Hasenfüßlertum, Rolle rückwärts, Linksruck - die SPD will die Agenda 2010 beerdigen. Mit Blick auf kommende Wahlen und die offenkundige Sehnsucht des Volkes nach sozialen Wohltaten möchten Kurt Beck und große Teile der Sozialdemokratie die Zahldauer des Arbeitslosengeldes I wieder verlängern. Damit fegt der SPD-Parteichef alles weg, was seine Partei mit großen Schmerzen unter Gerhard Schröder auf den Weg gebracht hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen es hieß, das Sozialsystem müsse umgebaut werden, damit es überhaupt bezahlbar bleibt.
Kurt Becks Vorschlag mag zwar aus parteitaktischen Gründen nachvollziehbar sein, doch von der Sache her ist der SPD-Chef auf dem Holzweg. Denn die Agenda 2010 belebt den Arbeitsmarkt. Die Erwerbsquote der über 55-Jährigen ist inzwischen wieder angestiegen: von 37,9 Prozent im Jahr 2001 auf 48,4 Prozent in 2006. Wird die Dauer des Arbeitslosengeldes I verlängert, werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer in alte Verhaltensmuster zurückfallen, die den Staat teuer zu stehen kämen. Damals überbrückten Ältere oft per Arbeitslosengeld und -hilfe die Zeit bis zur Rente. Viele Unternehmen haben so auf Kosten der Allgemeinheit Beschäftigte entlassen.
Hinter der aufgeregten Debatte steht die Frage: Was ist sozial? Wie sieht die richtige Mischung aus beim Fördern und Fordern? Sicher, die Hartz IV-Sätze sind Magerkost und es gibt bedauerliche Einzelschicksale. Doch ich meine, es ist Menschen zuzumuten, kurzzeitig von Hartz IV zu leben - das sind rund 50 Prozent der Empfänger. Problematisch sieht es aber bei den bildungsarmen Langzeitarbeitslosen aus, die so gut wie chancenlos sind. Hier ist die Politik in der Pflicht, diese Gruppe durch eine vorsorgende Sozialpolitik möglichst klein werden zu lassen.