Kinderbetreuung
Ein Sondervermögen macht den Weg frei für den Kita-Ausbau
Es gibt Themen, die haben das Potenzial, zu Glaubenskämpfen zu führen. Dazu gehört ganz sicher die Kinderbetreuung - im ganzen Land wird mit mehr oder weniger einsichtigen Argumenten darum gestritten, ob kleine Kinder in Kindertageseinrichtungen gut oder schlecht betreut werden und ob es für das Kindeswohl besser ist, wenn Mama morgens ins Büro geht oder daheimbleibt.
Gelegentlich entsteht dabei der Eindruck, als gehe es beim geplanten Ausbau der Kinderbetreuung darum, dass demnächst alle unter Dreijährigen zum Krippenbesuch zwangsverpflichtet werden sollen. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass dieses Szenario wohl weder mittel- noch langfristig zu befürchten ist: Auf eine bundesweit durchschnittliche Versorgungsquote von 35 Prozent sollen die Betreuungsplätze für die Kleinsten aufgestockt werden. Konkret heißt das: Die Zahl der Betreuungsplätze in Kinderkrippen oder bei Tagesmüttern sollen auf rund 750.000 verdreifacht werden. Damit dies gelingen kann, haben die Koalitionsfraktionen am 11. Oktober einen Gesetzentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens "Kinderbetreuungsausbau" vorgelegt ( 16/6596 ).
Noch in diesem Jahr soll der Bund ein solches Sondervermögen in Höhe von 2,15 Milliarden Euro einrichten. Daraus sollen Investitionen zum Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren gefördert werden. Geplant ist außerdem, dass der Bund von 2009 bis 2013 in steigenden Jahresbeträgen von insgesamt 1,85 Milliarden die laufenden Betriebsausgaben der Kindertagesstätten bezuschusst, ab 2013 sollen jährlich 770 Millionen Euro des Bundes für die Betriebskosten fließen. Von da an soll es auch einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz geben. Die Länder können das Geld ab 2008 abrufen und damit Betreuungseinrichtungen neu bauen, instandsetzen oder besser ausstatten. Welches Land wieviel Geld bekommt, soll sich nach der Anzahl der unter Dreijährigen in den Ländern richten.
Es sei eine "wirklich heroische gemeinsame Aufgabe" gewesen, sich auf den Ausbau der Kleinkinderbetreuung zu einigen, sagte Ursula von der Leyen (CDU) im Bundestag. Die Bundesfamilienministerin, die in den vergangenen Monaten für ihr Vorhaben auch viel Kritik aus den eigenen Reihen auf sich gezogen hat, hob hervor, durch die gewählte Art der Finanzierung werde keine Familie belastet - wie es durch Ehegattensplitting, Kindergeldkürzung oder Steuererhöhungen geschehen wäre.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) bezeichnete das Vorhaben als "vorsorgende Sozialpolitik" und einen "Beitrag zur Sicherung des Wohlstands in Deutschland". Ein Ausbau der Kinderbetreuung sorge dafür, dass mehr Frauen erwerbstätig sein könnten und sich mehr Familien für Kinder entschieden. Die Gesellschaft tue sich "keinen Gefalen", wenn sie Frauen nicht dabei helfe, sich beruflich zu entwickeln.
In der Diskussion um den Gesetzentwurf hatte sich insbesondere die CSU immer wieder für ein Betreuungsgeld eingesetzt, das auch an Eltern gezahlt werden solle, die ihre Kinder zu Hause erziehen. Ein entsprechender Passus hat in den Entwurf zwar nun Eingang gefunden - wie hoch diese monatliche Zahlung sein soll, ist darin aber nicht festgelegt. Familien müssten auch finanziell eine Wahlfreiheit haben, unterstrich der Unions-Familienexperte Johannes Singehammer (CSU). Auch die Familienministerin bekräftigte, der Betreuungsausbau dürfe nicht in einen Widerspruch zur häuslichen Erziehung gebracht werden. "Das Elternhaus ist unersetzlich", so von der Leyen, die Erziehung durch Mutter und Vater "einzigartig und kostbar".
Bei der Opposition stieß das Betreuungsgeld dagegen auf Widerstand. Obwohl FDP, Linksfraktion und Grüne den Ausbau der Kinderbetreuung unterstützen, kritisierten sie den Zeitplan der Regierung. Krista Sager (Grüne) forderte, der Rechtsanspruch müsse schon ab 2010 kommen und durchgängig bis zum Schuleintritt gelten. Auch Diana Golze (Linkspartei) beklagte, dass sowohl der Ausbau der Betreuung als auch der Rechtsanspruch eine zu lange Anlaufzeit hätten. Grüne und Linksfraktion haben eigene Anträge ( 16/6601 , 16/6607 ) vorgelegt, in denen die Politik der Regierung als "noch unausgegoren und zu zaghaft" bezeichnet wird.
In der Debatte kündigte der Finanzminister an, auch Länder und Kommunen stärker in die Pflicht zu nehmen. Sie hätten "erkennbar größere Spielräume" als der Bund, so Steinbrück. Er garantiere, dass das Geld auch da ankommen werde, wo es hingehöre und dass die Regierung den Geldstrom an die Länder kontrollieren werde. Die FDP sprach sich dafür aus, das Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung direkt an die Kommunen zu geben, da diese dafür verantwortlich seien. Otto Fricke, FDP-Haushaltspolitiker, sagte: "Die Länder haben hier die klebrigen Finger."
Aktuell (Stand 2006) besuchen in Deutschland 13,6 Prozent der unter Dreijährigen eine Tageseinrichtung oder werden in Tagespflege betreut. Nach wie vor ist dabei das Ost-West-Gefälle gravierend: Werden in den östlichen Ländern 39,7 Prozent der Kinder derart betreut, sind es in den westlichen Ländern nur acht. Und auch für die, die schon betreut werden, will von der Leyen etwas tun: In einem nächsten Schritt werde sie sich dafür einsetzen, dass die Qualität der Betreuung weiter verbessert werde, kündigte sie schon einmal an.