Pakistan
Pervez Musharraf hat die Präsidentenwahl gewonnen - vorerst jedenfalls
Echte Wahlsieger sehen anders aus: Zwar hat das pakistanische Parlament Präsident Pervez Musharraf am 6. Oktober mit klarer Mehrheit in seinem Amt bestätigt, doch der General ist acht Jahre nach der unblutigen Machtübernahme politisch angeschlagen. Bedrängt von Protesten der Opposition und dem Aufstand militanter Islamisten sucht er die Kooperation mit seinen früheren Gegnern. Außerdem hängt seine politische Zukunft von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Pakistans ab. Die Richter müssen entscheiden, ob die Kandidatur des 64-jährigen Generals überhaupt verfassungsgemäß war. Mit dem Richterspruch wird erst nach dem 17. Oktober gerechnet. Solange bleibt Musharrafs Sieg rechtlich in der Schwebe.
Nach offiziellen Angaben erhielt Musharraf 252 der 257 Stimmen im Parlament. Außerdem soll er Regierungsangaben zufolge 99 Prozent der abgegebenen Stimmen in den vier Provinzversammlungen gewonnen haben. Allerdings hatten rund 30 Prozent der Abgeordneten vorher aus Protest gegen die Kandidatur Musharrafs ihre Mandate niedergelegt.
Für den 18. Oktober hat zudem Ex-Premierministerin Benazir Bhutto ihre Rückkehr aus dem selbstgewählten Exil in London angekündigt. Seit Monaten haben ihre Vertrauensleute mit Islamabad über die Modalitäten ihrer Heimkehr und einen Machtdeal zwischen ihr und Musharraf verhandelt. Die einstige Rivalin soll die liberale Opposition des Landes hinter sich versammeln und der Regierung in Islamabad demokratische Legitimität verschaffen, die sie im Antiterrorkampf dringend braucht.
Bhutto war bereits zweimal - von 1988 bis 1990 und von 1993 bis 1996 - Regierungschefin in Pakistan. Seither kämpft sie gegen Korruptionsvorwürfe, die ihre politische Glaubwürdigkeit stark belasten. Sie verlangt, dass alle Anklagen gegen sie fallen gelassen werden, wenn sie zurückkehrt. Zahid Hussain Khalid, Journalist in Islamabad, ist über den Machtpoker zwischen Bhutto und Musharraf nicht begeistert. Er werde allgemein als "ein Deal zwischen einem sehr unbeliebten Diktator und einer korrupten Politikerin" angesehen, sagte er der BBC.
Unklar ist, wie die Machtaufteilung zwischen Bhutto und Musharraf überhaupt aussehen könnte. Unter dem wachsenden Druck hat sich Musharraf bereit erklärt, seine Funktion als Armeechef aufzugeben, wenn er wie geplant Mitte November für weitere fünf Jahre als Präsident vereidigt wird. Wie ernst er das wirklich meint, muss sich allerdings noch zeigen.
Falls das Gericht Musharrafs Wahl als Präsident absegnet, fürchten manche Beobachter ähnliche Zeiten wie zwischen 1985 und 1999. Damals hatte sich das Militär das Sonderrecht vorbehalten, den Premierminister und die Regierung abzusetzen. Fünf Zivilregierungen wurden in dieser Zeit aufgelöst, durchschnittlich hielt keine länger als drei Jahre, dabei hatten alle eine komfortable Mehrheit im Parlament. Bhutto verlangt daher, dass das Recht des Präsidenten, die Regierung aufzulösen, abgeschafft wird.
Und auch die Frage nach der Loyalität des Militärs bleibt. Wird es Musharraf auch ohne Uniform weiter unterstützen? Seinen größten Einfluss verdankt Musharraf der Armee, die die Institutionen des Landes beherrscht. Die Macht des Militärs ist das Kernproblem Pakistans: Zu diesem Schluss kommt Frederic Grare von der US-Stiftung Carnegie Endowment for International Peace in einem Bericht vom Juli dieses Jahres. Doch eine tragfähige demokratische Alternative ist auch nicht in Sicht. Von alten, abgehalfterten Führungskräften, die schon zu ihrer Regierungszeit in Misskredit geraten sind, ist kaum Kraft für eine demokratische Erneuerung zu erwarten. So wird die politische Krise auch nicht ausgestanden sein, wenn das Gericht schließlich grünes Licht für Musharraf gibt und ein Deal zwischen Bhutto und Musharraf zustande kommt. Die Proteste der Opposition werden weitergehen, und die Extremisten werden weiter versuchen, das Land mit Terror und Gewalt in die Knie zu zwingen. Wirkliche Siege sehen wahrlich anders aus.