden abriegeln, eine unbekannte Zahl von Mönchen umbringen und Tausende verhaften ließ, da flackerte nur kurz Empörung auf. Die Medien wichen der brutalen Gewalt, wobei gerade ihre Beharrlichkeit gefragt ist, um die Militärs in Myanmar, ehemals Birma, weltweit unter Beobachtung zu halten und die Macht der Bilder gegen die Gewalt der Waffen zu setzen. Denn nichts fürchten Diktatoren mehr als eine kritische Öffentlichkeit.
Die Vereinten Nationen begnügten sich mit der Entsendung des Sonderbeauftragten Ibrahim Gambari, dem immerhin gestattet wurde, die unter Hausarrest stehende Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zweimal zu treffen. Dass dann die Junta den stellvertretenden Arbeitsminister Aung Kyi als Verbindungsmann für die unter Bedingungen angebotenen Gespräche mit der Oppositionsführerin ernannte, bezeichnen Dissidenten als puren Aktionismus. Wie wenig die Junta an einer Entspannung der Lage interessiert ist, beweist ihr andauerndes, hartes Vorgehen gegen vermeintliche Anstifter der Proteste. Auf deren Höhepunkt hatten rund 100.000 Mönche und Zivilisten gegen das Regime demonstriert.
Eine Resolution des Sicherheitsrates wurde auf Druck Pekings stark abgemildert; der Text "verurteilt" nicht mehr die "gewalttätige Niederschlagung der friedlichen Proteste" in Birma, sondern "bedauert" sie nur noch. Ganz entfallen ist die Drohung mit "weiteren Schritten". Das zeigt, dass den Vereinten Nationen die Hände gebunden sind, wenn eines ihrer mächtigsten Mitglieder seine vitalen Interessen ins Spiel bringt. Die Volksrepublik China hätte als einzige Macht die birmanischen Generäle zur Ordnung rufen können; stattdessen halten die Chinesen den Machthabern den Rücken frei. Ohne kräftige Finanzspritzen wäre die seit 45 Jahren regierende Junta in Birma längst am Ende. Doch Peking schert sich nicht um Menschenrechte, wenn riesige Rohstoffvorkommen vor der Tür liegen und handfeste wirtschaftliche Interessen überwiegen.Die Volksrepublik China scheint gewillt, den schmalen Weg zwischen wirtschaftlicher Vorteilsnahme und dem Risiko, immer öfter auf der internationalen Anklagebank zu landen, um jeden Preis gehen zu wollen. Die politischen Führer in Peking müssen sich aber darüber im Klaren sein, dass sie nicht auf Dauer als "global player" auftreten können, der seine eigenen Regeln festlegt. Eine solche Rolle kann heute nur spielen, wer bereit ist, auch globale Verantwortung zu übernehmen. Und dazu gehört, demokratische Bewegungen und eine entsprechende Regierungsführung ("good governance") zu unterstützen.
Je näher die Olympischen Spiele in China rücken, desto stärker dürfte der politische Druck auf Pekings Führung werden. Ausrichter der Spiele für die Jugend der Welt und gleichzeitig Handelspartner der Parias unter den Nationen zu sein, das passt nicht zusammen. Birmas Mönche drohen schon mit einem Aufruf zum Boykott der Olympischen Spiele, wenn China weiter sein Veto im Weltsicherheitsrat einlegen sollte.
Vorerst aber hat es nicht den Anschein, dass sich China bewegen wird. Im Gegenteil: Es baut stetig seinen Einfluss sowohl in zahlreichen Staaten Afrikas als auch in Südostasien aus. In Birma, aber auch in Laos und Kambodscha pumpt China Jahr für Jahr Milliarden Dollar in Straßen und Häfen, in Staudämme und repräsentative Regierungsgebäude. Selbst noch Empfängerland, leistet Peking stetig steigende Entwicklungshilfe und knüpft an diese Hilfe so gut wie keine Bedingungen. Anders als der Westen nämlich pocht China weder auf die Einhaltung von Umweltstandards, noch wird die Bekämpfung von Korruption eingefordert.
Für durch und durch korrupte Regime wie Birma und Kambod-scha ist China daher ein angenehmer Partner. Dabei ist der großzügige Geber natürlich daran interessiert, langfristig wichtige Märkte zu besetzen und seinen Zugriff auf Energieressourcen zu sichern. Der Energiehunger der Chinesen ist gewaltig, und er wird auch nicht so bald zu stillen sein. Dass die Volksrepublik die birmanische Militärjunta nicht im Zaum gehalten hat, liegt an diesen fundamentalen Interessen. China will für die Tankschiffe einen schnelleren Zugang zum Indischen Ozean - aus handelspolitischen, aber vor allem aus strategischen Gründen. Seinen Schiffen würde es den langen Umweg über das Südchinesische Meer ersparen.
Während sich die Generäle die Taschen vollstopfen, darben immer mehr Birmanen. Ein Drittel lebt unter der Armutsgrenze und muss von einem Dollar am Tag leben. Höhere Lebensmittel-, aber vor allem höhere Benzinpreise waren der Auslöser der Demonstrationen gegen die Junta, die zugleich über riesige Gas- und Ölvorkommen herrscht. Die Bestände sollen sich nach offiziellen Angaben auf 2,5 Billionen Kubikmeter Gas und 3,2 Milliarden Barrel Öl be-laufen. Daneben wird das begehrte Tropenholz exportiert - wie viel davon illegal über die Grenzen verschoben wird, weiß niemand genau.
Dass der Reichtum des Landes in Gestalt von Rohstoffen nicht bei den Menschen ankommt, ist eine Entwicklung, die stark an Nigeria erinnert. Mit dem Öl wuchs die Kluft zwischen den habgierigen Politikern, die Milliarden ins Ausland schafften, und der verarmenden Bevölkerung. Vielen Entscheidungsträgern im Westen ist nicht bewusst, dass Wirtschaftssanktionen - oft als einziges Mittel angesehen - die Bevölkerung am härtesten treffen und nicht die Machthaber.