LUFTFAHRTINDUSTRIE
Um auf dem globalen Markt zu bestehen, müssen Zulieferer Systemlösungen bieten
Wenn es ein Omen war, dann ein schlechtes: drei Teilnehmer der öffentlichen Anhörung des Bundestags-Wirtschaftsausschusses zur Zukunft der deutschen Luftfahrtindustrie kamen am 8. Oktober entweder verspätet oder gar nicht in Berlin an - der Flieger startete nicht pünktlich.
In erster Linie interessierte die Abgeordneten, wie sich die kleinen und mittelständischen Zulieferer vor allem für Airbus auf den verschärften globalen Wettbewerb vorbereiten und was die Politik dazu beitragen kann. Und dies vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen bei Airbus, dessen Mutterkonzern EADS die Werke in Varel, Nordenham und Augsburg im Paket an einen Investor verkaufen will. Bereits im Februar hatte Airbus das Sanierungskonzept "Power 8" erstellt mit dem Ziel, 10.000 Stellen in Europa einzusparen und Werke zu verkaufen.
Diese Umwälzungen stellen die Zulieferer vor große Herausforderungen. So müssen sie bei Ausschreibungen der großen Hersteller Systemlösungen anbieten können, was einzelne Firmen überfordert. Kooperationen sind vonnöten, die bis hin zu Fusionen gehen können, um sich am Markt weiterhin behaupten zu können. Nach Auffassung von Dietmar Schrick vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) müssen sich die Anbieter in Deutschland gemeinsam so aufstellen, dass sie ihre Fähigkeiten bündeln können. Die Diskussion, wer sich "mit wem zusammentut", werde vom BDLI bereits moderiert. Schrick stellt bei den Betroffenen durchaus Kooperationsbereitschaft fest, um bei Airbus weiterhin im Spiel zu bleiben. "Die kleineren Unternehmen sind gut aufgestellt, weltweit aber in Nischen tätig", sagte Schrick vor dem Wirtschaftsausschuss. Wer beim amerikanischen Flugzeugbauer Boeing ins Geschäft kommen will, brauche einen langen Atem von fünf bis sieben Jahren.
Die wirtschaftliche Großwetterlage ist günstig: Die zivile Luftfahrt kann in den nächsten 20 Jahren mit einem jährlichen Wachstum beim Passagieraufkommen von etwa fünf Prozent rechnen. Dazu werden nach Angaben des BDLI mehr als 20.000 neue Verkehrsflugzeuge in diesem Zeitraum benötigt. In den kommenden fünf bis acht Jahren wird mehr als die Hälfte des gesamten Marktvolumens bei den Flugzeugausrüstungen neu ausgeschrieben.
Drei bis vier größere, international leistungsfähige Anbieter sollte es in Deutschland nach den Vorstellungen des BDLI geben. Sie müssten technologisch an der Weltspitze liegen, vor allem bei den Avionik- und Kabinensystemen und kleinere und mittelständische Zulieferer einbinden.
Einer dieser Zulieferer ist die Liebherr-Aerospace Lindenberg GmbH, die 60 Prozent ihrer Produkte an Airbus liefert, aber auch Boeing als Kunden hat. Ein Problem für solche Unternehmen ist der aktuell hohe Euro-Kurs von 1,40 US-Dollar. Bei diesem Kurs müssten die Europäer um 30 Prozent effizienter sein als ihre amerikanische Konkurrenz, um einen Boeing-Auftrag zu ergattern, sagte Georg F. Rayczyk als Vertreter des Unternehmens. "Da stellt sich die Frage: Wie lange halte ich das durch?" Rayczyk schlug im Übrigen vor, für die Zulieferindustrie etwas Vergleichbares wie Hermes-Bürgschaften zur Absicherung von Exportrisiken einzuführen. Die deutschen Zulieferer trügen erhebliche Risiken, indem sie etwa die Entwicklungskosten vorfinanzieren müssten. Eine staatlich angebotene "Risikominimierung" könnte es den kleineren Unternehmen erleichtern, sich auf den globalen Märkten bei Ausschreibungen zu engagieren.
Ihren Jahresumsatz von etwa 2 Milliarden Euro macht die Diehl Stiftung und Co. KG aus Nürnberg zu 60 Prozent im Ausland. Der Vorstandsvorsitzende Thomas Diehl erinnerte daran, dass Frankreich 140 Millionen Euro für seine Zulieferindustrie bereitgestellt habe, um die Folgen verspäteter Rückflüsse aufgrund der Verzögerungen beim Bau des Airbus-Großraumflugzeugs A380 zu mildern. Die Erfahrungen mit dem A380 haben laut Diehl dazu geführt, dass die Firmen beim künftigen Airbus A350 zögerlich seien. Der A350 ist das nächste Großraumflugzeug, das ab 2013 ausgeliefert werden soll. Jetzt, wo die Vorfinanzierung des A350 ansteht, herrsche bei den Zulieferern Unsicherheit, sagte der Unternehmer.
Wenn es darum geht, was die Politik für die Branche tun kann, fällt rasch das Stichwort Forschungsförderung. So müsse das Luftfahrtforschungsprogramm der Bundesregierung langfristig gesichert sein, schreibt der BDLI in seiner Stellungnahme für den Wirtschaftsausschuss. Darüber hinaus schlägt er rückzahlbare Darlehen und Finanzhilfen sowie Bürgschaften vor, um den erforderlichen Strukturwandel bei den Zulieferern zu bewerkstelligen.
Für die deutsche Triebwerksindustrie ist die "Launch Aid" genannte staatliche Anschubfinanzierung für den A350 angesichts der US-Dominanz auf dem Markt wichtig. Damit könnten die Risiken bei Neuentwicklungen abgesichert werden, wie Udo Stark, der Vorstandsvorsitzende der Münchner MTU Aero Engines, deutlich machte. Und die Gewerkschaften? Für Rüdiger Lütjen vom EADS-Gesamtbetriebsrat kommt es darauf an, die deutschen Produktionsstandorte langfristig zu sichern. Dazu sei er im Management auf der Suche nach Mitstreitern, sagte Lütjen.