Universitäten
Eine Abrechnug mit dem deutschen Hochschulsystem
In Zeiten, in denen verstärkt über die Qualität deutscher Hochschulen diskutiert wird, drängt sich die Frage nach der Qualität des Lehrpersonals geradezu auf. Glaubt man dem BWL-Professor Uwe Kamenz und seinem Co-Autor Martin Wehrle, einem Journalisten und Unternehmensberater, dann sind Deutschlands Hochschulen ein Hort von Faulpelzen, Absahnern, Betrügern und Versagern im steuerfinanzierten Dienst der Wissenschaft. Nun sind die Verfasser der polemischen Betrachtung mit dem schmissigen Titel "Professor Untat" weder professionelle Ermittler noch können sie sich auf eine gesicherte Datenbasis stützen. Letzteres liegt in der Natur der Sache, denn Deutschlands Professoren arbeiten weitgehend unkontrolliert.
Es gibt also keine statistischen Erhebungen darüber, wie viele Hochschullehrer ihr Gehalt durch Nebenverdienste aufbessern, die Lehre vernachlässigen und ihre Doktoranden ausbeuten. Also greifen die Autoren auf Beschwerden in Internetforen oder gerichtsbekannte Fälle zurück, zitieren Rechnungshofberichte und Presseartikel. Dass nach ihrer Schätzung 50 Prozent der 38.000 bundesdeutschen Hochschullehrer ihre Aufgaben in Forschung und Lehre zugunsten lukrativer Nebentätigkeiten vernachlässigen, mag man glauben oder nicht.
Der boulevardeske Schreibstil mit Tendenz zum Generalverdacht und Pauschalurteilen ist sicherlich nicht geeignet, den intelligenten Leser für alle Gedankengänge der Autoren zu begeistern. Doch der investigative Scoop der Autoren entlarvt immerhin die Möglichkeiten, sich das System Hochschule auch über das rechtlich zulässige Maß hinaus für eigene Interessen nutzbar zu machen.
Mit einer fingierten Stellen-Anzeige in der Wochenzeitung "Die Zeit" suchte ein Unternehmen Professoren, die sich "durch ihren Hochschulberuf nicht ausgelastet fühlen" und bereit wären, gegen "erstklassige Dotierung" zwei bis drei Tage in der Woche als Berater und Repräsentant zur Verfügung zu stehen. Eigentlich dürfen Professoren höchstens einen Tag in der Woche mit Nebentätigkeiten verbringen. Gleichwohl meldeten sich 44 Interessenten, darunter sogar der Präsident einer Fachhochschule; manche nutzten gleich Briefbogen und Frankiermaschine ihrer Hochschule und stellten bereitwillig die Einbindung ihrer steuerfinanzierten Büroeinrichtung samt Personal für die private Nebentätigkeit in Aussicht.
28 Medizinprofessoren der Berliner Charité haben jeweils jährliche Nebenverdienste von einer halben bis mehr als einer Million Euro. Das wurde durch eine parlamentarische Anfrage der Grünen bekannt. Dass die Behandlung von Privatpatienten wegen der Nutzung steuerfinanzierter Einrichtungen im Universitätsklinikum zu einem finanziellen Ausgleich an die Hochschule verpflichtet, scheint allerdings nur auf dem Papier zu stehen. Der niedersächsische Rechnungshof jedenfalls hat in seinem Bericht von 2006 festgestellt, dass die dortigen Hochschulkliniken jahrelang nichts unternommen haben, das ihnen zustehende Geld von den Professoren einzutreiben.
Alles Einzelfälle, mag man einwenden, so auch die Beispiele für eklatante Vernachlässigungen der Betreuung von Doktoranden, für moralisch bedenkliche einseitige gutachterliche Stellungnahmen unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Neutralität oder äußerst einfallsreiche Strategien, sich der Lehr- oder Forschungsverpflichtung zu entziehen. Doch vielleicht liegt der Fehler im System und kann durch einige Ergänzungen wettgemacht werden.
Die Autoren schlagen am Ende ihres Buches ein Zehn-Punkte-Programm zur Verbesserung der Lehr- und Forschungsqualität an deutschen Hochschulen vor. Öffentlicher Druck durch Professoren-Rankings in Internetforen, die Forderung nach Entzug des Professorentitels und der Forschungsgelder bei erwiesener Vernachlässigung der Berufspflichten und mehr Mittel durch Stiftungsgelder für aktive und innovative Hochschullehrer gehöre dazu.
Professor Untat. Was faul ist hinter den Hochschul-kulissen.
Econ-Verlag, Berlin 2007; 282 S., 18 ¤